Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 10. Sept. 2014 - L 3 SB 235/13

published on 10/09/2014 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 10. Sept. 2014 - L 3 SB 235/13
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Tenor

I.

Auf die Berufung von A. wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28. November 2013 abgeändert und der Beklagte verurteilt, unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 4. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2009 nach Maßgabe seines Vergleichsangebotes vom 5. Juni 2014 auch für den Zeitraum 1. Januar 1999 bis 31. Juli 2006 einen GdB von 60 festzustellen.

Im Übrigen wird die Berufung von A. zurückgewiesen.

II.

Der Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten von A. zur Hälfte.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1974 geborene intersexuelle Mensch A. (nachstehend: M.R.) ist schwerbehindert im Sinne von §§ 2 Abs. 2, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Begehrt wird die rückwirkende Feststellung eines GdB von 80 ab dem 01.08.1994 sowie im Wege einer Klageerweiterung die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ im Sinne von § 146 Abs. 1 SGB IX.

M.R. machte mit Erstantrag vom 25.04.2008 das Vorliegen einer Gonadendysgenesie bei Karyotyp 46 XY, eine Wesensveränderung, ein chronisches Erschöpfungssyndrom, Arthralgien, Myalgien, eine Borreliose, Osteoporose, Asthma und Hashimoto-Thyreoiditis geltend. Entsprechend den vorgelegten Unterlagen vor allem des Universitätsklinikums M., des Universitätsklinikums E. und des Klinikums M. in T. ist M.R. nach dem Geschlechtschromosomensatz männlich. Nach dem Phänotyp ist M.R. bei unauffälliger Maskulinisierung jedoch weiblich. Psychosexuell ist M.R. ebenfalls weiblicher Ausprägung.

Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 08.05.2008 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 fest und berücksichtigte nachstehende Gesundheitsstörungen:

1. Seelische Störung, Somatisierungsstörung (Einzel-GdB 30),

2. Gonadendysgenesie (Einzel-GdB 20).

Die mit den Gesundheitsstörungen Borreliose, Hashimoto-Thyreoiditis, Asthma und Osteopenie verbundenen Einschränkungen würden keinen GdB von wenigstens 10 bedingen.

M.R. hob mit Widerspruchsbegründung vom 08.07.2008 hervor, ab der Pubertät, die nicht eingesetzt habe, seien verstärkt Probleme aufgetreten. Fehlende weibliche Hormone hätten eine Brustentwicklung nicht ermöglicht mit der Folge erheblicher sozialer Schwierigkeiten mit starken Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl. Nach Gabe von Östrogen ab dem 19. Lebensjahr habe sich eine rudimentäre Brust in Form einer Mikromastie entwickelt. Dies bereite auch heute noch große Probleme im Hinblick auf das Selbstverständnis als weibliches Wesen.

Der Beklagte hat mit Abhilfe-Bescheid vom 23.07.2008 ab dem 25.04.2008 einen GdB von 50 festgestellt, weil die Folgen von Hormonmangel bei Gonadendysgenesie die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft rechtfertigten.

Auf den weiteren Widerspruch vom 19.08.2008 stellte der Beklagte mit Teilabhilfe-Bescheid vom 04.12.2008 einen GdB von 50 rückwirkend ab 01.08.1994 fest, weil zu diesem Zeitpunkt die Erstdiagnose getroffen wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.01.2009 zurückgewiesen. Die Feststellung eines GdB von 80 ab Geburt (06.09.1974) sei nicht möglich. M.R. sei ausweislich der vorgelegten Unterlagen annähernd wie ein normales Mädchen aufgewachsen. Erst ab dem Jahr 1994 seien schwerwiegendere gesundheitliche Auswirkungen nachweisbar.

Mit Klage vom 03.02.2009 zum Sozialgericht Bayreuth (SG) ist beantragt worden, einen GdB von 80 rückwirkend zum 01.08.1994 festzustellen. Die Gynäkologin Dr. W. habe 06/1994 bis Ende 1996 eine Amenorrhoe festgestellt. Prof. Dr. W. habe 08/1994 eine Gonadendysgenesie endokrinologisch nachgewiesen. Ab 06/1998 sei man von Dr. K., Dr. S. und Dr. K. wegen Depressionen und einer Angststörung behandelt worden. Nachweisend seien multiple Behandlungen wegen der Gonadendysgenesie, der Hashimoto-Thyreoiditis, einem chronischen Erschöpfungssyndrom, Hauterkrankungen und Hormonmangel erfolgt.

