Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Apr. 2018 - L 2 U 421/16

bei uns veröffentlicht am18.04.2018
vorgehend
Sozialgericht München, S 24 U 449/15, 10.11.2016
nachgehend
Bundessozialgericht, B 2 U 195/18 B, 19.03.2019

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10.11.2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Klage- und Berufungsverfahren wird auf 5.865,34 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Veranlagung der Klägerin nach dem ab 01.01.2011 gültigen Gefahrtarif der Beklagten und über die Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide für 2012 und 2013.

Umstritten ist insbesondere die Rechtmäßigkeit der Neugestaltung der Gefahrtarifstellen (GTS) im Gefahrtarif 2011 (GT 2011). Die Neugestaltung mit Zusammenfassung von bisher getrennten Gefahrtarifstellen erfolgte, weil nach Fusionen der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) zum 01.01.2009 mit der Berufsgenossenschaft der keramischen und Glas-Industrie (BG Glas Keramik) und zum 01.01.2010 mit der Berufsgenossenschaft der Straßen-, U-Bahnen und Eisenbahnen (BG Bahnen) die Zahl der Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2010 (GT 2010) auf 61 angewachsen war.

Der GT 2010 sah u.a. folgende Gefahrtarifstellen und Gefahrklassen vor:

GefahrtarifStelle (GTS) Unternehmensart Gefahrklasse

01 Kreditinstitut / Finanzdienstleistungsinstitut / Börse 0,38

02 Versicherungsunternehmen / Sozialversicherungsträger 0,45

06 Beratungsunternehmen 0,63

08 Rechts- und wirtschaftsberatendes Unternehmen, Organ der Rechtspflege 0,44

07 Unternehmen der Immobilienwirtschaft 1,32

11 wirtschaftliche und politische Interessenvertretung 0,59

14 Religionsgemeinschaft 1,11

15 Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen 1,36

28 Auskunfts- und Inkassounternehmen, Gebührenermittlung, 0,60

– abrechnung, -einzug

33 Sonstiges Dienstleistungsunternehmen, sofern es nicht einer 1,00 namentlich genannten Unternehmensart zuzuordnen ist

Der Gefahrtarif 2011 (GT 2011) enthielt nach Neugestaltung vorrangig in Orientierung an der Gliederung der Wirtschaftszweige in NACE (Nomenclature Statistique de Activités Économiques dans la Communauté européenne) nach Zusammenlegung noch 22 Gefahrtarifstellen, u.a.

GefahrtarifStelle (GTS) Unternehmensart Gefahrklasse

01 Erbringung von Finanzdienstleistungen / Versicherungsunternehmen nur für „Leasingunternehmen“

2011 0,34 ab 2012 0,38

05 Beratung und Auskunft / Interessenvertretung und Religionsgemeinschaft 0,59

10 Organisation zur Betreuung, Unterstützung im sozialen Bereich 4,27

sonstiges Dienstleistungsunternehmen, sofern es nicht einer 1,24 namentlich genannten Unternehmensart zuzuordnen ist

Die Gefahrtarifstelle 05 des GT 2011 umfasste damit die Unternehmen der bisherigen Gefahrtarifstellen 06, 08, 11, 14, 15, 28 und die Gutachter und nichttechnischen Sachverständigen aus der Gefahrtarifstelle 33 des GT 2010.

Nach den Hinweisen zur Branchenzuordnung der Beklagten zur Abgrenzung der Gefahrengemeinschaften nach dem GT 2011 gehören insbesondere folgende Unternehmen zur GTS 05:

* im Bereich Beratung und Auskunft:

Auskunfteien - Beratungsunternehmen - Buchführungen - Buchprüfungen - Gebühreneinzugszentralen - Gerichtsvollzieherinnen/Gerichtsvollzieher - Heizungsverbrauchsablesestellen - Heizungsverbrauchsabrechnungsstellen - Inkassounternehmen - Insolvenzverwalterinnen/Insolvenzverwalter - Kontiererinnen/Kontierer - nichttechnische Sachverständige, Gutachterinnen/ Gutachter - Notarinnen/Notare - Patentanwältinnen/Patentanwälte - Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte - Rechtsbeistände - Rentenberaterinnen/Rentenberater - Rundfunkgebührenbeauftragte - Steuerberaterinnen/ Steuerberater - Steuerbevollmächtigte - Unternehmens-, Organisations-, Personal-, EDV-, Ernährungsberatungen - Wirtschaftsprüfungen

* im Bereich Interessenvertretung und Religionsgemeinschaft:

Abgeordnetenbüros - Arbeitgeberverbände - Architektenkammern - Automobilclubs - Berufs-, Wirtschaftsverbände - Botschaften - Bürgerinitiativen - Diplomatische, konsularische Vertretungen - Elternverbände - evangelische Kirchen - Fraktionen - Gewerkschaften - Haus- und Grundeigentümerverbände - Industrie- und Handelskammern - Innungen - Innungsverbände - katholische Kirchen - Klöster - Kreishandwerkerschaften Mietervereinigungen - Orden - Parteien - Rechtsanwaltskammern - religiöse Gemeinschaften - sonstige christliche Kirchen - Spitzenorganisationen des Sports - Sportverbände - Steuerberaterkammern - Stifte - tarif- und parteipolitische Organisation - verbandsmäßige Organisationen von Religionsgemeinschaften - Verbraucherschutzzentralen - Vertretungen von Interessen politisch-gesellschaftlicher, allgemein-gesellschaftlicher oder kultureller Art (Förderungen von Wissenschaft und Forschung, Erhaltung von Kulturgut, Bildungsförderungen, Filmförderungen) - Vereine und Einrichtungen zur Entspannung, Erholung, Belehrung, Unterhaltung, Geselligkeit - Weltanschauungsgemeinschaften - wirtschaftliche und politische Interessenvertretungen - Zusammenschlüsse zur Verfolgung gemeinsamer Interessen Dagegen unterfallen der GTS 10 (Organisation zur Betreuung, Unterstützung im sozialen Bereich) Partnerschaftsberatungen - Seelsorge - Selbsthilfegruppen - Sozialberatungen - Jugendbetreuung Transfergesellschaften (Beschäftigungs-, Qualifizierungsgesellschaften).

Die Klägerin wurde als Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung 2011 gegründet und am 27.01.2011 in das Partnerschaftsregister beim Amtsgericht A-Stadt unter der Registernummer PR … eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist die gemeinschaftliche Ausübung der in der Partnerschaft vertretenen rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe. Partner waren bei Gründung der Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. K. J., der Rechtsanwalt Dr. M. K. sowie die Steuerberaterin I. S.. Seit Januar 2015 ist Dr. K. als Partner ausgeschieden.

Daneben gibt es seit 2009 die J. & Partner Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts A-Stadt unter der Nummer HRB …. Eine 2005 gegründete LTA J. H. K. Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft, eingetragen unter der Registernummer PR … beim Amtsgericht A-Stadt, ist seit 14.05.2012 aufgelöst.

Mit Bescheid vom 19.07.2011 stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit für das Unternehmen gemäß § 136 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) fest und stufte die Klägerin mit Veranlagungsbescheid vom 19.07.2011 gemäß § 159 Abs. 1 SGB VII in die Gefahrtarifstelle 05 des Gefahrtarifs 2011 ein mit der Gefahrklasse 0,59.

Zur Begründung des Widerspruchs vom 10.08.2011 trug die Klägerin entsprechend dem Musterschreiben des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. vom 24.11.2010 (Az. 20-32-02/10) vor, dass die Erhöhung der neuen Gefahrklasse für die Berufsgruppe der Steuerberater von bisher 0,44 auf 0,59 sachlich nicht gerechtfertigt sei. Diese Beitragssteigerung um mehr als 30 v.H. sei nicht nachvollziehbar, da die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle im Bereich Verwaltung (zusammen mit Bahnen, Glas/Keramik) laut Unfallstatistik der DGUV im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr (2008) um 8,27% zurückgegangen sei bzw. um 10,41% je 1.000 Vollarbeiter. Eine sachgerechte Abgrenzung der Gewerbezweige und ihre korrekte Zuordnung zu den Gefahrtarifstellen bei Bildung des Gefahrentarifs seien nicht erkennbar. Nicht sachgerecht sei insbesondere, dass in die neue Gefahrtarifstelle 05 neben den rechts- und wirtschaftsberatenden Berufen als weitere Unternehmensarten auch die Bereiche „Interessenvertretung“ und „Religionsgemeinschaften“ aufgenommen worden seien. Für die Religionsgemeinschaften sei unter der bisherigen Tarifstelle 14 eine relativ hohe Gefahrklasse von 1,11 ausgewiesen, so dass deren Einbeziehung nicht zu einer gerechten Lastenverteilung innerhalb der neuen Tarifstelle führe. Nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG - Urteil vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R) seien entscheidend für eine Einbeziehung die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen, wobei Art und Gegenstand des Unternehmens maßgebend seien, da sie den zuverlässigsten Aufschluss über die Unfallgefahren in den Unternehmen geben würden. Die Arbeitsbedingungen bei Religionsgemeinschaften, wozu auch die Erbringung sozialer Dienste wie Fahr- und Pflegedienstleistungen gehörten, würden sich aber erheblich von der reinen Bürotätigkeit im Bereich Steuerberatung unterscheiden. Dagegen seien die Arbeitsbedingungen in einer Steuerberaterkanzlei mit der neuen Tarifstelle 01 vergleichbar (Erbringung von Finanzdienstleistungen / Versicherungsunternehmen), insbesondere mit der Tätigkeit bei Banken und Versicherungen. Daher sei eine Aufnahme in die Tarifstelle 01 möglich.

Die Beklagte setzte den Beitrag für 2012 mit Beitragsbescheid vom 22.04.2013 auf 464,25 € und den Beitrag für 2013 mit Beitragsbescheid vom 22.04.2014 auf 401,09 € fest. Dagegen legte die Klägerin jeweils Widerspruch ein mit der Begründung, dass die Gefahrklasse 0,59 rechtswidrig sei.

Die Widerspruchsverfahren wurden wegen anhängiger Muster-Klage-Verfahren zum Gefahrtarif zunächst zum Ruhen gebracht. Mit Schreiben vom 15.04.2015 wies die Beklagte die Klägerin auf das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 27.11.2014 (L 3 U 134/13) hin, wonach der Gefahrtarif 2011 rechtlich nicht zu beanstanden sei. Auf weitere Rechtsverfolgung sei verzichtet worden. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. habe Rücknahme der Widersprüche angeregt. Das Musterverfahren sei abgeschlossen. Um Mitteilung, ob der Widerspruch zurückgenommen werde, wurde gebeten. Die Klägerin bat um Entscheidung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2015 wies die Beklagte die Widersprüche gegen den Veranlagungsbescheid und gegen die Beitragsbescheide 2012 und 2013 als unbegründet zurück. Die Berechnung der Gefahrenklasse sei nicht willkürlich vorgenommen worden, sondern versicherungsmathematisch begründet und nachvollziehbar. Als Gefährdungsrisiko gelte das durchschnittliche Gefährdungsrisiko der in einer Risikogemeinschaft (Gefahrtarifstelle) zusammengefassten Unternehmen.

In der Gefahrtarifstelle 05 seien 50.332.032,18 € Entschädigungsleistungen erbracht worden. Gegenüber stünden 85.830.366.479 € Entgelte und Versicherungssumme dieser Gefahrtarifstelle. Danach ergebe sich für die Gefahrtarifstelle 05 eine Gefahrklasse von 0,59.

Für die Berechnung der Gefahrklasse für die ab 01.01.2011 geltenden Gefahrtarife seien die Daten aus den Jahren 2006 bis 2008 (Beobachtungszeitraum) herangezogen worden. Der durch die Fusionen der VBG mit zwei Berufsgenossenschaften auf 61 Gefahrtarifstellen angewachsene Gefahrtarif 2010 sei nun auf 22 Gefahrtarifstellen reduziert worden. Im Rahmen der Reduzierung der Gefahrtarifstellen würden rechts- und wirtschaftsberatende Unternehmen gemeinsam mit anderen technologisch ähnlichen Unternehmensgruppen die Unternehmensart „Beratung und Auskunft“ bilden. Bei Bildung der Unternehmensart „Beratung und Auskunft“ habe die Beklagte berücksichtigt, dass sich der Aufgabenbereich des Berufsstandes im Wesentlichen nicht verändert habe. Die Entscheidung für die Zuordnung eines Unternehmens zu einer Unternehmensart richte sich nach Art und Gegenstand des Unternehmens. Da Unternehmensgegenstand die Beratung/Vertretung in rechts- und/oder Steuerangelegenheiten gewesen sei, sei es der Unternehmensart „Beratung und Auskunft“ zuzuordnen. Eine Zuordnung zur Gefahrtarifstelle 01 wäre dagegen nicht sachgerecht. Dieser Unternehmensart würden Unternehmen angehören, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig (§ 1 Abs. 1 KWG) betreiben oder Finanzdienstleistungen für andere gewerbsmäßig erbringen (§ 1 Abs. 1a KWG) oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere. Ein Unternehmen dieser Art sei die Klägerin nicht.

Zum Zwecke einer weiteren Reduzierung von Gefahrtarifstellen würden die Unternehmensarten „Beratung und Auskunft“ und „Interessenvertretung und Religionsgemeinschaft“ gemeinsam eine Gefahrtarifgemeinschaft bilden, denn es hätten sich bei Art und Gegenstand der Unternehmen Überschneidungen gezeigt, die eine Zusammenfassung dieser Unternehmensarten in einer Gefahrtarifstelle rechtfertigen würden. Gemeinsam sei diesen Unternehmensarten die individuelle Beratung und Vertretung von Interessen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Darüber hinaus habe das LSG Berlin-Brandenburg am 27.11.2014 (L 3 U 134/13) im Rahmen eines Musterverfahrens rechtskräftig die Rechtmäßigkeit des Gefahrtarifs und der Veranlagung der Steuerberater zur Gefahrtarifstelle 05 bestätigt.

Die Klägerin hat dagegen am 13.08.2015 Klage beim Sozialgericht München (SG) erhoben und die Aufhebung des Veranlagungsbescheides vom 19.07.2011 und der Beitragsbescheide für die Umlage 2012 und 2013 beantragt.

Zur Begründung hat die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die der Gefahrtarifstelle 05 zugeordneten Unternehmen seien derart heterogen zusammengesetzt, dass von einer Zusammenfassung annähernd gleicher Gefährdungsrisiken nicht die Rede sein könne. Bei Rechtsanwälten und Steuerberatern sei von überwiegend bürogeprägten Arbeitsbedingungen auszugehen, was mit Organisationen wie Greenpeace, Hilfsorganisationen oder Kirchen nicht vergleichbar sei, da diese überwiegend mit Außenaktionen, teils in der Dritten Welt, in Erscheinung treten würden und ihr Unfallrisiko erheblich höher sei.

