Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2011 - 1 StR 33/11

published on 15/03/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2011 - 1 StR 33/11
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 33/11
vom
15. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. März 2011 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 27. Juli 2010 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Der Angeklagte wurde wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen (bezogen auf Heroingemische mit einem Wirkstoffgehalt von in einem Fall 27 %, in den anderen Fällen von mindestens jeweils 30 %, in einem Fall etwas höher, im Gewicht zwischen etwa 300 g und 550 g) und einem Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (bezogen auf ein Kokaingemisch von 300 g mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 30 %) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.
2
Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Für die - nach forensischer Erfahrung ohnehin ziemlich fern liegende - Behauptung, entgegen § 226 StPO sei am zweiten Verhandlungstag kein Protokollführer anwesend gewesen (§ 338 Nr. 5 StPO), gibt es keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte. Das Hauptverhandlungsprotokoll beweist das Gegenteil. Danach wurde die unterbrochene Hauptverhandlung „in gleicher Besetzung wie Bl. 2 des Protokolls fortgesetzt“. Bl. 2 ergibt, dass am ersten Hauptverhandlungstag Justizangestellte M. als Protokollführerin mitgewirkt hat. Die Revision, die diesen Hinweis für nicht „ausreichend“ hält, verkennt offenbar, dass bei Fortset- zungsterminen die Namen der gemäß § 272 Nr. 2 StPO im Protokoll zu nennenden Verfahrensbeteiligten nicht wiederholt werden müssen (BGH, Beschluss vom 22. Mai 2001 - 3 StR 462/00, BGHR StPO § 274 Beweiskraft 24; KK-Engelhardt, StPO, 6. Aufl., § 272 Rn. 2). Ebenso wenig wie der genannte Hinweis spricht der von der Revision für auch nicht ausreichend gehaltene, nach ihrer Bewertung „unleserliche Namenszug“ am Ende des Protokolls von diesem Verhandlungstag dafür, dass ihre Behauptung der Wahrheit entspräche. Abgesehen davon, dass die allein behauptete bloße Unleserlichkeit einer Unterschrift rechtlich ohnehin bedeutungslos ist (vgl. zur Unterschrift eines Richters unter einem Urteil BGH, Beschluss vom 30. August 1988 - 1 StR 377/88, BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 1 Unterschrift 1; zur Unterschrift eines Verteidigers unter einer Revisionsbegründung BGH, Urteil vom 7. Januar 1959 - 2 StR 550/58, BGHSt 12, 317, 319), spräche eine solche Unterschrift unter einem Protokoll offensichtlich nicht dafür, dass der Eindruck erweckt werden soll, es sei eine in Wirklichkeit abwesende Person bei der Protokollierung anwesend gewesen. Darauf, dass, so der Generalbundesanwalt, die Unterschrift von Frau M. durchaus lesbar ist, kommt es daher nicht mehr an.
4
2. Am 22. März 2010 wies die Strafkammer durch ein Vorsitzendenschreiben an die Verteidiger auf ihre Auffassung hin, dass die Angaben des Angeklagten „keine Einlassung im Sinne einer Verständigung“ seien; deshalb sei die Strafkammer „nicht an (…) Zusagen über bestimmte Freiheitsstrafen gebunden“. Im nächsten Hauptverhandlungstermin wurde der Angeklagte befragt, „ob die bisherigen Aussagen aufrechterhalten (blieben) oder nicht“. Im Falle der Bestätigung „ohne den Hintergrund einer möglichen Verständigung“ stehe § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO ihrer Verwertung nicht entgegen. In der Hauptverhandlung vom 30. März 2010 wurde dieser Brief verlesen und der Angeklagte wie angekündigt befragt. Er erklärte, so auch die Revision, „dass es bei seinen bisherigen Angaben verbleibe und er diese weiterhin zum Inhalt seiner Einlassung macht“.
