Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2002 - 1 StR 191/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) soweit der Angeklagte wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerem Raub verurteilt wurde (Fall B III 1 der Urteilsgründe);
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Der Angeklagte wurde wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer (§ 316a StGB) in Tateinheit mit schwerem Raub (§ 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB) sowie über 80 weiterer Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er hat, teilweise mit anderen bandenmäßig verbunden, insbesondere PKWs aufgebrochen und ist vor allem in Vereinsheime und Gaststätten eingebrochen. In einigen wenigen Fällen blieb es beim Versuch, einige Taten hingen mit der Verwertung der Beute (z. B. EC-Karten) zusammen. Bei sämtlichen Taten ging es dem heroinabhängigen Angeklagtendarum, sich Geld für Rauschgift zu beschaffen. Daher hat die Strafkammer den Angeklagten in einer Entziehungsanstalt untergebracht (§ 64 StGB). Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat hinsichtlich der Verurteilung wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerem Raub und damit auch hinsichtlich der Gesamtstrafe Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), im übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). 1. Am 27. November 2000 wollten der Angeklagte, K. und M. wieder PKWs aufbrechen und suchten geeignete Tatobjekte. Auf einem Parkplatz beobachteten sie eine Frau mit einer Handtasche, die ihr Fahrzeug bestieg, aber nicht zügig wegfahren konnte, weil ihr Fahrzeug von anderen Fahrzeugen "extrem zugeparkt" war. Sie kamen stillschweigend überein , der Frau die Handtasche wegzunehmen. Der Angeklagte und K. gingen zum Fahrzeug und taten so, als ob sie beim Ausparken helfen wollten. K. stand auf der Fahrerseite, der Angeklagte auf der Beifahrerseite, M. beobachtete die Umgebung, um eventuell warnen zu können. Der Angeklagte konnte die auf dem Beifahrersitz liegende Tasche aber nicht wegnehmen, weil das Fenster der Beifahrerseite verschlossen und die Beifahrertür von innen verriegelt war. Dies gab der Angeklagte, von der mit Ausparken beschäftigten Fahrerin unbemerkt, K. über den Wagen hinweg zu verstehen. Dieser entschloß sich daraufhin, selbst die Tasche gewaltsam wegzunehmen. Er drückte seinen Oberkörper durch das geöffnete Fenster auf der Fahrerseite, stieß den Kopf der Fahrerin kräftig gegen das Lenkrad, ergriff die Handtasche und flüchtete. Der Angeklagte hat den Entschluß K. s - offenbar schon vor dessen Umsetzung - "unter Vorwegnahme der weiteren Vorgehensweise seines Tatge-
nossen" gebilligt. Dieser - also K. - habe "nämlich erkannt, daû es nicht möglich sein werde, die Tasche ... ohne ... Gewalt wegzunehmen". Nachdem K. die Tasche ergriffen hatte, flüchtete auch der Angeklagte , ebenso wie K. , in "Richtung Mannheim-Feudenheim", allerdings waren K. und der Angeklagte dabei "getrennt voneinander", ehe sie sich dann "noch auf der Flucht" wieder trafen. Die Beute verbrauchten beide für sich. 2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerem Raub nicht.
a) Der Angeklagte hat behauptet, ihm sei es nur darum gegangen, der Geschädigten beim Ausparken zu helfen. Geflüchtet sei er "aus Angst, in Verdacht zu geraten", obwohl tatsächlich die Wegnahme der Tasche durch K. für ihn überraschend gekommen sei. Die Strafkammer sieht dies im wesentlichen auf Grund der - dessen "Wahrnehmungsbereich" entsprechenden - Angaben K. s als widerlegt an, der "den inkriminierten Sachverhalt unter Beteiligung des Angeklagten detailliert geschildert" hat. Die dabei angestellten rechtsfehlerfreien Erwägungen der Strafkammer belegen, daû es dem Angeklagten darum ging, die Tasche unbemerkt wegzunehmen. Es wird jedoch schon nicht deutlich, warum daraus, daû K. das Scheitern dieser Bemühungen erkannte, ohne weiteres ("nämlich") folgt, daû der Angeklagte eine Gewaltanwendung durch K. voraussah und billigte.
b) Selbst wenn man der Strafkammer aber insoweit folgt, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Eine zumindest stillschweigend getroffene Vereinbarung zwischen dem Angeklagten und K. , die Tasche gewaltsam wegzunehmen , ist nicht festgestellt. Ebensowenig ist festgestellt, daû K. bei sei-
ner - spontan und innerhalb eines ganz kurzen Zeitraums durchgeführten - Tat durch die Anwesenheit des Angeklagten psychisch bestärkt worden wäre. Wer bei der Tat eines anderen anwesend ist und sie billigt, wird nicht allein dadurch zum Mittäter (vgl. zu einer im Kern vergleichbaren Fallgestaltung BGH b. Dallinger MDR 1971, 545 f. m. w. N.; BGH NStZ 1999, 454 zu einer spontan am Tatort getroffenen Verabredung eines Raubes durch Mitglieder einer Diebesbande ; allgemein zur Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und dem Exzeû eines Tatbeteiligten Roxin in LK 11. Aufl. § 25 Rdn. 175 m. w. N.).
c) Unabhängig von alledem kann der Angeklagte sich aber dadurch an der Tat K. s beteiligt haben, daû er sie in Kenntnis der von diesem vorgenommenen Abweichungen vom ursprünglichen Tatplan gemeinschaftlich fortgesetzt hat. Zur weiteren Begehung der Tat ist nämlich auch die diese erst beendende gemeinschaftliche Flucht zu rechnen (BGH b. Dallinger aaO). Die eher beiläufigen Feststellungen, wonach der Angeklagte und K. offenbar gleichzeitig aber doch getrennt voneinander in die gleiche Richtung geflohen sind und sie sich erst auf der Flucht wieder trafen, ermöglichen dem Senat jedoch keine abschlieûende Beurteilung.
d) Die danach in diesem Punkt gebotene Aufhebung des Urteils führt zugleich zum Wegfall der Gesamtstrafe. 3. Im übrigen hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils weder im Schuldspruch noch im Rechtsfolgenausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat kann ausschlieûen, daû die sehr maûvollen Einzelstrafen, die die Strafkammer gegen den vielfach vorbestraften, bewährungsbrüchigen Angeklagten verhängt hat, von der Höhe der Strafe in dem aufgehobenen Fall beeinfluût sind. Eben-
so
bleibt die rechtsfehlerfrei auf die Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten und die daraus resultierende Gefahr weiterer Beschaffungskriminalität gestützte Unterbringungsanordnung unberührt (vgl. BGH, Beschluû vom 18. Dezember 1998 - 1 StR 660/98). VRiBGH Dr. Schäfer Wahl Boetticher ist in Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. Wahl RiBGH Schluckebier Kolz ist in Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. Wahl
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(1) Wer zur Begehung eines Raubes (§§ 249 oder 250), eines räuberischen Diebstahls (§ 252) oder einer räuberischen Erpressung (§ 255) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlußfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.