Die Parteien streiten wegen Versorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Die Klägerin ist 1950 in E-Stadt (T., ehem. DDR) geboren, wo sie 1969 das Abitur absolvierte. Danach durchlief sie eine Ausbildung zur Zahntechnikerin. In den Unterlagen aus der DDR ist von dem Beruf des Industriekaufmanns, zuletzt zahntechnische Hilfskraft in der Poliklinik E-Stadt die Rede. Wie der Beklagte in seinem Vermerk vom 12.07.2008 festhielt, war die Klägerin eine gute Schülerin mit gutem Abitur (Gesamtnote 2,0)
Mit ihrem Freund und späterem Ehemann W.D. A. hielt sie sich im Juli 1970 in Rumänien auf, um von dort aus in die Türkei und später nach Westdeutschland zu flüchten. Mitorganisiert wurde die Flucht vom Schwiegervater der Klägerin, der in K-Stadt ein Malergeschäft betrieb. Mit Urteil eines Gerichts in C. wurde die Klägerin wegen versuchten illegalen Grenzübertritts zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die Klägerin verbüßte die Freiheitsstrafe in Rumänien vom 21.07.1970 bis 02.02.1971. Anschließend wurde sie an die DDR ausgeliefert. Am 25.03.1971 gebar die Klägerin einen Sohn. Der Haftbefehl (wegen des dringenden Tatverdachts des illegalen Verlassens des Gebiets der DDR) wurde am 03.02.1971 laut Beschluss des Kreisgerichts E-Stadt aufgehoben. Bis 16.01.1972 wurde die Haft ausgesetzt, die Klägerin erhielt jedoch Hausarrest unter ständiger Überwachung. Vom 17.01.1972 bis 21.06.1972 verbüßte die Klägerin Strafhaft in der JVA G-Stadt. Im Juni 1972 wurde die Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland entlassen. Mit Beschluss des Landgerichts G-Stadt vom 21.06.2000 wurden die entsprechenden Urteile des Kreisgerichts E-Stadt und des Bezirksgerichts G-Stadt für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben (Rehabilitierungsentscheidung). In dem Beschluss wurde festgestellt, dass die Klägerin rehabilitiert und vom 17.01.1972 bis 21.06.1972 zu Unrecht in Haft gewesen sei. Den Antrag auf Rehabilitierung bezüglich der rumänischen Verurteilung und der dortigen Haftzeit hatte die Klägerin zuvor zurückgenommen. Am 20.02.1973 wurde von der Regierung von Schwaben eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 des Häftlingshilfegesetzes ausgestellt.
Am 10.08.2007 begründete die Klägerin über ihren früheren Bevollmächtigten eine gegen den Beklagten in einem schwerbehindertenrechtlichen Verfahren (S 8 SB 284/07) zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobene Klage, die vom Beklagten als Antrag im gegenständlichen Versorgungsverfahren nach dem StrRehaG gewertet wurde. Im Verwaltungsverfahren wertete der Beklagte die zahlreichen vorgelegten Unterlagen aus. Unter anderem holte der Beklagte einen Befundbericht des BKH A-Stadt, Psychiater K., vom 13.05.2008 ein. In dem Bericht stellte der Facharzt fest, dass die Klägerin die Belastungen nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik „lange Zeit gut kompensieren“ habe können. Sie befinde sich seit 22.05.2007 in der ambulanten psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung und leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mit verzögertem Beginn in Verbindung mit rezidivierenden depressiven Einbrüchen. Weiter schilderte der Facharzt die ursprünglich traumatisierenden Erlebnisse wie die Inhaftierung etc. Im Gegensatz zu früher könne die Klägerin die Probleme nicht mehr so gut kompensieren, da sie mit der Sorge um ihre eigene Gesundheit und die Gesundheit ihres Ehemanns erheblich belastet und wiederholt überfordert sei. Im Auftrag des Beklagten erstellte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. am 25.07.2008 ein Gutachten. Bei Dr. C. machte die Klägerin zahlreiche wichtige Angaben zu ihrem Leben und den Fluchtereignissen etc. Unter anderem gab sie an, dass sie 1970 mit ihrem damaligen Verlobten die Flucht nach Westdeutschland geplant habe. Der Schwiegervater habe in A-Stadt ein Malergeschäft betrieben, welches ihr Verlobter übernehmen sollte. Unter anderem habe die Klägerin gesagt, so Dr. C., dass rückblickend „eigentlich“ die Haft in Rumänien „nicht so schlimm“ gewesen sei. Unter anderem habe man ihr in der DDR gedroht, wenn sie mit der Staatssicherheit nicht mitarbeite, könne auch eine Zwangsadoption des Kindes erfolgen. Belastend sei gewesen, dass sie sich täglich bei der Polizei habe melden müssen und dass die Staatssicherheit einen Schlüssel zur Wohnung besessen und sie ständig willkürlich kontrolliert habe. Diese Zeit habe sie schlimmer empfunden als die Haft in Rumänien. In die Bundesrepublik sei sie ohne ihr Kind gekommen und zunächst zwei Tage im Auffanglager in G-Stadt gewesen. Dann sei sie nach A-Stadt zu den Schwiegereltern gelangt, wo mittlerweile auch ihr Verlobter eingetroffen sei. Sie sei anschließend in A-Stadt von August bis November 1972 als Zahntechnikerin tätig gewesen; dann habe auch ihr Sohn ausreisen dürfen und sie habe sich dann ab November 1972 ihrem Sohn gewidmet. Ab 1975 sei sie dann wieder als Zahntechnikerin problemlos bis zu ihrem Wegeunfall 2006 vollschichtig tätig gewesen. Sie habe sich, so die Klägerin beim Gutachter Dr. C., der Arbeit voll gewachsen gefühlt, es habe keine Probleme gegeben und sie sei auch nicht längere Zeit krankgeschrieben gewesen. 2002 habe sie ihre Stasiakte angefordert und ihr entnommen, dass ihre damaligen guten Freundinnen und Freunde allesamt Stasispitzel gewesen seien, die sie mutmaßlich auch bei ihrem Fluchtversuch verraten hätten. Zudem schilderte die Klägerin Auseinandersetzungen mit der Berufsgenossenschaft (wegen des Wegeunfalls vom Februar 2006) und mit dem Arbeitsamt (Einstellung des Verletztengeldes durch die BG - laut Klägerin „wie Verhöre in der DDR“). Erst seit dieser Zeit, also seit 2006, seien immer wieder Ängste aufgetreten etc. Bei Dr. C. sagte die Klägerin auch aus, dass sie während ihrer mehr als dreißigjährigen beruflichen Tätigkeit keinerlei Behandlung benötigt habe, keine nervenärztliche Behandlung, keine Psychotherapie und keine Medikamente. Erst nach der Ellenbogenverletzung leide sie unter Alpträumen, sie träume oft davon, weglaufen zu müssen, und auch manchmal davon, dass man ihr den Sohn wegnehme. Sie habe sich auch erst im Mai 2007 in psychiatrische Behandlung begeben. In seiner Zusammenfassung hat der Sachverständige festgehalten, dass die Klägerin mehr als dreißig Jahre lang erfolgreich als Zahntechnikerin vollschichtig tätig sein hat können. Eine Latenz von 34 Jahren könne auch nicht durch Annahme einer spätmanifestierten oder „late-onset“-PTBS erklärt werden. Es sei, so Dr. C., „einfach nicht nachvollziehbar, dass 34 Jahre nach den belastenden Erlebnissen jetzt plötzlich entsprechende Symptome auftreten sollten“. Dazu komme, dass auch die weiteren Diagnosekriterien der PTBS nicht erfüllt seien. Von Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG sei somit nicht auszugehen.
Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18.09.2008 den Antrag auf Beschädigtenversorgung ab, da keine Gesundheitsstörungen vorlägen, die mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die besonderen Umstände während der Haft zurückgeführt und damit als Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG anerkannt werden könnten.
Hiergegen erhob die Klägerin über ihren Bevollmächtigten am 02.10.2008 Widerspruch. Zur Begründung wurde ein Attest des Facharztes K. des BKH A-Stadt vorgelegt. Darin ist festgehalten, dass die Klägerin auf Grund ihrer intakten Grundpersönlichkeit die Folgen der Haft und des Hausarrests zunächst relativ gut kompensieren habe können, so dass posttraumatische Symptome nur in abgeschwächter Form aufgetreten seien. Eine versorgungsärztliche gutachterliche Stellungnahme von Dr. S. (Facharzt für Psychiatrie) vom 04.12.2008 wies darauf hin, dass die Klägerin bei Dr. C. ausdrücklich eine besondere Belastung vom Haftaufenthalt verneint habe. Das Schreiben des BKH weise in seiner Einseitigkeit und quasi apodiktischen Festlegungen, so Dr. S., eben mit Wahrscheinlichkeit nicht das Vorliegen einer PTBS nach. Am ehesten sei von einer neurotischen Fehlhaltung mit starkem Entschädigungsbegehren aus frustranen Auseinandersetzungen mit der BG seit dem Unfall im Februar 2006 auszugehen.
