Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenteilrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung anlässlich des Arbeitsunfalls vom 12.12.2007 streitig.
Die 1966 geborene Klägerin war als Altenpflegerin beschäftigt. Am 12.12.2007 morgens um 5:00 Uhr gegen Schichtende stürzte die Klägerin auf das Gesäß, als der Stuhl zusammenbrach, auf dem sie saß, während sie einer Heimbewohnerin einen Kompressionsverband anlegte. Die Klägerin hatte starke Schmerzen und begab sich sofort zum Durchgangsarzt Dr. F. in der Kreisklinik A-Stadt. Dieser fand röntgenologisch eine sichtbare Fehlstellung des Steißbeins, welche als Anomalie oder fragliche Fraktur gedeutet wurde.
Am 21.01.2008 nahm die Klägerin ihre Beschäftigung wieder auf; indem sie zunächst Überstunden und Urlaub einbrachte und danach wieder als Altenpflegerin tätig war. Ab 21.04.2008 war sie dauerhaft arbeitsunfähig und erhielt nach Lohnfortzahlung Krankengeld. Auf Empfehlung des Beratungsarztes Prof. Dr. H., eines Chirurgen vom 08.04.2008 stellte die Beklagte die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung ein. Rückwirkend erhielt die Klägerin seit 01.01.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Im Verwaltungsverfahren ermittelte die Beklagte zunächst die gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin vor und nach dem Unfall wegen Beschwerden an der Wirbelsäule beim Hausarzt Dr. G. sowie der Fachärztin für physikalische und rehabilitive Medizin Dr. S.. In einer am 14.03.2008 bei Dr. R. (M-Stadt) angefertigten Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule und der Ileosakralgelenke fanden sich Zeichen einer abgelaufenen Sakroiliitis links mit noch floriden Anteilen und deutlich sklerosierten Anteilen mit Verbreiterung des Gelenkspalts, ein deutlich abgeknicktes Os coccygeum (Steißbein) bei leichter Subluxationsstellung sowie eine Osteochondrose Typ 2 mit Spondylosis deformans L4/5 und L5/S1 mit Protrusionen. Der Neurochirurg Dr. K. wies in seinem Befundbericht vom 26.06.2008 darauf hin, dass die Klägerin unter einer lumbalen Diskopathie L4 bis S1, Facettensyndrom und einer Osteochondrose sowie einer erworbenen Steißbeindeformität leide. Das CT des Beckens vom 09.05.2008 deute auf eine Ileosakralgelenksarthrose hin.
Während des stationären Aufenthalts in der Kreisklinik A-Stadt vom 03.08.2008 bis 11.08.2008 wurde die Klägerin wegen der Diagnosen einer Schmerzexazerbation mit Immobilität bei Bandscheibenprotrusion L4/5 und L5/S1, einem Zustand nach Steißbeinfraktur, einer Urtikaria an Stamm und Extremitäten, einer Depression, einer somatoformen Schmerzstörung und einer psychovegetativen Überlagerung behandelt. Bei einem neurologischen Konzil stellte Dr. L. ein Schmerzsyndrom mit Anpassungsstörung fest.
Daraufhin erfolgte eine Rehabilitation beim Träger der Rentenversicherung in der Fachklinik E. vom 21.08.2008 bis 06.09.2008 bzw. 07.10.2008 bis 11.11.2008 unter anderem wegen einer andauernden Persönlichkeitsänderung, einer leichten depressiven Episode, einer akuten Belastungsreaktion und einer Somatisierungsstörung. Ab 01.01.2009 wurde schließlich mit Bescheid vom 05.04.2011 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 553,59 € monatlich auf Dauer gewährt. Die Rente wurde mit Bescheid vom 02.07.2012 verlängert bis auf Juli 2014 und mit Bescheid vom 20.03.2014 auf unbestimmte Dauer bewilligt.
Daneben bezieht die Klägerin eine Zusatzversorgung in Höhe von monatlich 152,88 €. Entsprechende Feststellungen fanden in weiteren stationären Rehaverfahren in Bad W. (März 2010 mit Diagnosen: mittelgradige depressive Episode und chronische Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren, nach ICD: F32.1 bzw.F45.4) und in Bad A. (November 2010) statt.
Im Auftrag der Beklagten erstellte der Orthopäde Dr. H. am 04.03.2009 ein schriftliches Gutachten. Danach seien höchst wahrscheinlich ohne das Unfallereignis vom 12.12.2007 eine Steißbeinfraktur, eine Kreuzbeinläsion mit Läsion der Kreuzbeindarmbeingelenke mit chronischer Instabilität des linken Kreuzdarmbeingelenks und sekundärer Arthrose als Folge einer Kreuzbeinfraktur, ein chronischer posttraumatischer Schmerzzustand im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und des unteren Beckens nicht entstanden. Infolge der Schmerzbehandlung seien sicherlich auch Nebenwirkungen wie Allergien, psychosomatische Störungen und eine Beeinträchtigung der Persönlichkeit aufgetreten. Es sei aber eine neurologisch/psychiatrische Zusatzbegutachtung erforderlich. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.07.2009 hielt Dr. H. an dieser Einschätzung fest, ebenso in einem weiteren Gutachten vom 14.10.2009. Danach sei es aber entsprechend Prof. Dr. B. am 12.12.2007 zu keiner Fraktur des Steißbeines, aber zu einer schweren Prellung gekommen. Der Unfall sei die entscheidende Veränderung im Schmerzgeschehen, auch wegen der seither erfolgten Einnahme von Schmerzmitteln. Das spreche mit größter Wahrscheinlichkeit für einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den späteren Schmerzen.
In beratungsärztlichen Stellungnahmen vom 09.06.2009 und 29.10.2009 vertrat Prof. Dr. H. die Auffassung, dass die dokumentierten Vorschäden von Dr. H. nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Sein Gutachten sei daher nicht schlüssig. Am 29.09.2009 nahm der Chefarzt des Klinikums A-Stadt Prof. Dr. B. eine Befundung der Röntgenaufnahmen vor, wonach keine traumatische Schädigung, sondern eine angeborene Abwinkelung zwischen Steiß- und Kreuzbein vorliege. Das schriftliche Dokument wurde wegen datenschutzrechtlichen Bedenken bei der Auswahl des Gutachters aus den Akten entfernt.
