Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. Apr. 2017 - L 9 AL 49/14

published on 20/04/2017 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. Apr. 2017 - L 9 AL 49/14
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Sozialgericht München, S 34 AL 711/12, 13/11/2013

Gericht

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Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.November 2013 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2012 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Weitergewährung des Gründungszuschusses über den 23. Juli 2012 hinaus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Weiterbewilligung eines Gründungszuschusses über den 23.07.2012 hinaus für die zweite Förderphase.

Der 1970 geborene Kläger ist seit 02.08.2011 als selbständiger Partner der Gesellschaft B. in A-Stadt tätig. Laut Gesellschaftsvertrag vom 13.07.2011 ist der Gewinn der Gesellschaft zwischen den drei Partnern in Höhe von 75% entsprechend der (gleichen) Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft aufzuteilen, die restlichen 25% sind einvernehmlich aufzuteilen.

Am 30.06.2011 beantragte der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschuss zur Förderung der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit ab 02.08.2011. Hierbei gab er in einer Rentabilitätsvorschau einen prognostizierten Gewinn der Gesellschaft (vor Steuern) für das Kalenderjahr 2011 in Höhe von 7.700,- EUR und für das Kalenderjahr 2012 in Höhe von 113.231,- EUR an.

Mit Bescheid vom 29.09.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger zur Förderung der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit für die Zeit vom 24.10.2011 bis 23.07.2012 einen Gründungszuschuss in Höhe von monatlich 2.401,80 EUR.

Am 27.06.2012 beantragte der Kläger die Weitergewährung des Gründungszuschusses für seine selbständige Rechtsanwaltstätigkeit für die Dauer von weiteren sechs Monaten über den 23.07.2012 hinaus. Ergänzend legte er einen Bericht zur bisherigen Tätigkeit der Rechtsanwaltspartnerschaft vor. Der Umsatz der Kanzlei seit Dezember 2011 habe sich so entwickelt, dass ausreichende Entnahmen für den Lebensunterhalt ohne Berücksichtigung von Steuerrückstellungen möglich gewesen seien. Für den Zeitraum Januar bis Juni 2012 bezifferte der Kläger die Einnahmen der Kanzlei auf 143.508,99 EUR sowie die Ausgaben auf 57.212,69 EUR.

Mit Bescheid vom 12.07.2012 lehnte die Agentur für Arbeit W-Stadt den Antrag des Klägers auf Weitergewährung des Gründungszuschusses mit Hinweis auf das ihr nach § 58 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) eingeräumte Ermessen ab. Im Rahmen der Ermessensausübung sei bei Prüfung des beantragten weiteren Zuschusses von monatlich 300,- EUR die Eigenleistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Die Agentur fördere Existenzgründer für weitere sechs Monate, deren Selbständigkeit einerseits aufgrund des nachgewiesenen Gewinns tragfähig sei und die andererseits eine Förderung zur Gewährleistung der sozialen Absicherung benötigten. Als Entscheidungsgrundlage hierfür diene der nachgewiesene Gewinn. Nach dem Antrag betrage der Gewinn der ersten elf Monate seit Existenzgründung 106.033,74 EUR. Davon würden nach dem Gesellschaftsvertrag 75% = 79.525,31 EUR gleichmäßig auf die Partner verteilt, so dass auf den Kläger ein Gewinn von 26.508,43 EUR entfalle. Dies seien monatlich 2.409,86 EUR Gewinn. Dazu komme noch der zwischen den Gesellschaftern einvernehmlich aufzuteilende Gewinn von 26.508,43 EUR, so dass der oben angegebene Gewinn noch um 500,- EUR bis 1.000,- EUR höher liege. Die selbständige Tätigkeit habe sich derart gefestigt und am Markt bewährt, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt und soziale Sicherung allein aus selbständiger Tätigkeit bestreiten könne. Hinzu komme, dass der Kläger vom 24.10.2011 bis 23.07.2012 einen steuerfreien Gründungszuschuss von 21.616,20 EUR erhalten habe.

Hiergegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 31.07.2012 Widerspruch ein. Die angenommene Gewinnaufteilung sei ihm tatsächlich nicht zugeflossen. Selbstverständlich müssten Rücklagen gebildet werden und der Gewinn sei noch zu versteuern. Er sei Alleinverdiener mit einem fünfjährigen Kind und habe monatliche fixe Ausgaben (zuzüglich jährlich fälliger Ausgaben wie Haftpflichtversicherung, Zusatzkrankenversicherung) von insgesamt 2.219,49 EUR. Dazu kämen allgemeine Lebenshaltungskosten für drei Personen. Damit könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gewinn nach Steuern den Lebensunterhalt und die soziale Sicherung übersteige. Ferner sei bei der Ermessensentscheidung zu beachten, dass er mangels ausreichenden Vermögens für die notwendigen Investitionen im Rahmen der Existenzgründung einen Kredit über 20.000,- EUR habe aufnehmen müssen. Auch für die Rückzahlung des Kredits zum 30.06.2013 müssten Rücklagen gebildet werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2012 zurück. Zur Begründung nahm sie auf die im Bereich des Arbeitsamts W-Stadt geltenden ermessenslenkenden Weisungen Bezug. Diese Weisungen gäben als Richtschnur vor, dass ein Selbständiger, dessen Gewinn vor Steuern über 1.127,- EUR monatlich betrage, die soziale Absicherung aus eigenen finanziellen Mitteln übernehmen könne. Der Betrag orientiere sich an dem monatlichen Durchschnittsbetrag des Arbeitslosengeldes von 827,- EUR zuzüglich 300,- EUR für die Sozialversicherung. Dabei komme dem Gewinn in den letzten zwei Monaten des Förderzeitrahmens besondere Bedeutung zu. In den Monaten Mai und Juni 2011 habe die Rechtsanwaltspartnerschaft einen Gewinn vor Steuern von 26.831,98 EUR erzielt, also pro Person und Monat 4.472,- EUR.

Der Betrag von 1.127,- EUR monatlich werde von dem erzielten Gewinn bei Weitem übertroffen. Es sei „nach alledem nicht ermessensfehlerhaft oder gar ermessensmissbräuchlich“ gewesen, den Antrag auf Weitergewährung des Gründungszuschusses abzulehnen.

Hiergegen hat der Kläger am 30.08.2012 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Zur Klagebegründung hat er im Wesentlichen sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt.

Mit Urteil vom 13.11.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2012 verwiesen. Die getroffene Ermessensentscheidung halte der gerichtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte habe zu Recht auf die für das Arbeitsamt W-Stadt geltenden ermessenslenkenden Weisungen bei der Beurteilung der Eigenleistungsfähigkeit abgestellt. Es sei nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte besonders tragfähige und eigenleistungsfähige Existenzgründungen von der Weiterförderung ausschließe.

Hiergegen hat der Kläger am 25.02.2014 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Unter Berücksichtigung seiner monatlich festen Ausgaben in Höhe von 2219,49 EUR zuzüglich der allgemeinen Lebenshaltungskosten für drei Personen würde er bei dem in den ermessenslenkenden Weisungen fixierten Gewinn von maximal 1127,- EUR weder seinen Lebensunterhalt bestreiten noch für seine soziale Absicherung sorgen können. Seine Existenzgründung wäre dann nicht tragfähig, da er für seine Familie einen Antrag auf SGB-II-Leistungen stellen müsste. Das SG habe sich in seiner Entscheidung nicht mit der Frage befasst, ob die Beklagte die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe. Nach der Praxis der Arbeitsagentur W-Stadt verbleibe für die Weitergewährung des Gründungszuschusses in der zweiten Försterphase nur ein schmaler Rahmen von 650,- EUR bis 1.127,- EUR. Befinde sich der Existenzgründer darunter, werde die Weitergewährung als nicht tragfähig abgelehnt, befinde er sich darüber, sei sie zu tragfähig, da unterstellt werde, dass der Existenzgründer die Leistungen nicht nötig habe und selbst für seine soziale Absicherung Sorge tragen könne.

