Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Aug. 2013 - 1 StR 378/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) unter Erstreckung auf den Mitangeklagten P. dahingehend abgeändert, dass die Angeklagten der bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen eines verbotenen Gegenstandes schuldig sind,
b) aufgehoben, aa) soweit es den Angeklagten S. betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu getroffenen Feststellungen, bb) bezüglich des Angeklagten P. mit den Feststellungen im Strafausspruch und im Ausspruch über den Vorwegvollzug. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten und den nicht revidierenden Angeklagten P. jeweils wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz eines verbotenen Gegenstandes in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen eines verbotenen Gegenstandes verurteilt. Den Angeklagten hat es deswegen mit einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten belegt. Gegen den Mitangeklagten hat es eine solche von sieben Jahren verhängt sowie dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bei Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten angeordnet.
- 2
- Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
II.
- 3
- 1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 17. Juli 2013 ohne Erfolg.
- 4
- 2. Das Urteil hat allerdings keinen Bestand, soweit der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Insoweit entbehrt der Schuldspruch einer ihn tragenden rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
- 5
- a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kam der Angeklagte mit dem Mitangeklagten P. überein, mit dem Pkw des Angeklagten von Erfurt aus nach Cheb (Tschechien) zu fahren, um dort Methamphetamin für den gewinnbringenden Weiterverkauf im Inland zu erwerben. In Umsetzung dieses Plans erstand P. dort 38,38 g Methamphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 15,66 g Methamphetaminbase. Er füllte die Drogen in die Kunststoffverpackungen von drei Überraschungseiern, zog darüber jeweils Kondome und führte sich die Verpackungen rektal selbst sein. Dieses Vorgehen von P. war dem Angeklagten bekannt. Bei der Wiedereinreise wurden die Angeklagten kontrolliert und die Drogen entdeckt. Auf dem Asia-Markt hatten beide Angeklagte zudem jeweils einen Schlagring erworben. Die Ringe verwahrten sie während der Rückfahrt im Fahrzeuginneren in einer an der Rückseite des Beifahrersitzes angebrachten Tasche.
- 6
- b) Seine in den Feststellungen zum Ausdruck kommende Überzeugung, der Angeklagte habe gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten P. Methamphetamin erworben und in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt, um damit gewinnbringend Handel zu treiben, stützt das Tatgericht einerseits auf die desolate wirtschaftliche Situation beider Angeklagter sowie andererseits auf die Preisspanne zwischen dem jeweils näher festgestellten Einkaufspreis des Methamphetamins in Tschechien und dem in Erfurt erzielbaren Verkaufspreis sowie der aus dieser Differenz folgenden Gewinnspanne (UA S. 15 f.). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend aufgezeigt hat, bieten diese vom Landgericht herangezogenen Indizien keine ausreichende Grundlage für die Feststellung, der Erwerb der Drogen in Tschechien habe für den Angeklagten dem gewinnbringenden Weiterverkauf und damit dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gedient.
- 7
- Zwar muss das Revisionsgericht die subjektive Überzeugung des Tatrichters von dem Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen (Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 177 mwN). Ebenso ist es ihm verwehrt, seine eigene Überzeugung an die Stelle der tatgerichtlichen Überzeugung zu setzen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 20. Juni 2007 - 2 StR 161/07). Allerdings kann und muss vom Revisionsgericht überprüft werden, ob die Überzeugung des Tatrichters in den getroffenen Feststellungen und der ihnen zugrunde liegenden Beweiswürdigung eine ausreichende objektive Grundlage findet (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar2008 - 3 StR 486/07). Die entsprechenden Grundlagen müssen den Schluss erlauben , dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Deshalb müssen die Urteilsgründe des Tatgerichts erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 - 5 StR 520/01, StV 2002, 235 mwN; siehe auch KMR/Stuckenberg, StPO, § 261 Rn. 26 und 166 jeweils mit zahlr. Nachw.).
