Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 17. Juni 2015 - L 12 KA 5044/13

published on 17/06/2015 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 17. Juni 2015 - L 12 KA 5044/13
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Sozialgericht München, S 21 KA 5260/11, 19/06/2013

Gericht

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Tenor

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.06.2013 wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Rückforderung des Festzuschusses für eine Teilkrone bei der Patientin S. in Höhe von 172,89 €.

Die Beigeladene, die in A-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, setzte der Patientin S. aufgrund des Heil- und Kostenplans vom 10.12.2008 eine Teilkrone ein, für die die Klägerin einen Zuschuss in Höhe von 172,69 € bezahlte. Am 14.01.2009 erfolgte eine Kontrolluntersuchung.

Am 15.10.2010 brach von dieser Teilkrone ein Stück ab. Daraufhin suchte die Patientin einen neuen Zahnarzt auf und benachrichtigte die Klägerin, dass sie bei dem neuen Zahnarzt bleiben werde, er aber nichts tun könne, da es sich um einen Gewährleistungsfall handle. Der Zahnarztwechsel sei schon vor Auftreten des Mangels erfolgt. Zu der Beigeladenen bestehe kein Vertrauen. Daraufhin leitete die Klägerin ein Mängelrügeverfahren ein und meldete vorsorglich einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 172,69 € an. Das von Dr. H. erstellte Gutachten vom 09.12.2010 ergab, dass die Teilkrone an der Bruchstelle nur eine sehr dünne Schichtstärke (ca. 0,4-0,5 mm) aufweise. Die Krone sei mangelhaft gearbeitet und nicht reparabel. Die geringe Schichtstärke sei der Grund des vorzeitigen Bruchs. Die Teilkrone sei neu anzufertigen.

Mit Schreiben vom 19.04.2011 machte die Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe des Kassenanteils von 172,69 € geltend. Die Patientin habe sich aufgrund eines Vertrauensverlusts zu einem Zahnarztwechsel entschieden. Die Beigeladene teilte in ihrer Stellungnahme vom 05.05.2011 mit, dass die Eingliederung der Teilkrone am 23.12.2008 erfolgte und am 14.01.2009 eine Kontrolluntersuchung stattfand. Danach habe sie die Patientin nicht mehr gesehen. Sie wäre jederzeit für eine Nachbesserung bereit gewesen. Mit Bescheid vom 16.05.2011 lehnte die Beklagte die Rückerstattung ab. Beschwerden oder eine erfolglose mehrmalige Nachbehandlung seien nicht dokumentiert. Die Beigeladene habe darauf hingewiesen, dass sie jederzeit zu einer entsprechenden Nachbesserung bereit gewesen wäre, die Patientin sie aber nicht über den Mangel informiert und ihr keine Gelegenheit zur Beseitigung eingeräumt habe. Ein Vertrauensverlust der Patientin sei ebenfalls nicht nachvollziehbar, da es sich um einen Mangel in der technischen Ausführung gehandelt habe. Eine Weiterbehandlung sei nicht unzumutbar. Die Klägerin legte Widerspruch ein und verwies auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 29.11.2006. Danach sei die Frage der Zumutbarkeit bei einer Neuanfertigung des Zahnersatzes nicht erheblich. Dem Widerspruch gab die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2011 bezüglich der Gutachtenskosten statt, bezüglich der Rückforderung wies sie ihn zurück. Die Patientin habe die Beigeladenen nach der Eingliederung der Teilkrone nicht mehr aufgesucht und den Zahnarzt gewechselt. Der Patientin sei es zumutbar gewesen, zum Zwecke von Nachbesserungsmaßnahmen bis hin zur Neuanfertigung der Teilkrone die Beigeladene wieder aufzusuchen. Die Beigeladene habe ihr Recht auf Nachbesserung nicht wahrnehmen können. Aus den Unterlagen gehe nicht hervor, dass die Patientin auf ihre Mitwirkungspflicht im Zusammenhang mit der zahnärztlichen Behandlung von ihrer Krankenkasse hingewiesen worden sei. Aus den Unterlagen sei auch nicht zu entnehmen, dass die Patientin einen Vertrauensverlust geltend gemacht hätte.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München. Die Ablehnung eines Schadensersatzanspruchs sei rechtswidrig. Der Gutachter habe die Erneuerungsbedürftigkeit der Krone festgestellt und eine Nachbesserung ausgeschlossen. Diesen Mangel habe die Beigeladene zu vertreten. Ein Schadensersatzanspruch bestehe, wenn die Patientin aufgrund eines schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens des Zahnarztes zur Kündigung des Behandlungsverhältnisses veranlasst worden sei. Ein zur Kündigung berechtigendes schuldhaftes vertragswidriges Verhalten liege vor, wenn das Arbeitsergebnis des Zahnarztes vollständig unbrauchbar und eine Nachbesserung nicht möglich oder dem Versicherten nicht zumutbar sei. Die Klägerin verwies insoweit auf die Rechtsprechung.

