Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Aug. 2004 - 1 StR 192/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet der Angeklagte die ausgesprochene Strafe als unangemessen hoch und die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB. Die Revision des Angeklagten führt zum Wegfall der Unterbringungsanordnung (§ 349 Abs. 4 StPO), bleibt aber im übrigen aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).II.
1. Die Maßregel nach § 64 StGB erfordert, daß die G efahr besteht, der Verurteilte werde infolge seines Hanges in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Das Landgericht hat dies bejaht. Eine solche Annahme entbehrt jedoch hinreichender Feststellungen in den Urteilsgründen. Das Landgericht stützt die Gefahrprognose auf die zwischenzeitlich eingetretene psychosoziale Desintegration und dissoziale Entwicklung des drogenabhängigen, anhaltend arbeitslosen Angeklagten im Zusammenhang mit seinen erheblichen Vorstrafen (UA S. 43, 44). 2. Der Angeklagte wurde in den Jahren 1995 bis 1997 m ehrfach wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln und auch wegen Diebstahlshandlungen , aufgrund Betäubungsmittelabhängigkeit begangen, verurteilt. Zum Diebesgut finden sich keine Ausführungen. 1998 führte der Angeklagte eine neunmonatige Drogenentzugstherapie durch. Im Jahre 2000 wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung, begangen in einer Justizvollzugsanstalt, und wegen Diebstahls in drei Fällen, wobei es sich um Zigaretten in Mengen von 16, 9 und 2 Packungen handelte, zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Ende 2002 wurde der Angeklagte hinsichtlich seines Drogenkonsums wieder rückfällig. Er nahm von März bis Juli 2003 - bis zur Festnahme in vorliegendem Verfahren - an einem Methadon -Programm teil und konsumierte zusätzlich illegale Drogen. Bei seiner Festnahme befand er sich im Besitz eines Briefchens mit 0,5 g Heroingemisch zum Eigenkonsum, das er zuvor erworben hatte. 3. a) Ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang d es Angeklagten , berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und den Straftaten , die der Verurteilung aus dem Jahre 2000 zugrunde liegen, ist aus dengeschilderten Sachverhalten (UA S. 17, 18) nicht ersichtlich. Diese Straftaten können entgegen der Auffassung des Landgerichts zur Begründung der Gefahr im Sinne von § 64 StGB deshalb nicht herangezogen werden.
b) Die Drogenabhängigkeit des Angeklagten, seine psychosozi ale Desintegration und die dissoziale Entwicklung lassen zwar weitere Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in Form des Erwerbs von kleinen Rauschgiftmengen zum Eigenkonsum erwarten. Dies allein kann aber eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht rechtfertigen (vgl. BGH NStZ 1994, 280 m.w.N. = Senatsurteil vom 7. Dezember 1993 - 1 StR 572/93). Die bisher abgeurteilten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und auch die vorliegende Tat können die Annahme künftiger erheblicher Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht nahe legen.
c) Für die Gefahrprognose einer Beschaffungskriminalität enthält das Urteil keine ausreichende Tatsachengrundlage. Die letzte Verurteilung wegen Eigentumsdelikts, die im Zusammenhang mit der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten steht, erfolgte 1997. Für die Zeit danach sind keine Straftaten zur Finanzierung des Eigenkonsums festgestellt. Da die Verhältnisse im Zeitpunkt der Urteilsfindung maßgebend sind (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 4, 6), können die Urteilsfeststellungen die Prognose des Landgerichts nicht belegen, der Angeklagte werde zur Finanzierung des Eigenkonsums erhebliche weitere Straftaten begehen. 4. Bei den hier vorliegenden Umständen kann der Senat ausschließen, daß eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die eine Unterbringungsanordnung rechtfertigen würden. Er erkennt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf deren Wegfall (vgl. BGH, Beschl. vom 6. November
2003 - 1 StR 451/03 - und Beschl. vom 26. Februar 2003 - 1 StR 7/03 -; MeyerGoßner , StPO 47. Aufl. § 354 Rdn. 32 m.w.N.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. D er Beschwerdeführer , der sich mit der Revision gegen den Strafausspruch und die Unterbringungsanordnung gewendet hat, ist aus Billigkeitsgründen nur mit der Hälfte der Rechtsmittelkosten und seiner notwendigen Auslagen zu belasten, weil er einen entsprechenden Teilerfolg erreicht hat. Wahl Boetticher Schluckebier Elf HubertmoreResultsText
Annotations
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.