Mit Teilabhilfebescheid vom 14.07.2009 half der Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als er ab 01.08.2007 als Schädigungsfolgen im Sinne der Entstehung nach § 21 StrRehaG Teilsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung anerkannte. Der daraus resultierende Grad der Schädigungsfolgen (GdS) betrage 20. Dabei seien die gesamte Haftzeit und der Hausarrest berücksichtigt worden. Da der Widerspruch im Übrigen aufrechterhalten blieb, erließ der Beklagte am 21.07.2009 einen Widerspruchsbescheid, in dem er den Widerspruch im Übrigen zurückwies. Zunächst sei anzumerken, dass an den Ausführungen im Bescheid vom 18.09.2008, die Haft in Rumänien könne nicht berücksichtigt werden, nicht mehr festgehalten werde. Die festgestellte depressiven Verstimmungen seien schadensunabhängig. Sie könnten bei der Bewertung des GdS nicht berücksichtigt werden. Ein GdS von 30 bestehe nicht.
Hiergegen erhob die Klägerin über ihren früheren Bevollmächtigten zum SG Augsburg Klage (S 5 VH 1/09) mit dem Ziel, den Beklagten zur Anerkennung eines GdS von mindestens 40 zu verurteilen. In dem Klageverfahren schlossen die Beteiligten einen Vergleich, in dem sich der Beklagte bereit erklärte, eine PTBS als Schädigungsfolge nach dem StrRehaG anzuerkennen und einen GdS in Höhe von 30 ab 01.08.2007 festzusetzen.
Mit Bescheid vom 10.11.2009 führte der Beklagte den Vergleich aus und erkannte die vereinbarte Schädigungsfolge und den GdS von 30 an. Ob eine besondere berufliche Betroffenheit oder die Voraussetzungen für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs (BSA) vorlägen, könne erst nach weiterer Sachaufklärung zu einem späteren Zeitpunkt, so der Beklagte im Bescheid, entschieden werden. Mit Bescheid vom 12.11.2009 wurden die Versorgungsbezüge festgestellt. Dabei nahm dieser Bescheid irrtümlich auf das HHG Bezug.
Mit Schreiben vom 28.10.2009, eingegangen beim Beklagten am 23.12.2009, beantragte die Klägerin die Gewährung eines BSA bzw. machte die für die oben genannten Feststellungen erforderlichen Angaben. Dabei gab sie an, dass sie kein Studium aufnehmen habe können, da sie unter den traumatischen Erlebnissen in der Haft gelitten habe und unter PTBS immer noch leide und noch heute behandlungsbedürftig sei. Im Folgenden wurden Unterlagen zum beruflichen Werdegang der Klägerin ausgewertet. Unter anderem findet sich der Zulassungsbescheid der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) vom 10.09.1973. Nach dem Ergebnis des Vergabeverfahrens werde der Klägerin im Studiengang Zahnmedizin an der Freien Universität B-Stadt ein Studienplatz zugeteilt (die Einschreibungsfrist sei vom 13.09. bis 01.10.1973). Im Gutachten für die Rentenversicherung von Dr. K. findet sich die Angabe der Klägerin, diese habe wegen der Ellenbogenverletzung und den Rhizarthrosen im Beruf der Zahntechnikerin in A-Stadt aufgehört zu arbeiten. Weiter hat Dr. K. jedoch darauf hingewiesen, dass es sich offensichtlich um eine verzögerte protrahierte Reaktion auf belastende Ereignisse handle, soweit eine Einschränkung der psychischen Leistungsfähigkeit auf Grund der bestehenden PTBS vorliege. Diese seien ja bereits 1970 geschehen, die Klägerin habe von 1975 bis 2005 jedoch gearbeitet. Der Beklagte übernahm unter anderem die Angaben der Klägerin gegenüber der Staatssicherheit der DDR. Dort hatte sie angegeben, dass ihr Schwiegervater offenbar Mitte der 1960er Jahre einen schweren Verkehrsunfall erlitten habe, bei dem er sich schwere Verletzungen zugezogen und seine beiden (anderen) Kinder verloren habe. Diese Unfallfolgen hätten ihm so zu schaffen gemacht, dass er beschlossen habe, das Malereigeschäft in A-Stadt an seinen Sohn zu übergeben. Daraufhin seien die Pläne zur Flucht (über Rumänien und die Türkei) entwickelt worden. Die Klägerin habe eigentlich die DDR nicht verlassen wollen; es habe ein intaktes Familienleben bestanden. Aus Zuneigung und Liebe zu ihrem Verlobten, der seinem schwer kranken Vater helfen und dessen Malergeschäft in A-Stadt übernehmen wollte, habe sie sich dennoch zur Flucht entschlossen. Weiter wertete der Beklagte auch die Aussage der Klägerin vor der Staatssicherheit aus, dass sie sich mit ihrem Schwiegervater über die Möglichkeiten einer Tätigkeit als Zahntechnikerin in A-Stadt unterhalten habe. In einem Aktenvermerk führte der Beklagte u.a. aus:
„Frau A. hat nach eigenen Angaben … die Risiken einer Flucht … auf sich genommen, um seinen schwer verunfallten Vater in dessen Tätigkeit als selbständiger Maler zu unterstützen bzw. dessen Betrieb in A-Stadt zu übernehmen. Zudem war der 1971 geborene Sohn B. damals erst zweieinhalb Jahre alt. Diese Faktoren haben bei der Entscheidung, nicht nach B-Stadt zu gehen, um dort ein Zahnmedizinstudium zu absolvieren, sicher auch eine Rolle gespielt. Frau A. hat sich auch bis 1975 der Betreuung und Erziehung des Sohnes gewidmet und erst dann wieder angefangen, als Zahntechnikerin zu arbeiten.“
Der Beklagte hat zudem darauf hingewiesen, dass auch die Gewährung der Erwerbsminderungsrente durch die DRV Bund nach dem Auftreten der PTBS keinen Anspruch auf BSA begründe. Er hat die Tatsache hervorgehoben, dass die Klägerin allein auf Grund der Folgen des Arbeitsunfalls den Beruf als Zahntechnikerin nicht mehr ausüben habe können und bereits schädigungsfremd aus dem Berufsleben ausgeschieden sei.
Mit Bescheid vom 26.07.2010 lehnte der Beklagte daraufhin den Antrag auf Höherbewertung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit und auf BSA ab. Zur Begründung führte er aus, dass kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der anerkannten Schädigungsfolge im Sinne des StrRehaG und dem Absehen vom Studium bestehe. Sowohl der Streit mit der BG als auch der verzögerte Heilungsverlauf der Ellenbogenverletzung sowie die zwischenzeitlich gescheiterte berufliche Wiedereingliederung seien Auslöser für das Auftreten der PTBS gewesen, die erstmals durch Bescheid vom 10.11.2009 als Schädigungsfolge im Sinne des StrRehaG anerkannt worden sei (GdS 30). Unterlagen über ärztliche Behandlungen wegen einer psychischen Erkrankung oder einer PTBS lägen dem Beklagten bis zum Jahr 2007 nicht vor. Nach ihren eigenen Angaben bei der versorgungsärztlichen Untersuchung sei die Klägerin psychisch stabil gewesen, habe keinerlei Medikamente gebraucht und ihren Beruf als Zahntechnikerin über einen Zeitraum von über 20 Jahren ohne Beeinträchtigungen ausüben können. Die Aufgabe des Berufs als Zahntechnikerin sei schädigungsfremd erfolgt. Die nun hinzugetretene PTBS habe keinen Einfluss auf die Aufgabe dieses Berufs gehabt.