5
a) Hierauf gestützt meint die Revision zunächst, eine Loslösung von einer früheren Zusage müsse in Form eines Beschlusses geschehen (so auch Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren , § 257c StPO Rn. 113). Ob dies zwingend oder nur zweckmäßig ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 257c StPO Rn. 29 „am besten in Form eines Beschlusses“), mag dahinstehen, da die Verlesung des Briefes der Sache nach die Verkündung eines Beschlusses ist. Der Umstand, dass dies schon zuvor den Verteidigern - letztlich um aus Gründen der Fürsorgepflicht eine Vorbereitung auf das für den nächsten Hauptverhandlungstag vorgesehene Geschehen zu ermöglichen - in Form eines Briefs angekündigt wurde und dieser Brief dann nicht umformuliert und ausdrücklich als Beschluss bezeichnet wurde, ändert daran nichts. An der in einer derartigen Verfahrenslage entscheidenden Rechtsklarheit für die Beteiligten (Niemöller aaO) können hier keine Zweifel bestehen.
6
b) Insbesondere ergibt sich aus diesem Beschluss (Brief) mit gebotener Klarheit, dass die Strafkammer frühere Aussagen für unverwertbar hielt und sie nur im Falle einer bestätigenden Wiederholung berücksichtigen würde, die in Kenntnis des Umstandes, dass eine Vereinbarung nicht mehr im Raum steht, erklärt worden ist. Im Blick auf diese vorangegangene eingehende und präzise Belehrung bestehen auch unter Berücksichtigung des gesamten hierauf bezogenen Revisionsvorbringens gegen die Verwertung der Aussagen vom 30. März 2010 keine rechtlichen Bedenken. Die vorangegangenen Aussagen hat die Strafkammer entsprechend ihrer Ankündigung nicht verwertet, anderes behauptet auch die Revision nicht. Daher kann auf sich beruhen, dass, so die Revision, der Angeklagte vor Abgabe dieser dann nicht verwerteten Aussagen nicht gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden war. Es ist im Blick auf das nachfolgende Verfahrensgeschehen nicht erkennbar, wie sich ein solcher Verfahrensverstoß noch ausgewirkt haben könnte.
7
3. Insbesondere hinsichtlich der festgestellten Bandenabrede haben Erkenntnisse aus im Lauf des Ermittlungsverfahrens angefallenen Überwachungsprotokollen Bedeutung. Über einen Teil dieser Protokolle wurde in der Hauptverhandlung Beweis erhoben, hinsichtlich eines anderen näher gekennzeichneten Teils wurde ein Selbstleseverfahren angeordnet. Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung stellte der Vorsitzende nach dessen Abschluss fest, dass die Schöffen Gelegenheit zur Kenntnisnahme der genannten Urkunden hatten. Hierauf gestützt macht die Revision geltend, die in Rede stehenden Urkunden, die, wie sie behauptet, aber nicht näher ausführt, in das Urteil eingeflossen seien, seien nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden.
8
a) Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rüge bestehen nicht.
9
(1) Allerdings wurde die genannte Feststellung in der Hauptverhandlung vom 20. Juli 2010 getroffen, nicht, so aber die Revision, im Termin vom 13. Juli 2010. Dies ist unschädlich, da es auf den exakten Zeitpunkt in der Hauptverhandlung hier nicht ankommt. Da zur Glaubhaftmachung einer geltend gemachten Verfahrensrüge Beweismittel, wie etwa Aktenstellen, überhaupt nicht angegeben werden müssen (BGH, Beschluss vom 22. September 2006 - 1 StR 298/06, BGH StV 2007, 569), führt auch die Angabe einer falschen Aktenstelle als Beleg für einen tatsächlich geschehenen, aus einer anderen Stelle der Akten ersichtlichen Vorgang nicht dazu, dass die entsprechende Rüge nicht zulässig erhoben wäre. Gleichwohl bemerkt der Senat, dass der entsprechende Hinweis in der Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft sachgerecht ist, da er die Überprüfung der tatsächlichen Grundlagen des Revisionsvorbringens erleichtert hat.
