Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Dez. 2011 - VIII B 27/11
Gericht
Tatbestand
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I. Das Finanzgericht (FG) hat die begehrte Urteilsberichtigung durch Beschluss vom 16. Dezember 2010 abgelehnt. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) hatten u.a. geltend gemacht, das FG sei in den Entscheidungsgründen zu Unrecht davon ausgegangen, dass der zugestellte Briefumschlag mit der Steuernummer der Kläger beschriftet gewesen sei. Die Steuernummer habe unstreitig nicht auf dem Umschlag gestanden. Die Beteiligten und das Gericht hätten den Umschlag in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen. Das Gericht habe außerdem im Tatbestand seines Urteils die Beschriftung des Umschlags vollständig und richtig wiedergegeben. Danach befand sich die Steuernummer nicht auf dem Umschlag.
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Das FG hat zwar das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit bejaht und ausgeführt, es hätte an der entsprechenden Stelle in den Entscheidungsgründen lauten müssen: "..., dass auf der Zustellungsurkunde nur die Steuernummer der Kläger angegeben, die zuzustellenden Schriftstücke dort und auf dem Umschlag jedoch nicht näher konkretisiert worden sind". Das FG hat den Antrag gleichwohl abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es fehle das für eine Berichtigung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, denn nach der Rechtsauffassung des Gerichts komme es nicht darauf an, ob der Umschlag überhaupt beschriftet gewesen sei. Im Übrigen lägen keine offenbaren Unrichtigkeiten vor.
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Gegen den Beschluss haben die Antragsteller Beschwerde eingelegt, der das FG nicht abgeholfen hat. Mit der Beschwerde wird nur noch geltend gemacht, das FG habe zu Unrecht das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses für den Berichtigungsantrag verneint. Das im Ausgangsverfahren beklagte Finanzamt ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
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II. 1. Die Beschwerde ist zulässig. Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Urteilsberichtigung gemäß § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Beschwerde gegeben (§ 128 Abs. 1 FGO; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Februar 2011 IX B 160/10, BFH/NV 2011, 831).
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2. Die Beschwerde ist auch begründet. Soweit das FG den Berichtigungsantrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt hat, kann die Entscheidung keinen Bestand haben.
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a) Jede Rechtsverfolgung vor Gericht setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. Februar 1987 VIII S 14/86, BFH/NV 1987, 786; vom 18. August 1992 V B 209/91, BFH/NV 1993, 479, m.w.N.). Auch ein Berichtigungsbegehren ist deshalb nur zulässig, wenn eine Beschwer dargetan ist (BFH-Beschluss vom 28. Oktober 2005 VIII R 3/03, BFH/NV 2006, 565; vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 107 Rz 1). Das Rechtsschutzbedürfnis kann aber nicht mit der Begründung verneint werden, dass sich die Berichtigung auf einen Umstand beziehe, auf den es nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht ankomme, wenn gegen das Urteil ein Rechtsmittel eingelegt worden ist mit dem Ziel, die Rechtsauffassung des FG in diesem Punkt überprüfen zu lassen.
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b) So liegt es im Streitfall. Ob die Beschriftung des zuzustellenden Umschlags, wie vom FG angenommen, bei der Zustellung nach § 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes für die Wirksamkeit der Zustellung generell unerheblich ist, wollen die Antragsteller im Revisionsverfahren überprüfen lassen. Sie haben deshalb mit der gegen das zu berichtigende Urteil erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde u.a. die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage geltend gemacht. Bei dieser Sachlage muss das Gericht in der Sache über das Berichtigungsbegehren entscheiden.
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3. Die Beschwerde führt zur Aufhebung der ablehnenden Vorentscheidung und zur Stattgabe des Berichtigungsantrags. Der BFH kann die Berichtigung selbst vornehmen.
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a) Für die Entscheidung über die Berichtigung des Urteils ist der BFH zuständig, wenn gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12. März 2004 VII B 239/02, BFH/NV 2004, 1114).
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b) Eine offenbare Unrichtigkeit liegt vor, soweit das FG in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, der Umschlag sei mit der Steuernummer der Kläger versehen gewesen. Eine offenbare Unrichtigkeit kann auch die Entscheidungsgründe betreffen (BFH-Beschluss vom 5. Februar 2002 IV B 125/01, BFH/NV 2002, 1032). Vom Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit sind im Streitfall nicht nur die Beteiligten ausgegangen. Auch das FG hat in dem die Berichtigung ablehnenden Beschluss eingeräumt, dass insofern eine offenbare Unrichtigkeit vorliege und angegeben, wie sie zu beseitigen sei. Danach besteht keine Veranlassung, die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückzuverweisen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, da die Beschwerde in vollem Umfang Erfolg hat. Anders als für das zur jeweiligen Instanz gehörende Berichtigungsverfahren selbst besteht für das Beschwerdeverfahren keine Kostenfreiheit (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 1032; vom 19. November 2003 I B 47/03, BFH/NV 2004, 515).