Am 16.08.2010 erhob die Klägerin Widerspruch, der sich, so der Bevollmächtigte, dagegen richte, dass der Antrag auf Höherbewertung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit und auf BSA abgelehnt werde. In der Begründung des Widerspruchs hob der Bevollmächtigte hervor, dass der Berufswunsch Zahnmedizin bereits nach dem Abitur in der DDR existiert habe. Da aber die Eltern der Klägerin Betriebsinhaber eines halbstaatlichen Betriebs gewesen seien und die Klägerin somit kein Kind aus der „Arbeiterklasse“, habe sie in der DDR keinen Studienplatz erhalten. Außerdem sei ihre religiöse Einstellung ein weiteres Hindernis gewesen. Die Klägerin habe in der DDR eine Lehre als Zahntechnikerin begonnen, um später für das Studium vorbereitet zu sein. Nach der Haftentlassung habe die Klägerin in der Bundesrepublik ihr berufliches Ziel weiterverfolgt. Sie habe gehofft, durch das Studium ihre psychischen Probleme in den Griff zu bekommen. Zwar habe sie einen Studienplatz für Zahnmedizin in B-Stadt bekommen, jedoch feststellen müssen, dass sie den psychischen Anforderungen der Immatrikulation nicht gewachsen gewesen sei. Die Klägerin habe dann auch später noch einmal an der PH in P. versucht, sich zu bewerben und habe mit Erschrecken festgestellt, dass dies ebenfalls nicht möglich gewesen sei. „Die vielen Menschen, die immense Geräuschkulisse, die Gerüche der Menschen vor, hinter und neben ihr, die Enge beim Anstehen vor den Infotafeln verursachten bei ihr Übelkeit, Schwindel, Ekel und Kreislaufstörungen bis zum Erbrechen und kurzen Ohnmachtsanfällen.“ Die Klägerin habe in dieser Zeit aber noch keine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen wollen, da sie gedacht habe, durch das Verdrängen und den Zeitablauf würde sie psychisch wieder stabiler werden, was aber nicht eingetroffen sei. Die Klägerin habe immer wieder Angstzustände und Panikattacken bekommen, wenn sie auf viele Menschen getroffen sei. Auch heute noch würden die Klägerin derartige Situationen belasten. Im späteren Beruf der Klägerin als Zahntechnikerin sei es ihr immer wieder passiert, dass sie das Zahnlabor verlassen habe müssen, wenn sich zu viele Leute in dem relativ kleinen Raum aufgehalten hätten. Nachdem die einschlägigen Situationen immer mehr zugenommen und sich verschlimmert hätten, so dass es zu Depressionen gekommen sei, habe sich die Klägerin in psychologische Behandlung begeben. Verstärkt worden seien die psychischen Belastungen durch den Wegeunfall und die daraus folgenden Auseinandersetzungen mit der BG. Der Klägerin sei es nur auf Grund der Kulanz ihres früheren Chefs Dr. F. möglich gewesen, ihren Beruf so lange auszuüben. Weiter legte die Klägerseite eine erneute Bescheinigung des Facharztes K. des BKH A-Stadt vom 03.11.2010 vor. Darin kam er zu dem Schluss, dass die Kriterien a) bis d) der PTBS zumindest in subsyndromaler Ausprägung bereits in den Siebzigerjahren erfüllt gewesen seien und sich auf Alltagsleben und die Entwicklung der Lebensperspektiven ausgewirkt hätten. So habe die Klägerin auf Grund ihrer Symptomatik die Einschreibung zum Studium nicht bewerkstelligen können. Dies sei auch in Begleitung ihres Ehemanns nicht anders gewesen. Nach Abbruch des Immatrikulationsvorgangs habe sie jedes Mal Wut und deutliche Reizbarkeit verspürt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Klägerin auf Grund der Hafterlebnisse das Studium der Zahnmedizin in B-Stadt nicht aufnehmen habe können. Ärztliche Unterlagen aus dieser Zeit, die bereits damals bestehende haftbedingte psychische Beeinträchtigungen bestätigen würden, gebe es nicht. Nach den vorliegenden Unterlagen sei die Flucht aus der DDR erfolgt, damit die Klägerin bei ihrem Ehemann sein könne, der auf Grund des schweren Unfalls seines Vaters den Familienbetrieb in A-Stadt übernehmen sollte. Dieser Umstand und die Tatsache, dass der Sohn der Klägerin 1973 erst zweieinhalb Jahre alt gewesen sei, hätten nach dem Dafürhalten des Beklagten bei der Entscheidung, A-Stadt nicht für ein Studium in B-Stadt zu verlassen, eine wesentliche Rolle gespielt. Nach Aktenlage und auch nach ihren eigenen Angaben habe die Klägerin bis zu ihrem Wegeunfall (15.02.2006) problemlos ihren beruflichen und privaten Alltag bewältigen können, ohne dass irgendwann die Notwendigkeit einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung bestanden hätte. Die Klägerin habe sich erstmalig im Mai 2007 in eine solche Behandlung auf Grund der Streitigkeit mit der Berufsgenossenschaft (BG), die die haftbedingte PTBS aktiviert hätte, begeben.
Hiergegen hat die Klägerin am 15.12.2010 Klage zum SG Augsburg erhoben und sich entsprechend der Widerspruchsbegründung geäußert.
Zur medizinischen Sachverhaltsermittlung hat das SG Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt, nämlich vom Facharzt K. und Hausarzt Dr. B … Weiter hat es die Rentenunterlagen der DRV Bund ausgewertet. Weitere Ermittlungen des SG haben nicht stattgefunden. Mit gerichtlichem Schreiben vom 03.05.2011 sind die Beteiligten auf eine beabsichtigte Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid hingewiesen worden. Daraufhin haben sie ihr Einverständnis hiermit erklärt.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.06.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Anspruch auf eine Höherbewertung des GdS auf Grund einer besonderen beruflichen Betroffenheit und auf BSA bestünden nicht. Die Tätigkeit als Zahntechnikerin habe die Klägerin wegen schädigungsfremden Gesundheitsstörungen aufgegeben im Hinblick auf die aufgehobene Leistungsfähigkeit mit ständiger feinmotorischer Belastung der Hände und Krafteinsatz bei Arbeiten mit Zangen. Dies ergebe sich aus einem für die Deutsche Rentenversicherung erstellten Gutachten von Dr. J. (vom 05.04.2007). Weiter sei auch ein besonderes berufliches Betroffensein auszuschließen, da von der Klägerin nicht vorgetragen worden und auch nicht erkennbar sei, dass diese durch die Schädigung im Sinne des StrRehaG am weiteren Aufstieg im Beruf gehindert gewesen sei. Im Hinblick auf das Zahnmedizinstudium liege eine besondere berufliche Betroffenheit ebenfalls nicht vor. Denn für das SG sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass die Schädigungsfolgen dazu geführt hätten, dass die Klägerin diesen vermeintlich angestrebten Beruf nicht aufnehmen hätte können. Der Zulassungsbescheid der ZVS genüge dem SG nicht. Vielmehr gehe es wie der Beklagte davon aus, dass die Klägerin aus schädigungsfremden Motiven von einem entsprechenden Studium Abstand genommen und den erlernten Beruf als Zahntechnikerin ausgeübt habe. So habe die Klägerin im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom 03.02.1970 angegeben, dass sie die Tätigkeit als zahntechnische Hilfskraft mit der Erwachsenenqualifikation in der Poliklinik E-Stadt aufgenommen habe, um danach als Zahntechnikfachkraft arbeiten zu können. Während des Aufenthalts 1970 in Rumänien habe sie sich mit ihrem Schwiegervater über die Möglichkeiten einer Tätigkeit als Zahntechnikerin (in A-Stadt) unterhalten. Dieser habe sich dann auch über die Ausbildungsmöglichkeiten zur Zahntechnikerin erkundigt. Dies spreche aus Sicht des Gerichts dafür, dass die Klägerin beabsichtigt habe, als Zahntechnikerin beschäftigt zu werden. Mit Blick auf die klägerischen Angaben bei Dr. C. schließe es das SG aus, dass die Klägerin ernsthaft in Erwägung gezogen habe, ein Studium in B-Stadt aufzunehmen, während sich der Ehemann in A-Stadt befunden hätte; dies umso mehr, als die Klägerin ihr kleines Kind zu versorgen gehabt habe. Unabhängig davon sei für das SG entgegen den zahlreichen klägerfreundlichen Stellungnahmen und Attesten des BKH A-Stadt überhaupt nicht nachgewiesen, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt unter nennenswerten psychischen Störungen gelitten habe. Denn solche seien erst ab dem Jahr 2007 dokumentiert. Selbst die behandelnden Ärzte des BKH müssten, so das SG, einräumen, dass die Klägerin die traumatisierenden Erlebnisse lange Zeit gut kompensieren habe können und keine klinisch relevanten Beeinträchtigungen zu beklagen gehabt habe.
Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin über ihren Bevollmächtigten am 08.07.2011 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) erhoben, die sie im Wesentlichen wie den o.g. Widerspruch begründet hat. Unter anderem hat sie (erneut) darauf hingewiesen, dass sie die Lehre als Zehntechnikerin als Vorbereitung für das Studium absolviert habe. Im Einzelnen hat sie hervorgehoben, dass es „kein großes Problem“ gewesen wäre, wenn die Familie nach B-Stadt gezogen wäre und sie dort das Studium absolviert hätte. Weiter ist darauf hingewiesen worden, dass die Klägerin in dieser Zeit noch keine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen habe wollen. Die im Gerichtsbescheid zitierten Aussagen der Klägerin seien von der Staatssicherheit aufgenommen worden, ohne dass die Klägerin Kenntnis davon gehabt habe. Die Aussagen seien „unter psychischer Folter erzwungen“ worden, so dass sie nicht Grundlagen eines Urteils sein könnten. Im weiteren Verlauf hat die Klägerseite noch mitgeteilt, dass der Ehemann der Klägerin die Firma seines Vaters in A-Stadt nicht übernommen habe. Er habe sich jedoch selbständig als Kirchenmaler gemacht. Diese Tätigkeit hätte er, so der Bevollmächtigte, auch in B-Stadt ausführen können. Unverständlich sei auch, wenn darauf hingewiesen werde, dass eine Frau mit einem Kleinkind nicht studieren könne.