Das SG hat die Schwerbehinderten-Akten des Beklagten, die Unterlagen der Deutschen Rentenversicherung Niederbayern mit den zugehörigen Streitakten S 2 R 4165/07 und entsprechende ärztliche Unterlagen beigezogen.

M.R. hat gegenüber dem gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. G. angegeben, dass sich sukzessive eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes und des Befindens eingestellt habe, wobei es sich zunächst um einen schleichenden Prozess gehandelt habe. Ab Ende 2003 sei es dann zu einer starken Verschlechterung gekommen. Im Jahr 2005 habe die Berufstätigkeit als Bürokaufmann/frau aufgeben werden müssen. Seit Anfang 2008 werde eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen. Der Sachverständige Dr. G. ist im Folgenden mit Gutachten vom 04.02.2010 zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der bestehenden Gesundheitsstörungen ab 01.08.1994 ein GdB von 50 bestehe und ab Dezember 2007 ein GdB von 80.

Vorgelegt worden ist die Stellungnahme der Schwerbehindertenbeauftragten des Bundesverbandes intersexueller Menschen e. V. K. vom 26.04.2010. Diese hat darauf hingewiesen, dass naheliegende erhebliche psychische Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.

Gestützt auf die nervenärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. vom 18.07.2011 hat der Beklagte ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, ab 01.08.2006 einen GdB von 60 und ab 01.12.2007 einen GdB von 70 festzustellen.

Nach Anhörung, es sei beabsichtigt, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, hat der ehemalige Bevollmächtigte von M.R. mit Schreiben vom 08.11.2013 das Vorliegen einer erheblichen Gehbehinderung geltend gemacht und das Attest des Dr. W. vom 22.11.2012 vorgelegt. Die Gonadenanlage sei nicht deszendiert. Das heiße, dass die Hoden- bzw. Ovarienanlage in der Leiste liege. Durch die Enge des Leistenkanals könne es zu Quetschungen kommen, die äußerst schmerzhaft seien. In Abhängigkeit von der jeweiligen sich verändernden Lage der Hoden/Ovarien könne es immer wieder zu Schmerzepisoden kommen, die unterschiedlich lange andauern könnten.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 28.11.2013 ausgesprochen: Unter Abänderung des Bescheides vom 04.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.01.2009 wird der Beklagte verurteilt, den GdB ab 01.08.2006 mit 60 und ab 01.06.2007 mit 80 zu bemessen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Hierbei hat das SG das Gutachten des Dr. G. vom 04.02.2010 sowie die nervenärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. vom 18.07.2011 kritisch gewürdigt und die jeweiligen anspruchsbegründenden Gesichtspunkte positiv gewichtet. Eine Verschlechterung im psychopathologischen Befund sei etwa ab Anfang 2006 festzustellen, so dass unter Berücksichtigung des für das Vorliegen einer Behinderung maßgeblichen Zeitraums von wenigstens sechs Monaten ab 01.08.2006 eine Höherbewertung auf einen GdB von 60 gerechtfertigt sei. Die psychischen Beschwerden hätten sich nach 2006 verstärkt. Bei der Untersuchung durch Dr. T. in dem Rentenstreitverfahren S 2 R 4165/07 sei die Stimmungslage depressiv gewesen. Die Verschlechterung im psychischen Befund rechtfertige daher die Anhebung des GdB und dessen Bewertung mit 80 ab dem 01.06.2007. Das weitergehende Begehren sei unbegründet.

Die hiergegen gerichtete Berufung von M.R. geht am 28.12.2013 bei dem Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des Senats werden die Schwerbehinderten-Akten des Beklagten und die erstinstanzlichen Streitakten beigezogen. Dies gilt auch für den Rentenrechtsstreit S 2 R 4165/07 und eine Heftung „Kopien der gesamten Patientenakte“.