- 8
- Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Tatgerichts im Hinblick auf die für das Vorliegen der Voraussetzungen des Handeltreibens erforderlichen Feststellungen nicht gerecht. Zwar können an sich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Täters im Zusammenspiel mit der möglichen Gewinnspanne des Vertriebs von Betäubungsmitteln eine tragfähige Grundlage für die Annahme der Bestimmung erworbener Drogen für den gewinnbringenden Weiterverbrauch sein. Vorliegend trägt der vom Tatgericht gezogene Schluss angesichts der sonstigen vom ihm festgestellten Indizien als von einer „verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage“ aus gezogen aber nicht. Denn das Tatgericht hat festgestellt, der Mitangeklagte P. konsumiere täglich selbst zwischen 1 bis 1 ½ g Methamphetamin. Dementsprechend hatte P. sich eingelassen, bei der transportierten Drogenmenge von etwas mehr als 38 g Methamphetamin handele es sich um den Monatsbedarf seines Eigenkonsums. Das Urteil ist, wie der Generalbundesanwalt ausgeführt hat, in sich widersprüchlich, wenn einerseits die genannte Tageskonsummenge festgestellt wird, andererseits aber die Einlassung des Mitangeklagten, es handele sich um Drogen für den Eigenkonsum, obwohl die Gesamtmenge gerade der monatlich benötigten Menge entspricht, für nicht glaubhaft gehalten wird (UA S. 16). Dass P. sich die monatlich für den Eigenbedarf benötigten Drogen anderweitig als durch die verfahrensgegenständliche Tat beschafft hat, wurde vom Tatrichter nicht festgestellt.
- 9
- Vor diesem Hintergrund bildet allein die Differenz zwischen Einkaufsund Verkaufspreis keine tragfähige Grundlage für den Schuldspruch wegen durch den Angeklagten mittäterschaftlich betriebenen Handels mit Betäubungsmitteln. Weitere Beweisanzeichen, die allein oder im Zusammenhang mit anderen tatsächlichen Umständen als objektive Grundlage aus rationalen Gründen den Schluss auf Handeltreiben zulassen würden, finden sich nicht. Die in den Urteilsgründen wiedergegebene Einlassung des Mitangeklagten P. („Wir haben uns drüben eingedeckt“) trägt zwar den Schluss des Tatgerichts auf die Kenntnis des Angeklagten von dem Ankauf und dem Transport der Drogen durch den Mitangeklagten, gibt aber für die Merkmale des Handeltreibens nichts her.
- 10
- Zudem fehlt es, wie der Generalbundesanwalt ebenfalls zutreffend aufgezeigt hat, an Feststellungen, aus denen tragfähig auf den für das Handeltreiben erforderlichen Eigennutz des Angeklagten geschlossen werden kann.
- 11
- 3. Die im Übrigen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen über die Kenntnis des Angeklagten von dem Vorhaben des Mitangeklagten P. , Methamphetamin in Cheb zu erwerben und in die Bundesrepublik einzuführen, tragen allerdings einen Schuldspruch wegen (gemeinschaftlicher) bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Der Senat vermag auszuschließen, dass durch einen neuen Tatrichter noch Feststellungen getroffen werden können, die die Voraussetzungen des Handeltreibens tragen könnten. Er stellt den Schuldspruch daher auf bewaffnete Einfuhr mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge um. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen können.
- 12
- 4. Im Hinblick auf die Verurteilung wegen tateinheitlichen Führens und Besitzes eines verbotenen Gegenstandes hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: „Der Schuldspruch ist auch hinsichtlich der tateinheitlich verwirklichten Waffendelikte zu korrigieren. Zwar steht das Führen mit Besitz regelmäßig in Tateinheit (vgl. nur Pauckstadt-Maihold in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 180. ErgLfg, WaffG § 52, Rn. 95 m.w.N.). Wird die tatsächliche Gewalt über einen verbotenen Gegenstand aber wie hier nur außerhalb der eigenen Wohnung ausgeübt, kommt nur eine Verurteilung wegen Führens in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2009 – 3 StR 226/09, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 2). Die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes eines verbotenen Gegenstandes muss daher entfallen.“
- 13
- Dem stimmt der Senat zu.