Die Zusammenfassung der Unternehmensarten „Beratung und Auskunft“ und „Interessenvertretung und Religionsgemeinschaft“ in einer Gefahrtarifgemeinschaft verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es würden Unternehmen mit vormaligen Gefahrklassen von 1,11 bzw. 1,36 mit der Unternehmensart der Klägerin - vormals Gefahrklasse 0,44 - zusammengefasst. Ein sachgerechter Anknüpfungspunkt fehle.

Dagegen gleiche die Unternehmensart unter GTS 01 „Erbringung von Finanzdienstleistungen / Versicherungsunternehmen“ denen der Rechtsanwälte und Steuerberater. Es sei nicht verständlich, warum keine Zusammenfassung dieser Unternehmensarten erfolgt sei.

Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass die bisherige Einstufung fehlerhaft gewesen sei und die Branche ein höheres Risiko habe als bisher.

Zu berücksichtigen sei, dass es sich nicht um eine freiwillige Versicherung handele, sondern die Aufwendungen zwangsweise erhoben würden. Daher seien die Abgaben an Art. 12 und 14 GG zu messen. Die Verwaltungsvereinfachung sei auch mit Einstufung in eine andere, etwa gleich hohe Risikoklasse zu erreichen gewesen.

Die Beklagte hat entgegnet, dass sie im rechtlich zulässigen Rahmen ihrer autonomen Rechtssetzungsbefugnis einen Gefahrtarif geschaffen habe, der gewerbezweigbezogen, nicht tätigkeitsbezogen sei. Die Bildung von Gefahrklassen nach dem Gewerbezweigprinzip habe zur zwangsläufigen Folge, dass es innerhalb der Gewerbezweige nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weniger deutlich abweichende Unternehmen und Unternehmensarten gebe. Dass alle einem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen trotz unterschiedlicher Gefährdungslage zur selben Gefahrklasse veranlagt und deshalb einzelne von ihnen stärker mit Beitragen belastet würden als es ihrem tatsächlichen Gefährdungsrisiko entspreche, sei als Folge der bei Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen. Im Gefahrtarif ab 01.01.2011 seien Gefahrengemeinschaften durch Zusammenfassungen von Unternehmensarten vergrößert worden und teilweise mehrere Unternehmensarten in einer Gefahrtarifstelle unter Beachtung der Größe und des Belastungsprinzips zusammengefasst worden, u.a. die bisherigen Gefahrtarifstellen 08 „rechts- und wirtschaftsberatende Unternehmen, Organ der Rechtspflege“, 11 „wirtschaftliche und politische Interessenvertretung“ sowie 14 „Religionsgemeinschaft“ zur Gefahrtarifstelle 05, Unternehmensart „Beratung und Auskunft/Interessenvertretung und Religionsgemeinschaft“. Im Übrigen hat sich die Beklagte auf das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 27.11.2014 (L 3 U 134/13) und das Urteil des SG München vom 05.06.2013 (S 23 U 268/11) gestützt und darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall keine Beitragserhöhung stattgefunden habe, da das Unternehmen der Klägerin erst ab 2011 der Beklagten angehört habe.

Das SG hat die Beteiligten mit Schreiben vom 04.05.2016 dazu angehört, dass eine Entscheidung mittels Gerichtsbescheid beabsichtigt sei. Mit Gerichtsbescheid vom 10.11.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und sich im Wesentlichen auf das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 27.11.2014 gestützt.

Gegen den am 17.11.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 09.12.2016 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Die Berufungsbegründung entspricht im Wesentlichen der Klagebegründung.

Die Beklagte hat ihre Rechtsauffassung im Schriftsatz vom 03.01.2017 vertieft und u.a. darauf hingewiesen, dass die Erbringung sozialer Dienste durch Religionsgemeinschaften im Regelfall nicht in den Zuständigkeitsbereich der Berufungsbeklagten falle. Zuständiger Unfallversicherungsträger sei dafür die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).

Auf das gerichtliche Hinweisschreiben vom 10.01.2017 wird Bezug genommen. Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 14.02.2017 an der Berufung festgehalten. Die Beiträge seien sprunghaft auf das etwa doppelte Niveau angestiegen, eine Zusammenfassung der Unternehmensarten in der Gefahrtarifstelle 05 sei nicht gerechtfertigt, insbesondere nicht durch Verwaltungsvereinfachung und die Grundrechte auf Eigentum und Berufswahl / Berufsausübung seien betroffen.

Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 18.04.2018 wird verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10.11.2016 sowie die Beitragsbescheide für die Umlagejahre 2012 und 2013 vom 22.04.2013 und 22.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Veranlagungsbescheides vom 19.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2015 zu verurteilen, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinsichtlich der Veranlagung ab 01.01.2011 neu zu verbescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des SG sowie die Akte des LSG Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung erweist sich als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klagen gegen den Veranlagungsbescheid vom 19.07.2011 sowie gegen den Beitragsbescheid für das Beitragsjahr 2012 vom 22.04.2013 und den Beitragsbescheid für das Beitragsjahr 2013 vom 22.04.2014 jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2015 abgewiesen.

Die gegen den Veranlagungsbescheid erhobene Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 150 SGB VII sind nur die Unternehmer beitragspflichtig; ihre Beiträge berechnen sich gemäß § 153 Abs. 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt.

Der Unternehmensgegenstand der Klägerin, die Ausübung der rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe, fällt eindeutig unter die Unternehmensart „Beratung und Auskunft / Interessenvertretung und Religionsgemeinschaft“ der Gefahrtarifstelle 05 des GT 2011 und lässt sich nicht der Unternehmensart „Erbringung von Finanzdienstleistungen / Versicherungsunternehmen nur für Leasingunternehmen“ der Gefahrtarifstelle 01 zuordnen. Wenn wie hier nach technologischen Kriterien die richtige Zuordnung feststeht, kann die Zugehörigkeit zu einer Unternehmensart nicht mit dem Hinweis auf eine unterschiedliche Belastungssituation in Frage gestellt werden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.11.2014 - L 3 U 134/13 - Juris RdNr. 39 m.w.N.). Der Veranlagungsbescheid mit Zuordnung der Gefahrklasse 0,59 entspricht daher der Rechtsgrundlage, dem GT 2011.

Der Veranlagungsbescheid ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil seine Rechtsgrundlage - der Gefahrtarif 2011 - seinerseits wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht rechtswidrig wäre. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist insbesondere die Gefahrtarifstelle 05 rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Unfallversicherungsträger setzt gemäß § 157 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 33 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest. Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung, die gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 SGB IV öffentlich bekannt zu machen ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 15 m.w.N.). In den Satzungsregelungen sind gemäß § 157 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (vgl. § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Dabei werden die Gefahrklassen nach § 157 Abs. 3 SGB VII aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet. Der beschlossene Gefahrtarif hat gemäß § 157 Abs. 5 SGB VII eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren und ist vom Bundesversicherungsamt (BVA) als Aufsichtsbehörde gemäß § 158 Abs. 1 SGB VII zu genehmigen.

Das BSG hat in seiner Rechtsprechung wiederholt betont, dass den Unfallversicherungsträgern bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zusteht und den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften dabei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 16 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist; dagegen steht den Gerichten die Prüfung nicht zu, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 18, ebenso BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - Juris RdNr. 16). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 18). Insbesondere kann der Unfallversicherungsträger laut BSG im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen, welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif erhalten soll (vgl. BSG vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 18).

Dabei ist anerkannt, dass gemäß § 157 Abs. 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif (sog. Gewerbezweigprinzip) gebildet oder nach Tätigkeiten gegliedert unter Zusammenfassung von Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen gefasst werden können (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 28 ff.). Ein gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung bzw. die Arbeitsbedingungen geprägt; das setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 28 m.w.N.). Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 -´ B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 30). Das BSG hat in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die Gliederung der Gewerbezweige nach dem klassischen Technologieprinzip, also in Anknüpfung an die Art der erzeugten Güter und die Art und Weise ihrer Herstellung oder Bearbeitung, in der modernen Dienstleistungsgesellschaft zunehmend an Bedeutung verliert und dass deshalb für eine sachgerechte Abgrenzung auch andere Merkmale wie einschlägige berufsrechtliche Regelungen oder bestehende verbandsorganisatorische Strukturen herangezogen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.2006 - B 2 U 2/05 R - Juris RdNr. 23). Dennoch bleiben für den Zuschnitt der Gewerbezweige in erster Linie Art und Gegenstand des Unternehmens maßgebend, da sie den zuverlässigsten Aufschluss über die Unfallgefahren in den Unternehmen geben (vgl. BSG, ebenda). Die Bildung von Gefahrklassen nach dem Gewerbezweigprinzip hat im Übrigen zur zwangsläufigen Folge, dass es innerhalb der Gewerbezweige nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weniger deutlich abweichende Unternehmen und Unternehmensarten gibt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2003 - B 2 U 21/02 R - Juris RdNr. 28). Zudem ist der Solidarausgleich innerhalb des gesamten Systems der gewerblichen BGen auf den verschiedenen Ebenen zu beachten, der vom Ausgleich innerhalb der Gefahrtarifstellen bis zum Ausgleich zwischen den BGen reicht (BSG, Urteil vom 24.06.2003 - B 2 U 21/02 R - Juris RdNr. 34).

Ferner können Gefahrengemeinschaften aus mehreren Gewerbezweigen gebildet werden, wenn diese nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 33).

Dabei darf der Unfallversicherungsträger berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl. Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größe, Betriebszahlen und Anzahl von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl. BT-Drucks. 16/9154, S. 1). Damit entspricht es, wie das BSG dargelegt hat (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 55) gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es nach Auffassung des BSG auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten (vgl. BSG, ebenda).

Das BSG hat ferner darauf hingewiesen, dass selbst bei erheblicher Abweichung der Gefährdungsrisiken innerhalb einer Gefahrengemeinschaft zu berücksichtigen ist, dass gerade § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert und Ausdruck des Solidaritätsgedankens ist (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 37). Allein die Beitragshöhe vermag eine Rechtswidrigkeit der Bildung der Gefahrtarifstellen nicht zu begründen.

Allerdings muss namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen oder bei aus unterschiedlichen Gewerbezweigen gebildeten Gefahrengemeinschaften geprüft werden, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen „gewerbetypischen“ Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - Juris RdNr. 34). Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweiges erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, „passenderen“ Gewerbezweig folgen (vgl. BSG, Urteil 21.03.2006 - B 2 U 2/05 R - Juris RdNr. 23; BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 34).

Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 35). Ferner hängt der Grad der noch unschädlichen Abweichung auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 28).

Zum Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei Zusammenlegen von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft hat das BSG im Urteil vom 11.04.2013 (B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 36 f.) ausgeführt, dass dieser nicht erreicht wird bei einer Differenz des Gefährdungsrisikos der Gefahrengemeinschaft und dem Gefährdungsrisiko des Unternehmens von 33,3 v.H. (1/3) (dort: Gefahrklasse 4,0 der Klägerin und Gefahrklasse 6,0 der Gefahrengemeinschaft). Soweit in der Literatur geringere Grenzwerte als ca. 33 v.H. angegeben wurden, konnte das BSG dem nicht folgen. Denn die Normformulierung des § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zeige, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssten, weil § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII u.a. auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordere (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 37). Hierauf habe auch der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs. 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei (vgl. EuGH, Urteil vom 05.03.2009 - C-350/07 - Slg. 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, Juris RdNr. 48).

Vor diesem Hintergrund ist der Gefahrtarif 2011 der Beklagten einschließlich der Gefahrtarifstelle 05 rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Gefahrtarif 2011 wurde durch die Vertreterversammlung der Beklagten am 08.07.2010 beschlossen, am 26.07.2010 vom Bundesversicherungsamt genehmigt gemäß § 158 Abs. 1 SGB VII und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 2 Satz 1 SGB IV).

Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass ihr Gefahrtarif eine Bildung der Gefahrtarifstellen entsprechend dem Gewerbezweigprinzip nach Unternehmensarten enthält. Hintergrund für die Bezeichnung als Unternehmensart statt Gewerbezweig ist, dass ihre Mitgliedsunternehmen zu einem großen Teil keinem klassischen Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung nachgehen (vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.11.2014 - L 3 U 134/13 - Juris RdNr. 21).

Die Bildung der Gefahrtarifstelle 05 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat verweist auf folgende überzeugende Ausführungen des LSG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 27.11.2014 (L 3 U 134/13 - Juris):

„RdNr. 27 Die Gefahrtarifstelle 05 erfasst nach dem ab dem 01. Januar 2011 geltenden Gefahrtarif der Beklagten Beratung und Auskunft/ Interessenvertretung und Religionsgemeinschaften. Im Gegensatz zum vorher geltenden Gefahrtarif bezieht diese Tarifstelle aus den früheren Gefahrtarifstellen 06 (Beratungsunternehmen; Gefahrklasse 0,63), 08 (rechts- und wirtschaftsberatendes Unternehmen, Organ der Rechtspflege; Gefahrklasse 0,44), 11 (wirtschaftliche und politische Interessenvertretung; Gefahrklasse 0,59), 14 (Religionsgemeinschaft; Gefahrklasse 1,11), 15 (Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen; Gefahrklasse 1,36), 28 (Auskunfts- und Inkassounternehmen, Gebührenermittlung, -abrechnung, -einzug; Gefahrklasse 0,60) und aus der Gefahrtarifstelle 33 (sonstiges Dienstleistungsunternehmen, Gefahrklasse 1,00) nichttechnische Gutachter und Sachverständige mit ein.

Laut dem auf dem Beobachtungszeitraum 2006 bis 2008 beruhenden Unfallverzeichnis, welches dem Gefahrtarif 2011 zugrunde gelegt wurde, belief sich die Entgelt- und Versicherungssumme auf 85.830.366.479,00 €, die Entschädigungsleistungen (Neulast) betrugen 50.332.032,18 €. Aus der Neulast x 1.000 ÷ Entgeltsumme im Beobachtungszeitraum errechnete sich die Belastungsziffer (hier: 0,5864). Die gerundete Belastungsziffer ergibt die Gefahrklasse (hier: 0,59). Die Berechnung und ihre Grundlagen ergeben sich aus Abschnitt C Nr. 5 (S. 11), Nr. 7 (S. 15 ff.) und Abschnitt F der Beschlussvorlage für den Gefahrtarif 2011.

Von der gesamten Entgelt- und Versicherungssumme i.H.v. 85.830.366.479,00 € entfallen 38.818.328.841,00 € (45,23%) auf rechts- und wirtschaftsberatende Unternehmen bzw. Organe der Rechtspflege, auf Beratungsunternehmen 23.152.137.328,00 €, auf Auskunfts-, Inkassounternehmen, Gebührenermittlung,-ab-rechnung, -einzug 1.828.573.163,00 €, auf Gutachter und nichttechnische Sachverständige 70.989.195,00 €, auf wirtschaftliche und politische Interessenvertretungen 7.646.832.340,00 €, auf Religionsgemeinschaften 8.700.328.516,00 € und auf Zusammenschlüsse zur Verfolgung gemeinsamer Interessen 5.613.177.096,00 €.

