Bundesfinanzhof Beschluss, 10. Feb. 2011 - VII B 183/10

published on 10/02/2011 00:00
Bundesfinanzhof Beschluss, 10. Feb. 2011 - VII B 183/10
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Gericht

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Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) meldete im Rahmen des über das Vermögen der Firma X GmbH (Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahrens Forderungen zur Tabelle an. In seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter in diesem Verfahren ersuchte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) das FA um einige Auskünfte. Dies lehnte das FA ab. Daraufhin beantragte der Kläger mit Schreiben vom 6. Oktober 2008 Einsicht in die beim FA geführten Vollstreckungsakten der Schuldnerin und berief sich dabei auf das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz (HmbIFG) vom 11. April 2006 in Verbindung mit dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (IFG) vom 5. September 2005.

2

Unter Hinweis, dass der Kläger ohne nähere Begründung allgemeine Einsicht in die Vollstreckungsakten begehre und mit der Begründung, dass die Regelungen der Abgabenordnung (AO) als speziellere Regelungen die landesrechtlichen Bestimmungen verdrängten, und dass selbst nach § 1 Abs. 1 HmbIFG und § 3 Nr. 7 i.V.m. § 5 Abs. 1 IFG bei vertraulich erhobenen oder übermittelten Informationen ein Anspruch auf Informationszugang nicht bestehe, lehnte das FA den Antrag ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage und machte geltend, dass der Finanzrechtsweg nicht eröffnet sei und dass der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht (VG) verwiesen werden müsse.

3

Das Finanzgericht (FG) entschied nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 17a Abs. 3 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG), dass der Finanzrechtsweg eröffnet sei. Der Streit über die Gewährung von Akteneinsicht in die beim FA geführten Vollstreckungsakten eines Steuerschuldners sei eine Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten i.S. von § 33 Abs. 1 Satz 1 FGO. Zu den Steuerakten gehörten auch die Vollstreckungsakten, denn die Vollstreckung sei Teil des Erhebungsverfahrens. Die in der Vollstreckungsakte enthaltenen Informationen könnten nicht unabhängig von den Vorgängen betrachtet werden, auf die sie sich bezögen. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG (in der Fassung vom 17. Februar 2009) bestünden Ansprüche auf Informationszugang nach diesem Gesetz nicht für Vorgänge der Steuererhebung und Steuerfestsetzung. Dass diese Vorschrift erst nachträglich in das Gesetz eingefügt worden sei, sei unerheblich.

4

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Änderung des Beschlusses des FG und die Verweisung der Sache an das VG. Das FG habe sich über die Rechtswegzuweisung in § 15 Abs. 7 HmbIFG hinweggesetzt. Im Streitfall handele es sich nicht um eine Abgabenangelegenheit. Dies werde durch den Umstand belegt, dass es in der AO keine die Akteneinsicht regelnden Vorschriften gebe. Es sei daher belanglos, ob die Vollstreckung eines Steueranspruchs Teil des Steuererhebungsverfahrens sei. § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG hindere die begehrte Einsicht in die Vollstreckungsakten deshalb nicht, weil nur Vorgänge des Steuerfestsetzungs- und des Steuererhebungsverfahrens erfasst würden. Vollstreckungsvorgänge seien nicht benannt. Auch § 30 AO, der eine Schutzvorschrift zu Gunsten des Bürgers vor dem unbefugten Umgang des Staates mit den ihm anvertrauten Informationen sei, könne nicht zur Abwehr des Begehrens herangezogen werden.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das FG hat zu Recht angenommen, dass im Streitfall der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

6

1. Nach § 4 HmbIFG hat jede natürliche oder juristische Person des Privatrechts Anspruch auf Zugang zu den bei den Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg vorhandenen Informationen. Eine spezielle Rechtswegzuweisung enthält das Gesetz nicht. Für die Beurteilung der Frage, ob im Streitfall der Verwaltungs- oder der Finanzrechtsweg eröffnet ist, ist auf das am 28. Februar 2009 in Kraft getretene HmbIFG abzustellen, denn die Klage ist im März 2009 und damit nach dem Inkrafttreten des HmbIFG erhoben worden (§ 173 der Verwaltungsgerichtsordnung i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG). Die Vorschriften des HmbIFG begründen eine einseitige Verpflichtung von Trägern staatlicher Gewalt, so dass der in § 4 HmbIFG normierte Auskunftsanspruch dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist (vgl. Beschluss des VG Hamburg vom 17. Mai 2010  7 K 429/09, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht --ZInsO-- 2010, 1097, und zur entsprechenden Regelung in § 4 Abs. 1 des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26. August 2009  8 E 1044/09, ZInsO 2009, 2401, und vom 8. Juni 2005  8 E 283/05, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 2006, 295).

