Bundesfinanzhof Urteil, 19. Mai 2011 - III R 61/09

published on 19/05/2011 00:00
Bundesfinanzhof Urteil, 19. Mai 2011 - III R 61/09
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Gericht

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Tatbestand

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I. Der Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) erhielt das Kindergeld für die beiden gemeinsamen Kinder ausgezahlt. Er zog am 8. Mai 2006 aus dem Familienhaushalt aus. Seit Juni 2006 bezieht die Klägerin das Kindergeld. Mit Schreiben an die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) vom 7. September 2006 erklärte sich der Ehemann damit einverstanden, dass die Klägerin über das Kindergeld für den Monat Mai 2006 verfügen könne, und bat um Überweisung auf das Konto der Klägerin. Deren Antrag auf Kindergeld für die beiden Kinder für den Monat Mai 2006 lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 18. Januar 2007 ab, da der Ehemann vorrangig kindergeldberechtigt sei. Den Einspruch der Klägerin wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2007 als unbegründet zurück.

2

Im Klageverfahren stellte sich heraus, dass das streitige Kindergeld für den Monat Mai 2006 nicht an den Ehemann der Klägerin ausgezahlt worden war. Nachdem die Familienkasse das Kindergeld auf Weisung des Ehemannes auf das Konto der Klägerin überwiesen hatte, erklärte diese den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Familienkasse beantragte weiterhin Klageabweisung, da mit der Überweisung auf das vom Ehemann benannte Konto dessen Kindergeldanspruch erfüllt worden sei.

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Das Finanzgericht (FG) hob den Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf und verpflichtete die Familienkasse, der Klägerin Kindergeld für die beiden Kinder für den Monat Mai 2006 zu gewähren.

4

Mit der Revision rügt die Familienkasse eine unzutreffende Auslegung des § 64 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes durch das FG. Da das Kindergeld zugunsten des Ehemannes festgesetzt worden sei, habe die Berechtigtenbestimmung nicht mehr geändert werden können.

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Die Familienkasse beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

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Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen, indem es seinem Urteil ein Klagebegehren zugrunde gelegt hat, das mit dem tatsächlichen Begehren der Klägerin nicht übereinstimmt (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

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Das FG hat nicht über den von der Klägerin im Verfahren zuletzt gestellten und daher maßgeblichen Erledigungsantrag entschieden, sondern über einen Verpflichtungsantrag, den die Klägerin nach Auszahlung des Kindergeldes nicht mehr aufrechterhalten hatte.

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Erklärt der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, verfolgt er seinen ursprünglichen Sachantrag nicht mehr weiter. Er behauptet vielmehr, dieser Antrag sei durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden, so dass nur noch über die Kosten entschieden werden müsse. Bestreitet der Beklagte die Erledigung und beantragt Klageabweisung, beschränkt sich der Rechtsstreit nurmehr auf die Erledigungsfrage. An die Stelle des durch den ursprünglichen Klageantrag bestimmten Streitgegenstands tritt der Streit über die Behauptung des Klägers, seinem Klagebegehren sei durch ein die Hauptsache erledigendes Ereignis die Grundlage entzogen worden. Kommt das Gericht zu der Auffassung, dass die Hauptsache erledigt ist, ist die Erledigung im Urteil festzustellen und über die Kosten nach § 138 FGO zu befinden. Ist die Hauptsache dagegen nicht erledigt, ist das Begehren des Klägers, die Erledigung festzustellen, unbegründet. Das Erledigungsbegehren ist dann mit einer Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers abzuweisen (z.B. Senatsbeschluss vom 20. März 2003 III B 74/01, BFH/NV 2003, 935, m.w.N.).

11

Das FG hat im Streitfall § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO verletzt. Denn es hat über etwas entschieden, was die Klägerin ausweislich ihres Erledigungsbegehrens nicht (mehr) zur Entscheidung gestellt hatte. Dieses prozessuale Vorgehen des FG stellt einen im Revisionsverfahren vom Bundesfinanzhof (BFH) auch ohne Rüge zu beachtenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils zwingt (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1994 VII R 18/93, BFH/NV 1995, 697). Das FG wird im zweiten Rechtsgang über den Erledigungsantrag der Klägerin zu entscheiden haben.

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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung
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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung
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Tatbestand A. 1 Mit der Erinnerung bestreitet die beklagte Familienkasse - eine Erledigungserklärung ihrerseits
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Annotations

(1) Für jedes Kind wird nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt.

(2)1Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.2Ist ein Kind in den gemeinsamen Haushalt von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, so bestimmen diese untereinander den Berechtigten.3Wird eine Bestimmung nicht getroffen, so bestimmt das Familiengericht auf Antrag den Berechtigten.4Den Antrag kann stellen, wer ein berechtigtes Interesse an der Zahlung des Kindergeldes hat.5Lebt ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern und Großeltern, so wird das Kindergeld vorrangig einem Elternteil gezahlt; es wird an einen Großelternteil gezahlt, wenn der Elternteil gegenüber der zuständigen Stelle auf seinen Vorrang schriftlich verzichtet hat.

(3)1Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt.2Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhaltsrenten, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt.3Werden gleich hohe Unterhaltsrenten gezahlt oder zahlt keiner der Berechtigten dem Kind Unterhalt, so bestimmen die Berechtigten untereinander, wer das Kindergeld erhalten soll.4Wird eine Bestimmung nicht getroffen, so gilt Absatz 2 Satz 3 und 4 entsprechend.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen.

(2) Soweit ein Rechtsstreit dadurch erledigt wird, dass dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts stattgegeben oder dass im Fall der Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 innerhalb der gesetzten Frist dem außergerichtlichen Rechtsbehelf stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt erlassen wird, sind die Kosten der Behörde aufzuerlegen. § 137 gilt sinngemäß.

(3) Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.