Der Beklagte hat hervorgehoben, dass die Ausführungen des Bevollmächtigten nicht davon überzeugen könnten, dass der Klägerin auf Grund ihrer Schädigungsfolgen das angestrebte Zahnmedizinstudium mit der geforderten Wahrscheinlichkeit verwehrt gewesen sei. Vielmehr seien für den Beklagten nach wie vor die familiäre Situation mit kleinem Kind und beruflich örtlich festgelegtem Ehemann die Hauptgründe, nicht nach B-Stadt umzuziehen. Die Argumentation vom schnellen Finden einer geeigneten Tagesmutter für das Kind und eines passenden Arbeitsplatzes für den Ehemann in B-Stadt erscheine aus Sicht des Beklagten sehr idealisierend. Der Beklagte gehe weiterhin davon aus, dass die Klägerin bei der Ausübung ihres Berufs der Zahntechnikerin nicht durch die anerkannten Schädigungsfolgen wesentlich beeinträchtigt gewesen sei. Sodann hat die Klägerin Schilderungen hinsichtlich ihrer Studiensituation vorgelegt. Unter anderem geht daraus hervor, dass sie mit ihrem Mann vereinbart habe, die ersten zwei Semester in B-Stadt zu studieren wegen der Kinderbetreuung, und dass die Familie so genug Zeit gehabt hätte, auch in D-Stadt oder A-Stadt die Betreuung des Sohnes zu organisieren. Bei der Immatrikulation in B-Stadt habe sie entsetzt festgestellt, dass sie durch die Menschenmengen an der Uni „so getriggert“ worden sei, dass sie massive gesundheitliche Probleme bekommen habe. Sie, die Klägerin, könne nur immer wieder betonen, dass es ihr sehnlichster Wunsch gewesen sei, Zahnärztin zu werden. Da dies in der DDR nicht möglich gewesen sei, habe sie gehofft, durch die Flucht aus der DDR ihren Traum erfüllen zu können, deshalb habe sie sich auch als zahntechnische Hilfskraft anstellen lassen.
Am 21.03.2014 hat ein Beweisaufnahme- und Erörterungstermin des Senats stattgefunden. Hier hat die Klägerin auf Nachfrage des Gerichts folgende Angaben gemacht: „Nach meiner Ausreise aus der DDR und dem Aufenthalt in G-Stadt bin ich dann zu meinem Mann, der vor mir freigelassen worden ist, nach A-Stadt gekommen. Mein Mann hatte dort lediglich aushilfsweise im Malergeschäft seines Vaters gearbeitet (nicht in der H-Str.). Er hat dann dort nach meiner Ankunft weiterhin nur aushilfsweise gearbeitet. Ich selbst habe zunächst nicht gearbeitet, sondern habe mich erst zurechtfinden müssen. Ich hatte dann auch eine Stelle als Zahntechnikerin in A-Stadt, wollte aber schließlich studieren, was ja mein eigentliches Berufsziel gewesen ist.“
Auf Nachfrage des Berichterstatters hat die Klägerin erklärt, dass gegen den Studienort B-Stadt auch nicht die unmittelbare Nähe der DDR und die Möglichkeit des völlig unkontrollierten Zugangs von DDR-Behörden nach B-Stadt gesprochen habe. Weiter hat sie angegeben:
„Ich war auch in B-Stadt, konnte mich jedoch dann dort nicht einschreiben. Später habe ich nochmals versucht, mich in D-Stadt einzuschreiben.“
Auf Nachfrage hat sie zudem berichtet, dass ihr Schwiegervater verstorben sei und die Stiefbrüder ihres Mannes von den damaligen Vorgängen keine Kenntnis hätten. Auch gebe es keine Freunde von damals, die Kenntnis hätten, da die Klägerin und ihr Mann damals ja neu nach A-Stadt gekommen seien.
Schließlich ist - auch mit Einverständnis der Beteiligten - eine Beweisaufnahme durch Einvernahme des Ehemanns der Klägerin W.D. A. erfolgt. Der Zeuge hat Folgendes ausgesagt: "Während der Zeit in der DDR bestanden unsere Pläne bezüglich eines Lebens in der Bundesrepublik vor allem darin, dass meine Frau dort Zahnmedizin studieren wollte, was ihr in der DDR verwehrt worden ist. Ich selbst wollte als gelernter Kirchenmaler in diesem Beruf tätig sein. Meine Frau wollte die ersten Semester an der FU B-Stadt studieren, da es dort als einziger Universität im Westen eine Kinderbetreuung gab, soweit wir dies erfahren haben. Ich habe mir in B-Stadt eine Arbeitsstelle gesucht und hatte bereits mehrere Angebote, Nachweise hierüber liegen mir selbstverständlich nicht mehr vor. Wir hätten auch eine Wohnung bekommen, Mietvertrag hatten wir noch keinen abgeschlossen. Ich habe in A-Stadt weiter als Dekorationsmaler gearbeitet, später in einem eigenen Betrieb (nach der Meisterschule). Ich habe zwar bei meinem Vater gearbeitet sowie bei der Firma F., den Betreib meines Vaters habe ich jedoch nie übernommen.
Auf Vorhalt des Berichterstatters, dass er am 26.04.2000 bei Dr. C. angegeben habe, sich in A-Stadt sehr intensiv um das Geschäft des Vaters gekümmert zu haben („kümmern müssen“), hat der Zeuge ausgeführt: „Es kann schon sein, dass ich so etwas geäußert habe. Das ist jedenfalls falsch. Ich habe noch zwei Stiefbrüder, die sich um das Geschäft gekümmert und den Betrieb geführt haben und dieses auch noch führen. 1975/76 habe ich in D-Stadt die Meisterschule besucht. Als Kirchenmaler hätte ich auch woanders als in A-Stadt genug Aufträge erhalten, auch in B-Stadt. Meine Frau konnte nicht Zahnmedizin studieren, weil sie keine Menschenansammlungen ertragen hat und andere Trigger vermeiden musste.“ Die Entscheidung hinsichtlich der Rückkehr nach A-Stadt haben wir einvernehmlich getroffen und haben für sie ungefähr eine Woche gebraucht, genau weiß ich es aber nicht mehr. Meine Frau hat später ja auch nochmals versucht zu studieren, was wiederum nicht gelungen ist. Wir haben beide gemerkt, dass unsere Gesundheit schlecht ist.„Meine Frau hat B-Stadt auch beim Antrag auf einen Studienplatz angegeben, da dort die Kinderbetreuung sichergestellt gewesen wäre.“
Im Nachgang zum Erörterungstermin hat der Senat zur Klarstellung alle Stellungnahmen und Befundberichte des BKH A-Stadt über die Klägerin aus dem Zeitraum 1972 bis 2000 angefordert. Daraufhin hat der Facharzt K. des BKH am 02.05.2014 keine älteren Befundberichte etc. als von 2007, jedoch - ungefragt - eine fachärztliche Stellungnahme vom 02.05.2014 vorgelegt. Es lasse sich noch feststellen, so der Facharzt K., dass eindeutige Symptome einer PTBS bereits in den Siebzigerjahren bestanden hätten, sofern man davon ausgehe, dass die Angaben der Klägerin glaubwürdig seien. Eine rückwirkende Diagnosestellung wie vorliegend basiere immer auf der Anamnese und der damit im Zusammenhang stehenden Plausibilität im Hinblick auf die gegebenen Diagnosekriterien. Bei der Klägerin ergebe sich hieraus aus fachärztlicher Sicht eindeutig die Schlussfolgerung, dass die Diagnose zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen habe.
Sodann ist am 08.08.2014 der Neurologe und Psychiater Dr. D. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage beauftragt worden. In seinem Gutachten vom 10.02.2015 hat der Sachverständige hervorgehoben, dass es bereits äußerst fragwürdig sei, ob eine Inhaftierung auch unter den erschwerten Bedingungen einer Schwangerschaft ein Trauma darstelle, welches der Traumadefinition entspreche; dies gelte im speziellen Fall der Klägerin erst recht, wenn man ihre hierzu gegenüber Dr. C. gemachten Angaben berücksichtige, dass die Haft in Rumänien im Rückblick „nicht so schlimm“ gewesen sei. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin gegebenen Information werde man die Haftsituation in Rumänien - trotz unbefriedigender hygienischer Verhältnisse und der problematischen Unterbringungssituation mit 45 Häftlingen in einer Zelle - nicht wirklich vergleichen können mit Folter, Kriegshandlung, Vergewaltigung o.ä … Auch der Hausarrest und die Überwachung durch die Staatssicherheit sowie die Bedrohung mit der Freigabe des Kindes der Klägerin für eine Adoption und natürlich auch die Aussicht auf eine längere Haftstrafe hätten, so Dr. D., ebenfalls eine erhebliche Belastung für die Klägerin dargestellt. Auch diese Situation erfülle jedoch nicht das Eingangskriterium für eine PTBS. Aus hiesiger Sicht lasse sich nicht beantworten, so der Sachverständige, inwieweit die weiteren Kriterien der PTBS gegeben gewesen seien. Schon der Versuch der Klärung wäre nicht mehr als eine Spekulation, da man sich hier ausschließlich auf die Angaben der Klägerin verlassen müsse und überdies die Symptomatik einer PTBS überall nachzulesen sei, so dass man - selbst wenn die Klägerin die Symptomatik einer PTBS korrekt beschreiben würde - nicht sicher sagen könne, ob es sich um eine Beschreibung eigener Erlebnisse und Beschwerden handeln würde.
