Die Klägerin begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg).
Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und wohnt in N-Stadt (bei B-Stadt; Schweiz). Sie meldete sich am 18.12.2013 bei der Dienststelle der Beklagten in L-Stadt arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Das Arbeitsverhältnis mit ihrem Arbeitgeber sei durch einen Aufhebungsvertrag vom 25.08.2013 zum 31.12.2013 beendet worden. Ihr Ehemann habe im Juli 2012 eine Tätigkeit in der Schweiz aufgenommen und der Familienwohnsitz sei dorthin verlegt worden. Seit dieser Zeit habe sie sich bemüht, innerhalb des Konzerns ihres Arbeitgebers in die Schweiz zu wechseln. Dies sei jedoch gescheitert und auch ein Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber sei nicht gelungen. Zuletzt habe sie die hohe zeitliche Belastung jedes Wochenende, die mit dem Pendeln von ihrem Familienwohnsitz in der Schweiz zu ihrem Arbeitsort nach N-Stadt verbunden gewesen sei, dazu bewogen, den Aufhebungsvertrag abschließen, zumal ihr Arbeitgeber zudem betriebsbedingte Reduzierungen des Personals geplant hatte.
Mit Bescheid vom 16.01.2014 lehnte die Beklagte die Zahlung von Alg ab. Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) könnten nur an in Deutschland wohnhafte Personen erbracht werden. Zu Beginn der Arbeitslosigkeit sei die Klägerin bereits in der Schweiz wohnhaft gewesen. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie stehe als Grenzgängerin dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung. Hierauf stellte die Beklagte (im Rahmen eines Aktenvermerkes) fest, dass die Klägerin zwar die Dienststelle in L-Stadt innerhalb einer zumutbaren Pendelzeit (Fahrstrecke 106 km einfach; Fahrzeit: 1 Stunde 11 Minuten) erreichen könne, nicht jedoch potentielle Arbeitgeber im Zuständigkeitsbereich der Dienststelle L-Stadt oder ausbildungsadäquate Maßnahmen der Beklagten, die - unter Beachtung der akademischen Ausbildung der Klägerin - nur in F-Stadt (Fahrstrecke 170 km einfach; Fahrzeit: 1 Stunde 45 Minuten) angeboten würden. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe keinen Wohnsitz mehr in Deutschland und sei daher vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Soweit das Territorialprinzip unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) in engen Grenzen durchbrochen werden könne, erfülle die Klägerin diese Voraussetzungen nicht. Erfasst würden hiervon lediglich Personen, die nach dem Ende ihrer Beschäftigung ihren Wohnsitz ins grenznahe Ausland verlegt hätten. Die Klägerin lebe jedoch bereits seit Juli 2012 in der Schweiz und falle als Grenzgängerin nicht unter diese Rechtsprechung.
Hiergegen hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Sie wohne seit Juni 2012 mit ihrem Ehemann in der Schweiz. Ihren vorherigen Wohnsitz in L-Stadt habe sie damals aufgegeben. Für die Dauer ihrer weiteren Beschäftigung - bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses im Dezember 2013 - sei sie an jedem Wochenende von ihrem Wohnsitz in der Schweiz nach N-Stadt gependelt. Nach Auskunft der Schweizer Behörden habe sie wegen der Berücksichtigung der Abfindung bis 04.08.2014 keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (ALE) nach Schweizer Recht. Sie erfülle trotz ihres Auslandswohnsitzes alle Voraussetzungen für den Bezug von Alg nach deutschem Recht. Nachdem sie Arbeitgeber in Baden-Württemberg innerhalb von einer bis eineinhalb Stunden erreichen könne, sei ihr Wohnort als grenznah zu qualifizieren. Zudem dokumentiere sie gegenüber der Beklagten ihre Eigenbemühungen regelmäßig, so dass sie als verfügbar im Sinne des deutschen Rechts anzusehen sei. Erst seit dem 12.09.2014 erhalte sie ALE nach Schweizer Recht.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18.12.2014 abgewiesen. Die Klägerin habe mangels eines gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland - ihr Wohnsitz befinde sich seit dem Jahr 2012 in der Schweiz - keinen Anspruch nach dem SGB III. Sie könne sich auch nicht auf die Entscheidung des BVerfG vom 30.12.1999 (1 BvR 809/95) berufen, wonach der Begriff des Wohnsitzes für den Personenkreis derjenigen verfassungskonform auszulegen sei, die grenznah wohnten und den Status eines Grenzgängers nicht erfüllten. Zum einen sei der Wohnsitz der Klägerin mehr als 100 km von der nächsten Dienststelle der Beklagten entfernt und damit nicht mehr als grenznah anzusehen. Zum anderen sei die Klägerin Grenzgängerin i. S. d. des Art. 65 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. EU vom 30.04.2004; L 166 S. 1, gesamte Vorschrift ber. ABl. Nr. L 200 S. 1 - EG [VO] Nr. 883/2004), so dass sie Leistungen bei Arbeitslosigkeit allein gegenüber dem Wohnortstaat geltend machen könne.
Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Entgegen der Darstellung der Beklagten liege ihr Wohnort im Nahbereich der Dienststelle der Beklagten in L-Stadt. Die von der Beklagten zugrunde gelegten Fahrzeiten entsprächen nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Im Übrigen seien die Überlegungen der Beklagten zur Verfügbarkeit dazu geeignet, nicht nur sie sondern auch einen großen Teil aller Leistungsbezieher in Ballungsräumen von Ansprüchen auf Alg grundsätzlich auszuschließen. Zudem seien ihr diese Überlegungen zur fehlenden Verfügbarkeit zu keinem Zeitpunkt seitens der Beklagten erläutert worden. Nicht nachvollziehbar sei in diesem Zusammenhang auch das Verhalten der Beklagten, trotz angeblich fehlender Verfügbarkeit einen - wenn auch unzureichenden - Vermittlungsvorschlag unterbreitet zu haben. Durch die Anwendung des Schweizer Rechts habe sie erhebliche Nachteile hinnehmen müssen. Die Bezugsdauer (12.09.2014 bis 23.01.2015) sowie die daraus resultierende Gesamtleistung sei - unabhängig von der Frage des grundsätzlich höheren Leistungsanspruches und der längeren Leistungsdauer - deutlich hinter dem zurückgeblieben, was sie nach deutschem Recht für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis 23.01.2015 zu beanspruchen gehabt hätte. Zudem habe sie in der Schweiz auf eigene Kosten eine Krankenversicherung abschließen müssen und von Schweizer Behörden habe sie keine Vermittlungsleistungen erhalten. Soweit vorliegend Ansprüche nach deutschem Recht erworben worden seien und nach Schweizer Recht eingelöst würden, dürfe dies nicht zu einer Benachteiligung führen. Auch habe sowohl der EuGH (Urteil vom 08.07.1992 - C 102/91) als auch das BSG (Urteil vom „27“.03.2007 - B 11a AL 49/“96“) anerkannt, dass zwar nicht der gleichzeitige aber der aufeinanderfolgende Bezug von Leistungen aus der gleichen Anwartschaft aus den Sozialleistungssystemen mehrerer Mitgliedstaaten möglich sei. Insoweit habe lediglich eine Anrechnung der in einem anderen Mitgliedstaat vorab bezogenen Leistungen zu erfolgen. Durch die Aufforderung der Beklagten, Leistungen nach Schweizer Recht geltend zu machen, sei sie zu Unrecht aus dem deutschen Sozialleistungssystem gedrängt worden, woraus ihr kein Nachteil entstehen dürfe, denn sie erfülle die Anspruchsvoraussetzungen nach deutschem Recht.
Die Klägerin beantragt
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.12.2014 sowie den Bescheid vom 16.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2014 aufzuheben und die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, Arbeitslosengeld nach deutschem Recht für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis 04.08.2014 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG habe zutreffend entschieden. Unter Beachtung des Wohnsitzes der Klägerin in der Schweiz, von dem aus sie dem deutschen Arbeitsmarkt im Sinne des SGB III auch nicht zur Verfügung stehen könne, habe die Klägerin keinen Anspruch auf Alg.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Die form- und fristgerechte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtgesetz - SGG), in der Sache aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 16.01.2014 i. d. G. des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat als Grenzgängerin aufgrund ihres Wohnsitzes in der Schweiz und der daraus folgenden Anbindung an das Schweizer System der sozialen Sicherung bei Arbeitslosigkeit keinen Anspruch auf Alg nach deutschem Recht.