Im von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 10.07.2009 kam die Neurologin Dr. M. zum Ergebnis, dass die Steißbeinprellung mit Steißbeinfraktur, Kreuzbeinläsion und Ileosakralgelenksläsion sowie eine Anpassungsstörung mit depressiver Entwicklung mit einer MdE von 50 v.H. nicht ohne jede äußere Einwirkung durch eine normale Verrichtung des privaten täglichen Lebens zu etwa derselben Zeit oder in naher Zukunft in etwa demselbem Ausmaß eingetreten wäre. Die Gutachterin war später nicht bereit, eine Ergänzung unter Auseinandersetzung mit den Einwänden von Dr. H. vorzunehmen.
Dr. H. (Neurologe) vertrat in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26.10.2009 die Auffassung, dass eine Steißbeinprellung nicht geeignet sei, langfristige Beschwerden hervorzurufen. Ein Schmerzsyndrom als Unfallfolge sei mangels organischen Korrelats nicht nachzuvollziehen. Der Unfall sei ausgesprochen banal gewesen. Zweieinhalb Jahre nach einem Unfall sei definitionsgemäß die Diagnose „Anpassungsstörung“ nicht mehr zu stellen. Die MdE Einschätzung von Dr. M. sei nicht plausibel.
Mit Bescheid vom 21.12.2009 verneinte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente. Die Prellung des Steißbeins sei folgenlos verheilt. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit werde bis zum 07.01.2008 anerkannt.
Auf den Widerspruch der Klägerin vom 24.01.2010 hin erstellte der Neurologe Dr. K. ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung vom 21.04.2010. Ein banales Unfallereignis wie das vom 12.12.2007 führe nach Ansicht dieses Sachverständigen nicht zu einer länger andauernden psychischen Störung. Die Klägerin leide an einer somatoformen Schmerzstörung, welche bereits vor dem Unfall vorgelegen habe. So habe eine über einmonatige Krankschreibung im S. 2007 wegen akuten Lumbalsyndroms mit Blockierung und Anfertigung eines CT der LWS vorgelegen. Ein sekundärer Krankheitsgewinn spiele nunmehr eine nicht unerhebliche Rolle. Unfallfolgen auf neurologischem oder psychiatrischem Fachgebiet seien nicht gegeben. Er schließe sich der Beurteilung von Dr. H. an.
Die Orthopädin Dr. L. stellte in einem weiteren Gutachten am 15.04.2010 fest, dass es durch den Unfall zu einer Prellung des Steißbeins gekommen sei, welche zu einer Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit bis zum 08.01.2008 geführt habe. Steißbeinprellungen könnten mehrere Monate andauernde Coccygodynien auslösen. Dadurch seien aber die von der Klägerin beklagten funktionellen Beschwerden nicht zu erklären. Unfallfremd bestünde ein behandlungsbedürftiges Lendenwirbelsäulensyndrom. Mangels dauerhafter Unfallfolgen liege keine MdE vor.
Nach Erteilung des negativen Widerspruchsbescheides vom 15.07.2010 hat die Klägerin am 11.08.2010 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben (Az.: S 5 U 213/10). Mit diesem Verfahren hat das SG eine weitere Klage wegen Verletztengeld verbunden (Az.: S 5 U 321/10).
Am 23.02.2011 hat der Orthopäde Dr. W. im Auftrag des SG ein Gutachten erstattet und die Auffassung der Beklagten bestätigt. Auffällig sei eine erhebliche Inkonsistenz der erhobenen Befunde von nahezu unbeweglicher Lendenwirbelsäule bis hin zur frei möglicher Beugung im Sitzen. Beim Betasten der Steißbeinspitze zeige sich ein gering federnder Widerstand. Eine krankhafte Überbeweglichkeit sei nicht festzustellen. Eine richtungsweisende Progredienz von Aufbraucherscheinungen der unteren Lendenwirbelsäule sei auszuschließen. Es läge eine organisch nicht erklärbare Hyperpathie im hinteren Becken- und Gesäßbereich vor. Eine solche trete üblicherweise bei einer Schädigung peripherer Nerven auf, welche trotz mehrfacher fachärztlich-neurologischer Untersuchung nicht festgestellt worden sei. Die radiologischen Befunde ergäben keine Hinweise auf eine Verletzung des Kreuz- oder Steißbeins. Infolgedessen sei eine jahrelang andauernde Schmerzsymptomatik nicht nachzuvollziehen. Eine Steißbeinprellung ohne nachweisbare strukturelle Läsionen heile spätestens nach zwei bis drei Wochen folgenlos ab. Eine MdE liege nicht vor. Dr. W. wurde vom Bevollmächtigten der Klägerin abgelehnt. Das SG wies den Antrag mit Beschluss vom 2. August 2011 zurück, das LSG die Beschwerde hiergegen mit Beschluss vom 3. Februar 2012.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. April 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass als Folge des Arbeitsunfalls lediglich eine Prellung des Steißbeines erfolgt sei. Das ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. W.. Die nachfolgenden Schmerzen seien nicht durch den Arbeitsunfall zu erklären.
Die Klägerin hat am 03.05.2012 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und beantragt, ihr Rente und Verletztengeld zu gewähren. Zur Begründung hat sie die bereits in ersten Instanz geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen angeführt: chronischer traumatischer Schmerzzustand im unteren LWS-Bereich, im Bereich des Beckens mit erheblicher Beeinträchtigung der Sitzfunktion und Stehfunktion; deutliche Depressivität, konzentrative Minderbelastung, reduzierte Stressbelastbarkeit, Inkontinenz, vorzeitiges Klimakterium, Gewichtszunahme, Fettleber und Abhängigkeit von Schmerzmitteln. Weiter hat sie angeführt, das SG und der gerichtliche Sachverständige seien voreingenommen gewesen. Die Klägerin sei im Gerichtsverfahren benachteiligt worden. Ihr rechtliches Gehör und die Amtsermittlungspflicht seien verletzt worden. Das Gutachten des gerichtliche Sachverständigen Dr. W. weise gravierende Mängel auf und sei unverwertbar. Die Befunde seien nicht chronologisch dargestellt worden. Die „beratungsärztlichen Stellungnahmen“ insbesondere von Prof. Dr. H. seien für die nachfolgenden Begutachtungen und Entscheidungen maßgeblich gewesen.
