Bundesfinanzhof Beschluss, 30. Sept. 2015 - I B 62/14
Gericht
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Juni 2014 10 K 10237/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Im Zuge einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) u.a. Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag, die Gewerbesteuer und Zinsen zur Gewerbesteuer für die Streitjahre 2004 bis 2006. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, legte Einspruch ein und beantragte außerdem den Erlass der Zinsen zur Gewerbesteuer gemäß § 227 der Abgabenordnung. Auch gegen die Ablehnung ihres Erlassantrags ging die Klägerin vor.
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Das FA wies die Einsprüche hinsichtlich der Zinsfestsetzung und der Erlassablehnung ab. Die Klägerin erhob in der Erlasssache Klage, mit der sie die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Zinshöhe von 6 % per annum geltend machte und auf die von ihr nicht verschuldete lange Verfahrensdauer abstellte. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg wies die Klage ab. In seinem Urteil vom 5. Juni 2014 10 K 10237/13 ließ es die Revision nicht zu. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Ihres Erachtens hat die Sache rechtsgrundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist --bei erheblichen Bedenken hinsichtlich ihrer Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).
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1. Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Sie sind entweder geklärt (fehlende Klärungsbedürftigkeit) oder in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärbar (fehlende Klärungsfähigkeit, zu diesen beiden Anforderungen vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 28 und 30, m.w.N.).
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a) Die Fragen,
"ob die Höhe der Verzinsung nach § 238 AO einer Korrektur, die im Rahmen eines Erlasses... gem. § 227 AO zu erfolgen hat",
"ob die Zinshöhe von 0,5 % für jeden Monat bei dem niedrigen Zinsniveau verfassungsgemäß ist" und --sinngemäß--
ob das verfassungsrechtliche Übermaßverbot eine Obergrenze für die Zinsfestsetzung gebietet, wenn mit der typisierten Verzinsung ein wirtschaftlicher Erfolg in Gestalt eines erzielbaren Zinsvorteils fingiert wird, den es angesichts der Niedrigzinsphase nicht gibt,
sind in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärbar. Die Fragen betreffen die Verfassungsmäßigkeit der einfach-rechtlichen Grundlagen und damit die Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung. Sie sind damit vorrangig im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Zinsfestsetzung und nicht im Erlassverfahren geltend zu machen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Mai 2011 X B 184/10, BFH/NV 2011, 1659). Ausweislich der Gründe des angegriffenen Urteils ist die Zinsfestsetzung im Streitfall allerdings in Bestandskraft erwachsen. Eine rechtlich unzutreffende, aber bestandskräftige Festsetzung von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen kann nach ständiger BFH-Rechtsprechung grundsätzlich nicht durch einen Billigkeitserweis aus sachlichen Gründen nachträglich korrigiert werden (z.B. BFH-Urteile vom 11. August 1987 VII R 121/84, BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512; vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 450; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 163 Rz 40). Dass im Streitfall der Ausnahmefall einer offensichtlich und eindeutig unrichtigen Steuer- bzw. Zinsfestsetzung vorliegt und Rechtsbehelfe nicht oder nicht in zumutbarer Weise eingelegt werden konnten (dazu BFH-Urteile in BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512, und in BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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b) Die Frage, ob "im Fall einer überlangen Dauer einer steuerlichen Außenprüfung eine Korrektur der Zinsfestsetzung nach § 233a (AO) im Wege des Erlasses zu erfolgen" hat, ist in der Rechtsprechung des BFH hinreichend in dem Sinne rechtsgrundsätzlich geklärt, dass der Hinweis auf eine verzögerte Bearbeitung des Steuerfalls grundsätzlich nicht geeignet ist, eine abweichende Zinsfestsetzung aus Billigkeitsgründen zu begründen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Juli 2006 VI B 134/05, BFH/NV 2006, 2029; Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 I R 112/08, BFH/NV 2010, 606, m.w.N.). Ob in einem bestimmten Einzelfall davon Ausnahmen zu machen sind, hängt von den konkreten Lebensumständen dieses Falles ab (vgl. BFH-Beschluss vom 11. März 2014 X B 45/13, BFH/NV 2014, 826). Allgemeine Aussagen von grundsätzlicher Bedeutung können dann aber regelmäßig nicht getroffen werden und eine Revisionszulassung scheidet aus (BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 826). Im Übrigen sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze, nach denen ein Billigkeitserlass von Zinsen in Betracht kommt, durch eine Vielzahl von Entscheidungen des BFH hinreichend geklärt (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 233a Rz 50 ff., mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Ein neuerlicher Klärungsbedarf wird von der Klägerin nicht aufgezeigt.
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c) Soweit die Klägerin schließlich die Frage stellt, "ob ein Steuerpflichtiger (den) Erlass einer Festsetzung beanspruchen (kann), auch wenn er zuvor die Festsetzung hat wirksam werden lassen", spricht sie offensichtlich das Verhältnis von Billigkeitsmaßnahmen zu den Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegenüber Steuer- und Zinsfestsetzungen an. Diese Problematik ist durch die oben unter II.1.a der Gründe dieses Beschlusses zitierte BFH-Rechtsprechung geklärt. Der Hinweis der Klägerin auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes geht fehl. Die Rechtsschutzmöglichkeiten werden nicht dadurch verkürzt, dass ein Kläger mit seinen Einwendungen in das richtige Verfahren, innerhalb dessen er umfänglichen Rechtsschutz zu erlangen vermag, verwiesen wird.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.