Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die vom benachbarten Gewerbebetrieb des Beigeladenen auf sein Grundstück einwirkenden Lärmimmissionen ein bestimmtes Maß nicht überschreiten dürfen, hilfsweise die Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde zu bauaufsichtlichem Einschreiten.
1. Der Beigeladene ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …0/22 der Gemarkung R … (P …-Str. 54, 63 … K …), auf dem er über die Firma „D …“ eine Großbäckerei betreibt. Das in östlicher Richtung angrenzende Grundstück Fl.Nr. …0/23 steht im Eigentum des Klägers. Auf diesem Grundstück befindet sich im westlichen Grundstücksbereich eine gewerblich genutzte Halle, im nordöstlichen Grundstücksbereich ein vom Kläger bewohntes Wohnhaus (P …-Str. 52a).
Für das Grundstück des Beigeladenen Fl.Nr. …0/22 setzt der Bebauungsplan „Industriegebiet II“ i.d.F. der Änderung vom 21. Februar 2000 ein Gewerbegebiet (GE) fest. Das benachbarte Grundstück Fl.Nr. …0/23 befindet sich ebenfalls im Geltungsbereich des vorgenannten Bebauungsplans, der hierfür teilweise ein Gewerbegebiet (westlicher Grundstücksbereich), teilweise ein Industriegebiet mit eingeschränktem flächenbezogenen Schallleistungspegel für die Nachtzeit nach „§ 9 BauNVO u. § 1 Abs. 4 BauNVO“ von 50 dB(A) (GIb - östlicher Grundstücksbereich) festsetzt.
Mit Baugenehmigungsbescheid vom 24. September 2009 erteilte das Landratsamt Miltenberg dem Beigeladenen die Baugenehmigung für die Erweiterung der Produktionshalle des auf dem Grundstück Fl.Nr. …0/22 bestehenden Gewerbebetriebs. Der Bescheid enthält unter Nebenbestimmung Nr. 3.1.2 folgende Regelung:
„Der Beurteilungspegel der Geräuschkontingente aller Anlagen auf dem Betriebsgelände, einschließlich des Fahr- und Ladeverkehrs, sowie die Geräuschkontingente der umliegenden Gewerbebetriebe dürfen in ihrer Summenwirkung (…) 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes des östlich gelegenen Wohnhauses (Flurnummer …0/23) im beschränkten Industriegebiet der in der TA Lärm unter Nummer 6.1 a festgelegten Immissionsrichtwerte von tagsüber und nachts 70 dB(A) nicht überschreiten.“
In der Folgezeit wandte sich der Kläger an das Landratsamt Miltenberg mit der Bitte, gegen die von dem auf dem Grundstück des Beigeladenen bestehenden Gewerbebetrieb ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen einzuschreiten.
Das Landratsamt lehnte dies mit Schreiben vom 10. September 2013 ab.
2. Mit Schriftsatz vom 10. März 2014, bei Gericht eingegangen am 11. März 2014, ließ der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erheben. Er beantragte,
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1.Es wird festgestellt, dass das Landratsamt Miltenberg bei seiner Entscheidung darüber, ob es hinsichtlich der vom Grundstück des Beigeladenen Fl.Nr. …0/22 Gemarkung R … ausgehenden und auf das Grundstück des Klägers Fl.Nr. …0/23 Gemarkung R … einwirkenden Immissionen bauaufsichtlich einschreiten kann oder muss, nicht davon ausgehen darf, durch die teilweise Lage des Grundstücks des Klägers in einem durch den Bebauungsplan „Industriegebiet II“ der Stadt K … festgesetzten Industriegebiet nach § 9 BauNVO und § 1 Abs. 4 BauNVO mit einem eingeschränkten, flächenbezogenen Schallleistungspegel für die Nachtzeit von 50 dB(A), sei der Beizuladende berechtigt, auf seinem Grundstück Fl.Nr. …0/22 Gemarkung R … Geräusche zu erzeugen oder erzeugen zu lassen, welche auf das Grundstück des Klägers Fl.Nr. …0/23 Gemarkung R …, insbesondere auf das dort befindliche Wohnhaus, nachts mit einem höheren Schallleistungspegel als 50 dB(A) einwirken.