Das LSG hat nach Beiziehung zahlreicher Berichte und Befunde des Hausarztes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Kreisklinik O-Stadt den Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. R. zum medizinischen Sachverständigen bestellt. In seinem Gutachten vom 03.02.2014 gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass nur eine folgenlos ausgeheilte Prellung auf den Unfall vom 12.12.2007 zurückgeführt werden könne.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat dazu in einem 62-seitigen Schriftsatz vom 21.04.2014 Stellung genommen. Insbesondere führt er an, dass die Klägerin vor dem Unfall uneingeschränkt leistungsfähig gewesen sei. Chronische Gesundheitsstörungen mit einer Beeinträchtigung der Arbeitskraft hätten nicht vorgelegen. Seit dem Unfall leide sie dagegen an dauernden Schmerzen; auch als Folge der Medikation. Diese Diskrepanz (vorher/nachher) sei nur im Gutachten von Dr. H. zutreffend erklärt worden. Wenn in einem Gutachten Unfallfolgen abgelehnt würden, müssten andere geeignete adäquate Ursachen für die beklagten Beschwerden nachgewiesen werden. Das Prinzip des Vollbeweises gelte in beide Richtungen. Schließlich sei Dr. R. den interesseorientierten Einschätzungen der Beratungsärzte der Beklagten gefolgt und habe es im Übrigen versäumt, den Diagnosen ICD-Codes zuzuordnen, wie es die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verlange. Dieser Gutachter habe sich in zu geringem Maße an dem Unfallbericht der Klägerin vom 14.12.2007 orientiert. Die Wiedergabe des Unfallgeschehens im Gutachten zeige Unlust und Unwillen sowie eine negative Voreinstellung gegenüber der Klägerin. Dr. R. gehe nicht fachgerecht mit der bildgebenden Diagnostik um. Tatsächlich habe eine Steißbeinfraktur mit erheblicher Deformität vorgelegen, die mehrfach digital-rektal mit einer gesteigerten Schmerzempfindlichkeit verifiziert worden sei.
Dr. R. missachte die Einschätzung anderer Ärzte (zum Beispiel von Prof. Dr. B.), die eine Fraktur bescheinigt hätten. Eine Fraktur sei im Übrigen keine zwingende Voraussetzung für das Entstehen einer Coccygodynie; dazu reichten auch Prellungen aus. Viel spreche dafür, dass durch den Unfall auch eine Läsion der Iliosakralgelenke (Kreuzbeinfraktur) verursacht worden sei. Dr. R. habe sich insoweit nicht ausreichend mit den Vorbefunden auseinandergesetzt. Anhaltspunkte für eine vorbestehende Sakroiliitis lägen nicht vor. Vor dem Unfall hätten keine psychischen Störungen vorgelegen; diese seien vielmehr Folge der chronischen Schmerzen, die der Unfall nach sich gezogen habe. Insoweit habe Dr. M. eine zutreffende Diagnose erstellt; Prof. Dr. H. und - ihm folgend - Dr. R. hätten sich damit nicht ausreichend auseinandergesetzt. Es sei nicht auf den Einzelfall eingegangen worden. Auch ein Bagatelltrauma könne Auslöser seelischer Störungen sein.
Am 04.06.2014 hat Dr. R. daraufhin im Auftrag des Senats eine ergänzende Stellungnahme vorgelegt. Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten seien irrelevant und brächten keine neuen Anhaltspunkte bzw. führten nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Hinsichtlich einer psychischen Erkrankung fehle dieser das auslösende morphologisch-traumatologische Substrat. Zwischenzeitlich hat der Bevollmächtigte der Klägerin auch eine Nachbestimmung der Winkelverhältnisse anhand der Dokumentation vom März 2014 beigebracht. Dr. R. hat sich eingehend mit der so genannten Angulierung (Abwinklung) auseinander gesetzt. Hiergegen hat sich die Klägerin mit einer weiteren 27-seitigen Stellungnahme mit Anlagen gewandt.
Eine mündliche Verhandlung vom 27.08.2015 ist vertagt und das Verfahren zum Ruhen gebracht worden, weil zunächst ein Rechtsstreit wegen Entfernung der beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. H. betrieben worden ist. Nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats vom 27. August 2015 (L 8 U 319/13) durch das Bundessozialgericht ist das Verfahren L 8 U 184/12 unter dem jetzigen Aktenzeichen wieder aufgenommen worden.
Mit Beschluss vom 9. Dezember 2016 hat der Senat den Antrag auf Ablehnung von Dr. R. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Eine weitere Stellungnahme durch Dr. R. erfolgte am 23.02.2017 nach Fertigung eines umfassenden Fragenkatalogs durch den Bevollmächtigten der Klägerin. Dabei hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Fragen ausweislich der auftretenden Wiederholungen selbst vom Fragesteller nicht mehr adäquat überblickt würden und sich deren Konsequenz für die Beurteilung überwiegend überhaupt nicht erschließe. Der Sachverständige könne es nicht als seine Aufgabe erkennen, der Klägerpartei gänzlich irrelevante und teils widersinnige Frage zu beantworten oder medizinische Sachverhalte in dem gewünschten Umfang über die umfängliche, detaillierte und aussagekräftige Begutachtungen zu erläutern. Im Detail wird dann nochmals auf den Umstand einer bestimmten Winkelstellung an der unteren Wirbelsäule sowie die Frage einer Fraktur eingegangen. Abschließend bemerkt der Sachverständige, dass die anhaltende, aufgeregte Diskussion der Klagepartei im Dickicht des medizinischen Halbwissens aus seiner Sicht keine weiteren Erörterungen verlange. Daraufhin erfolgte eine weitere Ablehnung durch den Bevollmächtigten der Klägerin. Der Antrag 03.05.2017 auf Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. R. wegen Besorgnis der Befangenheit ist vom Senat mit Beschluss vom 2. Juni 2017 abgelehnt worden.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Augsburg vom 5. April 2012 sowie des Bescheides vom 21. Dezember 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2010 zu verurteilen, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab April 2008 zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogenen Akten der Beklagten und diverse medizinische Unterlagen verwiesen. Das LSG hat unter anderem alle Befundberichte des Hausarztes Dr. G. und des Psychotherapeuten Dr. E. beigezogen, die Unterlagen des Kreiskrankenhauses O-Stadt, Unterlagen des Rentenversicherungsträgers sowie diverse Röntgenaufnahmen.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, weil die Klägerin wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung wurde am 03.05.2012 form- und fristgerecht (zugestellt am 12.04.2012) eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG).