10
(2) Der Generalbundesanwalt hat erwogen, ob die in Rede stehende Feststellung Teil der Durchführung des Selbstleseverfahrens sei. Dann sei, so folgert er aus dem Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2010 (1 StR 422/10), die Rüge unzulässig, da der Angeklagte nach der genannten Feststellung durch den Vorsitzenden keine Entscheidung des gesamten Spruchkörpers herbeigeführt hätte. Der Senat ist jedoch nicht der Auffassung, dass die Feststellungen, die nach Abschluss der Durchführung des Selbstleseverfahrens hierüber zu treffen sind, Teil der Durchführung dieses Verfahrens sind. Im Übrigen lag jener Entscheidung zu Grunde, dass erstmals im Revisionsverfahren geltend gemacht wurde, aus in der Person des Angeklagten liegenden Gründen hätte kein Selbstleseverfahren angeordnet und/oder so, wie geschehen, durchgeführt werden dürfen. Mit dem hier vorliegenden Fall, dass sich der Angeklagte gegen die für ihn nur aus dem Protokoll ersichtliche Art der Durchführung des Selbstleseverfahrens durch die Richter wendet, ist jener Fall auch und gerade im Blick auf eine Notwendigkeit, schon in der Hauptverhandlung vorgesehene Möglichkeiten zu nutzen, auf die Beseitigung von dann im Revisionsverfahren geltend gemachter Fehler hinzuwirken, nicht vergleichbar.
11
(3) Der Generalbundesanwalt hat Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rüge auch deshalb geltend gemacht, weil die Revision nicht vorträgt, dass für zahlreiche Überwachungsprotokolle nicht das Selbstleseverfahren angeordnet wurde, sondern hierüber in der Hauptverhandlung Beweis erhoben wurde. Daher könne der Senat den Einfluss der Verlesung der nicht mitgeteilten Protokolle auf die Überzeugungsbildung der Kammer nicht prüfen.
12
Der Senat teilt diese Bedenken nicht. Aus den nicht vorgetragenen Beweiserhebungen können sich möglicherweise Gesichtspunkte dafür ergeben, dass das Urteil auf dem geltend gemachten Fehler nicht beruhen kann. Sowenig ein Revisionsführer in der Regel zum Beruhen des Urteils auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler vortragen muss - mag auch solcher Vortrag je nach Fallgestaltung zweckmäßig sein (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 587/09; BGH bei Sander/Cirener NStZ-RR 2008, 1, 3 Nr. 4 jew. mwN) -, so wenig ist eine Rüge deshalb nicht zulässig erhoben, weil Tatsachen, die gegen ein Beruhen sprechen könnten, nicht vorgetragen sind. Der unterbliebene Vortrag hierzu ist nicht mit dem je nach den Umständen des Falles erforderlichen Vortrag zu „rügevernichtenden Umständen“ (z.B. der Wiederholung eines Teils der Hauptverhandlung, in dem ein früherer, der Rüge zu Grunde liegender Verfahrensvorgang wiederholt wurde) oder „Negativtatsachen“ (wenn eine dem geltend gemachten Verfahrensfehler entgegenstehende Verfahrenslage ernsthaft in Frage kommt) zu vergleichen (vgl. Sander/Cirener aaO Nr. 3c, d; Mosbacher NStZ 2008, 263 jew. mwN).
13
b) Der geltend gemachte Rechtsfehler liegt vor.
14
Der Generalbundesanwalt hat in diesem Zusammenhang zutreffend folgendes ausgeführt:
15
„Die Durchführung eines Selbstleseverfahrens kann als wesentliche Verfahrensförmlichkeit nur durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesen werden (§ 274 StPO). Die Feststellung, dass die Schöffen Gelegenheit hatten, von den im Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden Kenntnis zu nehmen (Feststellung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung …), belegt im Umkehrschluss, dass die Berufsrichter diese Gelegenheit nicht hatten (vgl. BGH wistra 2010, 31). Außerdem genügt, wie die Revision zutreffend bemerkt, die Gelegenheit zur Kenntnisnahme nur für weitere Verfahrensbeteiligte, für Berufsrichter und Schöffen muss [unterschiedslos] die erfolgte Kenntnisnahme festgestellt werden (§ 249 Abs. 2 Satz 1 StPO)“.