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2.Hilfsweise wird der Beklagte verpflichtet, es dem Beigeladenen bei Androhung von Verwaltungszwang zu untersagen, auf seinem Grundstück Fl.Nr. …0/22 Gemarkung R … Lärm zu verursachen, der auf das Grundstück des Klägers Fl.Nr. …0/23 Gemarkung R … nachts mit mehr als 50 dB(A) einwirkt.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Mit der Feststellungsklage solle geklärt werden, ob der Bebauungsplan „Industriegebiet II“ Rechtswirksamkeit dahingehend entfalte, dass vom Grundstück des Beigeladenen aus dem Grundstück des Klägers, insbesondere dem dort befindlichen Wohnhaus, Schallimmissionen zugeführt werden dürfen, die dort nachts mit mehr als 50 dB(A) einwirken. Von dem Gewerbebetrieb auf dem Grundstück des Beigeladenen gingen für das Wohnhaus des Klägers, welches sich wohl nur ganz geringfügig im Gewerbegebiet, überwiegend jedoch im Industriegebiet befinde, nicht hinnehmbare Lärmimmissionen aus, die insbesondere durch die auch nachts laufenden Kühlaggregate verursacht würden. Der Bebauungsplan sei widersprüchlich und daher wohl auch nichtig. Dies ergebe sich aus Folgendem: Es sei widersprüchlich, dass der Beigeladene berechtigt sein solle, mit Lärmimmissionen bis zu 70 dB(A) nachts auf das Nachbargrundstück, auf dem sich das Wohnhaus des Klägers befinde, einzuwirken, obwohl die auf dem Nachbargrundstück erzeugte Geräuschentwicklung durch den im Bebauungsplan festgesetzten flächenbezogenen Schallleistungspegel von 50 dB(A) zur Nachtzeit „gedeckelt“ sein solle. Widersprüchlich sei weiterhin, dass der Kläger dann, wenn er sein Wohnhaus direkt an der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Beigeladenen hin und damit im festgesetzten Gewerbegebiet errichtet hätte, nur Lärmimmissionen von 50 dB(A) zur Nachtzeit hätte hinnehmen müssen, während er nun im Hinblick auf den tatsächlichen Standort seines Wohnhauses in der nordöstlichen Grundstücksecke, also deutlich weiter vom Grundstück des Beigeladenen entfernt, bis zu 70 dB(A) hinnehmen müssen solle. Es bestünden auch keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage. Insbesondere handele es sich bei der zwischen den Beteiligten zu klärenden Frage, ob die Festsetzungen des Bebauungsplans im Zusammenhang mit einer etwaigen Pflicht der Bauaufsichtsbehörde zu bauaufsichtlichem Einschreiten Berücksichtigung finden könnten, um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Auch die Subsidiarität der Feststellungsklage sei gewahrt.
3. Das Landratsamt Miltenberg beantragte für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Hinsichtlich der erhobenen Feststellungsklage bestünden Zweifel an der Klagebefugnis des Klägers. Hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten sei die Klage unbegründet. Das Wohnhaus des Klägers, das im beschränkten Industriegebiet („GIb“) liege, sei als betriebsbezogenes Wohnhaus i.S.v. § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO genehmigt worden. Der Kläger müsse daher ein deutlich höheres Maß an Störungen als in Wohngebieten oder im Mischgebiet hinnehmen. Das Landratsamt sei an die Festsetzungen des Bebauungsplans gebunden; ihm stehe keine Normverwerfungskompetenz zu. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass die im Baugenehmigungsbescheid vom 24. September 2009 über die Erweiterung des Gewerbebetriebs auf dem Grundstück des Beigeladenen unter Nebenbestimmung Nr. 3.1.2 aufgeführten Immissionsrichtwerte überschritten würden.
4. Der Beigeladene beantragte ebenfalls
Klageabweisung.
Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Gewerbebetrieb auf dem Grundstück des Beigeladenen sei schon längst vorhanden gewesen, als der Kläger den Bauantrag für sein Wohnhaus gestellt habe. Bei dem Wohnhaus des Klägers handele es sich um ein Betriebsleiterwohnhaus i.S.v. § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO, welches einen geringeren Schutz vor Lärmbeeinträchtigungen genieße als Wohnnutzungen in Wohn- und Mischgebieten. Der Kläger müsse entsprechend der Nebenbestimmung Nr. 3.1.2 des Genehmigungsbescheids vom 24. September 2009 die allgemeinen Immissionsrichtwerte für ein Industriegebiet nach der TA Lärm von tags und nachts 70 dB(A) hinnehmen.