Der Senat überträgt mit Beschluss vom 25.02.2014 die Berufung dem Berichterstatter, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern über die Berufung zu entscheiden hat.

M.R. hält mit Schriftsatz vom 23.02.2014 an ihrem Begehren fest, einen GdB von 80 ab dem Jahr 1994 festzustellen. Dies ermögliche die Inanspruchnahme höherer Steuerfreibeträge in der Vergangenheit. Die gegengeschlechtliche Hormonbehandlung ab September 1994 habe zu einem schleichenden und immer stärker manifest werdenden Libidoverlust geführt, die Entfernung des Penis im Jahr 1995 zu Gefühlsirritationen und zu Störungen im Genitalbereich und bei der sexuellen Empfindungsfähigkeit. Die Verschlechterung des psychischen Zustandes seit 1994 habe bereits im Juni 1998 zu einer ersten Konsultation von Psychiatern und zu einer ersten Psychotherapie geführt. Im Übrigen leide man seit Januar 1995 an einer Osteopenie bzw. Osteoporose mit starken Schmerzen im Brustbein.

M.R. legt die Schreiben des Finanzamtes B. vom 04.03.2010 und vom 20.03.2014 vor. Danach könnte beginnend ab dem Jahr 1999 eine (weitere) Erstattung der Lohn-/Einkommensteuer in Betracht kommen.

Gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 30.05.2014 der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. unterbreitet der Beklagte am 05.06.2014 ein Vergleichsangebot dahingehend, ab 01.01.1999 einen GdB von 60 festzustellen. Ab 01.08.2006 verbleibe es jedoch bei den im Gerichtsbescheid vom 28.11.2013 getroffenen GdB-Feststellungen. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. hat auch darauf hingewiesen, dass eine erhebliche Gehbehinderung nicht vorliege.

Entsprechend dem Schreiben vom 27.07.2014 wird das Vergleichsangebot des Beklagten vom 05.06.2014 nicht angenommen, weil das Merkzeichen „G“ nicht angeboten worden ist. Des Weiteren wird auf einen Zivilprozess gegen die Universitätsklinik E. und eine Klage nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) verwiesen. Vorgelegt wird erneut das Attest des Dr. W. vom 22.11.2012, der die Problematik der Enge des Leistenkanals und hieraus resultierender Quetschungen beschrieben hat.

In der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2014 trägt M.R. ergänzend vor, dass es mit Entdeckung des Hodens im Jahr 2010 immer wieder zu Schmerzzuständen bis zu drei Tagen komme, in denen das Gehvermögen so gut wie vollständig eingeschränkt sei. In der Zeit solle man sich auch nicht bewegen, weil der Hoden herabdränge. Dann seien wieder Zeiten von ein paar Tagen, in denen die Gehfähigkeit wegen dieser Problematik nicht beeinträchtigt sei. Im Übrigen würden nunmehr männliche Hormone eingenommen, so dass mit einer Veränderung des Körpers und einer Verstärkung der diesbezüglichen Problematik zu rechnen sei. Außerdem wachse der Penisstumpf derzeit wieder und bereite auch zusätzliche Schmerzen.

Beantragt wird,

einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 bereits ab dem 01.08.1994 festzustellen sowie das Merkzeichen „G“ zuzuerkennen.

Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,

die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28.11.2013 zurückzuweisen, soweit sie über das Vergleichsangebot vom 05.06.2014 hinausgeht.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Schwerbehinderten-Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen. Dies gilt auch für die Rentenstreitakte S 2 R 4165/07 und das Geheft „Kopien der Patientenakte“.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des intersexuellen Menschen M.R. ist gemäß §§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und teilweise begründet. Entsprechend dem Beschluss vom 25.02.2014 hat die Entscheidung dem Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern oblegen (§§ 105 Abs. 1, 153 Abs. 5 SGG).

Bei M.R. ist bereits ab dem Jahr 1999 ein GdB von 60 festzustellen (und nicht erst ab 01.08.2006). Das weitergehende Begehren ist unbegründet. Ein GdB von 80 kann für die Vergangenheit (streitig ist der Zeitraum 01.08.1994 - 31.05.2007) nicht festgestellt werden. Mangels einer erheblichen Gehbehinderung steht das Merkzeichen „G“ nicht zu.