Nach § 3 Abs. 2 Nr. 4, § 19 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), § 137 Abs. 1 SGB III i. V. m. § 30 Abs. 1 SGB I haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit lediglich Personen, die ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches, d. h. in der Bundesrepublik Deutschland haben. Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin aufgrund ihres Wohnsitzes in N-Stadt/Schweiz ersichtlich nicht. Als Grenzgängerin i. S. d. Art. 65 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 lit. a i. V. m. Art. 1 lit. f) EG (VO) Nr. 883/2004 hat die Klägerin lediglich Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften ihres Wohnsitzstaates, d. h. allein nach Schweizer Recht.
Eine vollarbeitslose Person, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat und weiterhin in diesem Mitgliedstaat wohnt oder in ihn zurückkehrt, muss sich der Arbeitsverwaltung des Wohnmitgliedstaats zur Verfügung stellen (Art. 65 Abs. 2 Satz 1 EG [VO] Nr. 883/2004). Hierbei erhalten die in Art. 65 Abs. 2 Satz 1 (und 2) genannten Arbeitslosen Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, als ob diese Rechtsvorschriften für ihn während seiner letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit gegolten hätten (Art. 65 Abs. 5 lit. a Satz 1 EG [VO] Nr. 883/2004).
Diese Regelungen sind auf das vorliegende Verfahren anzuwenden, auch wenn die Schweizer Eidgenossenschaft nicht Mitglied der Europäischen Union ist. Mit dem „Gesetz zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit“ (vom 02.09.2001 BGBl. II 2001 S 810ff - Sektoralabkommen) haben die Europäische Union sowie deren Mitgliedstaaten und die Schweizer Eidgenossenschaft (Vertragsparteien) u. a. vereinbart, dass die Systeme der sozialen Sicherheit zwischen den Vertragsparteien koordiniert werden (Artikel 8 Sektoralabkommen i. V. m. Anhang II des Abkommens). Nach Artikel 1 Abs. 1 dieses Anhanges II (BGBl. II 2001 S. 822) sind die Vertragsparteien darin überein gekommen, im Bereich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit untereinander die in Abschnitt A (BGBl. II 2001 ab S. 823) des Anhangs genannten gemeinschaftlichen Rechtsakte in der zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens geltenden Fassung einschließlich der in Abschnitt A dieses Anhangs genannten Änderungen oder gleichwertige Vorschriften anzuwenden. Dort ist zwar nur die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (BGBl. II 2001 S. 823) genannt, die durch die EG (VO) Nr. 883/2004 abgelöst worden ist. Gestützt auf das Sektoralabkommen, insbesondere auf Art. 18 dieses Abkommens, hat der dort genannte gemischte Ausschuss in dem dafür vorgesehenen Verfahren am 31.03.2012 jedoch beschlossen (Art. 1 des Beschlusses vom 31.03.2012 i. V. m. Anhang II dieses Beschlusses; ABl. der EU vom 13.04.2012, L 102/51), dass Abschnitt A folgende Fassung erhält:
„ Rechtsakte, auf die Bezug genommen wird
Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und zur Festlegung des Inhalts ihrer Anhänge.“
Dieser Beschluss trat am Tag nach seiner Annahme (Art. 3 des Beschlusses vom 31.03.2012), d. h. am 01.04.2012 in Kraft, so dass ab diesem Zeitpunkt Staatsangehörige der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Leistungen zur sozialen Sicherung bei Arbeitslosigkeit in der Schweiz (nur noch) auf der Grundlage der VO (EG) Nr. 883/2004 zu beanspruchen hatten.
