Bundesfinanzhof Urteil, 10. Juni 2010 - V R 62/09
Gericht
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Gesellschafter der GbR waren X und Z zu je 50 %. X und Z waren auch zu 50 % (X) und zu 9,86 % (Z) an einer GmbH beteiligt. Alleiniger Geschäftsführer der GmbH war X, während Z Prokurist der GmbH war. Die GbR hatte ein bebautes Grundstück an die GmbH verpachtet. Mit Beschluss vom 27. April 2005 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH.
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Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--), davon aus, dass zwischen der Klägerin als Organträger und der GmbH als Organgesellschaft eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestehe. Dem folgte die Klägerin zwar bei Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen, nicht aber im Rahmen der für das Streitjahr (2004) abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung. Demgegenüber ging das FA bei Erlass des Umsatzsteuerjahresbescheides vom 23. August 2005 wie bisher vom Bestehen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft aus. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass alle Eingliederungsvoraussetzungen erfüllt seien.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, die sie auf Verletzung materiellen Rechts stützt. Keine der von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorausgesetzten Eingliederungsvoraussetzungen sei verwirklicht.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 23. August 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2005 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2004 erklärungsgemäß ohne Berücksichtigung der Organschaft auf 11.590,08 € herabzusetzen ist.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Alle Eingliederungsvoraussetzungen seien erfüllt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zwischen der Klägerin und der GmbH besteht mangels finanzieller Eingliederung keine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.
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1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.
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Zwar kann im Hinblick auf die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" vorzunehmenden Beurteilung eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; vom 14. Februar 2008 V R 12 und 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a).
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2. Im Streitfall scheitert die vom FA und vom FG angenommene Organschaft am Erfordernis der finanziellen Eingliederung. Nach dem Urteil des Senats vom 22. April 2010 V R 9/09 kann eine GmbH nicht finanziell in eine Personengesellschaft eingegliedert sein, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an der GmbH und der Personengesellschaft verfügen (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf dieses Urteil, mit dem er seine frühere Rechtsprechung, nach der in derartigen Fällen eine Organschaft in Betracht kam, aufgegeben hat. Da im Streitfall die beiden Gesellschafter X und Z nur gemeinsam über eine finanzielle Mehrheitsbeteiligung an der Klägerin und an der GmbH verfügten, war die GmbH nicht mittelbar über die Gesellschafter X und Z in die Klägerin eingegliedert.
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(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,
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soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind, - 2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.
(3) (weggefallen)
(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.
(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.
(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof
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in der Sache selbst entscheiden oder - 2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.
(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.
(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,
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soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind, - 2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.
(3) (weggefallen)