RdNr. 28 Zunächst machte die Beklagte in sachgerechter Weise von ihrem Gestaltungsspielraum Gebrauch, indem sie ausweislich ihrer Erwägungen zu den Veränderungen der Gefahrtarifstellen (Abschnitt C, S. 18 der Beschlussvorlage für den Gefahrtarif 2011) die die Zusammenfassung zur einer Gefahrtarifstelle rechtfertigende Gemeinsamkeit der Beratungsunternehmen, rechts- und wirtschaftsberatenden Unternehmen bzw. Organe der Rechtspflege, der Auskunfts- und Inkassounternehmen und Unternehmen mit dem Unternehmensgegenstand Gebührenermittlung, -abrech-nung und -einzug sowie der nichttechnischen Gutachter und Sachverständigen in Beratung und Auskunft sieht. Die so neu gebildete Unternehmensart „Beratung und Auskunft“ umfasst zum einen alle ursprünglichen Gefahrtarifstellen, die Beratung im originären Sinn zum Inhalt hatten und zum anderen die Auskunfts- und Inkassounternehmen sowie die Unternehmen, die Gebühren ermitteln, abrechnen und einziehen.

Hierzu hat das SG München im oben angesprochenen Verfahren S 23 U 268/11 ergangenen Urteil vom 05. Juni 2013 zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Unternehmen sich ebenfalls durch den Geschäftszweck der Beratung und/ oder einer Dienstleistung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz auszeichnen, wie z.B. durch den Einzug fremder Forderungen. Zudem besteht eine enge Zusammenarbeit gerade mit den Organen der Rechtspflege. Dieser enge Zusammenhang gilt auch für die zusätzlich miteinbezogenen nichttechnischen Gutachter und Sachverständigen, die auf den Gebieten der Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaft sowie auf medizinischem Fachgebiet Gutachten erstellen (SG München, Urteil vom 05. Juni 2013 - S 23 U 268/11 -, zitiert nach juris Rn. 23). Die Beklagte erblickt einen sachgerechten Anknüpfungspunkt für eine Zusammenfassung mit Interessenvertretungen wiederum darin, dass sowohl den beratenden bzw. auskunfterteilenden Unternehmen und Interessenvertretungen, welche ihre Mitglieder beraten, das Beratungsmoment gemein ist. Wesentlich unterschiedliche Unfallrisiken lassen sich in diesem Zusammenhang nicht ausmachen.

RdNr. 29 Der weitere Zusammenschluss mit den Unternehmen der Interessenvertretung und den Religionsgemeinschaften ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Unter die Unternehmensart „Interessenvertretung“, die die bisherigen Unternehmensarten „wirtschaftliche und politische Interessenvertretung“ und „Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen“ umfasst, fallen - vgl. zur Branchenzuordnung in Abschnitt C Nr. 8, S. 33 ff. der Beschlussvorlage für den Gefahrtarif 2011 - zum einen z.B. Abgeordnetenbüros, Arbeitgeberverbände, Rechtsanwalts- und Steuerberaterkammern, die in enger Verbundenheit zu den oben aufgeführten Beratungsunternehmen stehen. So liegt es in der Tat nicht fern, die Beratungsunternehmen selbst und deren Interessenvertretung, wie z.B. Rechtsanwälte und Rechtsanwaltskammern in einem Gewerbezweig zusammenzufassen. Zum anderen zeichnen sich aber auch die Zusammenschlüsse zur gemeinsamen Interessenvertretung, wie z.B. Automobilclubs, Bürgerinitiativen, Elternverbände, Mietervereinigungen und Verbraucherschutzzentralen, ebenso in erster Linie durch die Beratung ihrer Mitglieder aus. Auch hier steht bei der Bandbreite der erfassten Unternehmen eine büromäßige Tätigkeit im Vordergrund. Relevante Unterschiede bei den Unfallrisiken sind auch hier nicht ersichtlich.

RdNr. 30 Es kann dahinstehen, ob sich die Beklagte für die Einbeziehung der Religionsgemeinschaften in die Gefahrtarifstelle 05 nachvollziehbar von der Zuordnung in der NACE leiten lässt. Jedenfalls erscheint auch unter Einbeziehung der Religionsgemeinschaften die Vertretung eigener oder fremder Interessen als gemeinsamer Nenner aller drei Unternehmenszweiggruppen; ferner sind ihnen allen vor allem büromäßige Verrichtungen zu eigen. Unfallrisikoerhebliche Unterschiede lassen sich so auch nicht unter Einbeziehung von Religionsgemeinschaften feststellen.

RdNr. 31 Der Klägerin ist es insbesondere nicht gelungen, überzeugend darzulegen, dass in die Tarifstelle 05 überwiegend Interessenvertretungen eingeordnet sind, die aufgrund einer Unternehmensstruktur, die von ihrer deshalb erheblich abweicht, weil die Vertretung nicht ausschließlich büromäßig, sondern durch Außendienste o.ä. verrichtet wird, ein erhöhtes Gefährdungsrisiko bergen. Die Klägerin lässt außer Betracht, dass auch Steuerberater und Rechtsanwälte Außentermine bei Mandanten, Finanzämtern und Gerichten wahrnehmen. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang z.B. auf Greenpeace hinweist, mag zutreffen, dass einzelne Interessenvertretungen wie eben Greenpeace zu einem nicht zu vernachlässigenden Anteil die Interessen ihrer Mitglieder auch durch Außenaktionen wahrnehmen. Daraus leitet sich jedoch keine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung, d.h. kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)) ab. Denn die Außenaktionen/ -dienste sind zwar ein Bestandteil der Tätigkeit dieser Unternehmen/ Organisationen, aber nicht das wesentlich prägende Element (siehe hierzu die Ausführungen des erkennenden Senats betreffend den ADAC, die Sportverbände und den Deutschen Alpenverein im Urteil vom 20. August 2010 - L 3 U 349/08 -, zitiert nach juris Rn. 36 ff.). Allein schon die Bündelung von Unternehmen unterschiedlicher vormaliger Gefahrklassen begründet einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch nicht (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 20. August 2010 - L 3 U 349/08 -, a.a.O.).

RdNr. 32 Diese Ausführungen gelten auch für die Religionsgemeinschaften, deren Schwerpunkt ebenfalls in einer büromäßigen Tätigkeit liegt. Auch hier ist zu beachten, dass die sozialen Einrichtungen der Religionsgemeinschaften wie Kindergärten, Pflegediensten etc. in der Regel der BG für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege zuzuordnen sind, so dass diese Argumentation der Klägerin ins Leere geht. Zudem sind Sozialberatungen und Seelsorge von der Gefahrtarifstelle 10 (Gefahrklasse 4,27) erfasst (vgl. Branchenzuordnung in Abschnitt C Nr. 8, S. 33 f., 35 der Beschlussvorlage für den Gefahrtarif 2011).

Die vorgenommene Zusammenfassung entspricht auch dem in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hervorgehobenen Schutz kleinerer Gewerbezweige (BSG, Urteil vom 12. Dezember 1985 - 2 RU 40/85 -, zitiert nach juris Rn. 26). So können die zwei großen Gewerbezweige „Beratungsunternehmen“ mit einer Entgelt- und Versicherungssumme in Höhe von ca. 23 Milliarden € und „Rechts- und wirtschaftsberatende Unternehmen, Organ der Rechtspflege“ mit einer Entgelt- und Versicherungssumme in Höhe von ca. 39 Milliarden € die kleineren Gewerbezweige mit Entgelt- und Versicherungssummen in Höhe von 70 Millionen € (nichttechnische Gutachter und Sachverständige) bis zu ca. 8,7 Milliarden € (Religionsgemeinschaften) im Rahmen des Solidarausgleichs mit auffangen.“

Der Senat weist ferner darauf hin, dass gerade kleine Risikogemeinschaften typischerweise stärkeren Schwankungen hinsichtlich der Belastungsziffer unterliegen. Bei solchen kleinen Unternehmensgruppen bzw. bei Unternehmensgruppen mit zurückgehenden Mitgliederzahlen oder rückläufigen Entgelt- und Versicherungssummen dient die Zuordnung zu einer größeren Risikogemeinschaft daher der Beitragsstabilität. Denn jede Gefahrtarifstelle bedarf einer ausreichenden Größe, um zufallsbedingte Schwankungen in der Belastungsentwicklung auszuschließen und dem Versicherungsprinzip zu entsprechen (vgl. Spellbrink, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, zu § 157 SGB VII RdNr. 11). Durch Einordnung in eine deutlich größere Solidargemeinschaft werden Beitragsschwankungen ausgeglichen und ggf. eintretende Beitragssteigerungen für das einzelne Unternehmen durch die Aufteilung innerhalb einer größeren Solidargemeinschaft abgemildert. Vor diesem Hintergrund ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die verhältnismäßig kleine Risikogemeinschaft der Religionsgemeinschaften, deren Anteil an den Entgelt- und Versicherungssummen nur ca. 10% beträgt, vor allem wegen rückläufiger Mitglieder- und Entgeltzahlen in eine größere Risikogemeinschaft eingegliedert wurde, wie der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Hintergrund der Neugestaltung des GT 2011 die vorangegangenen Fusionen mit zwei anderen Berufsgenossenschaften waren. Wie bereits dargelegt entspricht es dem Willen des Gesetzgebers mit Blick auf die Zusammenfassung von Berufsgenossenschaften, dass größere Solidargemeinschaften gebildet werden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht, so dass es sachgerecht ist, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten. Das BSG hat ferner darauf hingewiesen, dass selbst bei erheblicher Abweichung der Gefährdungsrisiken innerhalb einer Gefahrengemeinschaft zu berücksichtigen ist, dass gerade § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert und Ausdruck des Solidaritätsgedankens ist (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 37).

Gerade bei einer derart umfassenden Neugestaltung des Gefahrtarifs nach zwei Fusionen mit anderen Berufsgenossenschaften wie hier muss dem Unfallversicherungsträger gestattet sein, ähnliche Unternehmensarten in Gefahrtarifstellen zusammenzufassen, insbesondere kleinere „Gewerbezweige“ bzw. Unternehmensarten mit größeren Unternehmensarten im Interesse einer Beitragsstabilität zusammenzufassen und in gewissem Umfang vorgreifliche Regelungen zu treffen, um anschließend die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig zu beobachten (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 35). Angesichts des komplexen Sachverhaltes nach den Fusionen ist der Beklagten ein zeitlicher Anpassungsspielraum zuzubilligen, um Erfahrungen mit den neu geschaffenen Gefahrtarifstellen zu sammeln (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2003 - B 2 U 21/02 R - Juris RdNr. 21). Vor diesem Hintergrund vermag die Abweichung der Belastungsziffer der bisherigen GTS 08 „rechtsu. wirtschaftsberatende Unternehmen, Organe der Rechtspflege“ von gerundet 0,40 (0,3963) zur gerundeten Gesamtbelastungsziffer der neu geschaffenen GTS 05 von 0,59 keine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen zu begründen. Denn die Abweichung der Belastungsziffer dieser Unternehmen von der Gesamtbelastungsziffer der GTS 05 liegt mit 0,19 bei 32,2% und damit unterhalb von 33,3% der Gesamtbelastungsziffer. Wie dargelegt, ist aber nach BSG-Rechtsprechung selbst die Abweichung von einem Drittel noch nicht ausreichend für die Annahme eines erheblich abweichenden Gefährdungsrisikos (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.11.2014 - L 3 U 134/13 - Juris RdNr. 33 f.).

Der Gefahrtarif 2011 und insbesondere die Gefahrtarifstelle 05 stehen auch nicht im Widerspruch zu Verfassungsrecht, insbesondere zu Art. 12 GG, Art. 14 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG.

Mangels objektiv berufsregelnder Tendenz der Beiträge bzw. der Gefahrtarifgestaltung hinsichtlich Wahl oder Ausübung des Berufs ist schon der Schutzbereich des Grundrechts auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG nicht tangiert (vgl. BSG, Urteil vom 21.10.1999 - B 11/10 AL 8/98 R - Juris RdNr. 21; BVerfG, Beschluss vom 29.11.1989 - 1 BvR 1402/87 - Juris RdNr. 47; BVerfG, Beschluss vom 03.06.2013 - 1 BvR 131/13 - Juris RdNr.18). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass mit der Beitragspflicht und insbesondere der Gestaltung des Gefahrtarifs auf Wahl oder Ausübung des Berufs der Partner der Klägerin Einfluss ausgeübt werden könnte. Eine objektiv berufsregelnde Wirkung scheidet vielmehr schon aufgrund der geringen Höhe der Beiträge aus. Denn diese beliefen sich ausweislich der vorliegenden Beitragsbescheide 2012 mit 464,25 € auf lediglich 0,32% des gemeldeten Bruttoarbeitsentgelt (145.318 €) und 2013 mit 401,09 € auf 0,30% des gemeldeten Bruttoarbeitsentgelts (132.204 €) und betrugen insgesamt weniger als 470 € im Jahr.

Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vor. Legt der Staat den Bürgern Geldleistungspflichten auf, so greift er damit grundsätzlich nicht in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG ein, denn die Eigentumsgarantie schützt nicht das Vermögen als solches (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.10.2009 - L 6 U 1859/08 - Juris RdNr. 39 m.w.N.). Etwas Anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn eine Abgabe den Pflichtigen übermäßig belastet und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt, die Abgabe also „erdrosselnde Wirkung“ hat (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom 29.11.1989 - 1 BvR 1402/87 - Juris RdNr. 48; BVerfG, Beschluss vom 31.05.1988 - 1 BvL 22/85 - Juris RdNr. 32). Angesichts der eben dargelegten geringen Höhe der Jahresbeiträge besteht dafür aber keinerlei Anhaltspunkt; vielmehr ist eine nennenswerte Auswirkung auf das Vermögen der Klägerin fernliegend.

Eine Verletzung von Vertrauensschutz gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ist durch die Neufassung der Gefahrtarifstellen im GT 2011 nicht ersichtlich. Denn ein Gefahrtarif ist jeweils nach Ablauf seiner Geltungsdauer von maximal sechs Jahren zwingend neu festzulegen gemäß § 157 Abs. 5 SGB VII (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 48 ff.). Außerdem spricht gegen Vertrauensschutz im konkreten Einzelfall, dass die Klägerin erstmals mit dem streitgegenständlichen Bescheid veranlagt wurde, weil sie erst 2011 gegründet wurde und zuvor rechtlich nicht existent war. Die Klägerin wurde daher auch nicht, wie der Prozessbevollmächtigte vorgetragen hat, sprunghaft mit höheren Beiträgen belastet.

Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.06.2013 - 1 BvR 131/13 - Juris RdNr. 11 m.w.N.); er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen, wobei es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers ist, zu entscheiden, welche Merkmale er beim Vergleich von Lebenssachverhalten als maßgebend ansieht, um sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln (vgl. BVerfG, a.a.O.). Differenzierungen sind zulässig, bedürfen aber stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.06.2013 - 1 BvR 131/13 - Juris RdNr. 12). Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.06.2013 - 1 BvR 131/13 - Juris RdNr. 13). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfG, a.a.O.). Ferner kann sich eine strengere Bindung des Gesetzgebers aus den betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrecht ist dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen der fortwährenden schnellen Veränderungen des Arbeits-, Wirtschafts- und Soziallebens eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen, die nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.06.2013 - 1 BvR 131/13 - Juris RdNr. 14). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG der Gesetzgeber die Rechtssetzungsbefugnis hinsichtlich der Festsetzung von Gefahrtarifen an die Unfallversicherungsträger zur autonomen Regelung delegieren durfte; die gesetzliche Ermächtigung des Unfallversicherungsträgers zur Festsetzung des Gefahrtarifs (§ 157 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.07.2007 - 1 BvR 1696/03 - Juris RdNr. 21 ff.). Dabei setzten die berufsgenossenschaftlichen Selbstverwaltungsorgane, die bei der Bewältigung dieser Aufgabe über lange Erfahrung verfügen und mit den spezifischen Strukturen innerhalb der einzelnen Berufsgenossenschaften vertraut sind, den Gefahrtarif als autonomes Recht fest (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.07.2007 - 1 BvR 1696/03 - Juris RdNr. 22 ff., 29). Dementsprechend hat das BSG - wie oben bereits aufgezeigt - in seiner Rechtsprechung stets betont, dass den Unfallversicherungsträgern bei Erfüllung der ihnen vom Gesetzgeber übertragenen Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zusteht und dass auch den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften dabei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, soweit sie innerhalb der ihnen vom Gesetzgeber erteilten Ermächtigung autonomes Recht setzen (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 16 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Ferner ist zu berücksichtigen, dass in der Sozialversicherung neben dem Versicherungsprinzip auch das fürsorgerische Prinzip eines sozialen Ausgleichs (Solidarprinzip) von Bedeutung ist, ohne dass sich eine Gewichtung der Grundsätze zugunsten des Versicherungsprinzips aus dem Grundgesetz ableiten ließe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.09.2007 - 1 BvR 58/06 - Juris RdNr. 11).

Nicht zu prüfen ist insbesondere, ob der Gesetzgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.06.2013 - 1 BvR 131/13 - Juris RdNr. 14). Außerdem ist der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen damit verbundener unvermeidlicher Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.06.2013 - 1 BvR 131/13 - Juris RdNr. 15). Vor diesem Hintergrund ist die Gestaltung der Gefahrtarifs 2011 auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Regelungen des Gefahrtarifs knüpfen hier hinsichtlich der Einteilung der Gefahrtarifstellen an die Art des Unternehmensgegenstandes an, weil daraus typischerweise gleichartige Unfallrisiken folgen. Daher sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 53 m.w.N.). Sachfremde oder willkürliche Erwägungen bei Bildung der Gefahrtarifstelle 05 sind nicht erkennbar. Vielmehr wählte die Beklagte eine an Sachkriterien orientierte Anknüpfung und fasste Unternehmensarten mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammen. Da die Bildung größerer Solidargemeinschaften gerade dem Willen des Gesetzgebers mit Blick auf die Zusammenfassung von Unfallversicherungsträgern entsprach, erweist sich die Bildung von Gefahrengemeinschaften mit Zusammenfassung von Gewerbezweigen zu größeren Gruppen als sachgerecht (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris RdNr. 55). Die Beklagte hat gemäß Art. 3 Abs. 1 GG eine zulässige Typisierung getroffen, als sie von zumindest ähnlichen Risiken und vergleichbaren Präventionserfordernissen der in der Gefahrtarifstelle 05 zusammengefassten Unternehmensarten - „Beratung und Auskunft“ sowie „Interessenvertretung und Religionsgemeinschaften“ - ausging (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.11.2014 - L 3 U 134/13 - Juris RdNr. 36 f.). Der Unfallversicherungsträger darf durch Typisierungen den Bedürfnissen der Massenverwaltung Rechnung tragen; dabei ggf. auftretende Härten sind bei generalisierenden Regelungen unvermeidlich, aber hinzunehmen, wenn wie - wie hier - nicht das Maß des Zumutbaren überschritten wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.07.2007 - 1 BvR 1696/03).

Da die Veranlagung rechtlich nicht zu beanstanden ist, sind auch keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der gemäß § 168 SGB VII erlassenen Beitragsbescheide für 2012 und 2013 vorgetragen oder ersichtlich. Die von der Klägerin erhobenen zulässigen Anfechtungsklagen gegen diese Bescheide sind daher unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1, Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), denn die Berufung erweist sich als erfolglos. Das Verfahren ist gerichtskostenpflichtig, weil weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG).

Der Senat setzt den Streitwert gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf 5.865,34 € fest.

In Rechtsmittelverfahren richtet sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Dabei ist nach § 52 Abs. 1 GKG in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag der Klägerin eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Bietet hingegen der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000 € anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).

Soweit die Klägerin die Aufhebung der Beitragsbescheide 2012 und 2013 beantragt und folglich die Beitragsbescheide neben dem Veranlagungsbescheid eigenständig angegriffen hat, richtet sich der Streitwert gemäß § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) zwingend nach der Höhe der in den Beitragsbescheiden festgestellten Beiträge (vgl. BSG, Beschluss vom 23.07.2015 - B 2 U 78/15 B) und beläuft sich daher auf 865,34 €.

Soweit die Klägerin die Aufhebung des Veranlagungsbescheides und Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beantragt hat, ist der Streitwert auf 5.000 € festzusetzen gemäß § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG.

Die Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung von Klagen gegen Veranlagungsbescheide hat sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewandelt. So hatte das BSG im Beschluss vom 03.05.2006 (B 2 U 415/05 B - Juris; vgl. auch BSG, Beschluss vom 08.09.2009 - B 2 U 113/09 - Juris) ausgeführt, dass sich der Streitwert nach der Höhe der mit der Klage erstrebten Beitragsersparnis bestimme, wobei das Zweifache des Differenzbetrags zwischen dem nach der bisherigen Veranlagung zu zahlenden und dem bei Erfolg der Klage zu erwartenden Jahresbeitrag, mindestens aber der dreifache Auffangstreitwert anzusetzen sei; dies entspreche dem wirtschaftlich gesehen erheblichem Gewicht. Andererseits hatte das BSG im Beschluss vom 05.03.2008 (B 2 U 353/07 B - Juris) die Ansicht vertreten, dass in Beitragsstreitigkeiten mindestens der (einfache) gesetzliche Auffangstreitwert - also 5.000 € - zu Grunde zu legen sei, weil die den Gegenstand des Prozesses bildenden Rechtsfragen in der Regel über den konkret streitigen Zeitraum hinaus auch für die Beitragsfestsetzung in späteren Jahren von Bedeutung seien. Unter Hinweis auf weitere Unstimmigkeiten in der BSG-Rechtsprechung hatten Becker / Spellbrink (NZS 2012, 283, 286) zum Streitwert von Klagen gegen einen Veranlagungsbescheid eine Stufenprüfung vorschlagen, wonach der konkret für ein Jahr streitige Betrag zu ermitteln sei, der dann, wenn die wirtschaftliche Bedeutung für den Kläger wegen Auswirkungen auf spätere Beitragsjahre höher ist, in Anlehnung an § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG mit maximal dem Faktor 3 zu vervielfachen sei; sei dagegen kein konkreter Beitrag zu ermitteln, sei der einfache Auffangstreitwert von 5.000 € gemäß § 52 Abs. 2 GKG zu Grunde zu legen. Abzulehnen sei dagegen die Vervielfachung des Auffangstreitwertes.

Vor diesem Hintergrund hat das BSG seine Rechtsprechung zur Vervielfachung von Jahresbeträgen oder Auffangstreitwerten mittlerweile aufgegeben (vgl. BSG, Beschluss vom 07.11.2017 - B 2 U 125/17 B - Juris). Die Bedeutung einer Klage gegen die Höhe der Veranlagung bemisst sich vorrangig nach der Differenz zwischen dem geforderten und dem bei Erfolg der Klage zu erwartenden Beitrag im Veranlagungszeitraum (vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R - Juris; BSG, Beschluss vom 13.12.2016 - B 2 U 135/16 B - Juris). Ist dieser Wert nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand festzustellen, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf den Auffangstreitwert in Höhe von 5.000 € zurückzugreifen (vgl. BSG, Beschluss vom 13.12.2016 - B 2 U 135/16 B - Juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 20.07.2015 - L 2 U 318/13 - Juris; Becker / Spellbrink, NZS 2012, 283, 286; vgl. auch Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 5. Auflage 2017, veröffentlicht vom LSG Rheinland-Pfalz unter https://lsgrp.justiz.rlp.de/de/startseite/). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Die Klägerin hat mit ihren Anträgen nicht nur die Zuordnung ihres Unternehmens in eine andere Gefahrklasse geltend gemacht. Sie hat vielmehr die Rechtswidrigkeit der mit Gefahrtarif 2011 neu gebildeten für sie maßgeblichen Gefahrtarifstelle 05 geltend gemacht und eine Neufassung der Gefahrtarifstellen hinsichtlich der erfassten Unternehmensgruppen sowie eine entsprechende Neuberechnung der Gefahrklassentarife gefordert. Geltend gemacht wurde im Laufe des Verfahrens u.a. eine Neugestaltung der Gefahrtarifstelle 01 unter Zuordnung von rechts-, wirtschafts- und steuerberatenden Unternehmen oder alternativ eine Neufassung der Gefahrtarifstelle 05 ohne Erfassung von Unternehmen der Interessenvertretung und / oder ohne Erfassung von Unternehmen der Religionsgemeinschaften. Jede dieser geltend gemachten Neufassungsvarianten der Gefahrtarifstellen erfordert aber eine unterschiedliche Neuberechnung und ergibt jeweils unterschiedliche Gefahrklassen und Beiträge. Hinzu kommen weitere Schwankungen der Beitragshöhe u.a. wegen unterschiedlicher Beschäftigtenzahl und Bruttoentgelten. Vor diesem Hintergrund fehlen aber hinreichende Anhaltspunkte, um mit vertretbarem Aufwand die konkret geltend gemachte Beitragsdifferenz im Veranlagungszeitraum als Grundlage der Bedeutung der Berufung zu ermitteln. Daher ist im vorliegenden Fall als Streitwert der einfache Auffangstreitwert von 5.000 € festzusetzen.

Da die begehrte Veranlagung neben den angegriffenen Beitragsbescheiden bereits Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens war, macht der Senat von der Möglichkeit gemäß § 63 Abs. 3 GKG Gebrauch, die jeweilige Festsetzung des Streitwerts durch das SG abzuändern.

Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Apr. 2018 - L 2 U 421/16

Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Apr. 2018 - L 2 U 421/16

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Apr. 2018 - L 2 U 421/16 zitiert 30 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Kreditwesengesetz - KredWG | § 1 Begriffsbestimmungen


(1) Kreditinstitute sind Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Bankgeschäfte sind 1. die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder ander

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 42 Wiederkehrende Leistungen


(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitneh

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 136 Bescheid über die Zuständigkeit, Begriff des Unternehmers


(1) Der Unfallversicherungsträger stellt Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. Ein Unternehmen beginnt bereits mit den vorbereitenden Arbeiten für das Unternehmen. Bei in

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 157 Gefahrtarif


(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenscha

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 150 Beitragspflichtige


(1) Beitragspflichtig sind die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Die nach § 2 versicherten Unternehmer sowie die nach § 3 Abs. 1 Nr

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 168 Beitragsbescheid


(1) Der Unfallversicherungsträger teilt den Beitragspflichtigen den von ihnen zu zahlenden Beitrag schriftlich mit. Einer Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches bedarf es nur in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1. (2) Der Beitragsbescheid ist mit Wi

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 159 Veranlagung der Unternehmen zu den Gefahrklassen


(1) Der Unfallversicherungsträger veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen. Satz 1 gilt nicht für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten. (2) Für die Auskunftspflicht der Unternehmer gilt § 98 des Zehnten Buc

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 33 Vertreterversammlung, Verwaltungsrat


(1) Die Vertreterversammlung beschließt die Satzung und sonstiges autonomes Recht des Versicherungsträgers sowie in den übrigen durch Gesetz oder sonstiges für den Versicherungsträger maßgebendes Recht vorgesehenen Fällen. Bei der Deutschen Rentenver

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 34 Satzung


(1) Jeder Versicherungsträger gibt sich eine Satzung. Sie bedarf der Genehmigung der nach den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige zuständigen Behörde. (2) Die Satzung und sonstiges autonomes Recht sind öffentlich bekannt

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 158 Genehmigung


(1) Der Gefahrtarif und jede Änderung bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. (2) Der Unfallversicherungsträger hat spätestens drei Monate vor Ablauf der Geltungsdauer des Gefahrtarifs der Aufsichtsbehörde beabsichtigte Änderungen mitzutei

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 153 Berechnungsgrundlagen


(1) Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind, soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nicht etwas anderes ergibt, der Finanzbedarf (Umlagesoll), die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen. (2) Das Arbeitsentgelt der Vers

Referenzen - Urteile

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Apr. 2018 - L 2 U 421/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Apr. 2018 - L 2 U 421/16 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 20. Juli 2015 - L 2 U 318/13

bei uns veröffentlicht am 20.07.2015

Gründe I.Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. II.Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5000 EUR festgesetzt. G r ü n d e : Gehören in einem Rechtszug – wie hier – weder der Kläger

Bundessozialgericht Beschluss, 23. Juli 2015 - B 2 U 78/15 B

bei uns veröffentlicht am 23.07.2015

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers werden das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. Dezember 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an d

Bundessozialgericht Urteil, 11. Apr. 2013 - B 2 U 8/12 R

bei uns veröffentlicht am 11.04.2013

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Der Unfallversicherungsträger stellt Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. Ein Unternehmen beginnt bereits mit den vorbereitenden Arbeiten für das Unternehmen. Bei in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführten Bauarbeiten kann der Unfallversicherungsträger von der Feststellung seiner Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid absehen. War die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig oder ändert sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen, überweist der Unfallversicherungsträger dieses dem zuständigen Unfallversicherungsträger. Die Überweisung erfolgt im Einvernehmen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger; sie ist dem Unternehmer von dem überweisenden Unfallversicherungsträger bekanntzugeben.