Als „zuständiger Staat“ i. S. d. Art. 65 Abs. 2 Satz 1 EG (VO) Nr. 883/2004 ist hierbei der Mitgliedstaat anzusehen, in dessen Gebiet der zuständige Träger seinen Sitz hat (Art. 1 lit. s EG [VO] Nr. 883/2004), mithin die Bundesrepublik Deutschland, denn die Bundesagentur für Arbeit ist der zuständige Träger, gegen den die Klägerin einen Anspruch auf Leistungen hätte, wenn sie selbst im Gebiet des Mitgliedstaats wohnen würde, in dem dieser Träger seinen Sitz hat (Art. 1 lit. q) ii) EG [VO] Nr. 883/2004). Wohnmitgliedstaat ist der Mitgliedstaat des Wohnortes, d. h. des gewöhnlichen Aufenthaltes (Art. 1 lit. j EG [VO] Nr. 883/2004). Vorliegend ist, die Ausführungen der Klägerin zu ihren Lebensverhältnissen zugrunde gelegt, als Wohnort in Sinne dieser Regelungen N-Stadt in der Schweiz anzusehen. Zum Zeitpunkt des Eintrittes ihrer Arbeitslosigkeit am 01.01.2014 hatte die Klägerin bereits seit mehr als einem Jahr ihren Wohnsitz und spätestens seit Mai 2013 auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz. Der gewöhnliche Aufenthalt beschreibt einen Ort oder ein Gebiet, das nach den Umständen des Aufenthaltes zu erkennen gibt, dass sich der Betroffene nicht nur vorübergehend dort aufhalten wird und in dem der Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen liegt. Nach den Angaben der Klägerin haben sie und ihr Ehemann im Juni 2012 den gemeinsamen Wohnsitz in L-Stadt/Deutschland aufgegeben und einen neuen gemeinsamen (Familien-)Wohnsitz in N-Stadt/Schweiz begründet, so dass bereits aufgrund der familiären Bindung und der damit verbundenen Lebensplanung für die Klägerin schon zu diesem Zeitpunkt absehbar war, dass der weitere Aufenthalt in Deutschland trotz der Fortführung des Beschäftigungsverhältnisses bei ihrem bisherigen Arbeitgeber kein dauerhafter, sondern allenfalls von vorübergehender Natur sein werde. Dies bestätigt sich durch die von der Klägerin vorgetragene Absicht, nach der Begründung des Familienwohnsitzes in der Schweiz auch ihre berufliche Tätigkeit dorthin zu verlagern. Der sichere Beleg für die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthaltes in Deutschland ergibt sich aber spätestens durch den Umstand, dass sich die Klägerin ab Mai 2013 in ihrer alten Wohnortgemeinde abgemeldet und ihre Unterkunft in Deutschland zum Zwecke der Durchführung ihres Arbeitsverhältnisses nur noch durch die monatsweise Anmietung eines Appartements über eine Mitwohnzentrale sicher gestellt hat. Spätestens ab diesem Zeitpunkt im Mai 2013 lag der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen der Klägerin - ungeachtet anderer persönlicher oder beruflicher Bindungen in Deutschland, die spätestens mit der (Zweit-)Wohnsitznahme auf Zeit in den Hintergrund traten - an ihrem Familienwohnsitz in N-Stadt/Schweiz. Nach ihren eigenen Angaben ist die Klägerin auch an jedem Wochenende, d. h. zumindest einmal wöchentlich, an diesen Familienwohnsitz, d. h. in den Wohnmitgliedstaat zurückgekehrt, so dass sie als „echte“ Grenzgängerin i. S. d. Art. 1 lit. f EG (VO) Nr. 883/2004 anzusehen ist.
Für diesen Personenkreis hat der EuGH bereits entschieden (Urteil vom 11.04.2013 - C-443/11, Rs. Jeltens u. a. - ZESAR 2013, 366-374), dass sich ein vollarbeitsloser Grenzgänger, der in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat und weiterhin in diesem Mitgliedstaat, dem Wohnmitgliedstaat, wohnt, dessen Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellen muss. Hierbei handelt es sich nicht um eine Wahlmöglichkeit, sondern um eine Verpflichtung, wobei Art. 65 Abs. 2 Satz 2 EG (VO) Nr. 883/2004 einem Arbeitslosen - in Erweiterung der Rechtslage zur Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - lediglich die Möglichkeit eröffnet, sich zusätzlich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats zur Verfügung stellen, in dem er zuletzt eine Beschäftigung ausgeübt hat. Der EuGH hat mit seiner Entscheidung damit vor allem hervorgehoben, dass die Vorschrift des Art. 65 Abs. 2, Abs. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 eine abschließende (Koordinierungs-)Regelung in Bezug auf passive Leistungen der Arbeitsförderung für (echte) Grenzgänger darstellt. Aus dem Wortlaut der Neuregelung des Art. 65 VO (EG) Nr. 883/2004 leitet der EuGH unter Beachtung der im Gesetzgebungsverfahren maßgeblichen Überlegungen ab, dass die Verantwortung für die Zahlung von Entgeltersatzleistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhaltes bei Arbeitslosigkeit geeignet sind, beim Wohnstaat des (echten) Grenzgängers verbleiben soll. Lediglich soweit sich der vollarbeitslose Arbeitnehmer zusätzlich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaates der letzten Beschäftigung zwecks Arbeitssuche zur Verfügung stellt, kann er, gestützt auf koordinierungsrechtliche Vorschriften, Leistungen der aktiven Arbeitsförderung (insbes. Eingliederungsleistungen) in Anspruch nehmen. Damit habe der europäische Gesetzgeber der Rechtsprechung des EuGH zum „atypischen“ Grenzgänger (Rs. Miethe - Urteil vom 12.06.1986 - C-1/85, Slg. 1986, 1846) lediglich teilweise Rechnung tragen wollen und insbesondere klargestellt, dass Ansprüche eines (echten) Grenzgängers auf Entgeltersatzleistungen bei Aufrechterhaltung des Wohnorts nach Eintritt der Arbeitslosigkeit ausschließlich gegen den Wohnsitzstaat bestehen können.
