Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Mai 2013 - VII B 36/13
Gericht
Tatbestand
- 1
-
I. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Finanzgericht (FG) die auf Einstellung und Beschränkung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gerichtete Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) abgewiesen. Der Kläger erstrebe eine dauerhafte Unterbindung der Vollstreckung, für die § 258 der Abgabenordnung, der lediglich die einstweilige Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen zur Vermeidung unbilliger Härten vorsehe, keine Grundlage biete und die Vollstreckung angesichts der völlig unzureichenden Tilgungsangebote nicht unbillig sei. Daran ändere auch der Vortrag des Klägers nichts, dass er infolge der Vollstreckung den Energielieferanten nicht wechseln und keinen Mobilfunkvertrag mehr abschließen könne. Die einzelnen, bereits getroffenen Maßnahmen habe der Kläger nicht angefochten, sie seien mangels eines Vorverfahrens bestandskräftig. Einwendungen gegen die zu vollstreckenden Bescheide müssten außerhalb des Vollstreckungsverfahrens erhoben werden.
- 2
-
Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision begründet der Kläger mit Ermessensfehlern des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--), der mit der Vollstreckung die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit verletze. Insbesondere seien die Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens und der Insolvenzantrag ermessensfehlerhaft, da über eine Nichtigkeit der versehentlich bestandskräftig gewordenen Steuerbescheide noch nicht entschieden sei und das Festhalten an den Anträgen zu einem "finanziellen Rufmord" und damit zur Existenzvernichtung führe.
Entscheidungsgründe
- 3
-
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abschließend genannten Gründe für die Zulassung der Revision in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise schlüssig dargelegt.
- 4
-
Die Revision kann nur zur Überprüfung der Entscheidung des FG zugelassen werden, das heißt, mit der Beschwerde müssen Rechtsfehler des FG bei der Überprüfung der Entscheidung des FA gerügt werden, und diese gerügten Rechtsfehler müssen einer revisionsrechtlichen Kontrolle nach den Vorgaben des § 115 Abs. 2 FGO zugänglich sein. Die Einwände des Klägers betreffen demgegenüber nur mögliche Ermessensfehler des FA. Unter dem Gesichtspunkt der Revisionszulassung kann das Vorbringen allenfalls dahingehend gedeutet werden, das FG sei insoweit seiner Pflicht zur Ermessensüberprüfung (§ 102 FGO) nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Bei einem solchen Entscheidungsmangel handelt es sich allerdings --wenn er vorläge-- um einen materiellen Fehler, der nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden kann (Senatsbeschluss vom 22. Juli 2002 VII B 296/01, BFH/NV 2002, 1485) und auch sonst die Revisionszulassung nicht rechtfertigt. Denn eine über das Interesse des Klägers am Ausgang dieses Verfahrens hinausreichende, für die Allgemeinheit bedeutsame, durch den Bundesfinanzhof klärungsbedürftige und in diesem Verfahren klärungsfähige konkrete Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist damit nicht formuliert (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Januar 2008 VII B 83/07, BFH/NV 2008, 737).
- 5
-
Angemerkt sei allerdings, dass nach der Senatsrechtsprechung zwar allein auf die Existenzvernichtung des Steuerpflichtigen gerichtete Vollstreckungsmaßnahmen ermessensfehlerhaft sind (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464). Das setzt aber voraus, dass das FA den Insolvenzantrag unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner aufgrund der bestandskräftigen Steuerbescheide gegebenen Rechtsstellung oder aus sachfremden Erwägungen stellt. Ein solcher Antrag wäre (nur) dann unzulässig, wenn für das FA von vornherein feststünde, dass eine die Kosten des Verfahrens deckende Insolvenzmasse nicht vorhanden ist (Senatsentscheidungen vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900). Dazu fehlen substantiierte Darlegungen in der Beschwerde. Dagegen ist ihr zu entnehmen, dass das FA den Insolvenzantrag vor Erhebung der Feststellungsklage auf Nichtigkeit der Steuerbescheide gestellt hat und das Insolvenzgutachten mit dem Vorschlag, die Verfahrenseröffnung mangels Masse abzulehnen, erst Monate später erstellt worden ist. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten des FA bietet dieser Sachverhalt nicht.
- 6
-
Außerdem ist die Entscheidung des FG schon insoweit richtig, als kein Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA bestand, nachdem das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag des FA lange vor Klageerhebung mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).
moreResultsText
Annotations
Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden
- 1.
die höchsten Forderungen, - 2.
die höchsten gesicherten Forderungen, - 3.
die Forderungen der Finanzverwaltung, - 4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie - 5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
- 1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt, - 2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder - 3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.
(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.
(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.