Das SG hat die Klage zutreffend abgewiesen. Ein Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung steht der Klägerin nicht zu. Die in § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII genannten Anspruchsvoraussetzungen liegen nicht vor. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf eine Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist.
Zwar stellt der Unfall vom 12.12.2007 einen Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII dar, weil die Klägerin eine versicherte Tätigkeit als Altenpflegerin ausgeübt hat und während der Arbeit auf das Gesäß gestürzt ist. Der Senat stützt sich insoweit auf die Angaben der Klägerin gegenüber dem Durchgangsarzt am 12.12.2007. Als Erstschaden ist aber nur eine Steißbeinprellung bewiesen. Die Entwicklung des weiteren Schmerzgeschehens ist im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung kausal nicht mehr dem Unfall zuzurechnen.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII muss das Unfallereignis bei dem Versicherten zu einem Körperschaden entweder in Gestalt eines Gesundheitsschadens oder des Todes geführt haben. Die Körperschädigung gehört zur Definition des Unfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung. In Abgrenzung von den erst für die Gewährung von Leistungen maßgeblichen Unfallfolgen wird deshalb insoweit von Primärschaden oder Gesundheitserstschaden gesprochen, der vom Unfallversicherungsträger im Vollbeweis festzustellen ist. Der Versicherte hat dementsprechend nicht nur einen Anspruch auf die bindende Feststellung der Folgen eines Arbeitsunfalls, den er durch Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG unabhängig von dem Begehren nach Entschädigung geltend machen kann, sondern auch auf die Feststellung, dass ein bestimmtes Ereignis ein Arbeitsunfall gewesen ist und in diesem Zusammenhang auf die Feststellung, welche Primärschäden Folge der Einwirkung auf seinen Körper gewesen sind (G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 SGB VII, Rn. 150). Gegenstand des Verfahrens ist hier die Zuerkennung einer Verletztenrente, die die Feststellung von Primärschäden inzidenter verlangt.
1. Für die Feststellung einer Fraktur des Steißbeines als Erstschaden bestehen nach der Beweiswürdigung zu viele Zweifel. Eine Fraktur wird letztlich nur noch von der Sachverständigen Dr. M. angenommen, die aber vom Fachgebiet her Neurologin ist. Selbst der Sachverständige Dr. H., der als einziger zunächst eine solche Feststellung getroffen hat, ist in seinem dritten Gutachten von dieser Ansicht abgerückt. Soweit es die Expertise von Prof. B. betrifft, ist diese zwar aus den Akten der Beklagten entfernt. Eine „Fernwirkung“ in dem Sinne, dass eine bereits erlangte Kenntnis durch andere Sachverständige verwertet wird, ist nach Ansicht des Senats aber nicht unzulässig. Zwar mag für die Expertise selbst ein Beweisverwertungsverbot angenommen werden. Ein gelöschtes Gutachten kann mangels verkörperter Gedankenerklärung nicht mehr als Urkundenbeweis i.S.v. § 118 SGG i.V.m. § 415 ZPO in Betracht kommen. In der Rechtsprechung des BVerfG und einiger obersten Gerichtshöfe wird aber eine Fernwirkung nicht abgelehnt (vgl. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 200 SGB VII, Rn. 135). Insgesamt sind hier nicht höchstpersönliche Belange der Klägerin berührt, wenn es ohne persönliche Untersuchung um die Auswertung bildgebender Verfahren geht. Entscheidend für einen Eingriff in den Kernbereich des Persönlichkeitsrechtes wäre es, wenn eine Situation gegeben ist, in der auf Grund von konkreten Hinweisen oder typischerweise und ohne gegenteilige tatsächliche Anhaltspunkte im Einzelfall der unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen wird, etwa im Zuge der Beobachtung von Äußerungen innerster Gefühle oder von Ausdrucksformen der Sexualität (vgl. BVerfG vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 11 BvR 1084/99 - juris Rn. 127 m.w.N).
Beim Verwaltungshandeln der Beklagten war auch nicht von einem schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstoß auszugehen. Das Auswahlrecht des § 200 Abs. 2 HS 1 SGB VII ist rein verwaltungsverfahrensrechtlicher Natur. Es ermöglicht dem Bürger eine qualifizierte Mitwirkung bei der behördlichen Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 20 SGB X) und dient der Förderung der Akzeptanz des das Verwaltungsverfahren abschließenden Verwaltungsakts des Unfallversicherungsträgers, soweit er dem Gutachten des vom Bürger ausgewählten Gutachters folgt (BSG, Urteil vom 20.07.2010 - B 2 U 17/09 R -, SozR 4-2700 § 200 Nr. 2, Rn. 35). Es ist ein grundrechtlich nicht gebotenes, aber für ein bürgernahes Verwaltungsverfahren nützliches, einfachgesetzliches Verfahrensrecht der Versicherten gegen die Unfallversicherungsträger (BSG, Urteil vom 20.07.2010 - B 2 U 17/09 R -, SozR 4-2700 § 200 Nr. 2, Rn. 42).
Schließlich erfolgte die Interpretation der vorhandenen bildgebenden Materialien (Röntgenbilder, CT und MRT) durch alle befassten Sachverständigen selbstständig, ohne Zutun von Prof. B.. So war sich schon der Durchgangsarzt Dr. F. nicht sicher, ob eine Fraktur vorgelegen hat. Die digital-rektale Untersuchung wurde zwar als sehr schmerzhaft geschildert, aber eine Fraktur war nicht tastbar. Der Befund der Röntgenaufnahmen ergab eine sichtbare Fehlstellung des Steißbeines, jedoch keine scharfen Frakturlinien. Die Befunddeutungen durch den Oberarzt Dr. S. der Inneren Abteilung (Rheumaambulanz) der Kreisklinik M-Stadt ergab auch keine eindeutige Fraktur, wenn diese auch differenzialdiagnostisch erörtert wurde (Arztbrief vom 09.06.2008). Das gleiche gilt für die Vorstellung bei der H. S. und deren Deutung eigener Aufnahmen der Lendenwirbelsäule und des mitgebrachten MRT. Danach leidet die Klägerin wahrscheinlich an einer Sacroiliitis der linken ISG Fuge (Prof W.).