7

Im Streitfall kann es jedoch dahinstehen, ob sich ein Akteneinsichtsrecht unmittelbar aus § 4 HmbIFG ableiten lässt oder ob zur Verwirklichung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Einsicht in die beim FA geführten Vollstreckungsakten der Schuldnerin auf die von der Finanzrechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze zurückgegriffen werden muss (zum Akteneinsichtsrecht des Konkursverwalters beim Bestreiten zur Tabelle angemeldeter Steuerforderungen und bei Unterbrechung eines vor dem FG anhängigen Rechtsstreits vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Juni 2000 IX B 13/00, BFHE 191, 247, BStBl 2000, 431). Insbesondere aus Praktikabilitätserwägungen hat der Gesetzgeber von der Regelung eines Akteneinsichtsrechts in der AO abgesehen (BTDrucks 7/4292, S. 24f.). Daher besteht im Finanzverwaltungsverfahren allenfalls ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über einen Antrag auf Akteneinsicht (Urteil des FG Münster vom 5. November 2002  1 K 7155/00 S, Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 499, m.w.N.). Erst im finanzgerichtlichen Verfahren wird dem Steuerpflichtigen das Recht zugestanden, in die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten Einsicht zu nehmen (§ 78 Abs. 1 FGO). Ob dem Kläger ein Anspruch nach diesen allgemeinen Rechtsgrundsätzen zustünde, kann ebenso unerörtert bleiben, wie die Frage, ob § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG auf den Streitfall Anwendung findet und den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Informationszugang nach diesem Gesetz ausschließt. Denn vorliegend ist nur über den zulässigen Rechtsweg zu entscheiden, d.h. darüber, ob eine Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten i.S. von § 33 Abs. 1 FGO vorliegt.

8

2. Nach Auffassung des beschließenden Senats handelt es sich zumindest in den Fällen, in denen der Insolvenzverwalter, ohne sein Anliegen näher zu konkretisieren, allgemein Einsicht in die beim FA geführten Vollstreckungsakten begehrt, um eine Streitigkeit i.S. von § 33 Abs. 1 FGO, so dass der Finanzrechtsweg eröffnet ist. Etwas anderes gilt dann, wenn ein Anfechtungsrecht nach der InsO dem Grunde nach besteht und der Insolvenzverwalter zur Prüfung der Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung Einsicht in die Vollstreckungsakten nehmen will. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 26. April 2010 VII B 229/09 (BFH/NV 2010, 1637) ausgeführt hat, handelt es sich bei einem vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Auskunftsanspruch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) um einen zivilrechtlichen Anspruch, der sich aus einem durch Anfechtung nach der Insolvenzordnung (InsO) begründeten Rückgewährschuldverhältnis ergibt (BGH-Urteile vom 13. August 2009 IX ZR 58/06, ZInsO 2009, 1810, m.w.N., und vom 21. Januar 1999 IX ZR 429/97, Neue Juristische Wochenschrift 1999, 1033). Infolgedessen ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nicht eröffnet.

9

Im Streitfall begehrt der Kläger eine allgemeine Akteneinsicht, ohne zur Begründung seines Begehrens Anfechtungsrechte nach der InsO geltend zu machen. Sein Begehren weist damit einen abgabenrechtlichen Bezug auf, denn es erstreckt sich auf alle in der Vollstreckungsakte dokumentierten Vorgänge und darin enthaltenen Schriftstücke. Zu Recht hat das FG ausgeführt, dass die in den Akten enthaltenen Informationen nicht unabhängig von den Vorgängen betrachtet werden können, auf die sie sich beziehen. Nicht nur die Vollstreckung, sondern auch die Steuererhebung wird von dem Anliegen betroffen. Dass die Vollstreckung von Steuerforderungen nicht von der Steuererhebung isoliert betrachtet werden kann, hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 22. Februar 2000 VII R 73/98 (BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366) zum Ausdruck gebracht. Danach ist ein auf § 94 Abs. 1 AO gestütztes Auskunftsersuchen nicht nur im Erhebungsverfahren, sondern auch im Vollstreckungsverfahren zulässig, denn auch ein solches Auskunftsersuchen dient der Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts. Aus diesem Grund war die Vorentscheidung zu bestätigen.

