Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2015 - 19 CE 15.2179

bei uns veröffentlicht am07.10.2015

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die zur Begründung der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, führen zu keiner Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, den Antragsgegner zur Aussetzung der am 1. Oktober 2015 um 15.30 Uhr geplanten Abschiebung zu verpflichten. Daher hat der Senat davon abgesehen, der am 1. Oktober 2015 durchgeführten Abschiebung entgegenzutreten (vgl. § 149 Abs. 1 VwGO), und sieht nunmehr keinen Anlass zu verfügen, dem Antragsteller die vorläufige Wiedereinreise zu gestatten.

1. Zur Begründung der Beschwerde wiederholt der Antragsteller die Behauptung in seinem einstweiligen Rechtsschutzbegehren an das Verwaltungsgericht, er sei ohne Haftbefehl verhaftet worden. Dies trifft jedoch nicht zu.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich vorgetragen, er sei abgeholt und zur Polizeidienststelle N. gebracht worden; um 15.30 Uhr solle er vom Flughafen München aus abgeschoben werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 17.8.1982 - 1 C 85/80 - InfAuslR 1982, 276 - juris) ist nicht jede Zwangsmaßnahme, die in die Bewegungsfreiheit des Betroffenen vorübergehend eingreift, zu den intensiven Freiheitsbeschränkungen zu rechnen, die als Freiheitsentziehungen den besonderen Schutz des Art. 104 Abs. 2 GG auslösen. Sinn und Zweck des Art. 104 Abs. 2 GG, der nach seiner Entstehungsgeschichte vor allem Inhaftierungen vorbeugen soll, wie sie während der nationalsozialistischen Herrschaft gegen politische Gegner angeordnet wurden, gebieten eine so weitgehende Auslegung des Freiheitsentziehungsbegriffs nicht. Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges gegen Personen zur Durchsetzung eines Verhaltens, zu dem der jeweils Betroffene verpflichtet ist, sind demgemäß nicht wegen des mit ihnen verbundenen Eingriffs in die körperliche Bewegungsfreiheit notwendig Freiheitsentziehungen. Das gilt auch für die Abschiebung, mit der die Pflicht eines Ausländers, den Geltungsbereich des Aufenthaltsgesetzes zu verlassen, zwangsweise durchgesetzt wird. Sie wird nicht dadurch gekennzeichnet, dass der Ausländer ohne oder gegen seinen Willen „an einem eng umgrenzten Raum festgehalten wird“. Bei einer wertenden, auf die Intensität des Eingriffs abstellenden Beurteilung steht nicht ein solcher Eingriff in die Bewegungsfreiheit im Vordergrund der Maßnahme. Diese ist nicht auf ein Festhalten des Ausländers gerichtet, sondern darauf, dass er sich zwangsweise außer Landes begibt bzw. außer Landes befördert wird. Ihre Auswirkung auf die Bewegungsfreiheit des Ausländers erscheint lediglich als eine sekundäre, kurzfristige Folge der Erfüllung der Ausreisepflicht (BVerwG, U.v. 17.8.1982, a. a. O. Rn. 14).

Nach Aktenlage wurde die Polizeiinspektion P. von der Ausländerbehörde mit Schreiben vom 29. September 2015 gebeten, den Antragsteller im Rahmen einer Direktabschiebung zum Flughafen M. zu transportieren.

2. In der Antragsbegründung hat der Antragsteller gegenüber dem Verwaltungsgericht vorgetragen, ihm sei eine Grenzübertrittsbescheinigung ausgehändigt worden, die bis zum 2. Oktober 2015 gültig sei (die entsprechenden Anlagen zum Schriftsatz vom 1. Oktober 2015 sind nur teilweise lesbar). Dies komme einer Duldung bis zum 2. Oktober 2015 gleich. Auch dieses Vorbringen verhilft dem einstweiligen Rechtsschutzbegehren nicht zum Erfolg.

Der Vortrag des Antragstellers ist insofern unzutreffend, als die Grenzübertrittsbescheinigung vom 25. September 2015 selbst keine solche Datumsangabe enthält. Lediglich im Begleitschreiben vom selben Tag an den Antragsteller wird das Datum 2. Oktober 2015 genannt. Das Anschreiben beschreibt die Grenzübertrittsbescheinigung jedoch zutreffend als Nachweis dafür, dass der Antragsteller die Bundesrepublik Deutschland und das Vertragsgebiet der Schengen-Staaten innerhalb der gesetzten Ausreisefrist verlassen hat. Die Ausreisfrist ist Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. Juli 2015 festgelegt worden und hat eine Woche ab Zugang des Bescheides betragen. Eine Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass der Antragsteller, dessen Ausreisewilligkeit nicht nachgewiesen wurde (am 25. September hat er eine Ausreise abgelehnt), nicht vor dem 2. Oktober 2015 abgeschoben (nach § 60a Abs. 2 ff. AufenthG geduldet) wird, ergibt sich aus dem Schreiben nicht. Eine Grenzübertrittsbescheinigung regelt nicht die aufenthaltsrechtliche Stellung eines Ausländers, sondern sie stellt nur ein Dokument dar, mit dem die Ausreise von ausreisepflichtigen Ausländern aus dem Bundesgebiet kontrolliert wird (OVG NW, B.v. 18.6.2012 - 18 E 491/12 - juris Rn. 10, 11 m. w. N.).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der so genannte Auffangstreitwert halbiert wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2015 - 19 CE 15.2179

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Referenzen - Gesetze

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2015 - 19 CE 15.2179 zitiert 7 §§.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2018 - 19 CE 17.2453

bei uns veröffentlicht am 26.11.2018

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,- € festgesetzt. Gründe

Referenzen

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Die Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand hat. Das Gericht, der Vorsitzende oder der Berichterstatter, dessen Entscheidung angefochten wird, kann auch sonst bestimmen, daß die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung einstweilen auszusetzen ist.

(2) §§ 178 und 181 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleiben unberührt.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.