Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 11. März 2015 - L 12 KA 25/13
Gericht
Principles
Gründe
Leitsatz:
in dem Rechtsstreit
Dr. A., A-Straße, A-Stadt
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt - -
gegen
Kassenärztliche Vereinigung ...,
vertreten durch den Vorsitzenden des Vorstands, E-straße ..., M.
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Der 12. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in München am
für Recht erkannt:
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Rücknahme und Neufestsetzung der Honorarbescheide für die Quartale 2/05 - 2/06. Der Kläger war ab dem
Die Beklagte leitete mit Schreiben vom
Mit Bescheid vom
Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom
In seiner Klage zum Sozialgericht München führte der Kläger aus, die streitgegenständlichen Gebührenordnungspositionen 31608, 31695 und 31697 EBM hätten nicht gestrichen, sondern in die niedriger bewerteten Gebührenordnungspositionen 31609, 31696 und 31698 EBM umgesetzt werden müssen. Die Honorarkürzung bezüglich der GOP 31112 EBM sei nicht rechtmäßig, denn die Bezeichnungen „Feinnadelpunktion“ und „Mamma-Probenentnahme“ wiesen denselben Bedeutungsinhalt auf. Der Kläger beanspruche bei den Zweifelsfällen zumindest die Vergütung der Leistung auf der Basis der niedriger bewerteten Feinnadelpunktion nach der GOP 02341 EBM. Der Beklagte verneinte einen Anspruch des Klägers auf Umsetzung der nicht vergüteten Leistungen.
Das Sozialgericht München gab der Klage mit Urteil vom 7. Februar 2013 entsprechend dem letzten Klägerantrag statt und verpflichtete die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides, die vom Kläger begehrte Umsetzung statt der Streichung der GOPs durchzuführen und die Leistungen unter Verrechnung des bereits vorgenommenen Sicherheitsabschlag in Höhe von 10% bei der GOP 31112 EBM nachzuvergüten. Es sei unstreitig, dass die Beklagte dem Grunde nach berechtigt gewesen sei, die Honorarbescheide für die Quartale 2/05 - 2/06 zurückzunehmen und das Honorar neu festzusetzen. Zu beanstanden sei jedoch die Höhe der von der Beklagten vorgenommenen Honorarkürzung. Soweit davon auszugehen sei, dass Leistungen tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht worden seien, habe die Beklagte nach dem Urteil des Bundessozialgerichts
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten zum Bayerischen Landessozialgericht. Der Kläger habe die streitgegenständlichen Leistungen unstreitig fehlerhaft abgerechnet. Die Höhe der vorgenommenen Honorarkürzung sei verhältnismäßig und sei vom Erstgericht zu Unrecht beanstandet worden. Insbesondere ergebe sich die vom SG angenommene Pflicht zur Umsetzung der streitgegenständlichen GOPs nicht aus dem zitierten Urteil des BSG. Mit den jeweiligen Sammelerklärungen habe der Kläger durch seine Unterschrift die sachlich rechnerische Richtigkeit der Abrechnung bestätigt und garantiert, dass die Angaben in den von ihm eingereichten Abrechnungsunterlagen zuträfen. Es sei die Pflicht des Klägers, sich anhand der ihm zur Verfügung stehenden Verträge, Abrechnungsvorschriften, Gebührenordnungen, Anleitungen etc. die notwendige Kenntnis darüber zu verschaffen, wie die von ihm erbrachten Leistungen korrekt abzurechnen seien. Die Beklagte habe nicht zu prüfen, welche Leistungen statt der fehlerhaft angesetzten GOPs hätten abgerechnet werden können. Außerdem ergebe sich aus einem Urteil des Senats
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hält das Urteil des SG für zutreffend. Da für den hier vorliegenden Fall klar und unstreitig sei, welche Leistungen mindestens erbracht worden seien und nach welchen GOPs sie abzurechnen seien, gelte der Einwand der Beklagten, es könne ihr nicht zugemutet werden, nachzuprüfen, ob und welche Leistung der Arzt tatsächlich erbracht habe, nicht. Die Durchführung der alternativen GOPs ergebe sich aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen. Soweit Unregelmäßigkeiten bei Patientendokumentationen nachgewiesen worden seien, beträfen diese andere Leistungskomplexe. Der Kläger wehre sich gegen einen Generalsverdacht der Falschabrechnung.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Verfahrensakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat den Bescheid vom
Rechtsgrundlage hierfür ist § 106a Abs. 1 und 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V; hier anzuwenden in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom
Nach der Rechtsprechung des BSG kann die KÄV über die Berichtigung einzelner Leistungspositionen hinausgehend den gesamten Honorarbescheid aufheben und das Quartalshonorar neu festsetzen, wenn die Honorarabrechnung des Vertragsarztes erwiesenermaßen einen Fehlansatz aufweist, bei dem ihm - wie vorliegend - grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Denn in diesem Fall erfüllt die jeder Quartalsabrechnung beizufügende sogenannte Sammelerklärung nicht mehr ihre Garantiefunktion und gilt damit als nicht wirksam abgegeben, so dass die gesamte quartalsbezogene Honorarabrechnung zu Fall kommt (vgl. Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl., § 106a Rdnr. 212). Die Aufhebung des gesamten Honorarbescheids hat zur Folge, dass das Honorar insgesamt neu festzusetzen ist, wobei eine Schätzung erfolgen kann und nach der Rechtsprechung des BSG (a. a. O.) in der Regel nicht zu beanstanden ist, wenn die KÄV das Honorar in der Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe festsetzt.