5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag unzulässig. Im Hilfsantrag ist sie darüber hinaus auch unbegründet.
1. Unter Auslegung des Klageantrags (vgl. § 88 VwGO) begehrt der Kläger mit dem Hauptantrag die Feststellung, dass das Landratsamt Miltenberg bei seiner Entscheidung darüber, ob es gegen den auf dem Grundstück des Beigeladenen vorhandenen Gewerbebetrieb bauaufsichtlich einschreitet, zu berücksichtigen habe, dass auf das klägerische Grundstück, insbesondere auf das dort vorhandene Wohnhaus, zur Nachtzeit nicht mit Lärmbeeinträchtigungen von mehr als 50 dB(A) eingewirkt werden dürfe.
1.1. Eine Feststellungsklage mit diesem Begehren ist - worauf das Gericht in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich hingewiesen hat - unzulässig, denn sie bezieht sich nicht auf ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO.
Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S. dieser Vorschrift werden rechtliche Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder zu einer Sache ergeben. Die streitige Beziehung muss sich weiter durch ein dem öffentlichen Recht zuzurechnendes Verhalten zu einer konkreten Rechtsbeziehung verdichtet haben. Diese setzt voraus, dass die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist. Das Erfordernis einer Verdichtung der Rechtsbeziehung zu einem konkreten Rechtsverhältnis rechtfertigt sich aus dem Anliegen, den Verwaltungsgerichten nicht die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen aufzubürden (vgl. BVerwG, U.v. 23.1.1992 - 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327). Nicht feststellungsfähig sind bloße Elemente, unselbstständige Teile oder Vorfragen von Rechtsverhältnissen, die nicht unmittelbar Rechte und Pflichten begründen, sondern nur Voraussetzungen solcher Rechte und Pflichten sind (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 43 Rn. 13 m.w.N.). Nicht als Gegenstand der Feststellungsklage kommt auch die Gültigkeit von Rechtsnormen in Betracht (BVerwG, U.v. 23.8.2007 - 7 C 2/07 - BVerwGE 129, 199, Rn. 20; B.v. 21.3.1974 - VII B 97.73 - Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 56).
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen ist das Feststellungsbegehren des Klägers vorliegend auf die Klärung einer Vorfrage zu seinem eigentlichen Anliegen gerichtet. Denn wie der Klägerbevollmächtigte schriftsätzlich (Bl. 41 d.A.) und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, ist es das eigentliche Anliegen des Klägers, dass das Landratsamt bauaufsichtlich dahingehend einschreitet, dass vom Gewerbebetrieb des Beigeladenen nicht Lärmbeeinträchtigungen von mehr als 50 dB(A) zur Nachtzeit auf das klägerische Grundstück einwirken. Als Vorfrage zu diesem Begehren möchte der Kläger mit der vorliegend erhobenen Feststellungsklage gerichtlich klären lassen, von welchen Immissionsrichtwerten (bezüglich des klägerischen Grundstücks) der Beklagte bei der Entscheidung über ein bauaufsichtliches Einschreiten auszugehen hat. Gegenstand des Feststellungsbegehrens ist damit ein unselbstständiger Teil eines Rechtsverhältnisses, der selbst nicht unmittelbar Rechte und Pflichten begründet, sondern nur Voraussetzung solcher Rechte und Pflichten ist.
Darüber hinaus ist die Feststellungsklage auch deshalb unzulässig, weil sie in der Sache unmittelbar die Frage nach der Wirksamkeit bestimmter Festsetzungen des Bebauungsplans betrifft. Wie der Klägerbevollmächtigte in der Klagebegründung selbst ausführt, möchte der Kläger gerichtlich klären lassen, ob der Bebauungsplan „Industriegebiet II“ wirksam ist, soweit dieser für sein Grundstück ein Industriegebiet mit eingeschränktem flächenbezogenen Schallleistungspegel für die Nachtzeit nach „§ 9 BauNVO u. § 1 Abs. 4 BauNVO“ von 50 dB(A) festsetzt. Der Bebauungsplan wird gemäß § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung erlassen. Das Feststellungsbegehren ist folglich auf die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm gerichtet. Für dieses Rechtsschutzbegehren stellt die VwGO in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO das Normenkontrollverfahren zur Verfügung. Als Gegenstand einer Feststellungsklage scheidet die Frage der Gültigkeit einer Rechtsnorm hingegen aus.