Soweit es nach dieser Entscheidung des EuGH den nationalen Gesetzgebern überlassen bleibt, einen (Geld-) Leistungsanspruch vom Innehaben eines inländischen Wohnsitzes abhängig zu machen, sofern nach den Bestimmungen des Koordinierungsrechts die Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats zur Anwendung kommen (Urteil vom 11.04.2013 a. a. O. - Leitsatz 2), findet sich in den (für einen Leistungsanspruch der Klägerin maßgeblichen) nationalen Vorschriften (SGB I, SGB III, SGB X) aber keine Rechtgrundlage, auf die das Zahlungsbegehren der Klägerin gestützt werden kann.
Beachtlich ist in diesem Zusammenhang allenfalls die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 30.12.1999 - 1 BvR 809/95 - juris), wonach von Verfassungswegen eine Auslegung des Begriffes „Wohnsitz“ geboten sei, die den aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abgeleiteten Anspruch des Grenzgängers auf eine seiner Beitragszahlung entsprechende Sozialleistung zur Geltung bringt. Hintergrund dieser Entscheidung war die Problematik, dass zum Zeitpunkt dieser Rechtsprechung österreichische Staatsangehörige (damals noch) als Drittstaatsangehörige (noch) keine Rechte aus dem europäischen Koordinierungsrecht der EWG (VO) Nr. 1408/71 ableiten konnten. Diese Möglichkeit wurde erst mit der VO (EG) Nr. 859/2003 (Verordnung des Rates vom 14.05.2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen) geschaffen. Hieraus ist aber nicht zu schließen, dass der Begriff des Wohnsitzes - wovon die Klägerin wohl ausgeht - für einen grenznah lebenden Arbeitslosen stets zu relativieren sei. Ziel der Entscheidung des BVerfG war es lediglich eine Äquivalenz zwischen Beitragszahlung und Leistungsansprüchen herzustellen, wie sie auch ein im Inland grenznah lebender Arbeitsloser geltend machen kann. Es ist ein verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstandendes Ziel nationaler Sozialpolitik, sozial relevante Tatbestände im eigenen Staatsgebiet zu formen und zu regeln, so dass der Gesetzgeber für die Gewährung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit an den Wohn- oder Aufenthaltsort anknüpfen kann. Er ist lediglich darin gehindert, ohne gewichtige sachliche Gründe den Anknüpfungspunkt zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung zu wechseln (BVerfG, Beschluss vom 30.12.1999 a. a. O. - Leitsatz 1 und 2). Hieraus ist aber lediglich der Grundsatz abzuleiten, dass dem im Inland beitragspflichtig gewesenen Arbeitslosen - unabhängig von der Frage, ob es sich um einen Grenzgänger gehandelt hat - grundsätzlich die Möglichkeit offen stehen muss, eine seiner Beitragszahlung entsprechende Sozialleistung geltend machen zu können, soweit er trotz des Wohnsitzes im grenznahen Ausland die Anspruchsvoraussetzungen - mit Ausnahme des Inlandswohnsitzes - in gleicher Weise erfüllen kann wie ein Arbeitsloser, der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft ist. Nicht geboten ist es jedoch, ihm eine Wahl zu eröffnen, eine bestimmte Sozialleistung im Zusammenhang mit der Eingliederung in den deutschen Arbeitsmarkt in Anspruch nehmen zu können, d. h. unabhängig vom Wohnsitzerfordernis stets (Geld-)Leistungsansprüche zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach deutschem Recht zuzubilligen. Dem Grundsatz, die adäquate Einlösung erworbener Anwartschaften im Zusammenhang mit der Eingliederung in den deutschen Arbeitsmarkt grundsätzlich zu ermöglichen, hat der deutsche Gesetzgeber im europäischen Rahmen durch den Abschluss internationaler Abkommen, vorliegend den Koordinierungsregelungen der VO (EG) Nr. 883/2004 und des Sektoralabkommens, in anderer Weise hinreichend Rechnung getragen, die aber einer Bewilligung von (Geld-)Leistungen nach deutschen Recht an die Klägerin als Grenzgängerin entgegenstehen (siehe bereits oben) und lediglich Eingliederungsleistungen vorsehen, sofern die Arbeitsaufnahme im Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung angestrebt wird.