(2) Die Feststellung der Zuständigkeit war von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches, die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, liegt vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mehr als ein Jahr zurückliegt und seitdem keine der geänderten Zuständigkeit widersprechenden Veränderungen eingetreten sind oder wenn die Änderung der Zuständigkeit durch Zusammenführung, Aus- oder Eingliederung von abgrenzbaren Unternehmensbestandteilen bedingt ist. Eine Änderung gilt nicht als wesentlich, wenn ein Hilfsunternehmen im Sinne von § 131 Abs. 2 Satz 2 in eigener Rechtsform ausgegliedert wird, aber ausschließlich dem Unternehmen, dessen Bestandteil es ursprünglich war, dient. Satz 3 gilt nicht, wenn feststeht, dass die tatsächlichen Umstände, welche die Veränderung der Zuständigkeit begründen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach deren Eintritt entfallen. Stellt sich innerhalb eines Jahres nach Bestandskraft des Bescheides, mit dem erstmalig die Zuständigkeit für ein Unternehmen festgestellt wurde, heraus, dass die Zuständigkeit eines anderen Unfallversicherungsträgers gegeben ist, erfolgt eine Überweisung auch dann, wenn die weiteren Voraussetzungen in den Sätzen 1 bis 3 nicht erfüllt sind und kein Fall im Sinne des Satzes 5 vorliegt.

(3) Unternehmer ist

1.
die natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personenvereinigung oder -gemeinschaft, der das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht,
2.
bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 15 Buchstabe a bis c versicherten Rehabilitanden der Rehabilitationsträger, bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 15 Buchstabe d versicherten Teilnehmern an Präventionsmaßnahmen der Maßnahmeträger,
3.
bei Versicherten nach § 2 Absatz 1 Nummer 2, 8 und 14 Buchstabe b der Sachkostenträger,
4.
beim Betrieb eines Seeschiffs der Reeder,
5.
bei nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a oder b Versicherten, die für eine privatrechtliche Organisation ehrenamtlich tätig werden oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen, die Gebietskörperschaft oder öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft, in deren Auftrag oder mit deren Zustimmung die Tätigkeit erbracht wird,
6.
bei einem freiwilligen Dienst nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder einem Internationalen Jugendfreiwilligendienst nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c der zugelassene Träger oder, sofern eine Vereinbarung nach § 11 Abs. 2 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes getroffen ist, die Einsatzstelle,
7.
bei einem Dienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz die Einsatzstelle.

(4) Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand.

(1) Der Unfallversicherungsträger veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen. Satz 1 gilt nicht für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten.

(2) Für die Auskunftspflicht der Unternehmer gilt § 98 des Zehnten Buches entsprechend mit der Maßgabe, dass sich die Auskunfts- und Vorlagepflicht der Unternehmer auch auf Angaben und Unterlagen über die betrieblichen Verhältnisse erstreckt, die für die Veranlagung der Unternehmen zu den Gefahrklassen erforderlich sind. Soweit die Unternehmer ihrer Auskunftspflicht nicht nachkommen, nimmt der Unfallversicherungsträger die Veranlagung nach eigener Einschätzung der betrieblichen Verhältnisse vor.

(1) Kreditinstitute sind Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Bankgeschäfte sind

1.
die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden (Einlagengeschäft),
1a.
die in § 1 Abs. 1 Satz 2 des Pfandbriefgesetzes bezeichneten Geschäfte (Pfandbriefgeschäft),
2.
die Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten (Kreditgeschäft);
3.
der Ankauf von Wechseln und Schecks (Diskontgeschäft),
4.
die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung (Finanzkommissionsgeschäft),
5.
die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren für andere (Depotgeschäft),
6.
die Tätigkeit als Zentralverwahrer im Sinne des Absatzes 6,
7.
die Eingehung der Verpflichtung, zuvor veräußerte Darlehensforderungen vor Fälligkeit zurückzuerwerben,
8.
die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen für andere (Garantiegeschäft),
9.
die Durchführung des bargeldlosen Scheckeinzugs (Scheckeinzugsgeschäft), des Wechseleinzugs (Wechseleinzugsgeschäft) und die Ausgabe von Reiseschecks (Reisescheckgeschäft),
10.
die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Plazierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien (Emissionsgeschäft),
11.
(weggefallen)
12.
die Tätigkeit als zentrale Gegenpartei im Sinne von Absatz 31.

(1a) Finanzdienstleistungsinstitute sind Unternehmen, die Finanzdienstleistungen für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und die keine Kreditinstitute sind. Finanzdienstleistungen sind

1.
die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (Anlagevermittlung),
1a.
die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (Anlageberatung),
1b.
der Betrieb eines multilateralen Systems, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt (Betrieb eines multilateralen Handelssystems),
1c.
das Platzieren von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung (Platzierungsgeschäft),
1d.
der Betrieb eines multilateralen Systems, bei dem es sich nicht um einen organisierten Markt oder ein multilaterales Handelssystem handelt und das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb des Systems auf eine Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt (Betrieb eines organisierten Handelssystems),
2.
die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten im fremden Namen für fremde Rechnung (Abschlußvermittlung),
3.
die Verwaltung einzelner in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum (Finanzportfolioverwaltung),
4.
der Eigenhandel durch das
a)
kontinuierliche Anbieten des An- und Verkaufs von Finanzinstrumenten zu selbst gestellten Preisen für eigene Rechnung unter Einsatz des eigenen Kapitals,
b)
häufige organisierte und systematische Betreiben von Handel für eigene Rechnung in erheblichem Umfang außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems, wenn Kundenaufträge außerhalb eines geregelten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems ausgeführt werden, ohne dass ein multilaterales Handelssystem betrieben wird (systematische Internalisierung),
c)
Anschaffen oder Veräußern von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere oder
d)
Kaufen oder Verkaufen von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als unmittelbarer oder mittelbarer Teilnehmer eines inländischen organisierten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems mittels einer hochfrequenten algorithmischen Handelstechnik, die gekennzeichnet ist durch
aa)
eine Infrastruktur zur Minimierung von Netzwerklatenzen und anderen Verzögerungen bei der Orderübertragung (Latenzen), die mindestens eine der folgenden Vorrichtungen für die Eingabe algorithmischer Aufträge aufweist: Kollokation, Proximity Hosting oder direkter elektronischer Hochgeschwindigkeitszugang,
bb)
die Fähigkeit des Systems, einen Auftrag ohne menschliche Intervention im Sinne des Artikels 18 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie (ABl. L 87 vom 31.3.2017, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung, einzuleiten, zu erzeugen, weiterzuleiten oder auszuführen und
cc)
ein hohes untertägiges Mitteilungsaufkommen im Sinne des Artikels 19 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 in Form von Aufträgen, Kursangaben oder Stornierungen
auch ohne dass eine Dienstleistung für andere vorliegt (Hochfrequenzhandel),
5.
die Vermittlung von Einlagengeschäften mit Unternehmen mit Sitz außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (Drittstaateneinlagenvermittlung),
6.
die Verwahrung, die Verwaltung und die Sicherung von Kryptowerten oder privaten kryptografischen Schlüsseln, die dazu dienen, Kryptowerte für andere zu halten, zu speichern oder darüber zu verfügen, sowie die Sicherung von privaten kryptografischen Schlüsseln, die dazu dienen, Kryptowertpapiere für andere nach § 4 Absatz 3 des Gesetzes über elektronische Wertpapiere zu halten, zu speichern oder darüber zu verfügen (Kryptoverwahrgeschäft),
7.
der Handel mit Sorten (Sortengeschäft),
8.
die Führung eines Kryptowertpapierregisters nach § 16 des Gesetzes über elektronische Wertpapiere (Kryptowertpapierregisterführung),
9.
der laufende Ankauf von Forderungen auf der Grundlage von Rahmenverträgen mit oder ohne Rückgriff (Factoring),
10.
der Abschluss von Finanzierungsleasingverträgen als Leasinggeber und die Verwaltung von Objektgesellschaften im Sinne des § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 17 außerhalb der Verwaltung eines Investmentvermögens im Sinne des § 1 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs (Finanzierungsleasing),
11.
die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten außerhalb der Verwaltung eines Investmentvermögens im Sinne des § 1 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs für eine Gemeinschaft von Anlegern, die natürliche Personen sind, mit Entscheidungsspielraum bei der Auswahl der Finanzinstrumente, sofern dies ein Schwerpunkt des angebotenen Produktes ist und zu dem Zweck erfolgt, dass diese Anleger an der Wertentwicklung der erworbenen Finanzinstrumente teilnehmen (Anlageverwaltung),
12.
die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren ausschließlich für alternative Investmentfonds (AIF) im Sinne des § 1 Absatz 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs (eingeschränktes Verwahrgeschäft).
Die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung, die nicht Eigenhandel im Sinne des § 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 4 ist (Eigengeschäft), gilt als Finanzdienstleistung, wenn das Eigengeschäft von einem Unternehmen betrieben wird, das
1.
dieses Geschäft, ohne bereits aus anderem Grunde Institut oder Wertpapierinstitut zu sein, gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreibt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und
2.
einer Instituts-, einer Finanzholding- oder gemischten Finanzholding-Gruppe oder einem Finanzkonglomerat angehört, der oder dem ein CRR-Kreditinstitut angehört.
Ein Unternehmen, das als Finanzdienstleistung geltendes Eigengeschäft nach Satz 3 betreibt, gilt als Finanzdienstleistungsinstitut. Die Sätze 3 und 4 gelten nicht für Abwicklungsanstalten nach § 8a Absatz 1 Satz 1 des Stabilisierungsfondsgesetzes. Ob ein häufiger systematischer Handel im Sinne des Satzes 2 Nummer 4 Buchstabe b vorliegt, bemisst sich nach der Zahl der Geschäfte außerhalb eines Handelsplatzes im Sinne des § 2 Absatz 22 des Wertpapierhandelsgesetzes (OTC-Handel) mit einem Finanzinstrument zur Ausführung von Kundenaufträgen, die für eigene Rechnung durchgeführt werden. Ob ein Handel in erheblichem Umfang im Sinne des Satzes 2 Nummer 4 Buchstabe b vorliegt, bemisst sich entweder nach dem Anteil des OTC-Handels an dem Gesamthandelsvolumen des Unternehmens in einem bestimmten Finanzinstrument oder nach dem Verhältnis des OTC-Handels des Unternehmens zum Gesamthandelsvolumen in einem bestimmten Finanzinstrument in der Europäischen Union. Die Voraussetzungen der systematischen Internalisierung sind erst dann erfüllt, wenn sowohl die in den Artikeln 12 bis 17 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 bestimmte Obergrenze für häufigen systematischen Handel als auch die in der vorgenannten Delegierten Verordnung bestimmte einschlägige Obergrenze für den Handel in erheblichem Umfang überschritten werden oder wenn ein Unternehmen sich freiwillig den für die systematische Internalisierung geltenden Regelungen unterworfen und einen entsprechenden Erlaubnisantrag bei der Bundesanstalt gestellt hat.

(1b) Institute im Sinne dieses Gesetzes sind Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute.

(2) Geschäftsleiter im Sinne dieses Gesetzes sind diejenigen natürlichen Personen, die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Führung der Geschäfte und zur Vertretung eines Instituts oder eines Unternehmens in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft berufen sind.

(3) Finanzunternehmen sind Unternehmen, die keine Institute und keine Kapitalverwaltungsgesellschaften oder extern verwaltete Investmentgesellschaften sind und deren Haupttätigkeit darin besteht,

1.
Beteiligungen zu erwerben und zu halten,
2.
Geldforderungen entgeltlich zu erwerben,
3.
Leasing-Objektgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 17 zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
mit Finanzinstrumenten für eigene Rechnung zu handeln,
6.
andere bei der Anlage in Finanzinstrumenten zu beraten,
7.
Unternehmen über die Kapitalstruktur, die industrielle Strategie und die damit verbundenen Fragen zu beraten sowie bei Zusammenschlüssen und Übernahmen von Unternehmen diese zu beraten und ihnen Dienstleistungen anzubieten oder
8.
Darlehen zwischen Kreditinstituten zu vermitteln (Geldmaklergeschäfte).
Das Bundesministerium der Finanzen kann nach Anhörung der Deutschen Bundesbank durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, weitere Unternehmen als Finanzunternehmen bezeichnen, deren Haupttätigkeit in einer Tätigkeit besteht, um welche die Liste in Anhang I zu der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338; L 208 vom 2.8.2013, S. 73; L 20 vom 25.1.2017, S. 1; L 203 vom 26.6.2020, S. 95), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2019/2034 (ABl. L 314 vom 5.12.2019, S. 64) geändert worden ist.

(3a) Datenbereitstellungsdienste im Sinne dieses Gesetzes sind genehmigte Veröffentlichungssysteme und genehmigte Meldemechanismen im Sinne des § 2 Absatz 37 und 39 des Wertpapierhandelsgesetzes.

(3b) (weggefallen)

(3c) Ein Institut ist bedeutend, wenn seine Bilanzsumme im Durchschnitt zu den jeweiligen Stichtagen der letzten vier abgeschlossenen Geschäftsjahre 15 Milliarden Euro überschritten hat. Als bedeutende Institute gelten stets

1.
Institute, die eine der Bedingungen gemäß Artikel 6 Absatz 4 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63; L 218 vom 19.8.2015, S. 82) erfüllen,
2.
Institute, die als potentiell systemrelevant im Sinne des § 12 eingestuft wurden, und
3.
Finanzhandelsinstitute gemäß § 25f Absatz 1.

(3d) CRR-Kreditinstitute im Sinne dieses Gesetzes sind Kreditinstitute im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1; L 208 vom 2.8.2013, S. 68; L 321 vom 30.11.2013, S. 6; L 193 vom 21.7.2015, S. 166; L 20 vom 25.1.2017, S. 3; L 13 vom 17.1.2020, S. 58), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2020/873 (ABl. L 204 vom 26.6.2020, S. 4) geändert worden ist; ein Unternehmen, das CRR-Kreditinstitut ist, ist auch Kreditinstitut im Sinne dieses Gesetzes. Wertpapierinstitute sind Unternehmen im Sinne des § 2 Absatz 1 des Wertpapierinstitutsgesetzes. E-Geld-Institute sind Unternehmen im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes.

(3e) Wertpapier- oder Terminbörsen im Sinne dieses Gesetzes sind Wertpapier- oder Terminmärkte, die von den zuständigen staatlichen Stellen geregelt und überwacht werden, regelmäßig stattfinden und für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich sind, einschließlich

1.
ihrer Betreiber, wenn deren Haupttätigkeit im Betreiben von Wertpapier- oder Terminmärkten besteht, und
2.
ihrer Systeme zur Sicherung der Erfüllung der Geschäfte an diesen Märkten (Clearingstellen), die von den zuständigen staatlichen Stellen geregelt und überwacht werden.