Schon im Juni 2007 - vor dem Unfall - wurde ein CT angefertigt mit einer unvollständigen Darstellung des Steißbeines, dessen Abwicklung als Anomalie gedeutet worden ist (Befund Dr. G. vom 19.06.2007). Nach der Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule und der Ileosakralgelenke vom 14.03.2008 (Dr. R., M-Stadt) zeigte sich ein deutlich abgeknicktes Os coccygeum bei leichter Subluxationsstellung, bei der es sich nach einem Nachtragsbefund vom 20.03.2008 durchaus auch um eine abgelaufene Fraktur im Os sacrum und im os ilium handeln könnte. Die Orthopädin Dr. L. stellte in ihrem Gutachten vom 15.04.2010 fest, dass es durch den Unfall vom 12.12.2007 nur zu einer Prellung des Steißbeins gekommen sei. Auch der Orthopäde Dr. W. fand in seinem Gutachten am 23.02.2011 keine Fraktur. Die radiologischen Befunde ergäben keine Hinweise auf eine Verletzung des Kreuz- oder Steißbeins.
Gerade auch der Sachverständige Dr. R. hat am 03.02.2014 alle erheblichen bildgebenden Befunde seit dem Jahre 2003 in seinem Gutachten aufgeführt und die Einwände des Bevollmächtigten der Klägerin zur Kenntnis genommen. Auch er geht, insbesondere aufgrund des Topogramms der Computertomographie vom 31.06.2007 von einer sicheren anlagebedingten Abwinklung des Steißbeines aus. Ganz besonders aufgrund der Einwände des Klägerbevollmächtigten geht Dr. R. nochmals auf die so genannte Angulierung in seiner ergänzenden Stellungnahme ein.
Insgesamt sieht der Senat damit die Amtsermittlung als ausgeschöpft an. Es bedurfte weder einer weiteren Stellungnahme des Dr. R., noch dessen persönlicher Einvernahme in der mündlichen Verhandlung. Besonders hat dazu der umfangreiche Fragenkatalog beigetragen, zu dessen Erstellung der Senat dem Klägerbevollmächtigten Gelegenheit gegeben hat. Dieser wurde von Dr. R. zur Kenntnis genommen und, soweit es die gutachtliche Fragestellung betrifft, gewürdigt. Die Überzeugung des Gerichts war durch die Antworten des Dr. R. gefestigt und bedurfte keiner weiteren Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Dem am 21.04.2014 und später wiederholt gestellten Antrag auf persönliche Einvernahme des Sachverständigen folgt der Senat daher nicht.
Bei dieser Sachlage besteht zwar eine entfernte Möglichkeit einer Fraktur des Steißbeines durch den Unfall. Eine Überzeugung des Gerichts im Sinne des vollen Beweises lässt sich aber allein aus den Äußerungen von Dr. H. nicht gewinnen. Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 128 SGG in der Fassung vom 23.9.1975). Eine Tatsache muss - danach in so hohem Grade wahrscheinlich sein, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen. Die erforderliche, an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit kann unter Rekurs auf die zivilgerichtliche Rechtsprechung angenommen werden, wenn beim Richter ein Maß an persönlicher Gewissheit erreicht ist, welches Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie andererseits völlig auszuschließen (Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, § 128, Rn. 5).
2. Zur richterlichen Überzeugung in diesem Sinne findet sich demnach als Primärschaden eine Prellung nicht nur des Steißbeines, sondern auch der Lendenwirbelsäule und des Beckens. Eine weitergehende Schädigung an der Lendenwirbelsäule ist ebenfalls nicht bewiesen. Insoweit fehlt es an einem weiteren Erstschaden und darüber hinaus werfen zahlreiche dokumentierte Vorschäden Zweifel an dem ursächlichen Zusammenhang auf. Zwar bedingen diese Schäden an der unteren Wirbelsäule auch die folgende Schmerzbehandlung mit ihren psychischen Weiterungen. Bereits seit dem Jahre 2003 waren aber klinisch relevante Vorschäden bekannt. Diese bestanden nicht lediglich in für die Abrechnung relevanten Diagnosen (der Kläger Bevollmächtigte spricht dann später von so genannten Quartalsdiagnosen). Vielmehr lagen diesen Feststellungen tatsächlich erfolgte Behandlungen zu Grunde wegen Beschwerden, die zur ärztlichen Konsultation führten. So erstellte der Radiologe Dr. M. am 08.07.1999 Aufnahmen der Wirbelsäule wegen der Überweisungsdiagnose anhaltender Lumbalgien. Weitere Röntgenaufnahmen unter anderem der Lendenwirbelsäule sowie eine Beckenübersicht fertigte der Orthopädie Dr. G. am 11.02.2003, ohne die Beschwerden funktionell erklären zu können, so dass dieser eine rheumatologische Abklärung empfohlen hat. Darüber hinaus ist verzeichnet, dass die Klägerin beruflich als Altenpflegerin eine rückenbelastende Tätigkeit ausübte und Schmerzmittel nahm (Dolovisan und Ibuprofen). Schließlich erfolgte im Juni 2007 eine Computertomographie der Wirbelsäule von LWK 3 bis SWK 1 (Dr. S. in der Praxis M./R.). Die Überweisung erfolgte durch den Orthopäden Dr. G.. Dieser vermerkte bei der letzten Vorstellung am 18.06.2007 ein akutes Lumbalsyndrom mit Blockierungen (notfallmäßige Vorstellung). Er hatte dokumentiert, dass seit einer Woche Hexenschussbeschwerden bestanden, auch Elektrifizierungsgefühle in der linken Wade. Gleichteilig erfolgte eine Krankschreibung über einen Monat.