16
Die dienstliche Erklärung des Vorsitzenden, wonach „sowohl die Berufsrichter als auch die Schöffen (…) hinsichtlich der Urkunden (…) nicht nur Gelegenheit zur Kenntnisnahme hatten, sondern auch Kenntnis von den Urkunden genommen haben“, ist im Ansatz nicht geeignet, die alleinige Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) in Frage zu stellen. Anhaltspunkte für die Grundlage eines - zu Recht nicht durchgeführten - Protokollberichtigungsverfahrens (BGH - Großer Senat für Strafsachen -, Beschluss vom 23. April 2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298), also etwa dafür, dass die gebotenen Feststellungen in der Hauptverhandlung getroffen, aber versehentlich nicht protokolliert wurden, liegen nicht vor (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 2 StR 54/09; BGHSt 54, 37; BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 620/09 mwN).
17
c) Der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf dem genannten Fehler beruht. In den Urteilsgründen wird in den unterschiedlichsten Zusammenhängen , insbesondere aber hinsichtlich der strukturellen Verbindung des Angeklagten mit weiteren Tätern, häufig auf die Aussagen von (etlichen) Polizeibeamten verwiesen, die jeweils im Einzelnen über ebenfalls geschilderte Einzelerkenntnisse hinaus die Gesamtergebnisse der von ihnen ausgewerteten Überwachungserkenntnisse dargelegt haben. All dies hat der Generalbundesanwalt zutreffend im Einzelnen dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass die von der Revision mitgeteilten Überwachungsergebnisse spezielle konkrete Erkenntnisse enthielten, die, ohne von den insbesondere durch die Polizeibeamten eingeführten Gesamtergebnissen umfasst zu sein, in irgendeinem Zusammenhang auf die Urteilsfeststellungen Einfluss gewonnen hätten, sind nicht ersichtlich. Auch die Revision äußert sich hierzu nicht konkret. Dies ist, wie dargelegt, rechtlich nicht geboten. Das Vorbringen ist aber auch nicht geeignet, das dargelegte Ergebnis der vom Senat vorgenommenen Beruhensprüfung in Frage zu stellen.
18
4. Die Sachrüge ist unbegründet.
19
Zum Schuldspruch ist lediglich anzumerken, dass der Angeklagte im Rahmen seiner Bemühungen, auch noch mit Kokain zu handeln, bereits konkrete Erwerbsvereinbarungen getroffen hatte. Zweifel an vollendetem Handeltreiben bestehen daher nicht. Der Wirkstoffgehalt, von dem die Strafkammer bei dem nicht sichergestellten Kokaingemisch von 300 g ausgegangen ist, erscheint sehr gering (vgl. demgegenüber Körner, BtMG, 6. Aufl., § 29a Rn.116 ff. mwN). Ein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ist nicht erkennbar. Für eine Anwendung von § 64 StGB, deren Unterlassung den Angeklagten ohnehin nicht beschwert , fehlen, wie die Strafkammer rechtsfehlerfrei darlegt, die Grundlagen, weil der Angeklagte „bewusst einen weit überhöhten Drogenkonsum behauptet, um (…) die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (...) zu erreichen“.
Nack Wahl Elf Jäger Sander
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Hauptverhandlung erfolgt in ununterbrochener Gegenwart der zur Urteilsfindung berufenen Personen sowie der Staatsanwaltschaft und eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.

(2) Der Strafrichter kann in der Hauptverhandlung von der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle absehen. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
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cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

Das Protokoll über die Hauptverhandlung enthält

1.
den Ort und den Tag der Verhandlung;
2.
die Namen der Richter und Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und des zugezogenen Dolmetschers;
3.
die Bezeichnung der Straftat nach der Anklage;
4.
die Namen der Angeklagten, ihrer Verteidiger, der Privatkläger, der Nebenkläger, der Anspruchsteller nach § 403, der sonstigen Nebenbeteiligten, der gesetzlichen Vertreter, der Bevollmächtigten und der Beistände;
5.
die Angabe, daß öffentlich verhandelt oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.