Bis zum Inkrafttreten des SGB IX am 01.07.2001 (Gesetz vom 19.06.2001, BGBl. I S. 1046 ff.) ist das Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft - Schwerbehindertengesetz (SchwbG) maßgeblich gewesen. Seitdem werden im Ergebnis inhaltsgleich nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung (GdB) nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX i. V. m. § 30 Abs. 1 und 16 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sind zur Beurteilung der jeweiligen Funktionsstörungen und -beeinträchtigungen die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ (Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung in der jeweiligen Fassung) zugrunde zu legen. Diese haben die vormals geltenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1996 ff., 2008“ mit Wirkung zum 01.01.2009 abgelöst. Nachdem hier der Zeitraum ab 01.08.1994 streitbefangen ist, sind für die Vergangenheit einschließlich 31.12.2008 die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1996 ff., 2008 heranzuziehen.

Wenngleich diese Verwaltungsvorschriften, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, für das Gericht nicht zwingend bindend sind, werden sie dennoch regelmäßig zur Gesetzesauslegung und als wertvolle Entscheidungshilfe herangezogen. Das Gebot der Gleichbehandlung, wie es in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) normiert ist, erfordert es auch in diesem Fall, keinen anderen Bewertungsmaßstab als den üblichen anzulegen (Bundessozialgericht - BSG - mit Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 in „Die Sozialgerichtsbarkeit“ 1991, S. 227 ff. zu den „Anhaltspunkten 1983“). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 (in NJW 1995, S. 3049, 3050) die Beachtlichkeit der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1983“ in verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren als „antizipierte Sachverständigengutachten“ bestätigt. Entsprechendes gilt auch für die jeweiligen Neufassungen der „Anhaltspunkte“, die die zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, die Rechtsprechung des BSG, zwischenzeitliche Änderungen der Rechtsgrundlagen sowie Erfahrungen bei der Anwendung der bisherigen „Anhaltspunkte“ eingearbeitet haben (BSG mit Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/03 R in SGb 2004, S. 378).

Es gilt das Antragsprinzip (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Hier hat M.R. am 25.04.2008 einen Erstantrag verwaltungsseitig eingereicht. Für eine rückwirkende GdB-Feststellung vor Eingang des Erstantrages vom 25.04.2008 bedarf es eines besonderen Interesses (BSG mit Urteil vom 16.02.2012 - B 9 SB 1/11 R in SozR 4/3250 § 69 Nr. 15). Hierzu zählen auch Nachteilsausgleiche, die sich aus § 33b Einkommensteuergesetz (EStG) ergeben. Insoweit ergibt sich aus den Schreiben des Finanzamtes B. vom 04.03.2010 und vom 20.03.2014, dass beginnend ab dem Jahr 1999 bei der Klägerin eine (weitere) Erstattung an Lohn-/Einkommensteuer in Betracht kommt. Dementsprechend ist im Falle der Klägerin ein „besonderes Interesse“ an einer rückwirkenden GdB-Feststellung ab dem 01.01.1999 gegeben.

Das Feststellungsverfahren nach dem Schwerbehindertenrecht (SchwbG bzw. nunmehr SGB IX) dient jedoch nicht der mittelbaren Beweissicherung hinsichtlich des Zivilrechtsstreits, der gegen die Universitätsklinik E. geführt wird. Auch das Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) ist unabhängig von dem hiesigen Feststellungsverfahren. Insoweit ist es nicht ausreichend, dass gegebenenfalls die nämlichen medizinischen Bewertungsgrundlagen heranzuziehen sind. Denn nach dem OEG sind unabhängig von dort zu beachtenden weiteren rechtlichen Vorgaben aus medizinischer Sicht auch Kausalitätsfragen entscheidungserheblich.

Soweit das SG mit Gerichtsbescheid vom 28.11.2013 ausgesprochen hat, unter Abänderung des Bescheides vom 04.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.01.2009 wird der Beklagte verurteilt, den GdB ab 01.08.2006 mit 60 und ab 01.06.2007 mit 80 zu bemessen, entspricht dies der Sach- und Rechtslage ab dem genannten Zeitpunkt 01.08.2006. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er entsprechend § 153 Abs. 2 SGG insoweit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung folgt.