Zusammenfassend hat Dr. D. festgestellt, dass nicht evident sei, ob bei der Klägerin in den 1970er Jahren einzelne Symptome einer PTBS bestanden hätten; dies sei zwar durchaus möglich, aber spekulativ und stünde somit, so Dr. D., keineswegs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest. Man werde nicht einmal davon ausgehen können, dass es wahrscheinlich sei, dass die Klägerin Symptome einer PTBS entwickelt habe, da außer ihren eigenen Angaben darüber keine Informationen zur Verfügung stünden. Weiter hat Dr. D. hervorgehoben, dass unklar sei, was die Klägerin dazu geführt habe, sich ab 22.05.2007 in ambulante psychiatrische/psychotherapeutische Behandlung zu begeben, nachdem sie vorher niemals einen Nervenarzt aufgesucht und wohl niemals über psychische Beschwerden geklagt habe. Auch hier seien nur Spekulationen möglich.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 10.03.2015 ist die Rücknahme der Berufung angeregt worden. Der Bevollmächtigte hat daraufhin ein Gutachten gemäß § 109 SGG der Fachärztin F. nach persönlicher Untersuchung der Klägerin beantragt und Einwände gegen das Gutachten von Dr. D. vorgetragen. Das Gutachten ist von der Ärztin (erst) am 20.07.2016 erstellt worden. Darin hat sie auszugsweise auch schriftliche Angaben vom Ehemann der Klägerin W.D. A. (28.03.2016) und vom früheren Arbeitgeber Dr. F. (24.03.2016) geschildert, die sich gegenüber der Sachverständigen schriftlich geäußert hatten. Die Sachverständige hat ausführlich die Eigenanamnese und sonstige Schilderungen der Klägerin wiedergegeben, u.a. dass deren Traum immer gewesen sei, Zahnmedizin zu studieren. Ihr Mann habe übergangsweise beim Vater in der Malerfirma in A-Stadt gearbeitet und sie, die Klägerin, und ihr Ehemann seien damals sicher gewesen, dass der Ehemann in B-Stadt eine Arbeit finden könne. Wegen Angstzuständen und erheblichen Panikattacken sei die Immatrikulation „aber dann schiefgegangen“. Ein halbes Jahr später habe sie noch einmal versucht, sich in D-Stadt für ein Studium zum Lehramt einzuschreiben; auf Grund der gleichen Symptomatik habe auch dies nicht funktioniert. Letztlich habe sie akzeptieren müssen, dass sie auf Grund der psychischen Probleme nicht in der Lage sei, zu studieren, habe aber damals den Zusammenhang mit der Haftzeit „nicht ganz begriffen“. Zusammenfassend hat die Fachärztin F. hervorgehoben, dass aus ihrer Sicht die von der Klägerin beschriebene phobische Symptomatik mit Panikattacken und dem Vermeidungsverhalten inhaltlich auf die Haftbedingungen zurückzuführen sei. Die Klägerin habe bei ihr diese Problematik „nachvollziehbar und glaubhaft“ berichtet. Das Vorliegen schon in den 1970er Jahren werde durch den damaligen Chef Dr. F. bestätigt. Inwieweit die Klägerin hier auf Grund der Symptomatik und der Nichteinschreibung auf das Studium verzichtet habe oder inwieweit andere Gründe - wie die Arbeit des Ehemanns im Betrieb seines Vaters - eine Rolle bei diesem Verzicht gespielt hätten, könne von ihr, der Fachärztin, nicht beurteilt werden und sei auch nicht durch eine psychiatrische Begutachtung zu klären. Ebenfalls könne nicht geklärt werden, wie nachhaltig der Wunsch des Zahnmedizinstudiums gewesen sei und ob dieser Wunsch auf Grund der psychischen Probleme aufgegeben worden sei. Die Gutachterin sei aber ausreichend davon überzeugt, dass auf Grund der mit der PTBS verknüpften phobischen Symptome und des damit verbundenen Vermeidungsverhaltens die Klägerin auch Anfang der 1970er Jahre nicht in der Lage gewesen wäre, ein Studium durchzuführen, zumindest nicht in den Fächern mit hohen Studentenzahlen. Es spreche mehr für als gegen die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs des Entstehens der PTBS, in die eine phobische Symptomatik miteingegangen sei, mit der politischen Verfolgungszeit. Die Klägerin habe die damalige Symptomatik glaubhaft und für die Gutachterin gut inhaltlich einfühlbar geschildert; die Schilderung könne mit den Einschränkungen im Alltags- und Berufsleben nachvollziehbar verknüpft werden. Inhaltlich zeige sich auch ein deutlicher Zusammenhang zu den unterschiedlichen traumatischen einzelnen Belastungen der Verfolgungszeit. Eine lange Latenzzeit spreche nicht gegen die Entwicklung einer PTBS und der geschilderte Verlauf entspreche durchaus den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Störungsbild und den heute bekannten Studien. Auch die Vermeidung einer Behandlung oder Angst vor Stigmatisierung werde von vielen Haftopfern berichtet und sei deshalb nachvollziehbar. Weiter hat sie hervorgehoben, dass erfahrungsgemäß viele Klienten mit PTBS, insbesondere wenn es sich um weit zurückliegende Traumata handle, bzw. Klienten mit phobischen Störungen und Angsterkrankungen häufig erst sehr spät eine Behandlung aufnehmen würden und über lange Zeit immer bemüht seien, die Symptomatik durch Vermeidung selbst zu kompensieren, was in vielen Fällen über einen Zeitraum gelinge, insbesondere wenn eine Partnerschaft bestehe.
Auf das Gutachten hat der Beklagte wie folgt Stellung genommen: Die Sachverständige habe ausgeführt, dass nicht beurteilt werden könne, welche Rolle die bei der Klägerin damals bestehende Symptomatik und welche Rolle andere Gründe, wie die Arbeit des jetzigen Ehemanns im väterlichen Betrieb, für die Nichtaufnahme des Studiums gespielt hätten. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin bereits in den 1970er Jahren unter dem Vollbild einer PTBS gelitten habe. Dennoch habe nach Auffassung der Ärztin F. eine berufliche Betroffenheit bestanden, u.a. deshalb, da die Klägerin auch ihren Beruf als Zahntechnikerin 31 Jahre lang (1975 bis 2006) nur unter Aufbringung all ihrer Kräfte habe durchführen können. Dieser Schlussfolgerung könne der Beklagte beim besten Willen nicht folgen. Der Beklagte hat u.a. auf das Gutachten von Dr. D. verwiesen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 13.01.2017 ist anheimgestellt worden, Nachweise o.ä. vorzulegen, dass Zahnärztin tatsächlich bereits der in DDR angestrebte Beruf gewesen sei. Am 10.02.2017 hat der Bevollmächtigte mitgeteilt, dass Nachweise nicht vorlägen. Er hat jedoch zwei schriftliche Erklärungen von ehemaligen Mitschülern der Klägerin vorgelegt. Darin ist der Berufswunsch der Klägerin bestätigt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16.06.2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 26.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 22.11.2010 zu verurteilen, der Klägerin eine Grundrente nach einem höheren GdS als 30 wegen besonderer beruflicher Betroffenheit sowie Berufsschadensausgleich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und ist statthaft (§ 151 Abs. 1, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Sie erweist sich jedoch als in der Sache nicht begründet.
Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG Augsburg vom 16.06.2011 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 26.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Wie das SG zutreffend entschieden hat, hat die Klägerin weder einen Anspruch auf Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins noch einen solchen auf einen BSA.
Der Anspruch auf Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG ist gegenüber dem BSA nach § 30 Abs. 3 BVG selbständig. Eine gegenseitige Abhängigkeit besteht nicht. Der Anspruch auf BSA setzt nicht das Vorliegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins voraus (BSG, Urteil vom 28. April 2005 - B 9a/9 VJ 1/04 R, m.w.N.).
Der Beklagte hat zu Recht die Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins und eines BSA abgelehnt. Die Klägerin hat vor dem Hintergrund, dass sie nicht Zahnärztin geworden ist, weder einen Anspruch auf eine Erhöhung ihres GdS wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins noch einen Anspruch auf Gewährung eines BSA.
Gegenstand des Verfahrens ist nur die Tatsache, dass die Klägerin das Studium der Zahnmedizin nicht absolviert und den Beruf der Zahnärztin nicht ausgeübt hat. Um mögliche Einschränkungen hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Zahntechnikerin geht es vorliegend nicht. Dies ergibt sich aus dem gesamten Vortrag im Verfahren und schließlich aus der eindeutigen Einschränkung, die die Klägerin über ihren Bevollmächtigten im Erörterungstermin des Senats am 21.03.2014 gemacht hat. Darüber hinaus sind auch keinerlei Ansatzpunkte ersichtlich, dass hinsichtlich des Berufs der Zahntechnikerin, den die Klägerin - mehr als 30 Jahre lang und vollschichtig - ausgeübt hat, entsprechende Ansprüche gegeben sein könnten. Unter anderem hat die Klägerin bei der Gutachterin Dr. K. ausdrücklich angegeben, sie habe wegen ihrer Ellenbogenverletzung und den Rhizarthrosen in A-Stadt im Beruf der Zahntechnikerin aufgehört zu arbeiten; diese Gesundheitsstörungen rühren aber ohne jeden Zweifel nicht von den Hafterlebnissen her.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist gemäß § 30 Abs. 2 BVG höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten, dem begonnenen oder nachweisbar angestrebten Beruf besonders betroffen ist. Nach § 30 Abs. 3 BVG erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Abs. 2 BSA. Einkommensverlust ist nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen.