1.2. Unabhängig davon ist die Klage im Hauptantrag auch wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig. Die Feststellungsklage ist danach unzulässig, wenn der Kläger sein Rechtsschutzziel mit der Gestaltungs- oder Leistungsklage - einschließlich der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO - verfolgen kann. Dadurch sollen aus Gründen der Prozessökonomie unnötige Feststellungsklagen vermieden werden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht (BVerwG, U.v. 28.1.2010 - 8 C 19/09 - juris, Rn. 40).
Eine solche sachnähere Klageart steht dem Kläger hier mit der Verpflichtungsklage, gerichtet auf ein bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten, zur Verfügung. Würde hingegen die Feststellungsklage für zulässig erachtet, so wäre jedenfalls in dem Fall, dass das Gericht dieser Klage stattgibt, von vorneherein absehbar, dass die Beteiligten dann weiter über die Frage der Ermessensreduzierung in Bezug auf die Pflicht des Beklagten zu bauaufsichtlichem Einschreiten streiten. Eine weitere Klage des Klägers, genauer eine Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten, wäre dann mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage trägt daher gerade nicht zur Klärung der zwischen den Beteiligten streitigen Pflicht des Landratsamts zu bauaufsichtlichen Einschreiten bei. Soweit der Klägerbevollmächtigte insoweit vorbringt, er sei davon überzeugt, dass das Landratsamt bauaufsichtlich einschreiten werde, wenn das Gericht der Feststellungsklage stattgebe, rechtfertigt dies keine andere rechtliche Beurteilung, zumal das Landratsamt Miltenberg ein bauaufsichtliches Einschreiten vorprozessual explizit abgelehnt hat (vgl. Bl. 13 d.A.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass bauaufsichtliche Maßnahmen auch dann, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der entsprechenden Befugnisnorm vorliegen, grundsätzlich im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde stehen. Nur ausnahmsweise kann sich eine Ermessensreduzierung auf Null ergeben. Die Feststellungsklage ist hier daher gerade nicht prozessökonomisch.
Die Feststellungsklage bietet dem Kläger auch keinen gegenüber der Verpflichtungsklage weitreichenderen bzw. effektiveren Rechtsschutz. Soweit der Klägerbevollmächtigte in diesem Zusammenhang sinngemäß vorbringt, es könne dem Kläger nicht zugemutet werden, gegen die einzelnen Lärmquellen auf dem Grundstück des Beigeladenen jeweils gesondert vorzugehen, spricht dies nicht für die Zulässigkeit der Feststellungsklage. Eine Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten muss - anders als der Klägerbevollmächtigte offenbar meint - nicht jeweils isoliert gegen die einzelnen zum Gewerbebetrieb des Beigeladenen gehörenden Lärmquellen (Kühlaggregate, An- und Abfahrtsverkehr etc.) gerichtet werden. Vielmehr kann der Kläger mit der Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten ein Einschreiten des Beklagten gegen den Gewerbebetrieb des Beigeladenen als solchen geltend machen. Dies hat er mit dem Hilfsantrag im vorliegenden Verfahren ja auch tatsächlich getan.
