Bundesfinanzhof Beschluss, 18. Jan. 2011 - VI B 136/10

published on 18/01/2011 00:00
Bundesfinanzhof Beschluss, 18. Jan. 2011 - VI B 136/10
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Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts (FG) vom 9. September 2010  12 K 3545/05. Das FG hat in dem Verfahren nach billigem Ermessen gemäß § 94a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen.

2

Dem Urteil vorangehend hatte das FG mit Verfügung vom 19. August 2010 einen Termin auf mündliche Verhandlung für den 14. September 2010 anberaumt. Mit Schreiben vom 7. September 2010 wies der Kläger darauf hin, dass ihm diese Verfügung erst am 6. September 2010 zugestellt worden sei und die Ladungsfristen damit nicht eingehalten worden seien. Aufgrund eines seit längerem feststehenden Termins beantrage er eine Verlegung der anberaumten mündlichen Verhandlung. Weiter vertrat der Kläger die Auffassung, dass aufgrund der Verfahrensdauer von 58 Monaten "die mündliche Erörterung der Sach- und Rechtslage überflüssig geworden und dem Klageantrag in jedem Fall stattzugeben" sei. Mit Schreiben vom 8. September 2010 teilte das FG dem Kläger mit, dass der anberaumte Termin aufgehoben worden sei und nunmehr beabsichtigt sei, wegen des geringen Streitwertes nach § 94a FGO ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Das FG begründet in seinem Urteil das Ergehen der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 94a FGO mit dem geringen Streitwert und der Bestätigung durch den Kläger im Schreiben vom 7. September 2010, dass "er einen mündlichen Verhandlungstermin für überflüssig" halte.

3

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass das FG ohne mündliche Verhandlung entschieden und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Der Kläger habe nicht auf eine mündliche Verhandlung verzichtet, sondern ausweislich des Schreibens vom 7. September 2010 die Auffassung vertreten, dass eine mündliche Verhandlung dann überflüssig sei, wenn dem Klagebegehren des Klägers stattgegeben werde.

4

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung des FG nach § 116 Abs. 6 FGO.

6

1. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und stellt eine Rechtsverletzung i.S. von § 119 Nr. 4 FGO dar. Das FG hätte nicht nach § 94a FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen.

7

Nach § 94a Satz 2 FGO muss auch in den Fällen, in denen der Streitwert bei einer auf eine Geldleistung gerichteten Klage 500 € nicht übersteigt, auf Antrag eines Beteiligten mündlich verhandelt werden. Der Antrag kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent gestellt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. September 1999 XI R 24/99, BFHE 190, 17, BStBl II 2000, 32, m.w.N.).

8

Im Streitfall hat der Kläger mit Schreiben vom 7. September 2010 eine Verlegung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt. Mit diesem Antrag hat er hinreichend klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine mündliche Verhandlung stattfinden soll. Die weiteren Ausführungen des Klägers, aufgrund der überlangen Verfahrensdauer sei "die mündliche Erörterung der Sach- und Rechtslage überflüssig geworden und dem Klageantrag in jedem Fall stattzugeben", berühren den (konkludenten) Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht. Sie sind --wie vom Kläger vorgetragen-- so zu verstehen, dass im Fall der Stattgabe der Klage aufgrund der überlangen Verfahrensdauer eine mündliche Verhandlung entbehrlich sei.

9

2. Es liegt ein Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 4 FGO vor, weil die Beteiligten nicht wirksam vertreten waren und das rechtliche Gehör verweigert wurde (§ 119 Nr. 3 FGO; vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 94a FGO Rz 8, m.w.N.). Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO). Durch die verfahrensfehlerhafte Versagung der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung war es dem Kläger nicht möglich, hinreichend an der Ermittlung des Gesamtergebnisses des Verfahrens i.S. des § 96 FGO mitzuwirken und sich insbesondere zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu äußern.

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung
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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung
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published on 29/09/2011 00:00

Gründe 1 Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. 2 E
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Das Gericht kann sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, fünfhundert Euro nicht übersteigt. Auf Antrag eines Beteiligten muß mündlich verhandelt werden. Das Gericht entscheidet über die Klage durch Urteil; § 76 über den Untersuchungsgrundsatz und § 79a Abs. 2, § 90a über den Gerichtsbescheid bleiben unberührt.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

Das Gericht kann sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, fünfhundert Euro nicht übersteigt. Auf Antrag eines Beteiligten muß mündlich verhandelt werden. Das Gericht entscheidet über die Klage durch Urteil; § 76 über den Untersuchungsgrundsatz und § 79a Abs. 2, § 90a über den Gerichtsbescheid bleiben unberührt.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

Das Gericht kann sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, fünfhundert Euro nicht übersteigt. Auf Antrag eines Beteiligten muß mündlich verhandelt werden. Das Gericht entscheidet über die Klage durch Urteil; § 76 über den Untersuchungsgrundsatz und § 79a Abs. 2, § 90a über den Gerichtsbescheid bleiben unberührt.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.