Der Gerichtsbescheid des SG vom 28.11.2013 erweist sich jedoch in zeitlicher Hinsicht als ungenügend. Auch für den Zeitraum beginnend ab 01.01.1999 bis einschließlich 31.07.2006 ist ein GdB von 60 festzustellen und eine entsprechende Bescheinigung zur Vorlage bei den Steuerbehörden auszuhändigen. Dies ergibt sich aus der nervenärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. vom 30.05.2014 in Auswertung der Rentenstreitakte S 2 R 4165/07 und des Geheftes „Kopien der Patientenakte“. Frau B. hat ausgeführt: Aus der Akte des Streitverfahrens in der Rentensache ist dem Rentenverlauf zu entnehmen, dass bis 2007 Pflichtbeiträge entrichtet wurden. Die Höherbewertung im Gerichtsbescheid des SG ist auf das Gutachten des Dr. T. gestützt, das ab 01.06.2007 eine deutliche depressive Störung bescheinigte. M.R. habe angegeben, die Problematik nicht mit den Eltern besprochen zu haben, da man mit Unverständnis gerechnet habe. Diesbezüglich sei eine Verschlechterung seit etwa einem halben Jahr angegeben worden, eine aktuelle psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung wurde aber nicht angegeben, die frühere Psychotherapie habe nicht viel gebracht. Die Rentenakte enthält auch noch ein MDK-Gutachten von 2006, in dem eine aktuelle Arbeitsunfähigkeit bestätigt wurde bei Verneinung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). M.R. berichte aber auch über Ermüdungserscheinungen, so dass der Lebensgefährte im Haushalt viel erledige. Zusammenfassend lasse sich eine Begründung für einen GdB von 80 ab 1999 nicht finden; eine Verschlechterung im Jahr 2006 ist auch der Rentenakte zu entnehmen. Ein vorübergehender Behandlungsbedarf durch Psychotherapie bei Dr. K. ist für das Jahr 1998 dokumentiert, danach offenbar längere Zeit keine nervenärztliche Mitbehandlung. Somit kann aus der Sicht von Frau B. grenzwertig bereits ab dem Jahr 1999 ein GdB von 60 vertreten werden unter Berücksichtigung einer seelischen Störung mit einem Einzel-GdB von 20. Dabei wird auch eine gewisse Somatisierungsneigung mitberücksichtigt; medizinische Vorstellungen erfolgten wegen diffuser körperlicher Beschwerden unter dem Verdacht von Nebenwirkungen der Hormontherapie. Frau B. begründet im Folgenden die Feststellung eines Gesamt-GdB von 60 ab 1999 mit den Folgen von Hormonmangel bei Gonadendysgenesie (Einzel-GdB 50) und einer seelischen Störung (Einzel-GdB von 20).

Dem ist aus der Sicht des erkennenden Senats vollinhaltlich beizupflichten (§ 128 Abs. 1 SGG). Denn ausgehend von zwei wesentlichen Beschwerdekomplexen ab 1999 mit Einzel-GdB-Werten von 50 und 20 hat zum damaligen Zeitpunkt ein Gesamt-GdB von 60 bestanden: Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von Ausnahmefällen (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Rdz. 19 Abs. 3 und 4 der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit“).

Als Zwischenergebnis ist daher festzustellen, dass sich die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28.11.2013 insoweit als begründet erweist, als der Beklagte mit Vergleichsangebot vom 05.06.2014 sich bereit erklärt hat, für die in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.05.2014 genannten Gesundheitsstörungen ab 01.01.1999 einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 festzustellen (und es im Übrigen bei dem Gerichtsbescheid des SG vom 28.11.2013 verbleibt).

M.R. begehrt weiterhin die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“. Der Senat hält insoweit eine Erweiterung des Streitgegenstandes für sachdienlich (§ 99 Abs. 1 SGG). Denn der Rechtsstreit ist auch insoweit entscheidungsreif. Auch hat sich die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. mit versorgungsärztlicher Stellung vom 30.05.2014 hierzu geäußert.