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Gründe 1 Der VII. Senat schließt sich der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts an, wonach für einen auf § 4 des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes (§
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Tenor Das Beschwerdeverfahren wird ausgesetzt. Dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes wird die Rechtsfr
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Annotations

(1) Zugang zu personenbezogenen Daten darf nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung dürfen nur übermittelt werden, wenn der Dritte ausdrücklich eingewilligt hat.

(2) Das Informationsinteresse des Antragstellers überwiegt nicht bei Informationen aus Unterlagen, soweit sie mit dem Dienst- oder Amtsverhältnis oder einem Mandat des Dritten in Zusammenhang stehen und bei Informationen, die einem Berufs- oder Amtsgeheimnis unterliegen.

(3) Das Informationsinteresse des Antragstellers überwiegt das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs in der Regel dann, wenn sich die Angabe auf Name, Titel, akademischen Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer beschränkt und der Dritte als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben hat.

(4) Name, Titel, akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer von Bearbeitern sind vom Informationszugang nicht ausgeschlossen, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind und kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

(1) Der Finanzrechtsweg ist gegeben

1.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden,
2.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu vollziehen sind,
3.
in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Streitigkeiten über Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil, den Zweiten und den Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatungsgesetzes geregelt werden,
4.
in anderen als den in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

(2) Abgabenangelegenheiten im Sinne dieses Gesetzes sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.

(1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren.

(2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er

1.
personenbezogene Daten eines anderen, die ihm
a)
in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen,
b)
in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit,
c)
im Rahmen einer Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder 6 oder aus anderem dienstlichen Anlass, insbesondere durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen,
bekannt geworden sind, oder
2.
ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist,
(geschützte Daten) unbefugt offenbart oder verwertet oder
3.
geschützte Daten im automatisierten Verfahren unbefugt abruft, wenn sie für eines der in Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind.

(3) Den Amtsträgern stehen gleich

1.
die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs),
1a.
die in § 193 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Personen,
2.
amtlich zugezogene Sachverständige,
3.
die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.

(4) Die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten ist zulässig, soweit

1.
sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient,
1a.
sie einer Verarbeitung durch Finanzbehörden nach Maßgabe des § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 oder 6 dient,
1b.
sie der Durchführung eines Bußgeldverfahrens nach Artikel 83 der Verordnung (EU) 2016/679 im Anwendungsbereich dieses Gesetzes dient,
2.
sie durch Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist,
2a.
sie durch Recht der Europäischen Union vorgeschrieben oder zugelassen ist,
2b.
sie der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Statistischen Bundesamtes oder für die Erfüllung von Bundesgesetzen durch die Statistischen Landesämter dient,
2c.
sie der Gesetzesfolgenabschätzung dient und die Voraussetzungen für eine Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 vorliegen,
2d.
sie der Sicherung, Nutzung und wissenschaftlichen Verwertung von Archivgut der Finanzbehörden durch das Bundesarchiv nach Maßgabe des Bundesarchivgesetzes oder durch das zuständige Landes- oder Kommunalarchiv nach Maßgabe des einschlägigen Landesgesetzes oder der einschlägigen kommunalen Satzung dient, sofern die Beachtung der Vorgaben der §§ 6 und 10 bis 14 des Bundesarchivgesetzes im Landesrecht oder in der kommunalen Satzung sichergestellt ist,
3.
die betroffene Person zustimmt,
4.
sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse
a)
in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, oder
b)
ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind,
5.
für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn
a)
die Offenbarung erforderlich ist zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung oder die nationale Sicherheit oder zur Verhütung oder Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen,
b)
Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, oder
c)
die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern; die Entscheidung trifft die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehört werden.

(5) Vorsätzlich falsche Angaben der betroffenen Person dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden.

(6) Der Abruf geschützter Daten, die für eines der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind, ist nur zulässig, soweit er der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 Buchstabe a und b oder der zulässigen Übermittlung geschützter Daten durch eine Finanzbehörde an die betroffene Person oder Dritte dient. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen den unbefugten Abruf von Daten zu treffen sind. Insbesondere kann es nähere Regelungen treffen über die Art der Daten, deren Abruf zulässig ist, sowie über den Kreis der Amtsträger, die zum Abruf solcher Daten berechtigt sind. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betrifft.