Die Beklagte hat in ihrer Berufungserwiderung darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Weitergewährung des Gründungszuschusses im Juli 2012 eine Prognose zu treffen gewesen sei, ob die voraussichtlich verfügbaren Einnahmen für eine angemessene soziale Absicherung ausreichen würden. Hierbei seien neben der bisherigen Geschäftsentwicklung auch die Ausführungen des Klägers, dass sich die Geschäftsentwicklung positiv fortsetzen würde, zu Grunde gelegt worden. Soweit der Kläger auf den in den ermessenslenkenden Weisungen der Agentur für Arbeit vorgegebenen Korridor von 650,- EUR- bis 1.127,- EUR Gewinn vor Steuern abhebe, könne dies dahinstehen, da die Einnahmen des Klägers diesen Korridor bei weitem übersteigen würden. Entscheidend seien nicht die ermessenslenkenden Weisungen als solche, sondern allein, ob seitens der Beklagten das Ermessen zutreffend ausgeübt worden sei.

Hierzu hat der Kläger entgegnet, die Beklagte habe neben ihren internen Weisungen nicht die Besonderheiten des Einzelfalles beachtet. Wie bereits dargelegt, habe der Kläger aus eigenen Einnahmen seine soziale Absicherung im Sommer 2012 nicht sicherstellen können.

Anlässlich eines Erörterungstermins am 23.02.2017 hat der Kläger seinen Einkommensteuerbescheid für 2012 zur Einsicht vorgelegt. Dort wurden für ihn als Grundlage der Besteuerung Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 61.018.- EUR sowie ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von 1050.- EUR festgestellt.

Auf Befragen hat der Kläger erklärt, er habe im Jahr 2012 an die Rechtsanwaltsversorgung monatlich 299,50 EUR sowie für die private Krankenversicherung (für seine gesamte Familie) 413,13 EUR gezahlt. Es sei im Jahr 2012 keine feste Monatsentnahme - wie im Gesellschaftsvertrag vereinbart - festgelegt worden. Vielmehr hätten die Partner einmal im Monat miteinander besprochen, wieviel jeder habe entnehmen können.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 12.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2012 sowie unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 13.11.2013 die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Weitergewährung des Gründungszuschusses ab 23.07.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer gerichtlichen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG München vom 13.11.2013 ist zulässig und im Sinne des Antrags des Klägers auch begründet. Der Senat konnte im vorliegenden Fall gemäß § 124 Abs. 2 SGG nach Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 12.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2012, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers vom 27.06.2012 auf Weitergewährung des Gründungszuschusses über den 23.07.2012 hinaus abgelehnt hat. Da der Kläger den Berufungsantrag auf die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung beschränkt hat, war über eine eventuelle Ermessensreduzierung auf Null vorliegend nicht zu entscheiden. Maßgeblich für die Förderung der selbständigen Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt durch Weitergewährung des zuvor bereits für neun Monate bewilligten Gründungszuschusses über den 23.07.2012 hinaus ist § 58 Abs. 2 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 20.07.2006 (im Folgenden: a.F.). Da der Kläger seine von der Beklagten geförderte selbständige Tätigkeit vor der gesetzlichen Neuordnung der Regelungen zum Gründungszuschuss durch §§ 93 und 94 SGB III mit Wirkung ab 01.04.2012 bereits begonnen hatte, ist gemäß § 422 Abs. 1 SGB III das im Jahr 2011 geltende Recht weiter anzuwenden. Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. kann der Gründungszuschuss für weitere sechs Monate in Höhe von monatlich 300,- EUR geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Nach Ablauf des ersten Förderzeitraumes von neun Monaten reduziert sich die Förderung der selbständigen Tätigkeit der Leistungsempfänger daher von einer (bisher geleisteten) Sicherung des Lebensunterhaltes auf einen reduzierten Zuschuss zur Sicherung ihrer sozialen Absicherung in Höhe von 300,- EUR monatlich. Dem liegt die Einschätzung zu Grunde, dass sich die Existenzgründung nach der ersten Förderphase so weit gefestigt hat, dass der Lebensunterhalt der Leistungsempfänger aus der selbständigen Tätigkeit bestritten werden kann (vergleiche Stratmann in Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage, § 58, Rdnr. 4 unter Hinweis auf BT-Drucksache 16/1696, S. 31).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten seine (erfolgreiche) Geschäftstätigkeit durch geeignete Unterlagen dargelegt. Weiterer Ausführungen dazu bedarf es nicht.