3. Am Vorliegen einer chronischen Schmerzstörung mit der Diagnose ICD 45.4 bestehen keine Zweifel. Diese wurde dem Grunde nach erstmals durch Dr. L. im S. 2008 gestellt. Sie erhärtete sich nach der Langzeitbeobachtung bei diversen Kurmaßnahmen, so erstmals in E.. Diese steht aber nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der stattgefundenen Wirbelsäulen- und Steißbeinprellung.
Ein Kausalzusammenhang Sinne der Unfallversicherung mit dieser Schmerzerkrankung zum Unfall geschehen am 12.12.2007 ist nicht gegeben. Dies ist zu allererst eine Fragestellung für gerichtliche Sachverständige, die als Fachärzte berufen sind, Zusammenhänge im seelischen Bereich zu kennen und zu beurteilen. Dies erfordert eine Kenntnis über die Entstehung derartige Erkrankungen und deren Diagnostik. Insoweit haben drei Sachverständige in unterschiedlichen Funktionen, als Beratungsarzt, von der Verwaltung beauftragter Gutachter und gerichtlich bestellter Sachverständiger, einen Zusammenhang verneint. Dies sind als Beratungsarzt der Neurologe Dr. H., im Widerspruchsverfahren der von der Verwaltung beauftragte Sachverständige Dr. K. und im Gerichtsverfahren der Chirurg Dr. R.. Hinsichtlich dieser der sachverständigen medizinischen Beurteilungskompetenz unterliegenden Umstände kann sich der Senat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Überzeugung vom ursächlichen Zusammenhang bilden.
Hierzu genügt nicht die laienhafte Betrachtungsweise eines zeitlichen Zusammenhangs und der Notwendigkeit, Schmerzmittel einnehmen zu müssen. Diese Überlegungen sind aber die Basis des Gutachtens der Neurologin Dr. M.. Deren Gutachten leidet an erheblichen Mängeln. Darin wird kritiklos ein Zusammenhang hergestellt, der schon sprachlich zum Ausdruck bringt, dass der Gutachterin die wesentlichen Kausalitätsüberlegungen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht bekannt sind. So wenn darin davon die Rede ist, dass ohne jede äußere Einwirkung durch eine normale Verrichtung des privaten täglichen Lebens zu etwa derselben Zeit oder naher Zukunft in etwa demselben Ausmaß der Schaden nicht eingetreten wäre, wird allein ein zeitlicher Zusammenhang im Sinne der conditio sine qua non hergestellt. Die gesetzliche Unfallversicherung verlangt aber eine wertende Zuschreibung im Sinne der Kausalitätsnorm der wesentlichen Mitursache. Der Theorie nach unterliegen zwar auch Manifestationen von anlagebedingten Erkrankungen durch ein Unfallereignis dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine solche Argumentation im positiven Sinne verlangt aber eine Auseinandersetzung mit dem Umfang von Vorerkrankungen und der Schwere des Unfallereignisses. Dr. M. bringt zumindest in der Niederlegung des Gutachtens keinerlei Vorerkrankungen in die Diskussion mit ein. Zur lebensgeschichtlichen Bedeutung des Unfallereignisses äußert sie sich ebenfalls nicht. Schließlich ist die von ihr gestellte Diagnose durch Dr. H. maßgeblich in Zweifel gezogen worden. Der Beratungsarzt Dr. H. ist wissenschaftlich ausgewiesen hinsichtlich der Begutachtung somatoformer und funktioneller Störungen (vgl. sein gleichnamiges Werk in 2. Auflage, November 2004, Verlag Urban & Fischer). Danach ist die Diagnose einer Anpassungsstörung nicht mehr zu stellen, wenn die Erkrankung über zwei Jahre andauert. Danach spielt die individuelle Disposition und Vulnerabilität bei dem möglichen Auftreten bei der Form der Anpassungsstörung eine erhebliche Rolle. Es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Erkrankungsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre (a.a.O. S. 196). Als diagnostische Leitlinie gilt die sorgfältige Bewertung der Beziehung zwischen Art, Inhalt und Schwere der Symptome, die Berücksichtigung der Anamnese, der Persönlichkeit und des belastenden Ereignisses, auch der aktuellen Situation zum Zeitpunkt des Unfalls und einer eventuellen zeitgleichen Lebenskrise (a.a.O. S. 197).
Gegen die Überzeugungskraft des Gutachtens von Dr. M. spricht auch, dass diese nicht mehr bereit war in einer ergänzenden Stellungnahme eine Auseinandersetzung mit den Einwänden von Dr. H. vorzunehmen. Demgegenüber wiegt die Äußerung von Dr. H. nicht schwer, dass zweieinhalb Jahre nach dem Unfall die Diagnose einer Anpassungsstörung nicht mehr gestellt werden könnte. Zwar ist diese Äußerung bereits zwei Jahre nach dem Unfall der Klägerin erfolgt, Dr. H. hat sich insoweit - wie der Kläger Bevollmächtigte mehrfach anführt - in der Berechnung vertan, falls er seine Aussage auf die Klägerin bezogen getroffen hat. Für sich betrachtet stimmt die Aussage aber. So werden Anpassungsstörungen nach dem Definitionsschema der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) ihrem zeitlichen Verlauf nach so beschrieben, dass die Störung im allgemeinen innerhalb eines Monats nach dem belastende Ereignis beginnt und meist nicht länger als 6 Monate anhält, außer bei der Entwicklung einer längeren depressiven Reaktion (F43.2). Diese hält aber auch nicht länger als 2 Jahre an und kann lediglich bei anhaltendem Stressor (zum Beispiel einer entstellenden Verletzung oder ähnlichem) zu einer chronischen Anpassungsstörung ohne zeitliche Begrenzung entwickeln.
Der Bevollmächtigte der Klägerin weist zu Recht auf die Bedeutung einer Klassifikation der seelischen Erkrankung nach dem ICD-Schlüssel hin. Dies fordert auch die Rechtsprechung zur Beurteilung eines kausalen Zusammenhanges bei diesem Erkrankungsbild (BSG, 09.05.2006, B 2 U 1/05 R). Voraussetzung für die Anerkennung eines psychischen Gesundheitserstschadens bzw. einer Unfallfolge ist die genaue Feststellung der konkreten Gesundheitsstörung. Die Diagnose sollte i. d. R. aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme (ICD 10; DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen (Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 8 SGB VII, Rn. 325a).