Mit Urteil vom 19.06.2013 wies das SG die Klage ab. Dass die prothetische Versorgung im Ergebnis mangelhaft gewesen sei, bestreite auch die beigeladene Zahnärztin nicht. Sie habe jedoch mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass sie bereit gewesen wäre, eine neue Krone anzufertigen. Die Auffassung der Klägerin, dass immer dann, wenn keine Nachbesserung möglich sei und nur eine Neuanfertigung der prothetische Versorgung im Raum stehe, der Patient ohne weiteres den Behandler wechseln könne, teilte die Kammer nicht. Vielmehr müsse auch eine neue Anfertigung durch den bisherigen Behandler den Patienten nicht zumutbar sein. Das SG verwies auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 19.11.2006 und vom 27.06.2012. Die bloße Notwendigkeit einer Neuanfertigung indiziere nicht automatisch die Unzumutbarkeit einer weiteren Behandlung durch den bisherigen Vertragszahnarzt.

Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein. Nach ihrer Auffassung komme es im Falle einer erforderlichen Neuanfertigung nicht auf das Vorliegen eines Vertrauensverlustes an. Vielmehr sei der Patient berechtigt, ohne weitere Prüfung der Zumutbarkeit den Zahnarzt zu wechseln. Die Formulierung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 29.11.2006 sei aufgrund der gewählten Formulierung „und/oder“ unglücklich und missverständlich. Allerdings habe das Bundessozialgericht darauf hingewiesen, dass es an der bisherigen Rechtsprechung festhalte und damit klargestellt, dass eine Änderung der Rechtsprechung nicht erfolgen sollte. In den früheren Urteilen habe das Bundessozialgericht die Formulierung gebraucht, dass ein vertragswidriges Verhalten dann als gegeben angesehen werden könne, wenn das Arbeitsergebnis vollständig unbrauchbar und eine Nachbesserung nicht möglich oder dem Versicherten nicht zuzumuten sei. Die Zumutbarkeit der Weiterbehandlung sei also nur dann zu prüfen, wenn eine Nachbesserung in Betracht komme. Die Beklagte verwies demgegenüber auf die Formulierung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 29.11.2006: „Für eine Regresspflicht allein Voraussetzung ist, dass eine Nachbesserung nicht möglich und/oder dass eine Nachbesserung beziehungsweise Neuanfertigung durch den bisher behandelnden Zahnarzt nicht zumutbar ist.“

Die von der Klägerin zitierten Urteile seien somit überholt. Ferner verwies die Beklagte auf das Urteil des Senats vom 24. 2. 1999 (L 12 KA 522/97).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.06.2013 und den Bescheid vom 16.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2011 insoweit aufzuheben, als die Festsetzung eines Schadensersatzanspruchs in Höhe von 172,69 € abgelehnt wurde und die Beklagte zu verurteilen, gegen die Beigeladene einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 172,89 € festzusetzen und der Klägerin gutzuschreiben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten erklärten sich zu Protokoll mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beiliegenden Beklagtenakten und die Akten der Klägerin sowie die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Gründe

Die mit Urteil vom 19.6.2013 zugelassene Berufung ist unbegründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass kein Regressanspruch besteht, weil eine Neuanfertigung durch die Beigeladene zumutbar war.

Ein Schadensregress nach dem Gesamtzusammenhang des Ersatzkassenvertrags Zahnärzte (EKV-Z) setzt eine schuldhafte Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten voraus, die darin liegt, dass eine prothetische Versorgung dem zahnärztlichen Standard nicht genügt und eine Nachbesserung bzw. Neuanfertigung durch den bisherigen Zahnarzt, d. h. die Beigeladene, unzumutbar ist (Urteil vom 29.11.2006, B 6 KA 21/06, Rn. 16 und 17). Das Bundessozialgericht führt aus, dass der Grund für diese Rechtsprechung im Prinzip der freien Arztwahl liege und es dem Versicherten nicht versagt werden könne, sich von dem ihn bisher behandelnden Vertragszahnarzt zu lösen, wenn er die Unbrauchbarkeit von dessen Leistung feststelle oder wenn aus anderen Gründen eine Weiterbehandlung durch diesen nicht mehr zumutbar sei. Entsprechend der Befugnis zum Wechsel des behandelnden Arztes innerhalb eines Quartals bei Vorliegen eines wichtigen Grundes sei ein Zahnarztwechsel bei nicht erfolgreicher Prothetikbehandlung (nur) dann zu akzeptieren, wenn eine Nachbesserung wegen Unbrauchbarkeit des Ergebnisses nicht möglich und/oder eine Nachbesserung beziehungsweise Neuanfertigung durch den bisher behandelnden Vertragszahnarzt nicht zumutbar sei. Damit steht die Neuanfertigung der Nachbesserung gleich.

Im Übrigen ist nach Auffassung des Senats die Grenze zwischen Nachbesserung und Neuanfertigung in der Praxis häufig zufällig und schwer zu ziehen; ein Schadensregress kann deshalb zur Vermeidung willkürlicher Ergebnisse nicht bereits bei der Notwendigkeit einer Neuanfertigung bestehen.

Im vorliegenden Fall sind keine Gründe vorgetragen oder aus den Akten ersichtlich, warum der Patientin eine Neuanfertigung durch die Beigeladene nicht zugemutet werden könnte. Es war wohl mehr zufällig, dass sie bereits einen neuen Zahnarzt hatte, als die Teilkrone absplitterte. Die Voraussetzungen für einen Schadensregress liegen nicht vor, wie das SG zutreffend feststellte.

Im Ergebnis war die Berufung also zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG, § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die streitgegenständliche Frage ist bereits mit Urteil vom 29.11.2006 entschieden worden.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Annotations

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.