Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2017 - 11 C 17.2256

published on 11/12/2017 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2017 - 11 C 17.2256
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Verwaltungsgericht Augsburg, Au 3 K 17.1380, 30/10/2017

Gericht

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Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Aussetzung ihrer beim Verwaltungsgericht Augsburg anhängigen Klage gegen ihre Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs.

Auf Anregung des Landratsamts Biberach verpflichtete das Landratsamt Neu-Ulm die Klägerin mit Bescheid vom 17. August 2017 zur Führung eines Fahrtenbuchs für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen NU- … … Der Führer dieses Fahrzeugs habe am 22. März 2017 eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen, jedoch nicht ermittelt werden können. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage erhoben, über die das Verwaltungsgericht Augsburg noch nicht entschieden hat.

Nach Erlass des Bescheids wurde dem Landratsamt Neu-Ulm bekannt, dass das Landratsamt Biberach wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung gegen den Geschäftsführer der Klägerin als Fahrzeugführer mit Bußgeldbescheid vom 31. August 2017 eine Geldbuße festgesetzt hat. Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Geschäftsführer der Klägerin Einspruch eingelegt. Nach Aktenlage ist das Einspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen.

Mit Beschluss vom 30. Oktober 2017 hat das Verwaltungsgericht Augsburg das Klageverfahren nach Anhörung der Beteiligten bis zum Abschluss des Bußgeldverfahrens ausgesetzt. Das Bußgeldverfahren sei für die Frage, ob ein verantwortlicher Fahrer habe festgestellt werden können, vorgreiflich.

Zur Begründung der Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluss, dem der Beklagte entgegentritt, lässt die Klägerin im Wesentlichen ausführen, es stehe bereits jetzt fest, dass die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs im maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsakts nicht vorgelegen hätten. Da der Bescheid demnach unabhängig vom Ausgang des Bußgeldverfahrens rechtswidrig sei, bleibe für eine Aussetzung des Verfahrens kein Raum.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, kann das Gericht nach § 94 VwGO anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. § 94 VwGO soll es dem Gericht ermöglichen, aus prozessökonomischen Gründen die Entscheidung des in der vorgreiflichen Angelegenheit zuständigen Gerichts oder der Behörde zur Vermeidung widersprechender Entscheidungen abzuwarten. Die Zustimmung der Beteiligten ist im Unterschied zur Anordnung des Ruhens des Verfahrens nicht erforderlich.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 94 VwGO sind im vorliegenden Fall erfüllt. Auch die Ermessensentscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Aufgrund des Einspruchs des Geschäftsführers der Klägerin entscheidet das zuständige Amtsgericht darüber, ob dieser als Betroffener freigesprochen, gegen ihn eine Geldbuße festgesetzt, eine Nebenfolge angeordnet oder das Verfahren eingestellt wird (§ 72 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Da die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO voraussetzt, dass die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war, stünde im Falle der Festsetzung einer Geldbuße gegen den Geschäftsführer der Klägerin fest, dass die Klägerin nicht zur Führung eines Fahrtenbuchs hätte verpflichtet werden dürfen. Der Klage gegen den erlassenen Bescheid wäre daher stattzugeben, falls der Beklagte ihn nicht aufhebt. Anders liegt es jedoch möglicherweise dann, wenn der Geschäftsführer der Klägerin als Betroffener freigesprochen wird, weil ihm nicht nachgewiesen werden kann, dass er das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt geführt hat. Dann wird im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren zu prüfen sein, ob entweder wegen des späteren Freispruchs oder wegen der bei Erlass des Bescheids fehlenden Kenntnis des Landratsamts Neu-Ulm über das gegen den Geschäftsführer der Klägerin eingeleitete Bußgeldverfahren die Voraussetzung des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO, dass die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war, als erfüllt anzusehen ist (vgl. hierzu OVG NW, B.v. 11.11.2015 – 8 A 1846/15 – juris). Daher ist die noch ausstehende Entscheidung im Bußgeldverfahren für das anhängige Klageverfahren gegen die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs vorgreiflich. Es erscheint auch sachgerecht, den Ausgang des Bußgeldverfahrens abzuwarten. Mangels Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der im Bescheid ausgesprochenen Verpflichtung ist der Klägerin die hierdurch eintretende Verzögerung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zuzumuten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.
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published on 11/11/2015 00:00

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 2. Juli 2015 wird abgelehnt. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf
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Annotations

Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(1) Hält das Gericht eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich, so kann es durch Beschluß entscheiden, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem Verfahren nicht widersprechen. Das Gericht weist sie zuvor auf die Möglichkeit eines solchen Verfahrens und des Widerspruchs hin und gibt ihnen Gelegenheit, sich innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Hinweises zu äußern; § 145a Abs. 1 und 3 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. Das Gericht kann von einem Hinweis an den Betroffenen absehen und auch gegen seinen Widerspruch durch Beschluß entscheiden, wenn es den Betroffenen freispricht.

(2) Geht der Widerspruch erst nach Ablauf der Frist ein, so ist er unbeachtlich. In diesem Falle kann jedoch gegen den Beschluß innerhalb einer Woche nach Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den gleichen Voraussetzungen wie gegen die Versäumung einer Frist beantragt werden; hierüber ist der Betroffene bei der Zustellung des Beschlusses zu belehren.

(3) Das Gericht entscheidet darüber, ob der Betroffene freigesprochen, gegen ihn eine Geldbuße festgesetzt, eine Nebenfolge angeordnet oder das Verfahren eingestellt wird. Das Gericht darf von der im Bußgeldbescheid getroffenen Entscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen abweichen.

(4) Wird eine Geldbuße festgesetzt, so gibt der Beschluß die Ordnungswidrigkeit an; hat der Bußgeldtatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur Bezeichnung der Ordnungswidrigkeit verwendet werden. § 260 Abs. 5 Satz 1 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. Die Begründung des Beschlusses enthält die für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen das Gericht die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit sieht. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Ferner sind die Umstände anzuführen, die für die Zumessung der Geldbuße und die Anordnung einer Nebenfolge bestimmend sind.

(5) Wird der Betroffene freigesprochen, so muß die Begründung ergeben, ob der Betroffene für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die als erwiesen angenommene Tat nicht als Ordnungswidrigkeit angesehen worden ist. Kann der Beschluß nicht mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist.

(6) Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn die am Verfahren Beteiligten hierauf verzichten. In diesem Fall reicht der Hinweis auf den Inhalt des Bußgeldbescheides; das Gericht kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen zusätzliche Ausführungen machen. Die vollständigen Gründe sind innerhalb von fünf Wochen zu den Akten zu bringen, wenn gegen den Beschluß Rechtsbeschwerde eingelegt wird.

(1) Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen.

(2) Der Fahrzeughalter oder sein Beauftragter hat in dem Fahrtenbuch für ein bestimmtes Fahrzeug und für jede einzelne Fahrt

1.
vor deren Beginn
a)
Name, Vorname und Anschrift des Fahrzeugführers,
b)
amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs,
c)
Datum und Uhrzeit des Beginns der Fahrt und
2.
nach deren Beendigung unverzüglich Datum und Uhrzeit mit Unterschrift einzutragen.

(3) Der Fahrzeughalter hat

a)
der das Fahrtenbuch anordnenden oder der von ihr bestimmten Stelle oder
b)
sonst zuständigen Personen
das Fahrtenbuch auf Verlangen jederzeit an dem von der anordnenden Stelle festgelegten Ort zur Prüfung auszuhändigen und es sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, aufzubewahren.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.