Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2000 - 1 ARs 2/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Der 3. Strafsenat (Beschluß vom 22. Dezember 1999 - 3 StR 339/99) beabsichtigt zu entscheiden: "Ein Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, ist auch dann Täter eines Bandendiebstahls , wenn es zwar nicht am Tatort an der Ausführung des Diebstahls unmittelbar beteiligt ist, aber auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt und der Diebstahl von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird." Im Hinblick auf "die bisherige ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs" hat der 3. Strafsenat die Sache den anderen Strafsenaten mit der Frage vorgelegt, ob sie an ihren entgegenstehenden Entscheidungen festhalten. Der beabsichtigten Entscheidung steht Rechtsprechung des 1. Strafsenats nicht entgegen:Allerdings ist der Senat in seinem im Anfragebeschluß angeführten Beschluß vom 8. August 1995 - 1 StR 426/95 (StV 1995, 586) - davon ausgegangen , bandenmäßig - nunmehr i. S. v. § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244 a Abs. 1 StGB - stehle nur, wer mit wenigstens einem weiteren Bandenmitglied bei der Tat örtlich und zeitlich - wenn auch nicht notwendig körperlich - zusammenwirkt, was bedeute, daß jedenfalls zwei Bandenmitglieder sich am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe befinden müssen (vgl. auch BGHSt 38, 26, 29). Für diese Auslegung sprechen - wenn auch nicht zwingend - der Wortlaut des Gesetzes, das die Begehung des konkreten Diebstahls "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" voraussetzt, sowie sein Zweck, der erhöhten Gefahr für das Tatopfer und der gesteigerten Effizienz der Tatausführung bei arbeitsteiliger Wegnahmehandlung Rechnung zu tragen. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob an dem genannten Grundsatz festzuhalten ist, den auch der anfragende Senat nicht in Frage stellt. Denn entscheidungserheblich ist nur eine Fallgestaltung, bei der ein Bandenmitglied zwar nicht am Tatort an der Ausführung des Diebstahls unmittelbar beteiligt ist, aber auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt u n d der Diebstahl von mindestens z w e i w e i t e r e n Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird. Eine solche besondere Konstellation hat weder in dem erwähnten Fall (Beschluß vom 8. August 1995) bestanden, in dem es sich lediglich um eine aus zwei Personen bestehende Diebesbande handelte, noch hat sie - soweit ersichtlich - anderweit bei einer Entscheidung des Senats tragende Bedeutung gewonnen. Auch in dem vom Senat entschiedenen Fall BGHR StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 Bande 4 verhielt es sich so, daß die eigentlichen Wegnahmehandlungen immer nur durch e i n e n Täter erfolgten. Das Senatsurteil vom
23. Februar 2000 - 1 StR 568/99 - betrifft ebenfalls nicht einen Fall der vorliegenden Art. Sollte Rechtsprechung des Senats ergangen sein, die der beabsichtigten Entscheidung entgegensteht, wird an ihr nicht festgehalten. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des 3. Strafsenats, ein nicht am Tatort anwesendes Bandenmitglied könne j e d e n f a l l s dann, wenn mindestens zwei Bandenmitglieder die Tat v o r O r t begehen, Täter des Bandendiebstahls sein. Diese Auffassung ist, wie der anfragende Senat näher ausgeführt hat, mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar und kriminalpolitisch gerechtfertigt. Zutreffend ist insbesondere die von ihm vertretene Ansicht, bei einem Bandendiebstahl stelle das Merkmal des Stehlens "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" wegen der besonderen Gefährlichkeit der Tatausführung ein t a t b e z o g e n e s Merkmal dar, das jedenfalls dann, wenn zwei weitere Bandenmitglieder bei Wegnahme des Diebesguts zeitlich und örtlich zusammenwirken , unter den allgemeinen Voraussetzungen der Mittäterschaft dem nicht am Tatort anwesenden Bandenmitglied nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann (ebenso z. B. Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 244 Rdn. 27, 28; Kindhäuser in NK-StGB 5. Lfg. § 244 Rdn. 35, 36; Günther in SKStGB 43. Lfg. § 250 Rdn. 40).
Damit wird es möglich, den Einsatz moderner Methoden bei gemeinschaftlicher Begehung eines Diebstahls - bei dem die Beteiligten vielfach Kraftfahrzeuge sowie Mobiltelefone benutzen - und die maßgebliche Rolle des im Hintergrund agierenden Bandenchefs schon bei der rechtlichen Einordnung des Verhaltens eines Bandenmitglieds angemessen zu berücksichtigen. Schäfer Granderath Wahl Boetticher Schluckebier
moreResultsText
Annotations
(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.
(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.
(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.
(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.
(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- 1.
einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
- 2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt oder - 3.
einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(4) Betrifft der Wohnungseinbruchdiebstahl nach Absatz 1 Nummer 3 eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.