Aber auch schon mit der Klassifizierung als Anpassungsstörungen durch Dr. M. zeigt sich, dass es um ein schicksalhaft verlaufenes Leiden geht. Denn nach der Definition der Anpassungsstörung handelt es sich um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die Belastung kann das soziale Netz des Betroffenen beschädigt haben (wie bei einem Trauerfall oder Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer Unterstützung oder soziale Werte (wie bei Emigration oder nach Flucht). Sie kann auch in einem größeren Entwicklungsschritt oder einer Krise bestehen (wie Schulbesuch, Elternschaft, Misserfolg, Erreichen eines ersehnten Zieles und Ruhestand). Die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität spielt bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle; es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre. Die Anzeichen sind unterschiedlich und umfassen depressive Stimmung, Angst oder Sorge (oder eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können.
Damit ist zwar eine Anerkennung als Unfallfolge nicht generell ausgeschlossen. Das Unfallereignis bzw. eine Unfallfolge kann auch dann wesentliche Mitursache einer psychischen Störung sein, wenn bei gewöhnlicher seelischer Reaktionsweise vergleichbar Betroffener keine so ausgeprägte Reaktion auf die Einwirkung zu erwarten gewesen wäre. Bei der Abwägung der Wesentlichkeit des Unfallereignisses und dessen gesundheitlicher Folgen im Einzelfall ist aber auch die Stärke des Unfallereignisses zu berücksichtigen (vgl. Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 8 SGB VII, Rn 326 unter Anführung von Rechtsprechung und Literatur).
Während eine solche Auseinandersetzung im Gutachten von Dr. M. fehlt, führen die anderen fachlich berufenen Sachverständigen Dr. H. und Dr. K. für den Senat überzeugend aus, dass es ein ursächlicher Zusammenhang nicht vorliegt.
Dr. H. (Neurologe) vertritt in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26.10.2009 die Auffassung, dass eine Steißbeinprellung nicht geeignet ist, langfristige Beschwerden hervorzurufen. Ein Schmerzsyndrom als Unfallfolge ist danach mangels organischen Korrelats nicht nachzuvollziehen. Der Unfall war ausgesprochen banal. Jahre nach einem Unfall ist definitionsgemäß eine Diagnose „Anpassungsstörung“ nicht mehr zu stellen. Andererseits fehlt es nach Dr. H. nicht am Vorliegen relevanter Vorbefunde. Von diesem Umstand ist auch der Senat voll überzeugt. Denn durch die vorhandenen Arztberichte sind massive gesundheitliche Beeinträchtigungen der Klägerin an der Wirbelsäule, insbesondere im unteren Bereich, bewiesen. Insoweit wird zunächst auf die Ausführungen hinsichtlich der bildgebenden Verfahren der Wirbelsäule hingewiesen (oben Seite 10, 3. Absatz). Darüber hinaus sind zahlreiche ärztliche Schilderungen der vorgegebenen Beschwerden vorhanden. So schon im Juli 1999 mit der Angabe anhaltender Lumbalgien bei Dr. R.. Beschwerden im Bereich der unteren Wirbelsäule im Februar 2003 (Röntgen unter anderem der LWS bei Dr. G.). Eine Blockierung bzw. Hexenschuss im Juni 2007 (Befund Dr. G. und der Anfertigung eines CT. Die Fachärztin für physikalische und rehabilitive Medizin Dr. S. berichtete am 20.07.2007 und 05.12.2007 noch vor dem Arbeitsunfall. Im Dezember 2007 wurden dabei eine betriebsinterne Umsetzung bzw. Umschulungsmaßnahmen wegen der bestehenden Beschwerden im Beruf erwogen. Als Diagnosen sind angeführt eine ISG- Funktionsstörung beidseits, ein myofaszialles Schmerzsyndrom, ein chronisch-lumbovertebrales Schmerzsyndrom sowie weitere Beschwerden der unteren Wirbelsäule (Arztbriefe an Dr. G.).
Nach dem Leistungsauszug der AOK vom 26.08.2008 war die Klägerin vom 11.06.2007 bis 14.07.2007 deswegen arbeitsunfähig. Darüber hinaus weisen auch die erfolgten Behandlungen auf ein massives Schmerzgeschehen hin, so zahlreiche Injektion und Infusionsbehandlungen bis hin zur Verordnung eines TENS- Gerätes. Es handelt sich dabei um eine Elektrotherapie zur Behandlung chronischer und akuter Schmerzzustände (Reizstrom).
Schließlich klassifiziert Dr. H. auch die Erkrankung der Klägerin nicht als Anpassungstörung, sondern als Schmerzsyndrom und würdigt dazu auch den Heilverlauf nach dem Unfall, nämlich Entlassungsberichte aus der Fachklinik E. vom 04.09.2008 und 27.11.2008 mit den Diagnosen einer leichten depressiven Episode, akuter Belastungsreaktion und Somatisierungsstörung. Ebenso führt er die Beobachtung des Neurochirurgen Dr. K. vom 26.06.2008 an, wonach das Gangbild demonstrativ mit Gehstöcken algogen verändert war.
Auch der in keinerlei vertraglichen Beziehung zur Beklagten stehende Gutachter Dr. K. verneint einen ursächlichen Zusammenhang. Dessen Gutachten basiert auf einer noch weiteren Entwicklung, nämlich einer letzten Kurmaßnahme in Bad W. und verzeichnet nunmehr auch die sozialversicherungsrechtliche Relevanz des Unfalls bei der Arbeitslosen - und Rentenversicherung. Dr. K. würdigt dann das Geschehen in seiner Entwicklung mit einer erstmaligen Diagnose auf ein somatoformes Schmerzgeschehen im August 2008, der Beurteilung des Neurochirurgen Dr. K., den Aufenthalt in der Fachklinik E. und den Ausführungen der Klägerin selbst im Rahmen der Anamnese zu der Kurmaßnahme in Bad W..
Zusammenfassend gelangt dann Dr. K. zu einer auch den Senat überzeugenden Einschätzung, dass von einer somatoformer Schmerzstörung auszugehen ist, einer Schmerzstörung, die nur zum Teil durch organische Faktoren erklärt werden kann und die unter Berücksichtigung der vorhandenen Befunde bereits vor dem Unfall vorgelegen hatte. Diese hat in den letzten Jahren eine Ausweitung erfahren mit immer neuen körperlichen Beschwerden, die nur bedingt organisch einzuordnen sind. ein sekundärer Krankheitsgewinn spielt - wie Dr. K. ausführt und der Leidensverlauf aufzeigt - auch eine nicht unerhebliche Rolle.
