Bundesgerichtshof Beschluss, 06. März 2012 - 1 StR 28/12

published on 06/03/2012 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 06. März 2012 - 1 StR 28/12
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 28/12
vom
6. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. März 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 26. Oktober 2011, soweit es ihn betrifft, dahin geändert, dass
a) der Angeklagte in den Fällen C. II. 1. und 2. sowie in den Fällen C. III. 1. und 2. der Urteilsgründe jeweils des Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis schuldig ist,
b) die in den Fällen C. II. 2. und C. III. 2. verhängten Einzelstrafen entfallen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten M. nach einer Verständigung (§ 257c StPO) wegen schweren Bandendiebstahls in 25 Fällen (hiervon sieben versucht) und Diebstahls mit Waffen in zweiFällen - sämtlich in Tateinheit mit Sachbeschädigung -, wegen Diebstahls in 14 Fällen - in zwei Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung -, wegen Betruges sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte - vier weitere Verurteil- te haben das Urteil nicht angefochten - mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zwar zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der für die Fälle C. II. 2. und C. III. 2. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen von jeweils drei Monaten Freiheitsstrafe, hat aber darüber hinaus keinen Erfolg.
2
1. a) Nach den Feststellungen brach der Angeklagte M. - gemeinsam mit einem bzw. zwei der Mitangeklagten - in den Fällen C. II. 1. und C. III. 1. der Urteilsgründe jeweils das Schloss eines ihm nicht gehörenden Motorra- des auf, um das Fahrzeug zu entwenden und für sich zu behalten. „Daraufhin“ (Fall C. II. 2. der Urteilsgründe) bzw. „anschließend“ (FallC. III. 2. der Urteilsgründe ) fuhr er das Motorrad vom jeweiligen Tatort auf öffentlichen Straßen in einen anderen Ort, ohne im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein.
3
Die Würdigung der Strafkammer, die beiden (in Tateinheit mit Sachbeschädigung begangenen) Diebstähle stünden zum jeweils nachfolgenden Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit (§ 53 StGB), hält rechtlicher Prüfung nicht stand (§ 349 Abs. 4 StPO). Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 7. Februar 2012 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Angeklagte die Delikte jeweils tateinheitlich (§ 52 StGB) verwirklicht hat, weil die Wegnahme des Motorrades in beiden Fällen gerade durch das Wegfahren erfolgt ist, die Tathandlungen somit identisch waren (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1962 - 4 StR 266/62, BGHSt 18, 66, 69; BGH, Beschluss vom 8. August 2006 - 4 StR 263/06).
4
b) Die für die Fälle C. II. 2. und C. III. 2. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen müssen daher entfallen.
5
c) Die Gesamtfreiheitsstrafe wird davon nicht berührt. Dieser liegen auch nach dem Wegfall der beiden dreimonatigen Freiheitsstrafen noch 42 Einzelstrafen zugrunde, von denen allein 24 auf ein bis zwei Jahre festgesetzt worden sind. Angesichts dessen schließt der Senat aus, dass die Strafkammer gegen den vielfach einschlägig vorbestraften Angeklagten eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt und damit die im Rahmen der Verständigung zugesagte Untergrenze unterschritten hätte, wäre sie sich der tateinheitlichen Begehung in den Fällen C. II. 1. und 2. bzw. C. III. 1. und 2. der Urteilsgründe bewusst gewesen. Der Gesamtunrechtsgehalt aller Taten ist durch die abweichende Beurteilung der Konkurrenzen bei vier Taten unverändert geblieben.
6
d) Von den Rechtsfehlern sind die nicht revidierenden Angeklagten nicht betroffen (§ 357 StGB).
7
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat ergänzt die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 7. Februar 2012 nur wie folgt:
8
Soweit der Angeklagte M. bei zwei gewerbsmäßig verübten Dieb- stählen jeweils eine Geldbörse entwendet hat, in der sich lediglich etwa 12 € Bargeld sowie Personalausweis, Führerschein und diverse Karten (Fall C. I. 5. der Urteilsgründe) bzw. andere nicht näher bezeichnete persönliche Sachen (Fall C. I. 9. der Urteilsgründe) befanden, war das Landgericht an der Anwendung des sich aus § 243 Abs. 1 StGB ergebenden Strafrahmens nicht durch § 243 Abs. 2 StGB gehindert, auch wenn nach dieser Bestimmung trotz gewerbsmäßiger Begehungsweise (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) ein besonders schwerer Fall ausscheidet, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.
9
Insofern kommt es nicht auf den Wert der Geldbörsen - diesen hat die Strafkammer nicht festgestellt - und auf die Frage an, ob dieser zusammen mit dem jeweils entwendeten Bargeld noch unterhalb der Geringwertigkeitsgrenze (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 3. Mai 2011 - 1 StR 100/11, StV 2011, 53) lag. Denn selbst wenn dem so war, wäre § 243 Abs. 2 StGB nur anwendbar, wenn zudem der Tatvorsatz des Angeklagten auf die Erlangung eines geringwertigen Gegenstandes gerichtet gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 27. August1986 - 3 StR 264/86, NStZ 1987, 71; Hohmann/Sander, BT-1, § 1 Rn. 185 f.). Dies aber kann nach den Urteilsgründen insgesamt, vor allem unter Berücksichtigung sechs vergleichbarer Diebstähle und der dabei erzielten Beute ausgeschlossen werden. § 243 Abs. 2 StGB greift im Übrigen nicht ein, wenn Sachen ohne messbaren Verkehrswert gestohlen werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1977 - 1 StR 167/77, NJW 1977, 1460, 1461), wie etwa Ausweispapiere.
10
3. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten freizustellen.
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Annotations

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Ein Vorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer rechtswidrigen Tat im Amt verleitet oder zu verleiten unternimmt oder eine solche rechtswidrige Tat seiner Untergebenen geschehen läßt, hat die für diese rechtswidrige Tat angedrohte Strafe verwirkt.

(2) Dieselbe Bestimmung findet auf einen Amtsträger Anwendung, welchem eine Aufsicht oder Kontrolle über die Dienstgeschäfte eines anderen Amtsträgers übertragen ist, sofern die von diesem letzteren Amtsträger begangene rechtswidrige Tat die zur Aufsicht oder Kontrolle gehörenden Geschäfte betrifft.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.