- 14
- 5. Die vorgenommenen Änderungen im Schuldspruch ziehen die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs nach sich. Dies bedingt hier gleichfalls die Aufhebung der Feststellungen, die von dem Mangel beeinflusst sind.
- 15
- 6. Die weitergehende Revision des Angeklagten hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
III.
- 16
- Die Umstellung des Schuldspruchs ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auch auf den nicht revidierenden Mitangeklagten P. zu erstrecken.
- 17
- 1. Die vorstehend unter II.2. dargelegten rechtlichen Erwägungen, die zu der Schuldspruchänderung und der Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch in Bezug auf den Angeklagten geführt haben, müssen auch bei dem Mitangeklagten zu der entsprechenden Änderung des Schuldspruchs führen (zu diesem Maßstab Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 357 Rn. 17; SK-StPO/ Wohlers, 38. Lfg., Stand: 2004, § 357 Rn. 34 jeweils mwN). Da ersichtlich auch gegen den Mitangeklagten keine anderweitigen Erkenntnismöglichkeiten vorhanden sind, beruht die Annahme von Handeltreiben auf keiner hinreichend sicheren Tatsachengrundlage.
- 18
- Die ansonsten rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen aber auch hier die Verurteilung des Mitangeklagten wegen (gemeinschaftlicher) bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Führens eines verbotenen Gegenstandes.
- 19
- 2. Dies bedingt gleichfalls die Aufhebung des Strafausspruchs mit den Feststellungen.
- 20
- Die Anordnung der Unterbringung des Mitangeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB weist dagegen keinen Rechtsfehler auf. Diese bleibt daher bestehen. Um dem neuen Tatrichter eine auf die neu festzulegende Strafe abgestimmte Anwendung von § 67 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 StGB zu ermöglichen, bedarf es allerdings der Aufhebung der bisherigen Entscheidung über die Dauer des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe vor dem Vollzug der Maßregel gemäß § 64 StGB.
- 21
- 3. Einer Erstreckung gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangeklagten P. , in Bezug auf den die Gründe des angefochtenen Urteils gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt sind, steht die Rechtsprechung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs nicht entgegen. Dieser hat zwar in seinem Beschluss vom 25. Juni 2013 (5 StR 276/13) die Auffassung vertreten, eine Erstreckung auf einen nicht revidierenden Angeklagten komme nicht in Betracht, wenn ihn betreffend gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzte Urteilsgründe verfasst worden sind. Dem lag aber eine andere Sachverhaltskonstellation zugrunde. Abgesehen davon, dass abgekürzte Urteilsgründe bei einem nicht revidierenden Angeklagten gemäß § 267 Abs. 4 StPO stets rechtlich zulässig sind und schon deshalb einer Anwendung von § 357 StPO nicht grundsätzlich entgegenstehen können, weil anderenfalls die Vorschrift in ihrem Anwendungsbereich unangemessen eingeschränkt wäre, ist es ausgeschlossen, dass bezüglich des nicht revidierenden Mitangeklagten Gesichtspunkte denkbar sind, die den Schuldspruch stützen könnten.
IV.
- 22
- Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat zu bedenken, dass angesichts der vom ersten Tatrichter getroffenen Feststellungen über den eigenen Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten eine nähere Beschäftigung mit den Voraussetzungen der Unterbringung gemäß § 64 StGB in Betracht kommen dürfte. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zu Recht ausgeführt hat, lässt sich der vom Tatgericht angenommene, lediglich sporadische Konsum des Angeklagten von THC und Amphetamin nicht ohne Weiteres mit den im Urteil mitgeteilten Ergebnissen der Haaranalyse des Angeklagten in Einklang bringen. Vor diesem Hintergrund hat der Senat auch die zum Rechtsfolgenausspruch getroffenen Feststellungen aufgehoben, um dem neuen Tatrichter die Möglichkeit zu geben, über den Rechtsfolgenausspruch vollständig neu und ohne Bindung an die bisherigen - partiell widersprüchlichen - Feststellungen zu entscheiden.