(7) Werden dem Steuergeheimnis unterliegende Daten durch einen Amtsträger oder diesem nach Absatz 3 gleichgestellte Personen nach Maßgabe des § 87a Absatz 4 oder 7 über De-Mail-Dienste im Sinne des § 1 des De-Mail-Gesetzes versendet, liegt keine unbefugte Offenbarung, Verwertung und kein unbefugter Abruf von dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten vor, wenn beim Versenden eine kurzzeitige automatisierte Entschlüsselung durch den akkreditierten Diensteanbieter zum Zweck der Überprüfung auf Schadsoftware und zum Zweck der Weiterleitung an den Adressaten der De-Mail-Nachricht stattfindet.

(8) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abgleich geschützter Daten innerhalb einer Finanzbehörde oder zwischen verschiedenen Finanzbehörden ermöglicht, ist zulässig, soweit die Weiterverarbeitung oder Offenbarung dieser Daten zulässig und dieses Verfahren unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person und der Aufgaben der beteiligten Finanzbehörden angemessen ist.

(9) Die Finanzbehörden dürfen sich bei der Verarbeitung geschützter Daten nur dann eines Auftragsverarbeiters im Sinne von Artikel 4 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2016/679 bedienen, wenn diese Daten ausschließlich durch Personen verarbeitet werden, die zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind.

(10) Die Offenbarung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 durch Finanzbehörden an öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen ist zulässig, wenn die Voraussetzungen der Absätze 4 oder 5 und ein Ausnahmetatbestand nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 oder nach § 31c vorliegen.

(11) Wurden geschützte Daten

1.
einer Person, die nicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet ist,
2.
einer öffentlichen Stelle, die keine Finanzbehörde ist, oder
3.
einer nicht-öffentlichen Stelle
nach den Absätzen 4 oder 5 offenbart, darf der Empfänger diese Daten nur zu dem Zweck speichern, verändern, nutzen oder übermitteln, zu dem sie ihm offenbart worden sind. Die Pflicht eines Amtsträgers oder einer ihm nach Absatz 3 gleichgestellten Person, dem oder der die geschützten Daten durch die Offenbarung bekannt geworden sind, zur Wahrung des Steuergeheimnisses bleibt unberührt.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.

(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.

(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.

(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.

(1) Die Beteiligten können die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Beteiligte können sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen.

(2) Werden die Prozessakten elektronisch geführt, wird Akteneinsicht durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt. Auf besonderen Antrag wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der Akten wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse darlegt. Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden. Über einen Antrag nach Satz 3 entscheidet der Vorsitzende; die Entscheidung ist unanfechtbar. § 79a Absatz 4 gilt entsprechend.

(3) Werden die Prozessakten in Papierform geführt, wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Die Akteneinsicht kann, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, auch durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt werden.

(4) Die Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die Arbeiten zu ihrer Vorbereitung, ferner die Dokumente, die Abstimmungen oder Ordnungsstrafen des Gerichts betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt.

(1) Der Finanzrechtsweg ist gegeben

1.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden,
2.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu vollziehen sind,
3.
in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Streitigkeiten über Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil, den Zweiten und den Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatungsgesetzes geregelt werden,
4.
in anderen als den in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

(2) Abgabenangelegenheiten im Sinne dieses Gesetzes sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.

(1) Hält die Finanzbehörde mit Rücksicht auf die Bedeutung der Auskunft oder zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Auskunft die Beeidigung einer anderen Person als eines Beteiligten für geboten, so kann sie das für den Wohnsitz oder den Aufenthaltsort der zu beeidigenden Person zuständige Finanzgericht um die eidliche Vernehmung ersuchen. Befindet sich der Wohnsitz oder der Aufenthaltsort der zu beeidigenden Person nicht am Sitz eines Finanzgerichts oder eines besonders errichteten Senats, so kann auch das zuständige Amtsgericht um die eidliche Vernehmung ersucht werden.

(2) In dem Ersuchen hat die Finanzbehörde den Gegenstand der Vernehmung sowie die Namen und Anschriften der Beteiligten anzugeben. Das Gericht hat die Beteiligten und die ersuchende Finanzbehörde von den Terminen zu benachrichtigen. Die Beteiligten und die ersuchende Finanzbehörde sind berechtigt, während der Vernehmung Fragen zu stellen.

(3) Das Gericht entscheidet über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Zeugnisses oder der Eidesleistung.