2. Der vom Kläger erhobene Hilfsantrag ist ebenso unzulässig und darüber hinaus unbegründet.
2.1. Die Klage ist unzulässig, weil das Klagerecht verwirkt ist.
Es kann offen bleiben, ob die Klage bereits deshalb keinen Erfolg haben kann, weil der Baugenehmigungsbescheid vom 24. September 2009 mit der Nebenbestimmung Nr. 3.1.2., wonach der Kläger an seinem Wohnhaus Lärmbeeinträchtigungen von tags und nachts 70 dB(A) zu dulden hat, gegenüber dem Kläger bestandskräftig geworden ist. Insbesondere bedarf es hier keiner Entscheidung, ob der Zustellungsmangel aufgrund der hier offenbar unterbliebenen Zustellung der Baugenehmigung an den Kläger durch die durch das Landratsamt am 20. Januar 2012 bewirkte Übermittlung des Genehmigungsbescheids an die Bevollmächtigte des Klägers (vgl. Bl. 180 der Behördenakte B 404/08) gemäß Art. 9 VwZVG geheilt wurde oder ob es hierfür auf Seiten des Landratsamts am erforderlichen Zustellungswillen fehlt. Denn der Kläger ist gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 24. September 2009 nicht gerichtlich vorgegangen, obwohl ihm bzw. seiner Bevollmächtigten jedenfalls ab Januar 2012 bekannt war, dass er nach dieser Baugenehmigung (Nebenbestimmung Nr. 3.1.2) an seinem Wohnhaus Lärmbeeinträchtigungen von bis zu 70 dB(A) hinnehmen muss. Er hat das Klagerecht zur Durchsetzung eines nach seiner Auffassung für sein Grundstück zugrunde zu legenden niedrigeren Immissionsrichtwerts dadurch verwirkt. Im Einzelnen:
Von der Verwirkung des Klagerechts ist regelmäßig auszugehen, wenn die Baugenehmigung dem nunmehr klagenden Nachbarn zwar nicht bekanntgegeben wurde, dieser von der Baugenehmigung jedoch wusste oder wissen musste, und dennoch nicht innerhalb eines Jahres ab diesem Zeitpunkt Klage erhoben hat (VG Würzburg, U.v. 23.9.2014 - W 4 K 13.655; Dirnberger in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand Dezember 2013, Art. 66 Rn. 227; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 58 Rn. 17 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Mit E-Mail vom 12. Januar zeigte die Rechtsanwältin K …, Aschaffenburg, dem Landratsamt Miltenberg an, dass sie den Kläger „in einer Nachbarschaftsangelegenheit (…) gegen die Firma „D …““ vertrete. Sie bat um Übersendung des Baugenehmigungsbescheids vom 24. September 2009 (Bl. 179 der Behördenakte B 404/08). Das Landratsamt Miltenberg übersandte der Rechtsanwältin unter dem 20. Januar 2012 den geforderten Bescheid. Der Bevollmächtigten des Klägers war daher ab diesem Zeitpunkt der Inhalt des Baugenehmigungsbescheids vom 24. September 2009 bekannt. Der Kläger muss sich die Kenntnis seiner Rechtsanwältin, die ihn in der Nachbarstreitigkeit mit der Firma „D …“ vertreten hat, entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Diese Vorschrift ist Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, dass derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten beauftragt hat, sich das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muss (vgl. etwa Ellenberger in Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 166 Rn. 1 u. 9 m.w.N.). Dennoch ging der Kläger gegen den vorgenannten Bescheid in der Folgezeit nicht gerichtlich vor. Auch brachten weder die Bevollmächtigte des Klägers noch der Kläger persönlich gegenüber dem Landratsamt oder gegenüber dem Beigeladenen in irgendeiner Form zum Ausdruck, dass der Kläger die vorgenannte Baugenehmigung als solche gerichtlich überprüfen lassen wolle, obwohl in dem Schriftverkehr zwischen den Beteiligten der Baugenehmigungsbescheid vom 24. September 2009 mit den Nebenbestimmungen zum Lärmschutz - auch von der Klägerseite - ausdrücklich angesprochen wurde (vgl. etwa Bl. 18 der Behördenakte S 71/12).
Der Verwirkung des Klagerechts kann nicht entgegengehalten werden, dass es insoweit am erforderlichen Umstandsmoment fehle. Denn aufgrund der aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis folgenden besonderen Rücksichtnahmepflichten (vgl. Czybulka/Kluckert in Sodann/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 58 Rn. 76) dürfen an das Umstandsmoment keine überzogenen Anforderungen gestellt werden (vgl. auch VG Würzburg, U.v. 23.9.2014 - W 4 K 13.655). Unter Berücksichtigung dessen und der Ausführungen im vorherigen Absatz mussten weder der Beklagte noch der Beigeladene nach Januar 2013 noch damit rechnen, dass der Kläger gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 24. September 2009 mit den darin enthaltenen Nebenbestimmungen zum Lärmschutz gerichtlich vorgeht.