Die genannten Voraussetzungen liegen in den hier streitigen Quartalen vor. Dies hat der Kläger auch nicht bestritten. Der Kläger ist vielmehr nur der Auffassung, die abgesetzten Ziffern hätten in die niedriger bewerteten Ziffern umgesetzt werden müssen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn der Vertragsarzt, der grob fahrlässige Falschabrechnungen und damit die Abgabe einer unrichtigen Sammelerklärung zu verantworten hat, kann gerade keine möglichst genaue Alternativberechnung beanspruchen (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. November 2014, L 3 KA 70/12, Rn. 29 juris), sondern muss sich als Folge seines gravierenden Fehlverhaltens auf eine mehr oder weniger grobe Schätzung verweisen lassen. Dies beinhaltet auch, dass die zu Unrecht abgerechneten Ziffern vollumfänglich abgesetzt werden. Bezüglich der GOP 31608, 31695 und 31697 EBM hat die Beklagte demnach zutreffend sämtliche angesetzten Leistungspositionen sachlichrechnerisch richtig gestellt, da der Kläger unstreitig selbst Operateur war, während die vorgenannten Ziffern nur bei Überweisung durch den Operateur abgerechnet werden können. Auch die Absetzung der GOP 31112 EBM im Umfang von 80% der angesetzten Leistungen ist nicht zu beanstanden, da die stichprobenartige Prüfung der Beklagten im Quartal 2/05 eine entsprechende Fehlerquote ergeben hatte und diese im Rahmen des weiten Schätzungsermessen auf die übrigen Quartale übertragen werden konnte. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, würde ein Anspruch des Klägers auf Umsetzung in die jeweils niedriger bewertete alternative GOP dazu führen, dass der Kläger trotz seines Fehlverhaltens kein Risiko bei der Falschabrechnung tragen würde. Dies würde die Pflicht des Klägers zur peinlich genauen Abrechnung ad absurdum führen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Abrechnungsunterlagen auf mögliche ungenutzte Abrechnungspotentiale hin zu überprüfen (Entscheidung des Senats
Denn in diesem Fall könnte sich die Beklagte auf den Ausschluss einer Umsetzung durch HVV bzw. die Abrechnungsbestimmungen stützen, während ihr dies im Rahmen des weiten Schätzungsermessen nach Durchführung einer Plausibilitätsprüfung verwehrt wäre. Nach dem in den streitgegenständlichen Quartalen 2/05 bis 2/06 geltenden Honorarverteilungsvertrag (HVV), Erster Abschnitt, Ziffer 7 (I), sind abrechnungsfähig nur Leistungen, die zur vertragsärztliche Versorgung gehören und auf der Grundlage der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen, unter anderem den Abrechnungsbestimmungen der KVB, erbracht worden sind. Nach Ziffer 7 Abs. VII des Ersten Abschnitts des HVV (Stand 01.04.2005) ist die nachträgliche Berichtigung oder Ergänzung von fehlerhaft oder unvollständig durchgeführten Leistungen für bereits zur Abrechnung eingereichte Behandlungsfälle durch den Arzt ausgeschlossen. Eine Nachvergütung einzelner, vom Vertragsarzt aus welchem Grund auch immer nicht fristgerecht mit der Quartalsabrechnung geltend gemachter Leistungen scheidet damit aus (so auch Entscheidung des Senats vom 06.12.2006, L12 KA 272/05). Das ausgeübte Schätzungsermessen der Beklagten in Form der vollständigen Absetzung der zu Unrecht angesetzten Ziffern, ist nicht zu beanstanden und insbesondere im Vergleich mit einer (quartalsgleichen) sachlichrechnerischen Richtigstellung nicht unverhältnismäßig.
Die Entscheidung des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.