(4) Herkunftsstaat ist der Staat, in dem die Hauptniederlassung eines Instituts zugelassen ist.

(5) Als Aufsichtsbehörde im Sinne dieses Gesetzes gilt

1.
die Europäische Zentralbank, soweit sie in Ausübung ihrer gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a bis i und Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63) übertragenen Aufgaben handelt und diese Aufgaben nicht gemäß Artikel 6 Absatz 6 dieser Verordnung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) wahrgenommen werden,
2.
die Bundesanstalt, soweit nicht die Europäische Zentralbank nach Nummer 1 als Aufsichtsbehörde im Sinne dieses Gesetzes gilt.

(5a) Der Europäische Wirtschaftsraum im Sinne dieses Gesetzes umfaßt die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Drittstaaten im Sinne dieses Gesetzes sind alle anderen Staaten.

(5b) (weggefallen)

(6) Ein Zentralverwahrer im Sinne dieses Gesetzes ist ein Unternehmen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 1).

(7) Schwesterunternehmen sind Unternehmen, die ein gemeinsames Mutterunternehmen haben.

(7a) (weggefallen)

(7b) (weggefallen)

(7c) (weggefallen)

(7d) (weggefallen)

(7e) (weggefallen)

(7f) (weggefallen)

(8) (weggefallen)

(9) Eine bedeutende Beteiligung im Sinne dieses Gesetzes ist eine qualifizierte Beteiligung gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 36 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung. Für die Berechnung des Anteils der Stimmrechte gelten § 33 Absatz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 5, § 34 Absatz 1 und 2, § 35 Absatz 1 bis 3 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 und § 36 des Wertpapierhandelsgesetzes entsprechend. Unberücksichtigt bleiben die Stimmrechte oder Kapitalanteile, die Institute oder Wertpapierinstitute im Rahmen des Emissionsgeschäfts nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 10 oder nach § 2 Absatz 2 Nummer 2 des Wertpapierinstitutsgesetzes halten, vorausgesetzt, diese Rechte werden nicht ausgeübt oder anderweitig benutzt, um in die Geschäftsführung des Emittenten einzugreifen, und sie werden innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Erwerbs veräußert.

(10) Auslagerungsunternehmen sind Unternehmen, auf die ein Institut oder ein übergeordnetes Unternehmen Aktivitäten und Prozesse zur Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen ausgelagert hat, sowie deren Subunternehmen bei Weiterverlagerungen von Aktivitäten und Prozessen, die für die Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen wesentlich sind.

(11) Finanzinstrumente im Sinne der Absätze 1 bis 3 und 17 sowie im Sinne des § 2 Absatz 1 und 6 sind

1.
Aktien und andere Anteile an in- oder ausländischen juristischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen, soweit sie Aktien vergleichbar sind, sowie Hinterlegungsscheine, die Aktien oder Aktien vergleichbare Anteile vertreten,
2.
Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes mit Ausnahme von Anteilen an einer Genossenschaft im Sinne des § 1 des Genossenschaftsgesetzes,
3.
Schuldtitel, insbesondere Genussscheine, Inhaberschuldverschreibungen, Orderschuldverschreibungen und diesen Schuldtiteln vergleichbare Rechte, die ihrer Art nach auf den Kapitalmärkten handelbar sind, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, sowie Hinterlegungsscheine, die diese Schuldtitel vertreten,
4.
sonstige Rechte, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Rechten nach den Nummern 1 und 3 berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von solchen Rechten, von Währungen, Zinssätzen oder anderen Erträgen, von Waren, Indices oder Messgrößen bestimmt wird,
5.
Anteile an Investmentvermögen im Sinne des § 1 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs,
6.
Geldmarktinstrumente,
7.
Devisen oder Rechnungseinheiten,
8.
Derivate,
9.
Berechtigungen nach § 3 Nummer 3 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, Emissionsreduktionseinheiten nach § 2 Nummer 20 des Projekt- Mechanismen-Gesetzes und zertifizierte Emissionsreduktionen nach § 2 Nummer 21 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, soweit diese jeweils im Emissionshandelsregister gehalten werden dürfen (Emissionszertifikate),
10.
Kryptowerte sowie
11.
für Schwarmfinanzierungszwecke nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe n der Verordnung (EU) 2020/1503 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Oktober 2020 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 und der Richtlinie (EU) 2019/1937 (ABl. L 347 vom 20.10.2020, S. 1), in der jeweils geltenden Fassung, zugelassene Instrumente (Schwarmfinanzierungsinstrumente).
Hinterlegungsscheine im Sinne dieses Gesetzes sind Wertpapiere, die auf dem Kapitalmarkt handelbar sind, ein Eigentumsrecht an Wertpapieren von Emittenten mit Sitz im Ausland verbriefen, zum Handel auf einem organisierten Markt zugelassen sind und unabhängig von den Wertpapieren des jeweiligen gebietsfremden Emittenten gehandelt werden können. Geldmarktinstrumente sind Instrumente im Sinne des Artikels 11 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten. Kryptowerte im Sinne dieses Gesetzes sind digitale Darstellungen eines Wertes, der von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen aufgrund einer Vereinbarung oder tatsächlichen Übung als Tausch- oder Zahlungsmittel akzeptiert wird oder Anlagezwecken dient und der auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann. Keine Kryptowerte im Sinne dieses Gesetzes sind
1.
E-Geld im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 3 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes oder
2.
ein monetärer Wert, der die Anforderungen des § 2 Absatz 1 Nummer 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes erfüllt oder nur für Zahlungsvorgänge nach § 2 Absatz 1 Nummer 11 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes eingesetzt wird.
Derivate sind
1.
als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswertes ableitet (Termingeschäfte) mit Bezug auf die folgenden Basiswerte:
a)
Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente,
b)
Devisen, soweit das Geschäft nicht die Voraussetzungen des Artikels 10 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 erfüllt, oder Rechnungseinheiten,
c)
Zinssätze oder andere Erträge,
d)
Indices der Basiswerte des Buchstaben a, b, c oder f andere Finanzindices oder Finanzmessgrößen,
e)
Derivate oder
f)
Emissionszertifikate;
2.
Termingeschäfte mit Bezug auf Waren, Frachtsätze, Klima- oder andere physikalische Variablen, Inflationsraten oder andere volkswirtschaftliche Variablen oder sonstige Vermögenswerte, Indices oder Messwerte als Basiswerte, sofern sie
a)
durch Barausgleich zu erfüllen sind oder einer Vertragspartei das Recht geben, einen Barausgleich zu verlangen, ohne dass dieses Recht durch Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis begründet ist,
b)
auf einem organisierten Markt oder in einem multilateralen oder organisierten Handelssystem geschlossen werden, soweit es sich nicht um über ein organisiertes Handelssystem gehandelte Energiegroßhandelsprodukte handelt, die effektiv geliefert werden müssen, oder
c)
die Merkmale anderer Derivatekontrakte im Sinne des Artikels 7 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 aufweisen und nichtkommerziellen Zwecken dienen,
und sofern sie keine Kassageschäfte im Sinne des Artikels 7 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 sind;
3.
finanzielle Differenzgeschäfte;
4.
als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und dem Transfer von Kreditrisiken dienen (Kreditderivate);
5.
Termingeschäfte mit Bezug auf die in Artikel 8 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 genannten Basiswerte, sofern sie die Bedingungen der Nummer 2 erfüllen.

(12) (weggefallen)

(13) (weggefallen)

(14) (weggefallen)

(15) (weggefallen)

(16) Ein System im Sinne von § 24b ist eine schriftliche Vereinbarung nach Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (ABl. L 166 vom 11.6.1998, S. 45), die durch die Richtlinie 2009/44/EG (ABl. L 146 vom 10.6.2009, S. 37) geändert worden ist, einschließlich der Vereinbarung zwischen einem Teilnehmer und einem indirekt teilnehmenden Kreditinstitut, die von der Deutschen Bundesbank oder der zuständigen Stelle eines anderen Mitgliedstaats oder Vertragsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde gemeldet wurde. Systeme aus Drittstaaten stehen den in Satz 1 genannten Systemen gleich, sofern sie im Wesentlichen den in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 98/26/EG angeführten Voraussetzungen entsprechen. System im Sinne des Satzes 1 ist auch ein System, dessen Betreiber eine Vereinbarung mit dem Betreiber eines anderen Systems oder den Betreibern anderer Systeme geschlossen hat, die eine Ausführung von Zahlungs- oder Übertragungsaufträgen zwischen den betroffenen Systemen zum Gegenstand hat (interoperables System); auch die anderen an der Vereinbarung beteiligten Systeme sind interoperable Systeme.

(16a) Systembetreiber im Sinne dieses Gesetzes ist derjenige, der für den Betrieb des Systems rechtlich verantwortlich ist.

(16b) Der Geschäftstag eines Systems umfasst Tag- und Nachtabrechnungen und beinhaltet alle Ereignisse innerhalb des üblichen Geschäftszyklus eines Systems.

(16c) Teilnehmer eines Systems im Sinne dieses Gesetzes sind die zur Teilnahme an diesem System berechtigten zentralen Gegenparteien, Systembetreiber, Clearingmitglieder einer zentralen Gegenpartei mit Zulassung gemäß Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 und Verrechnungsstellen, Clearingstellen und Institute im Sinne von Artikel 2 Buchstabe b, d oder e der Richtlinie 98/26/EG.

(17) Finanzsicherheiten im Sinne dieses Gesetzes sind Barguthaben, Geldbeträge, Wertpapiere, Geldmarktinstrumente sowie Kreditforderungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe o der Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten (ABl. L 168 vom 27.6.2002, S. 43), die durch die Richtlinie 2009/44/EG (ABl. L 146 vom 10.6.2009, S. 37) geändert worden ist, und Geldforderungen aus einer Vereinbarung, auf Grund derer ein Versicherungsunternehmen im Sinne des § 1 Absatz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes einen Kredit in Form eines Darlehens gewährt hat, jeweils einschließlich jeglicher damit in Zusammenhang stehender Rechte oder Ansprüche, die als Sicherheit in Form eines beschränkten dinglichen Sicherungsrechts oder im Wege der Überweisung oder Vollrechtsübertragung auf Grund einer Vereinbarung zwischen einem Sicherungsnehmer und einem Sicherungsgeber, die einer der in Artikel 1 Abs. 2 Buchstabe a bis e der Richtlinie 2002/47/EG, die durch die Richtlinie 2009/44/EG geändert worden ist, aufgeführten Kategorien angehören, bereitgestellt werden; bei von Versicherungsunternehmen gewährten Kreditforderungen gilt dies nur, wenn der Sicherungsgeber seinen Sitz im Inland hat. Gehört der Sicherungsgeber zu den in Artikel 1 Abs. 2 Buchstabe e der Richtlinie 2002/47/EG genannten Personen oder Gesellschaften, so liegt eine Finanzsicherheit nur vor, wenn die Sicherheit der Besicherung von Verbindlichkeiten aus Verträgen oder aus der Vermittlung von Verträgen über

a)
die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten,
b)
Pensions-, Darlehens- sowie vergleichbare Geschäfte auf Finanzinstrumente oder
c)
Darlehen zur Finanzierung des Erwerbs von Finanzinstrumenten
dient. Gehört der Sicherungsgeber zu den in Artikel 1 Abs. 2 Buchstabe e der Richtlinie 2002/47/EG genannten Personen oder Gesellschaften, so sind eigene Anteile des Sicherungsgebers oder Anteile an verbundenen Unternehmen im Sinne von § 290 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches keine Finanzsicherheiten; maßgebend ist der Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit. Sicherungsgeber aus Drittstaaten stehen den in Satz 1 genannten Sicherungsgebern gleich, sofern sie im Wesentlichen den in Artikel 1 Abs. 2 Buchstabe a bis e aufgeführten Körperschaften, Finanzinstituten und Einrichtungen entsprechen.

(18) Branchenvorschriften im Sinne dieses Gesetzes sind die Rechtsvorschriften der Europäischen Union im Bereich der Finanzaufsicht, insbesondere die Richtlinien 73/239/EWG, 98/78/EG, 2004/39/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG sowie Anhang V Teil A der Richtlinie 2002/83/EG, die darauf beruhenden inländischen Gesetze, insbesondere dieses Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Wertpapierhandelsgesetz, das Kapitalanlagegesetzbuch, das Pfandbriefgesetz, das Gesetz über Bausparkassen, das Geldwäschegesetz einschließlich der dazu ergangenen Rechtsverordnungen sowie der sonstigen im Bereich der Finanzaufsicht erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften.

(19) Finanzbranche im Sinne dieses Gesetzes sind folgende Branchen:

1.
die Banken- und Wertpapierdienstleistungsbranche; dieser gehören Kreditinstitute im Sinne des Absatzes 1, Finanzdienstleistungsinstitute im Sinne des Absatzes 1a, Wertpapierinstitute im Sinne des Absatzes 3d Satz 2, Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinne des § 17 des Kapitalanlagegesetzbuchs, extern verwaltete Investmentgesellschaften im Sinne des § 1 Absatz 13 des Kapitalanlagegesetzbuchs, Finanzunternehmen im Sinne des Absatzes 3, Anbieter von Nebendienstleistungen oder entsprechende Unternehmen mit Sitz im Ausland sowie E-Geld-Institute im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes sowie Zahlungsinstitute im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes an;
2.
die Versicherungsbranche; dieser gehören Erst- und Rückversicherungsunternehmen im Sinne des § 7 Nummer 33 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, Versicherungs-Holdinggesellschaften im Sinne des § 7 Nummer 31 des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder entsprechende Unternehmen mit Sitz im Ausland an; zu den Versicherungsunternehmen im Sinne des ersten Halbsatzes gehören weder die Sterbekassen noch die in § 1 Absatz 4 und § 3 des Versicherungsaufsichtsgesetzes genannten Unternehmen und Einrichtungen.

(20) Finanzkonglomerat ist eine Gruppe oder Untergruppe von Unternehmen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Finanzkonglomerate-Aufsichtsgesetzes.

(21) Risikoträger sind Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil eines Instituts auswirkt. Als Risikoträger gelten zudem die Geschäftsleiter nach Absatz 2 sowie die Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans im Sinne des § 25d.

(22) (weggefallen)

(23) (weggefallen)

(24) Refinanzierungsunternehmen sind Unternehmen, die Gegenstände oder Ansprüche auf deren Übertragung aus ihrem Geschäftsbetrieb an folgende Unternehmen zum Zwecke der eigenen Refinanzierung oder der Refinanzierung des Übertragungsberechtigten veräußern oder für diese treuhänderisch verwalten:

1.
Zweckgesellschaften,
2.
Refinanzierungsmittler,
3.
Kreditinstitute mit Sitz in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums,
4.
Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums,
5.
Pensionsfonds oder Pensionskassen im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) oder
6.
eine in § 2 Absatz 1 Nummer 1, 2 oder 3a genannte Einrichtung.
Unschädlich ist, wenn die Refinanzierungsunternehmen daneben wirtschaftliche Risiken weitergeben, ohne dass damit ein Rechtsübergang einhergeht.