Der Verwirkung des Klagerechts kann schließlich auch nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger nur das Recht zur Erhebung einer Drittanfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 24. September 2009, nicht aber das Recht zur Erhebung der im vorliegenden Verfahren erhobenen Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten verwirkt habe. Denn aus dem Klageantrag und dem inhaltlichen Vorbringen des Klägers geht offensichtlich hervor, dass der Kläger mit der Klage für ihn gegenüber den in Nebenbestimmung Nr. 3.1.2. der Baugenehmigung vom 24. September 2009 festgelegten Lärmgrenzwerten günstigere Lärmgrenzwerte durchsetzen will, weil er die Rechtslage anders beurteilt als das Landratsamt im vorgenannten Baugenehmigungsbescheid. Die Verwirkung des Rechts zur Drittanfechtungsklage kann und darf durch eine solche Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten nicht umgangen werden. Die Verwirkung erstreckt sich daher vorliegend auch auf die vom Kläger (hilfsweise) erhobene Verpflichtungsklage.
2.2. Die Klage ist darüber hinaus auch unbegründet.
Ein Anspruch des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten scheidet schon deshalb aus, weil dieser nicht substanziiert dargelegt hat, dass die auf sein Grundstück einwirkenden Lärmbeeinträchtigungen die von ihm geforderten 50 dB(A) zur Nachtzeit übersteigen (2.2.1.). Darüber hinaus besteht auch deshalb kein Anspruch des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten, weil keinerlei Umstände vorliegen, die eine Reduzierung des behördlichen Entschließungsermessens zugunsten des Klägers begründen könnten (2.2.2.).
2.2.1.
Der Kläger hat nicht substanziiert dargelegt, dass die auf sein Grundstück einwirkenden Lärmbeeinträchtigungen die von ihm geforderten 50 dB(A) zur Nachtzeit übersteigen. Selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger auf seinem Grundstück insgesamt nur die Immissionsrichtwerte für ein Gewerbegebiet von tags 65 dB(A) und nachts 50 dB(A) (Nr. 6.1 Buchst. b der TA Lärm) hinnehmen muss, kann er daher keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Beklagten haben.
Das Landratsamt hat ein bauaufsichtliches Einschreiten zu Recht unter Hinweis auf die Schallimmissionsprognose des Ingenieurbüros Wölfel vom 2. Oktober 2008 (Bl. 76 der Gerichtsakte; Bl. 52 der Behördenakte B 404/08), die dem Baugenehmigungsbescheid vom 24. September 2009 zugrunde liegt, abgelehnt. Auf Seite 11 dieses Gutachtens (Bl. 81 der Gerichtsakte) wird - ausgehend von den im Gutachten im Einzelnen dargestellten Berechnungen - ausgeführt, dass die vom Betrieb des Beigeladenen auf das klägerische Grundstück einwirkenden Lärmbeeinträchtigungen die Immissionsrichtwerte für ein Gewerbegebiet zur Tag- und Nachtzeit einhalten. Dabei wurde entsprechend Nr. 3.2.1. der TA Lärm auch eine Vorbelastung von 6 dB(A) berücksichtigt. Die Kammer hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieses Gutachtens. Die dortigen Ausführungen sind schlüssig und gut nachvollziehbar. Auch ist der Gutachter dem Gericht aus mehreren Verfahren als kompetent und zuverlässig bekannt.
Der Kläger hat gegen das Gutachten keine substanziierten Einwendungen erhoben. Im Klageverfahren hat er vorgebracht, dass er an seinem Wohnhaus zur Nachtzeit „54 dB(A) und mehr gemessen habe“ (Bl. 4 d. A.). Dieses Vorbringen ist viel zu unsubstanziiert, um die detaillierten Ausführungen im Gutachten in Frage zu stellen. Soweit der Klägerbevollmächtigte in diesem Zusammenhang auch rügt, dass das Gutachten von zum Teil tatsächlich nicht vorhandenen Einhausungen technischer Anlagen ausgehe, ist die Bevollmächtigte des Beigeladenen dem in der mündlichen Verhandlung im Übrigen substanziiert entgegengetreten. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass es hier Sache des Klägers gewesen wäre, im Einzelnen, etwa durch Vorlage eines eigenen Sachverständigengutachtens, darzulegen, warum die Feststellungen im Gutachten des Ingenieurbüros Wölfel unzutreffend sind.
