Bundesfinanzhof Beschluss, 11. Aug. 2011 - VIII B 34/11
Gericht
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet. Zulassungsgründe i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht gegeben, insbesondere handelt es sich weder um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
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1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F., vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 23 ff., m.w.N.; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Mai 2000 IV B 55/99, juris). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln.
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Nach diesen Maßstäben hat die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) aufgeworfene Frage, ob das Wahlrecht zwischen sofortiger Besteuerung oder der Besteuerung im Zeitpunkt des Zuflusses auf diejenigen Fälle beschränkt ist, in denen die Laufzeit mehr als zehn Jahre beträgt, keine grundsätzliche Bedeutung. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH besteht das Wahlrecht anlässlich einer Veräußerung gegen Renten, Raten und sonstige wiederkehrende Bezüge nur, wenn diese wagnisbehaftet sind oder überwiegend Versorgungszwecken dienen (BFH-Entscheidungen vom 14. Mai 2002 VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532; vom 29. März 2007 XI B 56/06, BFH/NV 2007, 1306, und vom 20. Juli 2010 IX R 45/09, BFHE 230, 380, BStBl II 2010, 969, jeweils m.w.N.). Im Streitfall hat das Finanzgericht (FG) sein Urteil kumulativ begründet, indem es sowohl auf das Fehlen einer mehr als zehn Jahre dauernden Rentenverpflichtung als auch auf den fehlenden Versorgungscharakter des Praxisübernahmevertrags vom 6. Januar 2003 abgestellt hat. Dabei hat es sich insbesondere mit letzterer Frage umfassend auseinandergesetzt und ist nach Würdigung der Gesamtumstände zu dem Schluss gekommen, ein solcher sei zu verneinen. Ist ein Urteil aber auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich allein das Entscheidungsergebnis trägt, muss mit der Beschwerde für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO schlüssig dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. November 1998 VIII B 18/98, BFH/NV 1999, 513; vom 12. Mai 2000 IV B 74/99, BFH/NV 2000, 1133; vom 16. Juli 2001 V B 44/01, BFH/NV 2001, 1620). Daran fehlt es im Streitfall, da mit der Beschwerde hinsichtlich des fehlenden Versorgungscharakters keine Revisionszulassungsgründe vorgebracht werden.
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2. Unbegründet ist auch die Rüge, das Urteil der Vorinstanz beruhe auf einem Verfahrensmangel, weil das FG den Erwerber der Praxis des Klägers als Zeugen zu der Frage hätte vernehmen müssen, ob der Praxisübernahmevertrag für den Kläger Versorgungscharakter gehabt habe. Diese Zeugenvernehmung musste sich dem FG nicht aufdrängen. Das FG hat die schriftliche Äußerung des Praxiserwerbers zu dieser Thematik gewürdigt und nach Bewertung der Gesamtumstände, dem Wortlaut des Praxisübernahmevertrags und der Tatsache, dass ausweislich der Regelung in § 14 Abs. 1 des Vertrags keine mündliche Nebenabsprachen getroffen wurden, den Schluss gezogen, die Zahlungsvereinbarungen hätten keinen eindeutigen Versorgungscharakter besessen. An diese (nachvollziehbare) Würdigung ist der Senat gebunden, denn die tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO) ist nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (ständige Rechtsprechung, Gräber/ Ruban, a.a.O., § 118 Rz 30; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 87, m.w.N.). Solche Verstöße sind jedoch im Streitfall nicht erkennbar. Im Übrigen binden die vorinstanzlichen Schlussfolgerungen den BFH als Revisionsgericht schon dann, wenn sie nur möglich, d.h. vertretbar sind; sie müssen nicht zwingend sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Februar 1995 IX R 95/93, BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462; BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488).
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3. Im Ergebnis wendet sich das Vorbringen der Kläger vornehmlich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG. Darin liegt jedoch nicht die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers oder diejenige einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern die Rüge falscher materieller Rechtsanwendung. Diese führt indes nicht zur Zulassung der Revision (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. April 2003 VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom 23. Juni 2003 IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289; vom 27. März 2007 VIII B 152/05, BFH/NV 2007, 1335, m.w.N.). Denn sowohl die Sachverhalts- und Beweiswürdigung als auch die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Beweislastverteilung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 2000 I B 40/99, BFH/NV 2000, 874).
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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.
(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.
(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.