Radtke Mosbacher
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
- 1.
entgegen § 2 Absatz 3 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.1 oder 1.3.4 eine dort genannte Schusswaffe oder einen dort genannten Gegenstand erwirbt, besitzt, überlässt, führt, verbringt, mitnimmt, herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt, - 2.
ohne Erlaubnis nach - a)
§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1, eine Schusswaffe oder Munition erwirbt, um sie entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 einem Nichtberechtigten zu überlassen, - b)
§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1, eine halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 erwirbt, besitzt oder führt, - c)
§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Satz 1 oder § 21a eine Schusswaffe oder Munition herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt, - d)
§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 in Verbindung mit § 29 Absatz 1 Satz 1 oder § 32 Absatz 1 Satz 1 eine Schusswaffe oder Munition in den oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt oder mitnimmt,
- 3.
entgegen § 35 Abs. 3 Satz 1 eine Schusswaffe, Munition oder eine Hieb- oder Stoßwaffe im Reisegewerbe oder auf einer dort genannten Veranstaltung vertreibt oder anderen überlässt oder - 4.
entgegen § 40 Abs. 1 zur Herstellung eines dort genannten Gegenstandes anleitet oder auffordert.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
entgegen § 2 Absatz 3 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nummer 1.2.2 bis 1.2.4.2, 1.2.5, 1.3.1 bis 1.3.3, 1.3.5 bis 1.3.8, 1.4.1 Satz 1, Nr. 1.4.2 bis 1.4.4 oder 1.5.3 bis 1.5.7 einen dort genannten Gegenstand erwirbt, besitzt, überlässt, führt, verbringt, mitnimmt, herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt, - 2.
ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 - a)
eine Schusswaffe erwirbt, besitzt, führt oder - b)
Munition erwirbt oder besitzt,
- 3.
ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Satz 1 eine Schusswaffe herstellt, bearbeitet oder instand setzt, - 4.
ohne Erlaubnis nach § 2 Absatz 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 in Verbindung mit - a)
§ 29 Absatz 1 Satz 1 eine dort genannte Schusswaffe oder Munition aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes in einen anderen Mitgliedstaat verbringt oder - b)
§ 32 Absatz 1a Satz 1 eine dort genannte Schusswaffe oder Munition in einen anderen Mitgliedstaat mitnimmt,
- 5.
entgegen § 28 Abs. 2 Satz 1 eine Schusswaffe führt, - 6.
entgegen § 28 Abs. 3 Satz 2 eine Schusswaffe oder Munition überlässt, - 7.
entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 eine erlaubnispflichtige Schusswaffe oder erlaubnispflichtige Munition einem Nichtberechtigten überlässt, - 7a.
entgegen § 36 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 36 Absatz 5 Satz 1 eine dort genannte Vorkehrung für eine Schusswaffe nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig trifft und dadurch die Gefahr verursacht, dass eine Schusswaffe oder Munition abhandenkommt oder darauf unbefugt zugegriffen wird, - 8.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 41 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 zuwiderhandelt, - 9.
entgegen § 42 Abs. 1 eine Waffe führt oder - 10
entgegen § 57 Abs. 5 Satz 1 den Besitz über eine Schusswaffe oder Munition ausübt.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 Buchstabe b, c oder d oder Nr. 3 oder des Absatzes 3 Nummer 1 bis 7, 8, 9 oder 10 fahrlässig, so ist die Strafe bei den bezeichneten Taten nach Absatz 1 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, bei Taten nach Absatz 3 Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitgliedes handelt.
(6) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.