Entgegen dem Vortrag der Klägerin ist sie in der Zeit ab dem 01.01.2014 (bis zur erstmaligen Zahlungen von Leistungen ab dem 12.09.2014) auch nicht dem Grunde nach vom Leistungsbezug nach Schweizer Recht ausgeschlossen, weil sie die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllen würde. Mit ihrer Arbeitslosmeldung bei den zuständigen Schweizer Behörden hatte sie alle Anspruchsvoraussetzungen (i. S. d. Art. 8 des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung - AVIG) nach Schweizer Recht erfüllt, insbesondere auch die nach dem Schweizer Recht notwendige Anspruchsvoraussetzung eines anrechenbaren Arbeitsausfalles, d. h. des Ausfall des Arbeitsentgeltes (Art. 8 Abs. 1 lit. b i. V. m. Art. 11 Abs. 1 AVIG). Sie war lediglich - vergleichbaren den deutschen Regelungen zum Ruhen des Anspruches auf Alg - von der Auszahlung von Leistungen ausgeschlossen, nachdem wegen der freiwilligen Leistungen ihres Arbeitgebers bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitsausfall nur als nicht anrechenbar galt (Art. 11a Abs. 1 AVIG). Der Anspruch war damit, d. h. mit der Arbeitslosmeldung (Art. 10 Abs. 3 AVIG), dem Grunde nach aber bereits entstanden, so dass die Klägerin ab diesem Zeitpunkt dem Schweizer System zur sozialen Sicherung bei Arbeitslosigkeit unterworfen und lediglich die Auszahlung der Leistung hinausgeschoben war. Das hier gefundene Ergebnis wird bestätigt durch die Bewilligung seitens der Schweizer Behörden, die der Klägerin einen Anspruch auf ALE von 400 Tagegeldern bewilligt haben. Wäre die Anwartschaft, d. h. der materielle Anspruch der Klägerin (i. S. e. eines Stammrechtes) erst nach Ablauf der Zahlungssperre im August 2014 entstanden - so ihr Vortrag - hätte die Klägerin (ausgehend vom Vorliegen aller übrigen Anspruchsvoraussetzungen im August 2014) innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist von zwei Jahren (Art. 9 Abs. 2 und 3 AVIG) weniger als 18 Monate Beitragszeiten (i. S. d. Art. 13 AVIG) zurückgelegt (nämlich allenfalls von August 2013 bis Dezember 2014), so dass sie höchstens Anspruch auf 260 Tagegelder gehabt hätte (Art. 27 Abs. 2 lit. a AVIG).
Im Ergebnis kommt es daher nicht mehr darauf an, ob der Wohnsitz der Klägerin in der Westschweiz (ca. 75 km bis zur französischen Grenze) nach allgemeinen Verständnis oder dem Wortsinn nach noch als „grenznah“ anzusehen ist. Ebenso ist ohne Relevanz, ob die Klägerin innerhalb von 66 Minuten (nach ihren Angaben) oder von 71 Minuten (Berechnungen der Beklagten) die Dienststelle der Beklagten in L-Stadt erreichen kann, wobei beide Berechnungen Verzögerungen beim Grenzübertritt unberücksichtigt lassen, so dass die Frage der Verfügbarkeit ohnehin in Frage stehen würde (vgl. hierzu auch Urteil des erkennenden Senates vom 06.08.2014 - L 10 AL 175/12 - juris m. w. N.). Damit kann auch dahinstehen, ob die Klägerin mit einem im Bezirk der Agentur für Arbeit in L-Stadt ansässigen Arbeitslosen überhaupt zu vergleichen ist, denn allein dies würde nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Gleichbehandlung ungeachtet des Wohnsitzerfordernisses rechtfertigen. Die Agentur für Arbeit L-Stadt ist eine von 19 Agenturen für Arbeit in Baden-Württemberg und liegt an Ober- und Hochrhein im äußersten Südwesten des Landes, an der Grenze zur Schweiz und Frankreich. Der Agenturbezirk umfasst mit seiner Fläche von 1.938 qkm die beiden Landkreise L. und W. und ist in zwei Geschäftsstellen L-Stadt und W.-T. gegliedert (Quelle: https://www. a...de/.../.../DE/.../.../.../.../.../.../i...htm). Diese Größenverhältnisse legen den Schluss nahe, dass im Zuständigkeitsbereich der Dienstelle der Agentur für Arbeit in L-Stadt ein dort ansässiger Arbeitsloser nicht mehr als 50 km Entfernungskilometer zu einer Dienststelle der Beklagten zurückzulegen hat, womit unter Beachtung dieser regionalen Gegebenheiten eine Entfernung von mehr als 100 km (Fahrstrecke) eine Vergleichbarkeit in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Verfügbarkeit (i. S. d. § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III i. V. m. der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können - Erreichbarkeits-Anordnung - EAO) ebenfalls zweifelhaft erscheinen ließe.