Diese Einschätzung überzeugt den Senat vor allem auch in der Gesamtschau mit allen ihm vorliegenden ärztlichen Entlassungsberichten aus den bereits angeführten stationären Rehabilitationsverfahren. Diese beruhen auf einer Langzeitbeobachtung und zahlreichen von der Klägerin im Rahmen dieser Behandlungen wiedergegebenen Äußerungen. Ihre Hauptdiagnosen lauten auf Somatisierungsstörung (F45.0). Dabei handelt es sich um die wiederholte Darbietung körperlicher Symptome in Verbindung mit hartnäckigen Forderungen nach medizinischen Untersuchungen trotz wiederholter negativer Ergebnisse und Versicherung der Ärzte, dass die Symptome nicht körperlich begründbar sind. Wenn somatische Störungen vorhanden sind, erklären sie nicht die Art und das Ausmaß der Symptome, das Leiden und die innerliche Beteiligung des Patienten. Charakteristisch sind multiple, wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche Symptome, die wenigstens zwei Jahre bestehen. Die meisten Patienten haben eine lange und komplizierte Patienten-Karriere hinter sich, sowohl in der Primärversorgung als auch in spezialisierten medizinischen Einrichtungen, wo viele negative Untersuchungen und ergebnislose explorative Operationen durchgeführt sein können. Die Symptome können sich auf jeden Körperteil oder jedes System des Körpers beziehen.
Im Abschlussbericht von Bad W. vom 21.04.2010 wurden die Ursachen des Schmerzleidens nicht Anlass bezogen gesehen, sondern in der Entwicklungsgenese der Klägerin (Seite 9 des Abschlussberichts). Charakteristisch für dieses Krankheitsbild ist - so im Abschlussbericht auf Seite 14 - die Anschuldigung eines einzelnen Ereignisses für den Gesamtzustand. Nach der sozialmedizinischen Epikrise im Abschlussbericht war der Aufbau entsprechender adäquater Bewältigungsstrategien in Anbetracht der Verfestigung kognitiver Grundannahmen (Anschuldigung des Arbeitsunfalls) und einer Einengung auf das Schmerzerleben nicht in ausreichendem Maße möglich. Dies entspricht im Ergebnis auch den Feststellungen, die bereits in E. erfolgt sind.
Gegen einen Kausalzusammenhang sprechen auch die auf orthopädisch/chirurgischem Fachgebiet erstellten Gutachten. Es sind dies bis auf Dr. H. alle mit der Sache befassten Sachverständigen. Dr. H. hält ohnehin neben seiner Beurteilung eine solche durch einen psychiatrisch orientierten Sachverständigen für erforderlich. Dr. R. hingegen weist auf, dass er als langjähriger gerichtlicher Sachverständiger aus einem unfallchirurgischen Wissen schöpfen kann, das auch Kausalverläufe umfasst, die ihren Ausgang aus dramatischen Schädigungen nehmen. Insoweit kann er zu dieser Diskussion beitragen, als er eine traumatische Verursachung des weiter unterhaltenen Schmerzgeschehens ausschließen kann. So führt auch Dr. R. aus, dass hinsichtlich des in der Folge festgestellten depressiven Krankheitsbildes mit gestörter Schmerzverarbeitung eine Unfallursächlichkeit nicht gefunden werden konnte. Das banale Unfallereignis kann demnach für eine posttraumatische Belastungsstörung als Ausgangspunkt einer Depression auch aufgrund der gutachtlichen Erfahrung selbst von Seiten des unfallchirurgischen/orthopädischen Gutachters nicht als plausibel achtet werden. Wenn es demnach aufgrund der Schmerzsymptomatik überhaupt zu einer psychischen Beeinträchtigung gekommen ist, so jedenfalls nicht aufgrund von Unfallfolgen, sondern aufgrund der anhaltenden Beschwerdesymptomatik der mäßigen degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule sowie der vorübergehend akuten Symptomatik seitens des linken Iliosakralgelenkes. Viel wahrscheinlicher scheint aber eine gestörte Schmerzverarbeitung aufgrund einer eigenständigen, anfänglich möglicherweise latenten psychischen Beeinträchtigung. Insoweit schließt sich dieser Sachverständige den Ausführungen von Dr. K. an. Zum Überzeugungsgehalt des schriftlichen Gutachtens wird auf die Ausführungen auf S. 12 zum Antrag auf Ladung des Sachverständigen vom 21.04.2014 Bezug genommen.
Auch die Orthopädin Dr. L. stellte in ihrem Gutachten vom 15.04.2010 als Unfallfolge lediglich eine Prellung der Steißbeines fest, für die außer der Gabe milder Schmerzmittel und Vermeidung des Sitzen eine Behandlung weder möglich noch erforderlich ist. Aber selbst eine Fraktur des Steißbeines kann nicht geeignet sein, organische oder funktionelle Beschwerden zu erklären, wie sie von der Klägerin vorgebracht werden. Der gleichen Ansicht ist auch der gerichtliche Sachverständige Dr. W. in seinem Gutachten vom 23.02.2011. Danach liegt eine organisch nicht erklärbare Hyperpathie im hinteren Becken- und Gesäßbereich vor.
Zusammenfassend besteht somit kein Versicherungsfall im Sinn der gesetzlichen Unfallversicherung, der zu einer Entschädigung mit einer Verletztenteilrente führt. Die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin sind dokumentiert und sozialmedizinisch gewürdigt. Eine Entschädigung findet aber im kausalen System der Unfallversicherung nicht statt. Die Klägerin hat aber Zuwendungen des Sozialsystems erfahren, als sie Lohnfortzahlung, Krankengeld, Arbeitslosengeld und Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem Leistungsbeginn ab 01.01.2009 erhalten hat und weiterhin erhält.
Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Verletztengeld (§§ 45 ff. SGB VII) zu. Dies ist - nach dem zuletzt gestellten Antrag der Klägerin ohnehin - nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.
Insgesamt ist die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.