Auf der Rechtsfolgenseite steht die vom Kläger begehrte Weitergewährung des Gründungszuschusses über den 23.07.2012 gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. im Ermessen der Beklagten. Der Senat kann die Entscheidung der Beklagten daher nur im Sinne einer Rechtskontrolle daraufhin überprüfen, ob die Beklagte ihr Ermessen entsprechend den Vorgaben von § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) rechtmäßig ausgeübt hat oder ob ein Ermessensfehler im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG vorliegt und der Kläger hierdurch beschwert ist. Er hat jedoch keine eigenen Ermessens- und Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 54 Rdnr. 28).

Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ergeben sich zwei Schranken der Ermessensausübung: Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Hieraus haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kategorien von Ermessensfehlern (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch) entwickelt, wobei die Begrifflichkeiten und Unterteilung in die einzelnen Fallgruppen z.T. nicht einheitlich vorgenommen wird (vgl. insoweit BSG, Urt. v. 18.03.2008 - B 2 U 1/07 R -, juris Rn. 16; Keller, a.a.O., Rn. 27).

Vorliegend liegt ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten vor. Dieser ist u.a. dann gegeben, wenn eine Behörde die abzuwägenden Gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft gewichtet hat, also eine sogenannte Abwägungsdisproportionalität vorliegt. Des Weiteren liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, wenn die Behörde ihrer Ermessensbetätigung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Deshalb haben die Tatsacheninstanzen in tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen, ob die Behörde die Tatsachen, die sie ihrer Ermessensentscheidung zugrunde gelegt hat, zutreffend und vollständig ermittelt hat (vgl. zum Ganzen BSG, Urt. v. 09.11.2010 - Az. B 2 U 10/10 R -, juris Rn. 15).

Nach den Feststellungen des Senats hat die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung über die Weitergewährung des Gründungszuschusses über den 23.07.2012 hinaus schematisch und pauschalisierend anhand der ermessenslenkenden Weisungen der Agentur für Arbeit W-Stadt auf die ihrer Auffassung nach ausreichenden Gewinneinkünfte des Klägers aus seiner selbstständigen Tätigkeit abgestellt. Zu einer rechtsfehlerfreien Ermessensausübung hätte es jedoch der umfassenden Prüfung der Besonderheiten des Einzelfalles des Klägers bedurft (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 16.06.1999, Az. B 9 V 4/99 R; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.10.2013, Az. L 9 AL 150/12).

Die Beklagte hat ihre ablehnenden Entscheidung im Wesentlichen - quasi als „tragende Säule“ - auf die ermessenslenkenden Weisungen der Agentur für Arbeit W-Stadt gestützt, welche festlegen, dass ein Selbständiger, dessen Gewinn vor Steuern über 1.127 EUR monatlich beträgt, die soziale Absicherung aus eigenen finanziellen Mitteln übernehmen kann. Die schematische Anknüpfung der Beklagten an den Grenzbetrag von 1.127,- EUR monatlich - ohne ausreichende Prüfung des vorliegenden Einzelfalles - wird insbesondere aus der Begründung der Beklagten zum Widerspruchsbescheid vom 03.08.2012 deutlich, mit der die Beklagte ihre Begründung zum Ausgangsbescheid vom 12.07.2012 ersetzte. Nachdem die Beklagte für den Kläger für die Monate Mai und Juni 2012 einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 4.472,- EUR monatlich errechnete, führte sie in der Begründung ihres Widerspruchsbescheides weiter aus: „Der Betrag i. H. v. 1.127,- EUR mtl. wird von dem erzielten Gewinn bei weitem übertroffen. Es war nach alledem nicht ermessensfehlerhaft oder gar ermessensmissbräuchlich, den Antrag auf Weitergewährung des Gründungszuschusses abzulehnen.“ Anders als in dem vom Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 17.10.2013 (Az. L 9 AL 150/12) entschiedenen Verfahren fand daher im hier vorliegenden Fall offensichtlich keinerlei Einzelfallprüfung der Beklagten statt, da die Beklagte die Ablehnung der streitigen Leistung allein mit der Überschreitung des oben genannten Grenzbetrages begründet hat.