Der Senat ist ebenso wie das SG zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, die Klägerin wäre ohne die Haft Zahnärztin geworden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 17.12.1997 - 9 RV 23/96) genügt für die Annahme des Erreichens des Vergleichsberufs die Wahrscheinlichkeit aus. Dies gilt auch für die Frage, ob es gerade die Schädigungsfolgen waren, die den Geschädigten gehindert haben, den fraglichen Beruf zu erreichen. Wahrscheinlichkeit ist - auch i.S. des § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG - zu bejahen, wenn mehr Gesichtspunkte für als gegen einen bestimmten Umstand - hier die behauptete berufliche Entwicklung - sprechen, so dass sich darauf die Überzeugung der Verwaltung oder des entscheidenden Gerichts gründen kann (BSG, a.a.O.). Die Wahrscheinlichkeit erstreckt sich allerdings nicht auf die Beurteilung der zugrunde zu legenden Tatsachen. Diese müssen erwiesen sein (BSG, a.a.O.). Der hypothetische Berufsweg wird danach aufgrund festgestellter Tatsachen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen als hypothetischer Berufsweg für den Fall, dass die Schädigung nicht stattgefunden hätte, prognostiziert (vgl. BSG, Urteil vom 08.08.1984 - 9a RV 43/83). Dafür muss der Berufsweg bereits zum Zeitpunkt der Schädigung nachgezeichnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 15.09.1988 - 9/9a RV 50/87).
Im Einzelnen ist im Fall der Klägerin Folgendes festzustellen:
1. Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass bereits zum Zeitpunkt der Haft, also bereits im ersten Halbjahr 1972, für die Klägerin der Berufsweg einer Zahnärztin nachgezeichnet hat werden können. Insbesondere unterstellt der Senat, dass bei der Klägerin bereits damals der entsprechende Berufswunsch bestanden hat. Zwar soll die Klägerin gegenüber der Staatssicherheit angegeben haben, dass sie sich eine berufliche Zukunft als Zahntechnikerin gut vorstellen könne. Aus Sicht des Senats sind diese Angaben jedoch nicht verwertbar, da Aussagen gegenüber der Staatssicherheit als Beweismittel offensichtlich nicht herangezogen werden können. Dies folgt bereits daraus, dass bekanntlich solche Aussagen oftmals in den Unterlagen verfälscht wiedergegeben worden sind oder aufgrund der Besonderheiten der Vernehmungssituation (und gegebenenfalls den Haftumständen) nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen haben. Aufgrund der Angaben der Klägerin im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren spricht jedoch viel dafür, dass die Klägerin bereits 1972 Zahnärztin werden wollte, auch wenn freilich objektive schriftliche Nachweise (auch) insoweit nicht vorliegen. Hinzu kommt aber, dass nun auch zwei ehemalige Mitschüler der Klägerin bestätigt haben, dass Zahnmedizin für die Klägerin bereits in der DDR der angestrebte Beruf gewesen ist.
2. Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin scheitert jedoch bereits daran, dass die behauptete Schädigungsfolge Teilsymptome einer PTBS - oder gar eine Vollsymptomatik - oder weitere Gesundheitsstörungen vor dem 01.08.2007 nicht nachgewiesen sind, aufgrund derer die Klägerin daran gehindert gewesen wäre, Zahnmedizin zu studieren.
Für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge und damit die Berücksichtigung im Rahmen eines Versorgungsanspruchs nach § 1 Abs. 1 BVG ist gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG ein wahrscheinlicher Zusammenhang der Freiheitsentziehung als schädigender Vorgang und der geltend gemachten Gesundheitsstörung erforderlich.
Entsprechend den vorgenannten Bestimmungen setzt die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreigliedrige Kausalkette voraus (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2004 - B 9 VS 1/02 R): Eine Freiheitsentziehung (1. Glied) muss zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (3. Glied) bedingt.
Die drei Glieder der Kausalkette müssen im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Demgegenüber reicht es für den zweifachen ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder aus, wenn dieser jeweils mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die Beweisanforderung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R - in Aufgabe der früheren Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 24.09.1992 - 9a RV 31/90, die für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität noch den Vollbeweis vorausgesetzt hat -; vgl. auch jüngst BSG, Urteil vom 17.04.2013 - z.B. B 9 V 1/12 R) als auch den der haftungsausfüllenden Kausalität. Dies entspricht den Beweisanforderungen auch in anderen Bereichen der sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen Unfallversicherung.
Für den hinsichtlich der drei Glieder der Kausalkette maßgeblichen Vollbeweis ist es nach der Rechtsprechung zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R und vom 17.04.2013 - B 9 V 1/12 R; vgl. z.B. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2017 - L 15 BL 7/15), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92).
Wie sich aus der obigen Darstellung des Sachverhalts bereits ergibt, kann nicht die Rede davon sein, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des vorliegenden Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der geltend gemachten Schädigungsfolgen bereits in der Zeit nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik zweifeln würde. Vielmehr hat der vom Senat beauftragte Sachverständige Dr. D. eindeutig festgestellt, dass es keineswegs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, die Klägerin habe bereits in den 1970er Jahren an einzelnen Symptomen einer PTBS gelitten, auch wenn dies durchaus möglich ist. Der Sachverständige hat in seinem plausiblen und durchaus fundierten Gutachten nach Aktenlage nachvollziehbar festgehalten, dass es nicht einmal wahrscheinlich ist, die Klägerin habe nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik entsprechende Symptome entwickelt. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen. Ferner hat auch der vom Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. C. plausibel die Annahme von Schädigungsfolgen abgelehnt und hervorgehoben, dass die Klägerin mehr als 30 Jahre lang ihren gesamten beruflichen und privaten Alltag bewältigen hat können und dass sie in dieser Zeit auch keinerlei Anlass für eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung gesehen hat.
Wie Dr. D. zutreffend hervorgehoben hat, sind die Angaben der Klägerin die einzigen zur Verfügung stehenden Informationen (zu den Angaben des Ehemanns und des früheren Arbeitgebers der Klägerin siehe unten). Selbst wenn man aber die Angaben der Klägerin glauben würde, wäre nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen die Diagnose einer PTBS höchst fragwürdig, nachdem aufgrund des Ablaufs der Ereignisse am Vorliegen des A-Kriteriums einer PTBS massive Zweifel bestehen. Mit Dr. D. geht der Senat davon aus, dass in einer derartigen Situation, die die Klägerin erleben hat müssen, allenfalls von einer Persönlichkeitsveränderung aufgrund schwerer Belastung ausgegangen werden muss. Wie der Sachverständige allerdings darauf hingewiesen hat, müsste auch hierfür zeitnah eine Diagnostik durchgeführt werden, was vorliegend nicht geschehen ist. In diesem Zusammenhang ist aus Sicht des Senats auch aussagekräftig, dass eine solche Diagnostik wohl deshalb unterblieben ist, weil die Klägerin hierzu keine Veranlassung gesehen hat. Schließlich könnten sich bei der Klägerin in der Zeit nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik auch Anpassungsstörungen (mit depressiver oder ängstlich depressiver Symptomatik) eingestellt haben. Die von der Klägerin beschriebene Symptomatik, die sie an der Immatrikulation gehindert haben soll (Provokation von Angst bzw. Paniksymptomatik bei Konfrontation mit größeren Menschenansammlungen), entspricht, wie Dr. D. nachvollziehbar dargestellt hat, einer agoraphoben Störung. Diese Störung ist jedoch relativ unspezifisch und tritt keinesfalls nur bei Menschen auf, die im Gefängnis gewesen sind, einmal schlechte Erfahrungen mit größeren Menschenansammlungen gemacht haben oder die Situationen wie die einer „verschärften“ Haft erlebt haben. Mit Dr. D. geht der Senat davon aus, dass diese Symptomatik auch sporadisch und ohne nachvollziehbare Ursache auftreten kann. Falls die Klägerin also eine derartige Symptomatik in den Jahren nach der Übersiedlung tatsächlich gezeigt haben sollte, ließe sich somit nicht sicher sagen, was zu ihrer Provokation geführt hätte.
Der Senat bestreitet in keiner Weise, dass die Inhaftierungen der Klägerin für diese eine ganz erhebliche psychische Belastung dargestellt haben. Es ist jedoch nicht der Rückschluss möglich, dass diese nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik auch fortgewirkt haben. Wie Dr. D. überzeugend festgestellt hat, ist keinesfalls auszuschließen, dass die Klägerin mit Beendigung ihrer DDR-Haft oder spätestens nach Geburt ihres Kindes gar keine psychische Störung mehr gehabt hat.