Der Kläger kann gegen die vorgenannte Immissionsprognose auch nicht einwenden, dass diese als Privatgutachten nicht verwertet werden könne. Denn die Immissionsprognose wurde vom Beigeladenen im Baugenehmigungsverfahren vorgelegt, um den Nachweis zu führen, dass die Erweiterung seines Gewerbebetriebs mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften in Einklang steht. Im Baugenehmigungsverfahren ist es Sache des Bauherrn, die zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorhabens erforderlichen Gutachten der Genehmigungsbehörde vorzulegen (OVG NW, B. v. 5.2.2001 - 7 A 410/01 - juris, Rn. 3; Lechner in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand Dezember 2013, Art. 68 Rn. 31). Das Gesetz selbst geht demnach von der grundsätzlichen Verwertbarkeit eines vom Bauherrn im Genehmigungsverfahren vorgelegten Gutachtens aus. Es bestehen daher im gerichtlichen Verfahren jedenfalls dann keine Bedenken gegen die Verwertung einer vom Bauherrn vorgelegten Immissionsprognose, wenn diese unter Beachtung der geltenden Regelwerke fachgerecht und nachvollziehbar erstellt und von der Fachbehörde auf ihre Plausibilität hin überprüft wurde (VG Ansbach, U.v. 12.6.2013 - AN 9 K 12.00272 - juris, Rn. 56; vgl. zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren OVG Sarl, B.v. 5.4.2010 - 3 B 77/10 - juris, Rn. 21 ff.) Diese Voraussetzungen sind hier gegeben: Die vorliegende Immissionsprognose ist unter Berücksichtigung der Vorgaben der TA Lärm fachgerecht erstellt und vom Sachgebiet Immissionsschutz des Landratsamts überprüft worden (vgl. Bl. 126 ff. der Behördenakte B 404/08).
2.2.2.
Lediglich ergänzend weist die Kammer noch darauf hin, dass selbst dann, wenn man unterstellt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten vorliegen, keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Entschließungsermessen des Landratsamts auf Null reduziert wäre. Auch bei Beeinträchtigung drittschützender Rechtspositionen hat der Nachbar grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über ein bauaufsichtliches Einschreiten. Nur in besonderen Ausnahmefällen, insbesondere bei einer außergewöhnlich starken Beeinträchtigung von Nachbarrechten, kann sich der Anspruch des Nachbarn zu einem gebundenen Anspruch auf behördliches Einschreiten verdichten (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 54 Rn. 96 m.w.N.) Solche besonderen Umstände kann die Kammer vorliegend nicht erkennen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger sein Wohnhaus in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen Gewerbebetrieb des Beigeladenen errichtet hat. Unabhängig von der Frage, ob bzw. inwieweit nun das Grundstück des Klägers hinsichtlich der hinzunehmenden Lärmimmissionen die Schutzwürdigkeit eines Gewerbegebiets oder lediglich eines Industriegebiets aufweist, war es hier der Kläger, der sein Wohnhaus in einem offensichtlich für die gewerbliche Nutzung vorgesehenen Gebiet, in dem eine Wohnnutzung grundsätzlich nicht zulässig und wesensfremd ist (vgl. §§ 8, 9 BauNVO), errichtet hat. Nach der örtlichen Situation, die der Kammer aus mehreren anderen Verfahren gut bekannt ist, handelt es sich bei dem Wohnhaus des Klägers daher um einen Fremdkörper in der gewerblich geprägten Umgebung, was zu einer erheblich verminderten Schutzwürdigkeit des Klägers führt. Unter Berücksichtigung dessen sind keinerlei Umstände erkennbar, die hier eine Ermessensreduzierung zugunsten des Klägers begründen könnten.
3. Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Dabei entsprach es der Billigkeit, dass der Kläger die außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen zu tragen hat, weil sich dieser durch Antragstellung am Kostenrisiko beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.