Der in den ermessenslenkenden Weisungen der Agentur für Arbeit festgelegte Grenzbetrag von 1.127,- EUR monatlich vor Steuern ist jedoch nach den Feststellungen des Senats im hier zu prüfenden Einzelfall keineswegs geeignet, die Eigenleistungsfähigkeit des Klägers für seine Aufwendungen zur sozialen Absicherung zu begründen. Dies ergibt sich bereits aus der im streitigen Zeitraum für die Mietregion der Stadt L. maßgeblichen Höchstgrenze bezüglich angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II und § 29 SGB XII in Höhe von ca. 600,- EUR Bruttokaltmiete für einen Drei-Personen-Haushalt. Bei der Prüfung der Eigenleistungsfähigkeit des Klägers hätte die Beklagte zur angemessenen Prüfung der Besonderheiten des Einzelfalles des Klägers in jedem Fall die ortsüblichen Wohnkosten sowie die Zahl der unterhaltsberechtigten Familienangehörigen des Klägers in die Ermessensausübung mit einbeziehen müssen. Die Beklagte hätte quasi die Grenze der individuellen Eigenleistungsfähigkeit des Klägers selbst bestimmen müssen. Da es sich bei der Eigenleistungsfähigkeit um einen Ermessensgesichtspunkt handelt, kann nicht der Senat die genannte Grenze festlegen. Aus genau diesem Grund ist es auch nicht möglich, dass der Senat die Entscheidung der Beklagten mit der Erwägung „hält“, das maßgebende Einkommen des Klägers läge „auf jeden Fall“ über der Grenze der Eigenleistungsfähigkeit. Die Beklagte wird folglich aufgrund der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Ablehnungsbescheides (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG), durch den der Kläger auch beschwert ist, über den Antrag des Klägers auf Weitergewährung des Gründungszuschusses über den 23.07.2012 hinaus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden haben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.11.2013 ist daher im Sinne des von ihm am 23.02.2017 gestellten Antrages begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (vgl. § 160 Abs. 2 SGG).

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu
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published on 17/10/2013 00:00

Tenor Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.04.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand
published on 09/11/2010 00:00

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. April 2010 aufgehoben.
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published on 22/03/2018 00:00

Tenor I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 5. Mai 2014 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 2013 verurteilt, ü
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Annotations

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Eine Berufsausbildung, die teilweise im Ausland durchgeführt wird, ist auch für den im Ausland durchgeführten Teil förderungsfähig, wenn dieser Teil im Verhältnis zur Gesamtdauer der Berufsausbildung angemessen ist und die Dauer von einem Jahr nicht übersteigt.

(2) Eine betriebliche Berufsausbildung, die vollständig im angrenzenden Ausland oder in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union durchgeführt wird, ist förderungsfähig, wenn

1.
eine nach Bundes- oder Landesrecht zuständige Stelle bestätigt, dass die Berufsausbildung einer entsprechenden betrieblichen Berufsausbildung gleichwertig ist und
2.
die Berufsausbildung im Ausland dem Erreichen des Bildungsziels und der Beschäftigungsfähigkeit besonders dienlich ist.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.

(1) Als Gründungszuschuss wird für die Dauer von sechs Monaten der Betrag geleistet, den die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld zuletzt bezogen hat, zuzüglich monatlich 300 Euro.

(2) Der Gründungszuschuss kann für weitere neun Monate in Höhe von monatlich 300 Euro geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Bestehen begründete Zweifel an der Geschäftstätigkeit, kann die Agentur für Arbeit verlangen, dass ihr erneut eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorgelegt wird.