Eine andere Betrachtungsweise ergibt auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, sie werde durch die Inanspruchnahme von Leistungen nach Schweizer Recht unverhältnismäßig benachteiligt. Zum einen ist zu beachten, dass die Bestimmungen des Vertrages über die Freizügigkeit einem Versicherten nicht garantieren, ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat hinsichtlich der sozialen Sicherheit sei neutral, denn diese Bestimmungen dienen allein der Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, sehen aber keine Harmonisierung vor, so dass ein Umzug aufgrund der Unterschiede, die in diesem Bereich zwischen den Systemen und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehen, für den Versicherten in finanzieller Hinsicht mehr oder weniger vorteilhaft sein kann (vgl. EuGH, Urteil vom 11.04.2013 a. a. O. m. w. N.). Zum anderen ist bei der vorliegend notwendigen, generalisierenden Betrachtungsweise eine Benachteiligung der Klägerin nicht zu erkennen, denn mit Ausnahme der unvorteilhafteren Ruhensvorschriften hatte die Klägerin einen längeren Leistungsanspruch (der soweit ersichtlich nur durch den Erwerb einer neuen Anwartschaft erlischt) und Anspruch auf höhere Leistungen je Tag der Arbeitslosigkeit (ca. 70.- € nach dem SGB III; ca. 148.- € nach dem AVIG). Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, dass Leistungen aus der gleichen Anwartschaft nacheinander von verschiedenen Mitgliedstaaten zu erfüllen seien, und die Leistungen lediglich aufeinander angerechnet werden dürften. Die von ihr herangezogene Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 08.07.1992 - C 102/91; Rs. Knoch - juris) betrifft eine Arbeitnehmerin, die - anders als die Klägerin - nicht Grenzgängerin war und bei Eintritt der Arbeitslosigkeit sich zuerst dem Beschäftigungsstaat zur Verfügung gestellt und Leistungen bezogen hatte, und erst daran anschließend in den Wohnortstaat zurückgekehrt ist. Diese Fallgestaltung - Leistungen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates und nachfolgend Leistungen des Wohnortstaates aus derselben Anwartschaft - war (und ist) durch die Koordinierungsregelung (vormals Art. 71 Abs. 1 lit. b ii EWG [VO] 1408/71 heute Art. 65 Abs. 5 lit. b EG [VO] 883/2004) nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wobei auch dort die vorrangigen Leistungsansprüche gegen den Beschäftigungsstaat bestehen, soweit bereits Leistungen durch den Beschäftigungsstaat an den Arbeitslosen erbracht worden sind. Demgegenüber ist für die Leistungsansprüche der Grenzgänger, die in den Mitgliedstaat ihres Wohnortes zurückkehren, spätestens nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Jeltens - unter Aufgabe der Rechtsprechung in der Rechtssache Miethe - klargestellt, dass Entgeltersatzleistungen ausschließlich durch den Wohnsitzstaat zu erbringen sind. Die darüber hinaus angesprochene Entscheidung des BSG (Urteil vom 21.03.2007 - B 11a AL 49/06 R - juris) schließt an die Entscheidung des EuGH vom 08.07.1992 an und betraf ebenfalls keinen Grenzgänger, so dass sich auch hieraus keine Hinweise auf einen Anspruch der Klägerin nach deutschem Recht ergeben.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen der Klägerin.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.