Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2010 - 1 StR 145/10

published on 17/11/2010 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2010 - 1 StR 145/10
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom
17. November 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. November 2010 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 8. Juli 2009 werden als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts
, die durch das weitere Revisionsvorbringen nicht entkräftet werden, bemerkt
der Senat:
1. Entgegen dem Revisionsvorbringen des Angeklagten W. ist die
Ablehnung von dessen Beweisantrag Nr. 18, mit dem die zeugenschaftliche
Einvernahme des Mitangeklagten G. beantragt wurde, rechtsfehlerfrei. Die
Strafkammer hat den Antrag zu Recht gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO als
unzulässig abgelehnt. Ein Mitangeklagter kann nicht Zeuge sein, insoweit besteht
ein Beweiserhebungsverbot (Fischer in KK-StPO, 6. Aufl. § 244 Rn. 109;
Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. § 244 Rn. 49). Zwar waren zum Zeitpunkt der
Antragstellung die gemeinsam begonnenen Verfahren abgetrennt gewesen,
nicht indes (anders als in dem der Entscheidung BGH, Urteil vom 29. März
1984 - 4 StR 781/83, NStZ 1984, 464, zugrunde liegenden Fall) zum insoweit
einzig maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag, zu dem
die Verfahren wieder verbunden waren und damit (erneut) eine prozessuale
Gemeinsamkeit bestand.
Die Strafkammer war auch nicht gehalten, unverzüglich nach Antragstellung
eine Entscheidung zu treffen, sondern konnte diese - im Rahmen der dem
Vorsitzenden gemäß § 238 StPO obliegenden Verfahrensleitung - längstens bis
zu dem in § 258 Abs. 1 StPO bezeichneten Schluss der Beweisaufnahme zurückstellen
(vgl. Becker in LR-StPO, 26. Aufl. § 244 Rn. 133; Meyer-Goßner,
aaO, § 244 Rn. 44 jew. mwN; vgl. auch Hamm/Hassemer/Pauly, Beweisantragsrecht
, 2. Aufl. Rn. 198 ff.). Angeklagter und Verteidigung haben keinen Anspruch
auf sofortige oder alsbaldige Entscheidung. Es entspricht vielmehr dem
Grundsatz der Prozessökonomie, über einen Beweisantrag erst dann zu entscheiden
, wenn hierzu eine aus Sicht des Gerichts hinreichend zuverlässige
Entscheidungsgrundlage besteht, die durch einen möglichen oder gar nahe liegenden
weiteren Verfahrensverlauf nicht alsbald wieder in Frage gestellt werden
würde. Umstände, die ausnahmsweise - etwa unter dem Gesichtspunkt der
Verfahrensfairness - eine zeitnahe Verbescheidung des Beweisantrags hätten
erfordern können (vgl. Dahs StraFo 1998, 254; Hanack JZ 1970, 561), sind weder
vorgetragen noch ersichtlich.
2. Ohne Beschwer für den Angeklagten G. hat die Strafkammer aufgrund
einer von ihr festgestellten Verfahrensverzögerung ausgesprochen, dass
von der (revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden) Gesamtfreiheitsstrafe von
sechs Jahren ein Jahr als vollstreckt gelte. Soweit der Angeklagte G. insoweit
rügt, das Landgericht habe die Verzögerung nicht ausreichend berücksichtigt
, da es eine solche von zwei Jahren und vier Monaten bis zur Anklageerhe-
bung und weiteren sechs Monaten bis zu deren Eröffnung hätte feststellen
müssen, bleibt dies ohne Erfolg.
Unbeschadet der Frage, ob der Senat dies hier auf die insoweit einzig
erhobene Sachrüge hin prüfen kann (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. Dezember
2003 - 1 StR 445/03; Beschluss vom 11. November 2004
- 5 StR 376/03), erweist sich die Rüge jedenfalls als unbegründet. Wollte man
- entgegen den Darlegungen zum Verfahrensgang in der staatsanwaltschaftlichen
Gegenerklärung - die von der Revision behauptete Verfahrensverzögerung
unterstellen, wäre diese hier durch die vom Landgericht vorgenommene
Kompensation immer noch hinlänglich ausgeglichen, zumal deutlich gravierendere
individuelle Belastungen des Angeklagten infolge der behaupteten weiteren
Verfahrensverzögerung weder von der Revision aufgezeigt werden noch
ersichtlich sind. Bei der Bemessung der Höhe einer Kompensation ist auch in
den Blick zu nehmen, dass eine überzogene strafmildernde Berücksichtigung
des Zeitfaktors als Folge justizieller Mängel generell den Zielen effektiver Verteidigung
der Rechtsordnung zuwiderliefe; dies gilt namentlich im Bereich - hier
gegebener - schwerer Wirtschaftskriminalität (vgl. BGH, Urteil vom 8. August
2006 - 5 StR 189/06, wistra 2006, 428).
3. Die Rüge des Angeklagten G. , die Strafkammer hätte wegen einer
aufgrund langer Verfahrensdauer nicht mehr einbeziehungsfähigen, weil zwischenzeitlich
erlassenen Verurteilung einen Härteausgleich vornehmen müssen
, ist verfehlt. Dadurch, dass die frühere Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit
erlassen wurde und keine nachträgliche Gesamtstrafe mit einer zu
vollstreckenden Freiheitsstrafe mehr gebildet werden konnte, ist dem Angeklagten
ein Vorteil, kein Nachteil entstanden (BGH, Beschluss vom 10. Oktober
2006 - 1 StR 377/06; BGH, Urteil vom 18. August 2004 - 2 StR 249/04,
NStZ-RR 2004, 330 mwN).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden. (2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden. (2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.

(2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

(3) Der Angeklagte ist, auch wenn ein Verteidiger für ihn gesprochen hat, zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.