(1) Wird dieses Gesetzbuch geändert, so sind, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung bis zum Ende der Leistungen oder der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag

1.
der Anspruch entstanden ist,
2.
die Leistung zuerkannt worden ist oder
3.
die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist.

(2) Ist eine Leistung nur für einen begrenzten Zeitraum zuerkannt worden, richtet sich eine Verlängerung nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Verlängerung geltenden Vorschriften.

(1) Eine Berufsausbildung, die teilweise im Ausland durchgeführt wird, ist auch für den im Ausland durchgeführten Teil förderungsfähig, wenn dieser Teil im Verhältnis zur Gesamtdauer der Berufsausbildung angemessen ist und die Dauer von einem Jahr nicht übersteigt.

(2) Eine betriebliche Berufsausbildung, die vollständig im angrenzenden Ausland oder in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union durchgeführt wird, ist förderungsfähig, wenn

1.
eine nach Bundes- oder Landesrecht zuständige Stelle bestätigt, dass die Berufsausbildung einer entsprechenden betrieblichen Berufsausbildung gleichwertig ist und
2.
die Berufsausbildung im Ausland dem Erreichen des Bildungsziels und der Beschäftigungsfähigkeit besonders dienlich ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch.

(2) Für Ermessensleistungen gelten die Vorschriften über Sozialleistungen, auf die ein Anspruch besteht, entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften dieses Gesetzbuchs nichts Abweichendes ergibt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Werden die Regelbedarfsstufen nach § 28 neu ermittelt, gelten diese als neu festgesetzte Regelsätze (Neufestsetzung), solange die Länder keine abweichende Neufestsetzung vornehmen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn die Regelbedarfe nach § 28a fortgeschrieben werden.

(2) Nehmen die Länder eine abweichende Neufestsetzung vor, haben sie die Höhe der monatlichen Regelsätze entsprechend der Abstufung der Regelbedarfe nach der Anlage zu § 28 durch Rechtsverordnung neu festzusetzen. Sie können die Ermächtigung für die Neufestsetzung nach Satz 1 auf die zuständigen Landesministerien übertragen. Für die abweichende Neufestsetzung sind anstelle der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen, die sich nach § 28 aus der bundesweiten Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ergeben, entsprechend aus regionalen Auswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ermittelte Regelbedarfsstufen zugrunde zu legen. Die Länder können bei der Neufestsetzung der Regelsätze auch auf ihr Land bezogene besondere Umstände, die die Deckung des Regelbedarfs betreffen, berücksichtigen. Regelsätze, die nach Absatz 1 oder nach den Sätzen 1 bis 4 festgesetzt worden sind, können von den Ländern als Mindestregelsätze festgesetzt werden. § 28 Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt für die Festsetzung der Regelsätze nach den Sätzen 1 bis 4 entsprechend.

(3) Die Länder können die Träger der Sozialhilfe ermächtigen, auf der Grundlage von nach Absatz 2 Satz 5 bestimmten Mindestregelsätzen regionale Regelsätze festzusetzen; bei der Festsetzung können die Träger der Sozialhilfe regionale Besonderheiten sowie statistisch nachweisbare Abweichungen in den Verbrauchsausgaben berücksichtigen. § 28 Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt für die Festsetzung der Regelsätze nach Satz 1 entsprechend.

(4) Werden die Regelsätze nach den Absätzen 2 und 3 abweichend von den Regelbedarfsstufen nach § 28 festgesetzt, sind diese in den Jahren, in denen keine Neuermittlung der Regelbedarfe nach § 28 erfolgt, jeweils zum 1. Januar durch Rechtsverordnung der Länder mit der Veränderungsrate der Regelbedarfe fortzuschreiben, die sich nach der Rechtsverordnung nach § 40 ergibt.

(5) Die nach den Absätzen 2 und 3 festgesetzten und nach Absatz 4 fortgeschriebenen Regelsätze gelten als Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.