Der Senat stellt an dieser Stelle auch noch einmal klar, dass er sich außerstande sieht, den Aussagen der Klägerin selbst über ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen einen Beleg für das Vorliegen relevanter Teilsymptome einer PTBS nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik zu entnehmen. Denn er folgt der plausiblen Einschätzung des Sachverständigen Dr. D., dass die Angaben der Klägerin, die diese erst ab Aufnahme ihrer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung gemacht hat, von äußerst eingeschränkter Aussagekraft sind, nachdem sich die Klägerin erst im Rahmen des anhängigen Verfahrens mehr als 30 Jahre nach dem erlittenen Geschehen dazu durchgerungen hat, eine solche Behandlung in Anspruch zu nehmen. Zudem ist, wenn auch in untergeordnetem Umfang (vgl. das Urteil des Senats vom 05.02.2013 - L 15 VG 22/09), das unmittelbare Interesse der Klägerin am Verfahrensausgang zu berücksichtigen.
Ein anderes Ergebnis des Verfahrens folgt auch nicht aus dem gemäß § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten der Fachärztin F., auch wenn diese ausgeführt hat, dass aus ihrer Sicht zur Zeit nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik bereits (zumindest) eine Teilsymptomatik im Sinne einer anderen Reaktion auf eine schwere Belastung nach dem ICD 10 bestanden habe, mit einzelnen Symptomen der PTBS wie Schlafstörungen und Alpträumen, erhöhter Reizbarkeit, insbesondere Panikreaktionen bei Phobie mit traumaassoziierten Triggerreizen. Die Sachverständige hat eine bereits damals bestehende Einschränkung der Klägerin gesehen. Aus ihrer Sicht seien die Teilsymptomatik der PTBS und die phobische Symptomatik nach der Haftentlassung objektiviert durch die Angaben des früheren Chefs der Klägerin ab 1975, nach Angaben des Ehemanns bereits nach der Haftentlassung. Die Klägerin habe die Symptomatiken glaubhaft geschildert. Aus Sicht des Senats ergibt sich aus diesem Gutachten jedoch kein Nachweis für das Bestehen der (Teil-) Symptome einer PTBS o.ä. Die Sachverständige F. hat sich lediglich auf die klägerischen Angaben sowie die Zeugenangaben gestützt und diese als plausibel bezeichnet. Davon abgesehen, dass der Senat diese Einschätzung der Sachverständigen nicht teilt, werden die von Dr. D. in seinem (der gutachterlichen Äußerung der Ärztin F. bereits vorangegangenen) Gutachten im Einzelnen dargestellten Zweifel in dem gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten nicht ausreichend behandelt bzw. nicht ausgeräumt. Im Übrigen hat der Senat vorliegend auch Zweifel, ob vorliegend die erforderliche „Distanz wie die einer Gerichtsperson“ auf Seiten der Sachverständigen vorgelegen hat (vgl. Kater, Das ärztliche Gutachten im sozialgerichtlichen Verfahren, 2. Aufl., S. 23). Denn das Gutachten zeigt an mehreren Stellen für die Klägerin günstige Ausführungen, ohne dass vom Gericht zu den jeweiligen Aspekten Beweisfragen gestellt worden wären und ohne dass die betreffenden Hinweise der Ärztin für die Beantwortung der relevanten Fragen (im Zusammenhang) unabdingbar gewesen wären. So hat sich die Gutachterin bemüßigt gefühlt, ungefragt klarzustellen, dass eine berufliche Betroffenheit vorliege. Weiter hat sie auf die eingeschränkte Verwertbarkeit von Unterlagen der Staatssicherheit hingewiesen. Dies ist jedoch nicht die Aufgabe der medizinischen Sachverständigen gewesen, da es sich hier ganz offensichtlich nicht um medizinische Erkenntnisse handelt.
Auch die Sachverständige Dr. K. ist im Übrigen in ihrem Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung den Nachweis, dass bereits damals Teilsymptome einer PTBS vorgelegen hätten, schuldig geblieben. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus den Attesten und Bescheinigungen des behandelnden Arztes K. des BKH A-Stadt. So hat der Facharzt zwar, beispielsweise im Attest vom 03.11.2010, die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin und die streitgegenständlichen Hindernisse bei der Einschreibung zum Studium im Einzelnen beschrieben, letztlich jedoch eingestanden, dass für die Feststellung eindeutiger Symptome einer PTBS bereits in den siebziger Jahren die Annahme erforderlich sei, „dass die Angaben der Klägerin glaubwürdig sind“. Von ärztlicher Seite hätten er und seine Kollegen hieran keinen Zweifel. Letztlich verlässt sich also auch der Facharzt ausschließlich auf die Angaben der Klägerin bzw. ihres Ehemanns und des früheren Arbeitgebers Dr. F … Im Übrigen kann sich auch der Senat des Eindrucks, den der für den Beklagten im Verfahren tätige Facharzt für Psychiatrie Dr. S. am 04.12.2008 geschildert hat, nicht verwehren, dass der Klägerin seitens des BKH unter „Zurückstellung einer kritischen Betrachtungsweise“ in ihrem Bestreben geholfen werden sollte. Jedenfalls teilt der Senat die Einschätzung, dass die Bestätigungen, die seitens des BKH vorgelegt worden sind, quasi apodiktische Festlegungen enthalten und eine kritische Würdigung bzw. eine Diskussion der im Einzelnen im streitgegenständlichen Zeitraum ggf. vorliegenden Gesundheitsstörungen im Wesentlichen vermissen lassen.
Ein anderes Ergebnis der hier erörterten streitgegenständlichen Frage folgt auch nicht aus den Aussagen, die dem Senat schriftlich vorliegen, des früheren Arbeitgebers der Klägerin, weiter auch nicht aus den Zeugenaussagen des Ehemanns, die dieser im Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin des Senats gemacht hat.
– In einem Schreiben an die Sachverständige F. hat Dr. F. am 24.03.2016 bestätigt, dass die Klägerin von 1975 bis 2007 dort tätig gewesen sei. Unter anderem hat er angegeben, dass die Klägerin nur bei geöffneter Labortüre habe arbeiten können und sehr oft gestresst, gereizt gewesen sei und sich nur schlecht konzentrieren haben könne. Sie habe große Probleme gehabt, wenn sich mehrere Personen im Raum befunden hätten. Die Klägerin habe ihrem Arbeitgeber von Flashbacks und Kreislaufproblemen sowie Panikattacken bei Menschenansammlungen berichtet. Sie könne angeblich nicht einmal die Gerüche ertragen. Um sie nicht zu verlieren, habe er angeboten, ein kleines Labor bei ihr zu Hause einzurichten, damit sie dort einen Großteil der Arbeiten in Ruhe habe ausführen können. Bei ihm, Dr. F., bestehe kein Zweifel an einem erheblichen Trauma aufgrund der schlimmen Erlebnisse in der DDR. Aufgrund der Erzählungen und seines persönlichen Eindrucks von den Auffälligkeiten müsse man von psychischen Störungen der Klägerin infolge des erlittenen Traumas ausgehen.
Auch diese Angaben können aber nicht einen Nachweis von Teilsymptomen der geltend gemachten Schädigungsfolgen für den Zeitraum nach der Übersiedelung ergeben; hieraus folgt lediglich die bloße Möglichkeit, dass die Teilsymptome bereits damals gegeben waren. Insbesondere ist dem Senat bewusst, dass Dr. F. hier nicht als Facharzt eine Äußerung und Beurteilung abgegeben, sondern nur seine allgemeinen Einschätzungen - als der Klägerin wohlwollend gegenüber stehender früherer Arbeitgeber - deutlich gemacht hat. Auch der Senat geht davon aus, dass es durchaus Besonderheiten bzw. Auffälligkeiten im Verhalten der Klägerin am Arbeitsplatz gegeben hat und dass sich Dr. F. veranlasst gesehen hat, für die Klägerin besondere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Durch seine Angaben ist jedoch nicht nachgewiesen, dass diese Auffälligkeiten der Klägerin den Schweregrad erreicht hätten, um von relevanten Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebieten sprechen zu können. Dass Dr. F., wie dargelegt, die Veranlassung gesehen hat, der Klägerin das Arbeiten zu Hause zu ermöglichen, muss nicht zwangsläufig auf eine schwere Ausprägung einer psychischen Krankheit hindeuten, sondern kann auch vom Bestreben des Arztes geprägt gewesen sein, die Klägerin als Mitarbeiterin zu halten.
Im Übrigen sieht der Senat den Nachweis für das Vorliegen von Teilsymptomen einer PTBS auch durch die Zeugenaussage des Ehemanns der Klägerin nicht erbracht (siehe oben). Hier hat der Senat bereits aufgrund des eigenen Interesses des Ehemanns deutliche Objektivitätsbedenken. Zudem hat der Zeuge bei seiner Aussage nicht plausibel machen können, weshalb er gegenüber dem Gutachter Dr. C. angegeben hat, sich in A-Stadt sehr intensiv um das Geschäft seines Vaters gekümmert zu haben bzw. verpflichtet gewesen zu sein, sich darum zu kümmern, obwohl dies nach seinen eigenen Angaben unzutreffend gewesen sein soll.