(25) Refinanzierungsmittler sind Kreditinstitute, die von Refinanzierungsunternehmen oder anderen Refinanzierungsmittlern Gegenstände aus dem Geschäftsbetrieb eines Refinanzierungsunternehmens oder Ansprüche auf deren Übertragung erwerben, um diese an Zweckgesellschaften oder Refinanzierungsmittler zu veräußern; unschädlich ist, wenn sie daneben wirtschaftliche Risiken weitergeben, ohne dass damit ein Rechtsübergang einhergeht.

(26) Zweckgesellschaften sind Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darin besteht, durch Emission von Finanzinstrumenten oder auf sonstige Weise Gelder aufzunehmen oder andere vermögenswerte Vorteile zu erlangen, um von Refinanzierungsunternehmen oder Refinanzierungsmittlern Gegenstände aus dem Geschäftsbetrieb eines Refinanzierungsunternehmens oder Ansprüche auf deren Übertragung zu erwerben; unschädlich ist, wenn sie daneben wirtschaftliche Risiken übernehmen, ohne dass damit ein Rechtsübergang einhergeht.

(27) Interne Ansätze im Sinne dieses Gesetzes sind die Ansätze nach Artikel 143 Absatz 1, Artikel 221, 225 und 265 Absatz 2, Artikel 283, 312 Absatz 2 und Artikel 363 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung.

(28) Hartes Kernkapital im Sinne dieses Gesetzes ist das harte Kernkapital gemäß Artikel 26 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung.

(29) Wohnungsunternehmen mit Spareinrichtung im Sinne dieses Gesetzes sind Unternehmen in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft,

1.
die keine CRR-Institute oder Finanzdienstleistungsinstitute sind und keine Beteiligung an einem Institut oder Finanzunternehmen besitzen,
2.
deren Unternehmensgegenstand überwiegend darin besteht, den eigenen Wohnungsbestand zu bewirtschaften,
3.
die daneben als Bankgeschäft ausschließlich das Einlagengeschäft im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 betreiben, jedoch beschränkt auf
a)
die Entgegennahme von Spareinlagen,
b)
die Ausgabe von Namensschuldverschreibungen und
c)
die Begründung von Bankguthaben mit Zinsansammlung zu Zwecken des § 1 Absatz 1 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1310, 1322) in der jeweils geltenden Fassung, und
4.
die kein Handelsbuch führen, es sei denn,
a)
der Anteil des Handelsbuchs überschreitet in der Regel nicht 5 Prozent der Gesamtsumme der bilanz- und außerbilanzmäßigen Geschäfte,
b)
die Gesamtsumme der einzelnen Positionen des Handelsbuchs überschreitet in der Regel nicht den Gegenwert von 15 Millionen Euro und
c)
der Anteil des Handelsbuchs überschreitet zu keiner Zeit 6 Prozent der Gesamtsumme der bilanz- und außerbilanzmäßigen Geschäfte und die Gesamtsumme aller Positionen des Handelsbuchs überschreitet zu keiner Zeit den Gegenwert von 20 Millionen Euro.
Spareinlagen im Sinne des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe a sind
1.
unbefristete Gelder, die
a)
durch Ausfertigung einer Urkunde, insbesondere eines Sparbuchs, als Spareinlagen gekennzeichnet sind,
b)
nicht für den Zahlungsverkehr bestimmt sind,
c)
nicht von Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, wirtschaftlichen Vereinen, Personenhandelsgesellschaften oder von Unternehmen mit Sitz im Ausland mit vergleichbarer Rechtsform angenommen werden, es sei denn, diese Unternehmen dienen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken oder bei den von diesen Unternehmen angenommenen Geldern handelt es sich um Sicherheiten gemäß § 551 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, und
d)
eine Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten aufweisen;
2.
Einlagen, deren Sparbedingungen dem Kunden das Recht einräumen, über seine Einlagen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten bis zu einem bestimmten Betrag, der je Sparkonto und Kalendermonat 2 000 Euro nicht überschreiten darf, ohne Kündigung zu verfügen;
3.
Geldbeträge, die auf Grund von Vermögensbildungsgesetzen geleistet werden.

(30) (weggefallen)

(31) Eine zentrale Gegenpartei ist ein Unternehmen im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung.

(32) Terrorismusfinanzierung im Sinne dieses Gesetzes ist Terrorismusfinanzierung nach § 1 Absatz 2 des Geldwäschegesetzes.

(33) Systemisches Risiko ist das Risiko einer Störung im Finanzsystem, die schwerwiegende negative Auswirkungen für das Finanzsystem und die Realwirtschaft haben kann.

(34) Modellrisiko ist der mögliche Verlust, den ein Institut als Folge von im Wesentlichen auf der Grundlage von Ergebnissen interner Modelle getroffenen Entscheidungen erleiden kann, die in der Entwicklung, Umsetzung oder Anwendung fehlerhaft sind.

(35) Im Übrigen gelten für die Zwecke dieses Gesetzes die Definitionen aus Artikel 4 Absatz 1 Nummer 5, 6, 8, 13 bis 18, 20 bis 22, 26, 29 bis 33, 35, 37, 38, 43, 44, 48, 49, 51, 54, 57, 61 bis 63, 66, 67, 73, 74, 82, 86 und 94 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Beitragspflichtig sind die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Die nach § 2 versicherten Unternehmer sowie die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 6 Abs. 1 Versicherten sind selbst beitragspflichtig. Für Versicherte nach § 6 Absatz 1 Satz 2 ist die jeweilige Organisation oder der jeweilige Verband beitragspflichtig. Entsprechendes gilt in den Fällen des § 6 Absatz 1 Satz 3.

(2) Neben den Unternehmern sind beitragspflichtig

1.
die Auftraggeber, soweit sie Zwischenmeistern und Hausgewerbetreibenden zur Zahlung von Entgelt verpflichtet sind,
2.
die Reeder, soweit beim Betrieb von Seeschiffen andere Unternehmer sind oder auf Seeschiffen durch andere ein Unternehmen betrieben wird.
Die in Satz 1 Nr. 1 und 2 Genannten sowie die in § 130 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 genannten Bevollmächtigten haften mit den Unternehmern als Gesamtschuldner.

(3) Für die Beitragshaftung bei der Arbeitnehmerüberlassung gilt § 28e Abs. 2 und 4 des Vierten Buches, für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages im Baugewerbe gilt § 28e Absatz 3a bis 3f des Vierten Buches und für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages durch Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, die im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig sind und im Auftrag eines anderen Unternehmers adressierte Pakete befördern, gilt § 28e Absatz 3g des Vierten Buches entsprechend. Der Nachunternehmer oder der von diesem beauftragte Verleiher hat für den Nachweis nach § 28e Absatz 3f des Vierten Buches eine qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Unfallversicherungsträgers vorzulegen; diese enthält insbesondere Angaben über die bei dem Unfallversicherungsträger eingetragenen Unternehmensteile und diesen zugehörigen Lohnsummen des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers sowie die ordnungsgemäße Zahlung der Beiträge.

(4) Bei einem Wechsel der Person des Unternehmers sind der bisherige Unternehmer und sein Nachfolger bis zum Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Wechsel angezeigt wurde, zur Zahlung der Beiträge und damit zusammenhängender Leistungen als Gesamtschuldner verpflichtet.

(1) Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind, soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nicht etwas anderes ergibt, der Finanzbedarf (Umlagesoll), die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen.

(2) Das Arbeitsentgelt der Versicherten wird bis zur Höhe des Höchstjahresarbeitsverdienstes zugrunde gelegt.

(3) Die Satzung kann bestimmen, daß der Beitragsberechnung mindestens das Arbeitsentgelt in Höhe des Mindestjahresarbeitsverdienstes für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zugrunde gelegt wird. Waren die Versicherten nicht während des ganzen Kalenderjahres oder nicht ganztägig beschäftigt, wird ein entsprechender Teil dieses Betrages zugrunde gelegt.

(4) Soweit Rentenlasten nach § 178 Abs. 2 und 3 gemeinsam getragen werden, bleiben bei der Beitragsberechnung Unternehmen nach § 180 Abs. 2 außer Betracht. Soweit Rentenlasten nach § 178 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 gemeinsam getragen werden, werden sie auf die Unternehmen ausschließlich nach den Arbeitsentgelten der Versicherten in den Unternehmen unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 180 Abs. 1 umgelegt.

(1) Der Unfallversicherungsträger veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen. Satz 1 gilt nicht für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten.

(2) Für die Auskunftspflicht der Unternehmer gilt § 98 des Zehnten Buches entsprechend mit der Maßgabe, dass sich die Auskunfts- und Vorlagepflicht der Unternehmer auch auf Angaben und Unterlagen über die betrieblichen Verhältnisse erstreckt, die für die Veranlagung der Unternehmen zu den Gefahrklassen erforderlich sind. Soweit die Unternehmer ihrer Auskunftspflicht nicht nachkommen, nimmt der Unfallversicherungsträger die Veranlagung nach eigener Einschätzung der betrieblichen Verhältnisse vor.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Die Vertreterversammlung beschließt die Satzung und sonstiges autonomes Recht des Versicherungsträgers sowie in den übrigen durch Gesetz oder sonstiges für den Versicherungsträger maßgebendes Recht vorgesehenen Fällen. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund wird der Beschluss über die Satzung von der Bundesvertreterversammlung nach § 31 Absatz 3b gefasst; der Beschluss wird gemäß § 64 Absatz 4 gefasst, soweit die Satzung Regelungen zu Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung oder zu gemeinsamen Angelegenheiten der Träger der Rentenversicherung trifft. Im Übrigen entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen der durch Wahl der Versicherten und Arbeitgeber der Deutschen Rentenversicherung Bund bestimmten Mitglieder.

(2) Die Vertreterversammlung vertritt den Versicherungsträger gegenüber dem Vorstand und dessen Mitgliedern. Sie kann in der Satzung oder im Einzelfall bestimmen, dass das Vertretungsrecht gemeinsam durch die Vorsitzenden der Vertreterversammlung ausgeübt wird.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für den Verwaltungsrat nach § 31 Absatz 3a. Soweit das Sozialgesetzbuch Bestimmungen über die Vertreterversammlung oder deren Vorsitzenden trifft, gelten diese für den Verwaltungsrat oder dessen Vorsitzenden. Dem Verwaltungsrat oder dessen Vorsitzenden obliegen auch die Aufgaben des Vorstandes oder dessen Vorsitzenden nach § 37 Absatz 2, § 38 und nach dem Zweiten Titel.

(4) Soweit das Sozialgesetzbuch Bestimmungen über die Vertreterversammlung oder deren Vorsitzenden trifft, gelten diese für die Bundesvertreterversammlung oder deren Vorsitzenden entsprechend. Für den Beschluss über die Satzung gilt Absatz 1 Satz 2 und 3.

(1) Jeder Versicherungsträger gibt sich eine Satzung. Sie bedarf der Genehmigung der nach den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige zuständigen Behörde.

(2) Die Satzung und sonstiges autonomes Recht sind öffentlich bekannt zu machen. Sie treten, wenn kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft. Die Art der Bekanntmachung wird durch die Satzung geregelt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Der Gefahrtarif und jede Änderung bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

(2) Der Unfallversicherungsträger hat spätestens drei Monate vor Ablauf der Geltungsdauer des Gefahrtarifs der Aufsichtsbehörde beabsichtigte Änderungen mitzuteilen. Wird der Gefahrtarif in einer von der Aufsichtsbehörde gesetzten Frist nicht aufgestellt oder wird er nicht genehmigt, stellt ihn die Aufsichtsbehörde auf. § 89 des Vierten Buches gilt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Der Gefahrtarif und jede Änderung bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

(2) Der Unfallversicherungsträger hat spätestens drei Monate vor Ablauf der Geltungsdauer des Gefahrtarifs der Aufsichtsbehörde beabsichtigte Änderungen mitzuteilen. Wird der Gefahrtarif in einer von der Aufsichtsbehörde gesetzten Frist nicht aufgestellt oder wird er nicht genehmigt, stellt ihn die Aufsichtsbehörde auf. § 89 des Vierten Buches gilt.

(1) Die Vertreterversammlung beschließt die Satzung und sonstiges autonomes Recht des Versicherungsträgers sowie in den übrigen durch Gesetz oder sonstiges für den Versicherungsträger maßgebendes Recht vorgesehenen Fällen. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund wird der Beschluss über die Satzung von der Bundesvertreterversammlung nach § 31 Absatz 3b gefasst; der Beschluss wird gemäß § 64 Absatz 4 gefasst, soweit die Satzung Regelungen zu Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung oder zu gemeinsamen Angelegenheiten der Träger der Rentenversicherung trifft. Im Übrigen entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen der durch Wahl der Versicherten und Arbeitgeber der Deutschen Rentenversicherung Bund bestimmten Mitglieder.

(2) Die Vertreterversammlung vertritt den Versicherungsträger gegenüber dem Vorstand und dessen Mitgliedern. Sie kann in der Satzung oder im Einzelfall bestimmen, dass das Vertretungsrecht gemeinsam durch die Vorsitzenden der Vertreterversammlung ausgeübt wird.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für den Verwaltungsrat nach § 31 Absatz 3a. Soweit das Sozialgesetzbuch Bestimmungen über die Vertreterversammlung oder deren Vorsitzenden trifft, gelten diese für den Verwaltungsrat oder dessen Vorsitzenden. Dem Verwaltungsrat oder dessen Vorsitzenden obliegen auch die Aufgaben des Vorstandes oder dessen Vorsitzenden nach § 37 Absatz 2, § 38 und nach dem Zweiten Titel.

(4) Soweit das Sozialgesetzbuch Bestimmungen über die Vertreterversammlung oder deren Vorsitzenden trifft, gelten diese für die Bundesvertreterversammlung oder deren Vorsitzenden entsprechend. Für den Beschluss über die Satzung gilt Absatz 1 Satz 2 und 3.

(1) Jeder Versicherungsträger gibt sich eine Satzung. Sie bedarf der Genehmigung der nach den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige zuständigen Behörde.

(2) Die Satzung und sonstiges autonomes Recht sind öffentlich bekannt zu machen. Sie treten, wenn kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft. Die Art der Bekanntmachung wird durch die Satzung geregelt.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der Unfallversicherungsträger teilt den Beitragspflichtigen den von ihnen zu zahlenden Beitrag schriftlich mit. Einer Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches bedarf es nur in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1.

