Bundesfinanzhof Urteil, 22. Dez. 2011 - III R 46/08

published on 22/12/2011 00:00
Bundesfinanzhof Urteil, 22. Dez. 2011 - III R 46/08
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Tatbestand

1

I. Die am 30. August 1977 geborene Tochter T der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist behindert. Laut amtlichem Schwerbehindertenausweis beträgt der Grad der Behinderung (GdB) 50. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 25. Mai 2005 bewilligte ihr die Agentur für Arbeit Übergangsgeld gemäß §§ 97 ff. des Dritten Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. § 33, §§ 44 ff. des Neunten Buches Sozialgesetzbuch für einen geförderten Ausbildungslehrgang.

2

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung für T im Hinblick auf deren Vollendung des 27. Lebensjahres ab September 2004 mit Bescheid vom 21. Juli 2004 auf. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

3

Während des Klageverfahrens setzte die Familienkasse mit Änderungsbescheid vom 30. Juni 2005 für die Monate September 2004 bis Mai 2005 Kindergeld fest. Den daraufhin von der Klägerin gestellten Antrag, ihr Kindergeld auch ab Juni 2005 zu bewilligen, lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 30. August 2006 ab.

4

Im März 2007 wurde T durch den ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit untersucht. Der untersuchende Arzt kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, T sei --unter Berücksichtigung von Leistungseinschränkungen-- vollschichtig leistungsfähig für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes; ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt sei die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Der Gutachter führte zudem aus, wegen ihres kleinen Kindes wolle T sich zur Zeit nur drei bis vier Stunden pro Tag zur Verfügung stellen. Dieses Ergebnis übernahm die Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, da es nicht habe feststellen können, dass T wegen ihrer Behinderung zum Selbstunterhalt außerstande sei.

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die fehlerhafte Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG).

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Familienkasse unter Aufhebung des FG-Urteils und des Ablehnungsbescheids vom 30. August 2006 zu verpflichten, Kindergeld ab Juni 2005 festzusetzen.

8

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

10

1. Die Klage ist als geänderte Klage (§ 67 FGO) -weiter- zulässig. Die vom Bundesfinanzhof von Amts wegen auch noch im Revisionsverfahren in jeder Verfahrenslage zu überprüfenden Sachentscheidungsvoraussetzungen im finanzgerichtlichen Verfahren (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 2004 III R 18/02, BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980, m.w.N.) liegen vor.

11

2. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein volljähriges Kind unter weiteren --hier nicht streitigen-- Voraussetzungen ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

12

a) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 19. November 2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a, m.w.N.) ist ein behindertes Kind außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen gesamten notwendigen Lebensunterhalt nicht mit den ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln bestreiten kann.

13

b) Ein behindertes Kind kann sowohl wegen der Behinderung als auch wegen der allgemein ungünstigen Situation auf dem Arbeitsmarkt oder wegen anderer Umstände (z.B. mangelnder Mitwirkung bei der Arbeitsvermittlung, Ablehnung von Stellenangeboten) arbeitslos und damit außerstande sein, sich selbst zu unterhalten. Ein Anspruch auf Kindergeld besteht nur dann, wenn die Behinderung nach den Gesamtumständen des Einzelfalles in erheblichem Umfang mitursächlich dafür ist, dass das Kind nicht seinen (gesamten) Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten kann (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.b und c).

14

aa) Nicht ursächlich ist die Behinderung in der Regel bei einem GdB von weniger als 50. Bei einem GdB von 50 --wie im Streitfall-- oder mehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.b).

15

bb) Ein Indiz für die Fähigkeit des behinderten Kindes zum Selbstunterhalt kann zwar die Feststellung in ärztlichen Gutachten --z.B. von der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit oder eines vom Gericht beauftragten ärztlichen Sachverständigen-- sein, das Kind sei nach Art und Umfang seiner Behinderung in der Lage, eine arbeitslosenversicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für das Kind in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben. Selbst wenn nach den Gutachten eine "vollschichtige Tätigkeit" für möglich gehalten wird, ist die theoretische Möglichkeit, das behinderte Kind am allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln, aber allein nicht geeignet, die (Mit-)Ursächlichkeit der Behinderung auszuschließen. Entscheidend kann nur die konkrete Bewertung der jeweiligen Situation des behinderten Kindes sein (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.2.a).

16

cc) Auch dem GdB kommt eine wichtige indizielle Bedeutung für die Prüfung der Ursächlichkeit der Behinderung für die mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt zu. Je höher der GdB ist, desto stärker wird die Vermutung, dass die Behinderung der erhebliche Grund für die fehlende Erwerbstätigkeit ist. Dagegen spricht ein GdB unter 50 eher gegen eine Kausalität der Behinderung (vgl. Senatsurteil in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.2.c).