Nach dem Bekunden von M.R. in der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2014 hat sich die Problematik des immer wieder deszendierenden Hodens erst nach dessen Entdeckung im Jahr 2010 entwickelt. Ausweislich des Attestes des Dr. W. vom 22.11.2012 ist M.R. deswegen jedoch nicht erheblich gehbehindert im Sinne von § 146 Abs. 1 SGB IX. Die Gonadenanlage ist nicht deszendiert. Der Hoden bzw. Ovarialanlage liegen in der Leiste. Durch die Enge des Leistenkanals kann es zu Quetschungen kommen, die äußerst schmerzhaft sein können. In Abhängigkeit von der jeweiligen (sich verändernden) Lage des Hodens/der Ovarien kann es immer wieder zu Schmerzepisoden kommen, die unterschiedlich lang andauern können. Dr. W. hat abschließend die Angaben von M.R. bestätigt, dass es dann zu starken Schmerzen kommt und M.R. nur sehr kurze Strecken unter Schmerzen gehen kann.

Dies ist jedoch nicht ausreichend, um das Merkzeichen „G“ zuzuerkennen können. Inhaltsgleich mit den vormals maßgeblichen „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ bestimmen die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ in Teil D Rdz. 1d: Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen.

Ein Leidenszustand, vergleichbar den vorstehend genannten Regelbeispielen, ist jedoch nicht dauerhaft gegeben. Der Senat verkennt nicht, dass im Akutfall aufgrund der hieraus resultierenden Schmerzen ein weiteres Fortbewegen so gut wie unmöglich ist. Der Hoden ist jedoch nicht ständig verlagert bzw. eingeklemmt. Dr. W. hat mit Attest vom 22.11.2012 zutreffend darauf hingewiesen, dass es immer wieder zu Schmerzepisoden kommen kann, die unterschiedlich lange andauern können. Intermittierend auftretende Schmerzzustande begründen jedoch keine dauerhaft erhebliche Gehbehinderung im Sinne von § 146 Abs. 1 SGB IX.

Es besteht auch keine Vergleichbarkeit zum Beispiel mit Epileptikern, bei denen gehäuft überwiegend am Tage eine mittlere Anfallshäufigkeit vorliegt, oder mit Diabetikern, die tagsüber unter häufigen nicht vermeidbaren hypoglykämischen Schocks leiden. Diesem Personenkreis kann im Einzelfall das Merkzeichen „G“ zuerkannt werden („Versorgungsmedizinische Grundsätze in Teil D Rdz 1e). Im diesem Zusammenhang ist für den Senat aufgrund des persönlichen Eindrucks, der sich in der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2014 ergeben hat, auch kein Hinweis für das Vorliegen einer erheblichen Gehbehinderung im Sinne des Gesetzes erkennbar geworden.

Auch aufgrund des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderung - UN-Behindertenrechtskonvention (BGBl. 2008 Teil II Nr. 35 vom 31.12.2008) ergeben sich keine weitergehenden Ansprüche. Vielmehr genügen die Vorschriften des Schwerbehindertenrechts insbesondere in § 146 Abs. 1 SGB IX, der einen Nachteilsausgleich in Form des Merkzeichens „G“ vorsieht, höherrangigem Recht, wenn als Vergleichsmaßstab ein Behinderter heranzuziehen ist, der einseitig im Unterschenkel amputiert ist (Einzel-GdB von 50) oder an einem sogenannten Klumpfuß (Einzel-GdB von 40) leidet, der die Gehfähigkeit ständig und nicht nur wie im Falle von M.R. im Akutfall erheblich beeinträchtigt.

Die von M.R. in der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2014 vorgetragene zu befürchtende Progredienz des Beschwerdebildes in der Zukunft kann hier nicht berücksichtigt werden. Insoweit wird M.R. anheimgestellt, zu gegebener Zeit verwaltungsseitig einen Neufeststellungsantrag gemäß § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) einzureichen.

Nach alledem war die Berufung des intersexuellen Menschen M.R. gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28.11.2013 im Übrigen abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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published on 16/02/2012 00:00

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. März 2011 insoweit aufgehoben, als es die Feststellung eines Grades der Behinderung für die Zei
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Annotations

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.