Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 06. Nov. 2017 - L 11 AS 717/17 NZB

published on 06/11/2017 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 06. Nov. 2017 - L 11 AS 717/17 NZB
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Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.09.2017 - S 13 AS 59/17 - wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Streitig ist die Minderung des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.01.2017 um 10 v. H. des Regelbedarfes.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 06.06.2016 Alg II für die Zeit vom 01.07.2016 bis 31.12.2016. Nachdem der Kläger zu einem Termin unter Vorlage einer am 05.09.2016 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 05.09.2016 bis 23.09.2016 nicht erschienen war, lud der Beklagte ihn mit Schreiben vom 06.09.2016 zum 15.09.2016 erneut zur Besprechung seiner beruflichen Situation unter Erteilung einer Rechtsfolgenbelehrung ein. Im Falle des Nichterscheinens aus gesundheitlichen Gründen solle der Kläger eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, aus der hervorgehe, dass er aus gesundheitlichen Gründen gehindert sei, den Termin wahrzunehmen. Der Kläger erschien zum Termin nicht und berief sich im Rahmen der Anhörung auf die bereits vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 05.09.2016. Mit Bescheid vom 20.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2016 stellte der Beklagte den Eintritt einer Minderung in Höhe von 10 v. H. des Regelbedarfes (40,40 € monatlich für 2016) für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.01.2017 fest und hob die bereits bewilligten Leistungen für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.12.2016 auf. Mit Bescheid vom 15.11.2016 bewilligte der Beklagte Alg II für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.12.2017, wobei für Januar 2017 eine Minderung erfolgte.

Gegen den Bescheid vom 20.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2016 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genüge zur Annahme eines wichtigen Grundes für sein Nichterscheinen. Das SG hat am 13.09.2017 nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung beschlossen, nach Lage der Akten zu entscheiden und die Klage mit Urteil vom 13.09.2017 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Bei Vorliegen einer entsprechenden Vorgeschichte sei der Beklagte berechtigt, die Einladung mit dem Hinweis zu verbinden, eine Wegeunfähigkeitsbescheinigung sei vorzulegen, um für das Nichterscheinen einen wichtigen Grund zu haben. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Er habe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 05.09.2016 bis 23.09.2016 vorgelegt; dies genüge nach der Geschäftsanweisung der Bundesagentur. Aus § 309 Abs. 3 Satz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 59 SGB II ergebe sich ebenfalls, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genüge. Ansonsten hätte der Beklagte eine ärztliche Untersuchung anordnen müssen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12.Aufl, § 144 RdNr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist vorliegend nicht zu erkennen. Entsprechend dem Urteil des BSG vom 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - (veröffentlicht in juris) kann in begründeten Einzelfällen eine Bescheinigung darüber gefordert werden, dass ein Meldetermin nicht wahrgenommen werden kann. Vom Vorliegen eines solchen Einzelfalles ist vorliegend das SG ausgegangen, wobei es aus diesen vorangegangenen Verhalten des Klägers sowie der Tatsache, dass der Kläger trotz Vorliegens einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung laut dem Beklagten eine Busfahrt nach L-Stadt am 06.09.2016 hat unternehmen können, zu Recht geschlossen hat, dass es sich vorliegend um einen besonderen Fall handelt, und die Vermutung des Vorliegens eines wichtigen Grundes durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entkräftet ist. Die Rechtsfrage, ob allein eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich ausreicht, einen wichtigen Grund für ein Nichterscheinen darzustellen, ist somit bereits geklärt.

Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II hat der Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für sein Verhalten darzulegen und nachzuweisen. Vorliegend hat sich der Kläger lediglich auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 05.09.2016 berufen. Das SG hat aber im vorliegenden Einzelfall gerade nicht die fehlende Möglichkeit, am 15.09.2016 zu erscheinen, als dargelegt und nachgewiesen angesehen, denn der Beklagte hat hierzu aufgrund vorangegangener Erkenntnisse den Kläger darauf hingewiesen, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreiche. Zudem hat der Beklagte - unwidersprochen - im Rahmen des Klageverfahrens darauf hingewiesen, dass der Kläger trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit mit dem Bus nach L-Stadt fahren habe können, so dass einem Aufsuchen der Beklagten damit zumindest eine sogenannte Wegeunfähigkeit nicht entgegen gestanden hätte. Weitere Darlegungen eines wichtigen Grundes für sein Nichterscheinen durch den Kläger sind nicht erfolgt. Damit aber ist die trotz der Darlegungs- und Nachweispflicht weiter bestehende Amtsermittlungspflicht des Beklagten im vorliegenden Streitfall nicht entscheidungserheblich und damit auch nicht klärungsfähig (zu weiter bestehenden Amtsermittlungspflicht trotz der Darlegungs- und Nachweislast des Leistungsberechtigten vgl. Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage, § 32 Rn. 27 i.V.m. § 31 Rn. 68 ff.).

Eine Abweichung von der obergerichtlichen Rechtsprechung ist durch das SG im vorliegenden Fall auch nicht zu erkennen.

Verfahrensfehler werden vom Kläger nicht geltend gemacht, so dass auch die Frage, ob nach der laut Protokoll eröffneten mündlichen Verhandlung eine Entscheidung nach Lage der Akten noch möglich ist, nicht eingegangen zu werden braucht.

Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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published on 13/09/2017 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand Streitig ist die Minderung des Alg-II-Anspruches in Höhe von 10 v.H. des Regelbedarfes für den Zeitraum
published on 09/11/2010 00:00

Tenor Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Juli 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 4. September 2008 geändert.
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Annotations

(1) Arbeitslose haben sich während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erheben, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit sie dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht). Die Meldung muss bei der in der Aufforderung zur Meldung bezeichneten Stelle erfolgen. Die allgemeine Meldepflicht besteht auch in Zeiten, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.

(2) Die Aufforderung zur Meldung kann zum Zwecke der

1.
Berufsberatung,
2.
Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit,
3.
Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen,
4.
Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und
5.
Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch
erfolgen.

(3) Die meldepflichtige Person hat sich zu der von der Agentur für Arbeit bestimmten Zeit zu melden. Ist der Meldetermin nach Tag und Tageszeit bestimmt, so ist die meldepflichtige Person der allgemeinen Meldepflicht auch dann nachgekommen, wenn sie sich zu einer anderen Zeit am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird. Ist die meldepflichtige Person am Meldetermin arbeitsunfähig, so wirkt die Meldeaufforderung auf den ersten Tag der Arbeitsfähigkeit fort, wenn die Agentur für Arbeit dies in der Meldeaufforderung bestimmt.

(4) Die notwendigen Reisekosten, die der meldepflichtigen Person und einer erforderlichen Begleitperson aus Anlaß der Meldung entstehen, können auf Antrag übernommen werden, soweit sie nicht bereits nach anderen Vorschriften oder auf Grund anderer Vorschriften dieses Buches übernommen werden können.

Die Vorschriften über die allgemeine Meldepflicht, § 309 des Dritten Buches, und über die Meldepflicht bei Wechsel der Zuständigkeit, § 310 des Dritten Buches, sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Kommen Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach, mindert sich das Bürgergeld jeweils um 10 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) § 31a Absatz 2 bis 5 und § 31b Absatz 1 und 3 gelten entsprechend. Der Minderungszeitraum beträgt einen Monat.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.