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(1) Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit vom Gericht zu berichtigen.
(2) Über die Berichtigung kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Berichtigungsbeschluss wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Ist das Urteil elektronisch abgefasst, ist auch der Beschluss elektronisch abzufassen und mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über die Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse nach §§ 91a und 93a, Beschlüsse über die Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen, Sachverständigen und Dolmetschern, Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme sowie Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 und über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 entsprechend.
(4) In Streitigkeiten über Kosten ist die Beschwerde nicht gegeben. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
(1) Bei der Zustellung durch die Behörde händigt der zustellende Bedienstete das Dokument dem Empfänger in einem verschlossenen Umschlag aus. Das Dokument kann auch offen ausgehändigt werden, wenn keine schutzwürdigen Interessen des Empfängers entgegenstehen. Der Empfänger hat ein mit dem Datum der Aushändigung versehenes Empfangsbekenntnis zu unterschreiben. Der Bedienstete vermerkt das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des auszuhändigenden Dokuments oder bei offener Aushändigung auf dem Dokument selbst.
(2) Die §§ 177 bis 181 der Zivilprozessordnung sind anzuwenden. Zum Nachweis der Zustellung ist in den Akten zu vermerken:
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im Fall der Ersatzzustellung in der Wohnung, in Geschäftsräumen und Einrichtungen nach § 178 der Zivilprozessordnung der Grund, der diese Art der Zustellung rechtfertigt, - 2.
im Fall der Zustellung bei verweigerter Annahme nach § 179 der Zivilprozessordnung, wer die Annahme verweigert hat und dass das Dokument am Ort der Zustellung zurückgelassen oder an den Absender zurückgesandt wurde sowie der Zeitpunkt und der Ort der verweigerten Annahme, - 3.
in den Fällen der Ersatzzustellung nach den §§ 180 und 181 der Zivilprozessordnung der Grund der Ersatzzustellung sowie wann und wo das Dokument in einen Briefkasten eingelegt oder sonst niedergelegt und in welcher Weise die Niederlegung schriftlich mitgeteilt wurde.
(3) Zur Nachtzeit, an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen darf nach den Absätzen 1 und 2 im Inland nur mit schriftlicher oder elektronischer Erlaubnis des Behördenleiters zugestellt werden. Die Nachtzeit umfasst die Stunden von 21 bis 6 Uhr. Die Erlaubnis ist bei der Zustellung abschriftlich mitzuteilen. Eine Zustellung, bei der diese Vorschriften nicht beachtet sind, ist wirksam, wenn die Annahme nicht verweigert wird.
(4) Das Dokument kann an Behörden, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, an Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Berufsausübungsgesellschaften im Sinne der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und des Steuerberatungsgesetzes, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften auch auf andere Weise, auch elektronisch, gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden.
(5) Ein elektronisches Dokument kann im Übrigen unbeschadet des Absatzes 4 elektronisch zugestellt werden, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet. Es ist elektronisch zuzustellen, wenn auf Grund einer Rechtsvorschrift ein Verfahren auf Verlangen des Empfängers in elektronischer Form abgewickelt wird. Für die Übermittlung ist das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen und gegen unbefugte Kenntnisnahme Dritter zu schützen.
(6) Bei der elektronischen Zustellung ist die Übermittlung mit dem Hinweis „Zustellung gegen Empfangsbekenntnis“ einzuleiten. Die Übermittlung muss die absendende Behörde, den Namen und die Anschrift des Zustellungsadressaten sowie den Namen des Bediensteten erkennen lassen, der das Dokument zur Übermittlung aufgegeben hat.
(7) Zum Nachweis der Zustellung nach den Absätzen 4 und 5 genügt das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis, das an die Behörde durch die Post oder elektronisch zurückzusenden ist. Ein elektronisches Dokument gilt in den Fällen des Absatzes 5 Satz 2 am dritten Tag nach der Absendung an den vom Empfänger hierfür eröffneten Zugang als zugestellt, wenn der Behörde nicht spätestens an diesem Tag ein Empfangsbekenntnis nach Satz 1 zugeht. Satz 2 gilt nicht, wenn der Empfänger nachweist, dass das Dokument nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Der Empfänger ist in den Fällen des Absatzes 5 Satz 2 vor der Übermittlung über die Rechtsfolgen nach den Sätzen 2 und 3 zu belehren. Zum Nachweis der Zustellung ist von der absendenden Behörde in den Akten zu vermerken, zu welchem Zeitpunkt und an welchen Zugang das Dokument gesendet wurde. Der Empfänger ist über den Eintritt der Zustellungsfiktion nach Satz 2 zu benachrichtigen.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.