(2) Der Beitragsbescheid ist mit Wirkung für die Vergangenheit zuungunsten der Beitragspflichtigen nur dann aufzuheben, wenn

1.
die Veranlagung des Unternehmens zu den Gefahrklassen nachträglich geändert wird,
2.
die Meldung nach § 165 Absatz 1 unrichtige Angaben enthält oder sich die Schätzung als unrichtig erweist.
3.
(weggefallen)
Wird der Beitragsbescheid aufgrund der Feststellungen einer Prüfung nach § 166 Abs. 2 aufgehoben, bedarf es nicht einer Anhörung durch den Unfallversicherungsträger nach § 24 des Zehnten Buches, soweit die für die Aufhebung erheblichen Tatsachen in der Prüfung festgestellt worden sind und der Arbeitgeber Gelegenheit hatte, gegenüber dem Rentenversicherungsträger hierzu Stellung zu nehmen.

(2a) Enthält eine Meldung nach § 99 des Vierten Buches unrichtige Angaben, unterbleibt eine Aufhebung des Beitragsbescheides nach § 44 des Zehnten Buches zugunsten des Unternehmers, solange die fehlerhaften Meldungen nicht durch den Unternehmer korrigiert worden sind.

(3) Die Satzung kann bestimmen, daß die Unternehmer ihren Beitrag selbst zu errechnen haben; sie regelt das Verfahren sowie die Fälligkeit des Beitrages.

(4) Für Unternehmen nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten wird der Beitrag festgestellt, sobald der Anspruch entstanden und der Höhe nach bekannt ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers werden das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. Dezember 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 345,33 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten über die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten und deren Festsetzung der Beitragsumlage für das Jahr 2009 (Aufnahmebescheid vom 22.10.2009; Beitragsbescheid vom 5.2.2010 und Änderungsbescheid vom 12.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.9.2010). Das SG Itzehoe hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.6.2012). Das Schleswig-Holsteinische LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger sei von 2009 bis Ende November 2011 landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen, weil er infolge einer Heugewinnung eine bodenbewirtschaftende Tätigkeit verrichtet habe. Der mit dem Landwirt S. abgeschlossene Pachtvertrag datiere erst vom 1.12.2011. Daher habe es dessen Vernehmung als Zeuge nicht bedurft (Urteil vom 3.12.2014).

2

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Das LSG sei seinem Antrag, Beweis über die konkreten Besitzverhältnisse der streitigen Fläche durch Vernehmung des Landwirts S. zu erheben, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt. Dieser hätte eine mündliche Verpachtung für die Zeit vor dem 1.12.2011 bestätigt.

3

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des LSG ist unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG ergangen.

4

Die Beschwerdebegründung genügt den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Sie bezeichnet die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensmangel einer Verletzung der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen ergibt (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Der Kläger hat hinreichend deutlich gemacht, warum sich das LSG zu der von ihm beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Die Beschwerdebegründung enthält auch Ausführungen dazu, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruhen kann.

5

Das Berufungsgericht hat die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 103 SGG) dadurch verletzt, dass es eine Vernehmung des als Zeugen benannten Landwirts S. unterlassen hat. Indem das LSG von einer solchen Beweiserhebung abgesehen hat, weil der schriftliche Pachtvertrag vom 1.12.2011 datiere und sich der Kläger erst im Laufe des Verfahrens auf den benannten Zeugen festgelegt habe, hat es ohne hinreichende Begründung einen berücksichtigungsfähigen Beweisantrag übergangen (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

6

Der Kläger hat bis zuletzt einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt worden ist, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden soll (vgl BSG vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6). Er hat am 3.12.2014 in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Beweis angetreten durch Vernehmung des Landwirts S. als Zeuge "über die konkreten Besitzverhältnisse der streitigen Flächen". Dieser Beweisantrag war auf ein zulässiges und geeignetes Beweismittel gerichtet. Das bezeichnete Beweisthema erfasst die Nutzung des betroffenen Grünlandes und darüber getroffene Vereinbarungen für den hier streitigen Zeitraum als die Tatsachen, zu denen der Landwirt hätte aussagen sollen.

7

Dem Beweisantrag ist das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt. "Ohne hinreichende Begründung" ist nicht formell, sondern materiell im Sinne von "ohne hinreichenden Grund" zu verstehen (BSG vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - SozR 1500 § 160 Nr 5). Entscheidend ist, ob sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben (BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9),weil nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offen geblieben sind, damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich sind (BSG vom 19.6.2008 - B 2 U 76/08 B - mwN). Einen Beweisantrag darf es nur ablehnen, wenn es auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen ist oder die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (BSG vom 6.2.2007 - B 8 KN 16/05 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10).

8

Ein solcher Ablehnungsgrund liegt hier nicht vor. Daher hätte das LSG von einer Vernehmung des als Zeuge benannten Landwirts nicht absehen dürfen. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der schriftliche Pachtvertrag vom 1.12.2011 datiere und sich der Kläger erst im Laufe des Verfahrens auf den benannten Zeugen festgelegt habe. Allein infolgedessen ist aber eine Nutzungsüberlassung für die Zeit vor Abschluss des schriftlichen Pachtvertrags nicht auszuschließen. Weshalb es sich nach der Überzeugung des LSG zunächst um Werkverträge gehandelt haben soll, wird aus der angegriffenen Entscheidung nicht deutlich. Aus der rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts entfällt mit der Verpachtung des Grundstücks die Grundlage für die Mitgliedschaft des Klägers und dessen Beitragspflicht. Ob eine Verpachtung schon vor dem 1.12.2011 ohne schriftliche Vereinbarung bestanden hat, wäre demnach vom LSG aufzuklären gewesen.

9

Das angefochtene Urteil kann auf dem Verfahrensfehler beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass es ohne den Verfahrensfehler zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre.

10

Liegen - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vor, kann das BSG auf die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen(§ 160a Abs 5 SGG). Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

11

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

12

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 39 Abs 1 GKG.

13

In Rechtsmittelverfahren richtet sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs 1 Satz 1 GKG). In Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert (§ 47 Abs 3 GKG). Dabei ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes geregelt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs 1 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs 3 Satz 1 GKG). Nur wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist ein Streitwert von 5000 Euro (Auffangstreitwert) anzunehmen (§ 52 Abs 2 GKG, vgl hierzu Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283). Danach war ein Streitwert in Höhe von 345,33 Euro festzusetzen.

14

Entgegen der Auffassung des LSG ist die Mitgliedschaft des Klägers und die streitgegenständliche Beitragsforderung nicht einheitlich zu bewerten. Sind Beitragsbescheide eigenständig angegriffen, bestimmt deren Höhe den Streitwert (BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2 RdNr 32). Soweit mit der Klage die Aufhebung der Bescheide über die Festsetzung der Umlage für 2009 über 78,98 Euro geltend gemacht worden ist, bestimmt daher dieser Betrag den Streitwert (§ 52 Abs 3 Satz 1 GKG).

15

Der Streitwert in Höhe der angegriffenen Beitragsforderung ist nicht gemäß § 52 Abs 3 Satz 2 GKG anzupassen. Danach ist, wenn der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte hat, die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit solche Auswirkungen ein auf Aufhebung eines die Beitragsumlage regelnden Verwaltungsaktes gerichteter Antrag grundsätzlich entfaltet. Ein solcher Antrag wirkt sich jedenfalls dann nur auf den in ihm geregelten Zeitraum aus, wenn - wie hier - zugleich der Verwaltungsakt über die Aufnahme als Unternehmer (mit)angegriffen ist. Der Antrag auf Aufhebung der durch den Unfallversicherungsträger festgestellten Mitgliedschaft ist dann nach Maßgabe des § 52 GKG eigenständig(vgl § 39 Abs 1 GKG)zu bewerten.

16

Für die Anfechtung des Aufnahmebescheids vom 22.10.2009 ist vorliegend ein Streitwert von 266,35 Euro anzusetzen. In Zuständigkeitsstreitigkeiten, in denen es um die Mitgliedschaft bei einem bestimmten Unfallversicherungsträger geht, fehlt es zwar grundsätzlich für die Festsetzung des Streitwerts an hinreichenden Anhaltspunkten. Dem trägt § 52 Abs 2 GKG Rechnung, der für solche Fälle einen Auffangstreitwert von 5000 Euro vorsieht(vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 32). Diese Regel greift aber nicht, wenn - wie hier - die Mitgliedschaft im Zeitpunkt der das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde einleitenden Antragstellung (vgl § 40 GKG) unstreitig beendet worden und damit eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Beitragsjahre ausgeschlossen ist (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67). In einem solchen Fall orientiert sich die Bedeutung der Sache iS des § 52 Abs 1 GKG ausschließlich an der mit der Mitgliedschaft verbundenen und bezifferbaren Beitragslast, hier in Höhe von 78,98 Euro für 2009, von 90,23 Euro für 2010 und von 97,14 Euro für 2011. Wegen der Beendigung der Mitgliedschaft vor Eintritt des für die Streitwertfestsetzung maßgebenden Zeitpunkts ist auch in Bezug auf den Aufnahmebescheid kein Raum für eine Erhöhung des Streitwerts nach § 52 Abs 3 Satz 2 GKG.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.

(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Gründe

I.Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

II.Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5000 EUR festgesetzt.

G r ü n d e :

Gehören in einem Rechtszug – wie hier – weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personen, werden gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, und die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind entsprechend anzuwenden.

1.Wird das Verfahren in anderer Weise als durch Urteil beendet, so hat gemäß § 161 Abs. 1 VwGO das Gericht durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden.

Da die Klägerin die Berufung zurückgenommen hat, waren ihr die Kosten gemäß § 155 Abs. 2 VwGO aufzuerlegen.

2.Den Streitwert setzt gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG das Gericht für die zu erhebenden Gebühren fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 52 Abs. 1 GKG der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Streitgegenstand ist ein Veranlagungsbescheid, mit dem ab dem 01.01.2011 die Einstufung in Gefahrklassen auf unbestimmte Zeit festgelegt wurde. Dadurch erhöhte sich der von der Klägerin zu zahlende Beitrag von 1876 € im Jahr 2010 auf 2789 € im Jahr 2011, wobei sich allerdings auch gleichzeitig die Lohnsumme erhöht hatte. Die Beitragsdifferenz zwischen den Jahren 2011 von 2010 beträgt also 913 €, wobei diese Differenz nicht allein auf die streitgegenständliche Änderung des Gefahrtarifs, sondern auch auf die Erhöhung der Lohnsumme als maßgeblichen Berechnungsfaktor zurückging. Nicht in ihrer genauen Höhe bekannt sind die Auswirkungen auf die Beitragslast für die Jahre 2012 und 2013.

Für die erste Instanz hat das Sozialgericht den Streitwert auf 15.000 EUR festgesetzt und sich dabei auf die Entscheidung des BSG vom 03.05.2006 (Az. B 2 U 415/05 B) gestützt. Danach richtet sich der Streitwert bei einem Streit über die Veranlagung eines Unternehmens nach dem Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft nach der Höhe der mit der Klage erstrebten Beitragsersparnis. Anzusetzen sei das Zweifache des Differenzbetrags zwischen dem nach der bisherigen Veranlagung zu zahlenden und dem bei einem Erfolg der Klage zu erwartenden Jahresbeitrag, mindestens aber der dreifache Auffangstreitwert.

Dagegen hat das BSG später durch Beschluss vom 05.03.2008 (Az. B 2 U 353/07 B) entschieden, dass in Beitragsstreitigkeiten mindestens der gesetzliche Auffangstreitwert zu Grunde zu legen ist, weil die den Gegenstand des Prozesses bildenden Rechtsfragen in der Regel über den konkret streitigen Zeitraum hinaus auch für die Beitragsfestsetzung in späteren Jahren von Bedeutung sind.

Becker/ Spellbrink (NZS 2012, 283) haben die Unstimmigkeiten in der Rechtsprechung des BSG zum Streitwert in unfallversicherungsrechtlichen Beitragsstreitigkeiten ausführlich dargestellt und selbst die Auffassung entwickelt, dass zunächst der konkret für ein Jahr streitige Betrag zu ermitteln ist, dieser dann mit maximal dem Faktor 3 zu vervielfachen ist, wenn die wirtschaftliche Bedeutung für den Kläger wegen der Auswirkungen auf spätere Beitragsjahre höher ist, und dass der einfache Auffangstreitwert von 5000 € zu Grunde zu legen ist, wenn der konkrete Betrag nicht zu ermitteln ist. Der vom LSG Rheinland-Pfalz herausgegebene Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit 2012 hat sich dieser Auffassung angeschlossen.

Der Senat schließt sich der von Becker/ Spellbrink entwickelten und in den Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit 2012 übernommenen Auffassung an. Hierfür spricht, dass zum einen § 42 Abs. 1 GKG bei Streitigkeiten betreffend Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für den Streitwert den dreifachen Jahresbetrag für maßgebend erklärt, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Umgekehrt enthält § 52 Abs. 2 GKG keine Anhaltspunkte, die eine Verdreifachung des Auffangstreitwerts rechtfertigen würden, und auch § 42 Abs. 1 Satz 2 GKG verweist bei Verfahren betreffend Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen, bei denen die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar ist, auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Weiter ist zu berücksichtigen, dass eine Verdreifachung unverhältnismäßig wäre in Fällen, in denen – wie in dem vorliegenden – die Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Beiträge in drei Jahren erheblich geringer als der dreifache Auffangstreitwert sind. Demnach ist als Streitwert in Streitigkeiten über Veranlagungsbescheide in der gesetzlichen Unfallversicherung festzusetzen die tatsächliche bzw. zu erwartende streitige Beitragslast für die ersten drei Umlagejahre, sofern der Gefahrtarif keine kürzere Laufzeit hat. Ist dieser Wert nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand festzustellen, ist auf den Auffangstreitwert in Höhe von 5000 € nach § 52 Abs. 2 GKG zurückzugreifen.

Somit ist im vorliegenden Fall der einfache Auffangstreitwert von 5000 € nach § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen, da die in den ersten drei Umlagejahren aufgrund der angefochtenen Veranlagung streitige Beitragsdifferenz aufgrund der bisherigen Angaben der Parteien nicht exakt zu ermitteln ist. Hierfür spricht auch, dass der in den ersten drei Umlagejahren nach den vorhandenen Angaben in etwa streitige Betrag bei einer Größenordnung von 3 x 913 € = knapp 3000 € dem Auffangstreitwert relativ nahekommt.

Die Parteien haben sich nach Anhörung mit dieser Entscheidung für einverstanden erklärt. Insbesondere haben die Parteien von der ihnen angebotenen Möglichkeit, weitere Details zur exakten Berechnung der streitigen Beitragsdifferenz in den Jahren 2011 bis 2013 zu benennen, keinen Gebrauch gemacht.

Die Entscheidung trifft der Berichterstatter gemäß § 155 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nrn. 4 und 5 SGG.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.