Zusammenfassend ist aus Sicht des Senats festzuhalten, dass abgesehen von den Aussagen der Klägerin selbst und ihr nahestehender bzw. wohlwollend gegenüberstehender Personen keine objektiven Nachweise und sonstige Belege für das Vorliegen der geltend gemachten Schädigungsfolgen bereits im Zeitraum nach der Übersiedelung in die Bundesrepublik gegeben sind, was die Klägerin im Erörterungstermin des Senats am 21.03.2014 ausdrücklich bestätigt hat. Vielmehr bleibt letztlich die unumstößliche Tatsache, dass die Klägerin - wenn auch womöglich gefördert durch die wohlwollende Behandlung ihres Chefs Dr. F. - 31 Jahre lang in einem anerkannten Beruf vollschichtig tätig sein hat können und jegliche Behandlung nicht für erforderlich gehalten hat.
Abschließend weist der Senat noch darauf hin, dass er die von der Klägerseite gegen den Gutachter Dr. D. vorgebrachten Vorbehalte nicht nachvollziehen kann. Die Feststellung des früheren Bevollmächtigten, es sei müßig, sich mit dem Gutachten des Sachverständigen auseinanderzusetzen, weil dieser sich mit den vorliegenden Erkrankungen „wohl nicht so auskenne“, vermag der Senat nur als unqualifizierte Äußerung einzuordnen, ebenso wie die Anregung, Dr. D. solle sich einmal „mit der Problematik der Tätigkeit der Stasi beschäftigen, wie diese die Leute schikaniert“ habe. Vielmehr erfüllt Dr. D., der im Übrigen ein gerichtsbekannter und erfahrener Sachverständiger ist, in seinem vorgelegten Gutachten nach Aktenlage alle Anforderungen, die an ein qualifiziertes wissenschaftliches Gutachten zu stellen sind. Von der Klägerseite wurden denn auch keine konkreten Punkte genannt, die inhaltlich unter Verstoß gegen wissenschaftliche Erkenntnisse als fehlerhaft o.ä. zu kennzeichnen wären. Wenn die Klägerseite mitteilt, dass der Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur in T. gegenüber der Klägerin erklärt habe, immer Probleme zu haben, „wenn andere Gutachten einholen und nicht Frau Dr. F., die sich spezialisiert hat auf manische Erkrankungen aufgrund von Diktaturen und Inhaftierungen“, ist dem nur entgegenzuhalten, dass die Ermittlungen konkreter Unrechtsmaßnahmen des DDR-Systems nicht Aufgabe eines psychiatrischen Sachverständigen ist und dass die auf medizinisch-wissenschaftlicher Ebene zu untersuchenden Folgen von Inhaftierungen nicht ärztlichen Spezialgebieten vorbehalten ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass die konkreten Bedingungen, also das schädigende Ereignis, für den medizinischen Sachverständigen im Einzelnen klar erkennbar sind, was vorliegend der Fall war. Der Senat sieht die erfolgte Hervorhebung der Sachverständigen F. als problematisch an, weil sie diese - etwa im Sinne einer falsch verstandenen Klägerfreundlichkeit - in ein falsches Licht rücken könnte. Der Senat weiß jedoch, dass ein solcher genereller Vorwurf unberechtigt wäre, weil die Sachverständige in früheren vor dem Senat anhängigen Verfahren durchaus zu differenzierten Ergebnissen gekommen ist.
3. Selbst wenn man das Bestehen der Schädigungsfolgen (Teilsymptome einer PTBS mit entsprechenden Panikattacken etc.) unterstellen würde, was der Senat nicht für vertretbar hält (s. 2.), würde der Anspruch der Klägerin jedoch daran scheitern, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass es gerade die Schädigungsfolgen gewesen wären, die die Klägerin am Zahnmedizinstudium gehindert hätten.
Dies folgt aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens. Zwar liegen der entsprechende Zulassungsbescheid der ZVS sowie die entsprechenden Angaben der Klägerin und ihres Ehemanns vor. Wie oben jedoch bereits für die Frage des Vorliegens der Schädigungsfolgen (Teilsymptome einer PTBS) ausgeführt, sieht sich der Senat nicht in der Lage, allein diesen Angaben einen Nachweis zu entnehmen. Entsprechendes gilt bezüglich der Frage, ob es gerade die Schädigungsfolgen waren, die den Geschädigten gehindert haben, den fraglichen Beruf zu erreichen.
Wie dargelegt ist die hier maßgebliche Wahrscheinlichkeit (nur dann) zu bejahen, wenn mehr Gesichtspunkte für als gegen einen bestimmten Umstand sprechen, so dass sich darauf die Überzeugung der Verwaltung oder des entscheidenden Gerichts gründen kann (vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 1/12 R). In diesem Sinne ist es nicht wahrscheinlich, dass die Klägerin aufgrund einer (nicht bewiesenen, s. 2.) Teilsymptomatik einer PTBS außerstande gewesen wäre, sich zum Studium der Zahnmedizin einzuschreiben und das Studium zu absolvieren. Denn für diese Annahme sprechen nicht mehr Gesichtspunkte als dagegen. Dass es gerade die Schädigungsfolgen gewesen sind, die die Klägerin am Zahnmedizinstudium gehindert haben, ist allenfalls möglich.
Dass die Klägerin vergeblich versucht hat, sich zu immatrikulieren, ergibt sich nur aus den Angaben der Klägerin selbst und ihres Ehemanns; der Senat hat oben aber bereits dargelegt, dass er gewichtige Bedenken hat, diesen Angaben zu folgen; dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin in B-Stadt war oder nicht. Auch aus dem Vorliegen des ZVS-Zulassungsbescheides folgt nichts anderes, denn es ist keinesfalls unwahrscheinlich, dass sich die Klägerin diesen nur vorsorglich hat ausstellen lassen, um sich hinsichtlich ihres (späteren) Berufswegs alle Optionen offen zu halten. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sind jedoch vor allem auch die für den Senat durchaus plausiblen alternativen Gründe für die Nichtaufnahme des Studiums, die in dem Verfahren herausgestellt worden sind, nämlich die Tatsachen der Kindererziehung und die der Ortsgebundenheit in A-Stadt, gewichtig. Zwar ist von der Klägerin und ihrem Ehemann behauptet worden, dass die Erziehung ihres Sohnes B. einem Studium der Klägerin nicht entgegengestanden hätte, da es in B-Stadt bei der Freien Universität als einziger Universität im Westen die Möglichkeit einer Kinderbetreuung gegeben habe und dass die Klägerin und ihr Ehemann nicht an A-Stadt gebunden gewesen seien. Der Senat kann jedoch nicht ausschließen, dass sich die Klägerin trotz bestehender Kinderbetreuungsmöglichkeit auch im Hinblick auf die neue Lebenssituation in der Bundesrepublik veranlasst gesehen haben könnte, (zumindest zunächst) von einem Studium Abstand zu nehmen. Hinsichtlich der Ortsgebundenheit ist oben bereits hervorgehoben worden, dass es hier widersprüchliche Äußerungen des Ehemanns der Klägerin gegeben hat. Nicht nachvollziehen kann der Senat im Übrigen auch, weshalb sich die Klägerin nicht einer Behandlung unterzogen hat, falls tatsächlich eine relevante Gesundheitsstörung vorgelegen haben sollte. Mit dem Sachverständigen Dr. D. geht er nämlich davon aus, dass es für die Klägerin nahe gelegen hätte, angesichts einer durch eine Angstsymptomatik blockierten Berufswahl einen Psychiater oder Psychotherapeuten aufzusuchen, um das Problem zu lösen, wenn es tatsächlich der innige Wunsch der Klägerin gewesen wäre, Zahnmedizin zu studieren und wenn sie tatsächlich aufgrund einer Angstsymptomatik bereits bei der Immatrikulation daran gehindert gewesen wäre. Wie Dr. D. bestätigt hat, hätte es auch bereits damals genügend Therapiemöglichkeiten hierfür gegeben, um eine wie die beschriebene phobische Störung erfolgreich zu behandeln. Die hierzu von der Klägerin gegebene Erklärung, sie habe sich nicht getraut, in Behandlung zu gehen, da sie immer befürchtet habe, das Sorgerecht für den Sohn zu verlieren, kann der Senat nicht nachvollziehen. Schließlich sind die Angaben der Klägerin hinsichtlich der Problematik mit größeren Menschenmengen widersprüchlich. Zwar hat sie behauptet, wegen der Menschenansammlungen sich nicht immatrikuliert und nicht studiert zu haben, aus ihren Angaben gegenüber der Sachverständigen F. geht jedoch hervor, dass sie durchaus mit Bussen oder der Straßenbahn gefahren ist und dass voll besetzte Züge lediglich „auch problematisch“ gewesen sind.
Zu weiteren Ermittlungen sieht sich der Senat im Übrigen nicht veranlasst. Insbesondere ist aufgrund der bereits vorliegenden detaillierten Angaben des früheren Arbeitgebers der Klägerin Dr. F. dieser nicht als Zeuge einzuvernehmen. Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass dieser die bereits schriftlich gemachten Angaben - vor allem hinsichtlich der Problematik der Arbeit im Labor und der Schilderungen der Klägerin bzgl. ihrer Gesundheitsstörungen (Flashbacks und Kreislaufprobleme, siehe oben) - bestätigt. Der Ehemann der Klägerin ist bereits gerichtlich befragt worden und hat sich ausführlich und unmissverständlich geäußert.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).