17

dd) Ein Indiz für eine Vermittelbarkeit des behinderten Kindes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann z.B. auch eine --nicht behinderungsspezifische-- Berufsausbildung sein. Andererseits gilt auch hier, dass noch weitere Umstände hinzukommen müssen, bis eine Teilnahme am Erwerbsleben als möglich angesehen werden kann. Behinderungsspezifische Ausbildungen und Praktika sprechen eher gegen eine Vermittelbarkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt, da sie möglicherweise den Schluss auf nur bedingte Einsatzmöglichkeiten zulassen (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.2.d).

18

ee) Steht das behinderte Kind der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit zur Verfügung und kann die Agentur für Arbeit in einem mittelfristigen Zeitraum keine Stellenangebote benennen oder hat sich das behinderte Kind mittelfristig mehrfach erfolglos beworben, wird dies in der Regel gegen dessen Vermittelbarkeit sprechen und somit dafür, dass die Behinderung in erheblichem Umfang mitursächlich war für die mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.2.e).

19

c) Ist keine erhebliche Mitursächlichkeit für die Arbeitslosigkeit anzunehmen, besteht ein Anspruch auf Kindergeld auch dann, wenn die Einkünfte, die das Kind aus einer --trotz der Behinderung möglichen-- Erwerbstätigkeit erzielen könnte, nicht ausreichen würden, seinen gesamten Lebensbedarf (existenziellen Grundbedarf und behinderungsbedingten Mehrbedarf) zu decken (Senatsurteil vom 22. Oktober 2009 III R 50/07, BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38).

20

3. Die Entscheidung über die Mitursächlichkeit hat das FG als Tatsacheninstanz unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles und unter Abwägung der für und gegen eine Mitursächlichkeit sprechenden Indizien zu treffen. Das Urteil des FG, das vor den Grundsatzurteilen des Senats in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057 und in BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38 ergangen ist, war aufzuheben, weil das FG bei seiner Entscheidung nicht alle zu berücksichtigenden Umstände und Indizien in seine Würdigung einbezogen hat. Es hat daher nicht in der gebotenen Gesamtwürdigung geprüft, ob die Behinderung in erheblichem Umfang mitursächlich dafür war, dass T keinen Arbeitsplatz gefunden hat. Insbesondere reicht die pauschale Feststellung nicht, T sei unter Berücksichtigung der verschiedenen Leistungseinschränkungen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig leistungsfähig. Das FG hat insoweit ersichtlich weder geprüft noch bedacht, ob und ggf. inwieweit sich die offensichtlich vorhandenen Einschränkungen auf eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem von T erlernten Beruf bzw. auf ihre Vermittelbarkeit in eine entsprechende Arbeitsstelle auswirken.

21

Im zweiten Rechtsgang wird das FG deshalb insbesondere auch zu berücksichtigen haben, warum sich T noch bis Mai 2005 in Ausbildung befand, um welche Ausbildung es sich handelte und wie ihr Abschluss ggf. im Hinblick auf den allgemeinen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt einzuordnen ist. In seine Entscheidung wird das FG weiter einzubeziehen haben, warum T trotz einer offenbar abgeschlossenen Ausbildung keinen Arbeitsplatz gefunden hat und ob es insoweit eine Rolle gespielt hat, dass sie nur zu einer Tätigkeit im Umfang von 15 bis 20 Wochenstunden bereit war. Dabei wird das FG auch Feststellungen dazu zu treffen haben, wie T sich um eine entsprechende Arbeit bemüht hat.

22

Kommt das FG bei erneuter Würdigung des Sachverhalts nach den Kriterien des Senatsurteils in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057 zu dem Ergebnis, die Behinderung sei nicht in erheblichem Umfang mitursächlich dafür gewesen, dass T keine Arbeit gefunden hat, hat es zu ermitteln, wie hoch ihr tatsächlicher Lebensbedarf (Grundbedarf und behinderungsbedingter Mehrbedarf) gewesen ist und ob der in der Regel für eine von ihr ausübbare Tätigkeit gezahlte Arbeitslohn ausgereicht hätte, um ihren gesamten Lebensbedarf zu finanzieren.

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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs
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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs
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published on 22/05/2014 00:00

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob die Tochter der Klägerin wegen einer körperlichen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und ob der Klägerin aus diesem Grund Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG über das
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Annotations

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält; § 68 bleibt unberührt.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat*

(3) Die Entscheidung, dass eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen ist, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.