Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 21. Juli 2017 - L 11 AS 432/17 NZB

published on 21/07/2017 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 21. Juli 2017 - L 11 AS 432/17 NZB
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Sozialgericht Würzburg, S 18 AS 571/16, 28/04/2017

Gericht

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Tenor

I.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.04.2017 - S 18 AS 571/16 - wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Streitig ist die Erstattung überzahlter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 366,93 € aufgrund eines für die Zeit von August 2015 bis Oktober 2015 bestandskräftig aufgehobenen Bewilligungsbescheides.

Der Kläger steht im Leistungsbezug (zuletzt Bescheid vom 19.11.2015 für die Zeit bis 30.11.2015). Wegen geänderter Anrechnung einer im Juli 2015 dem Kläger zugeflossenen Erbschaft hob der Beklagte mit Bescheid vom 07.12.2015 die Leistungsbewilligung für die Zeit vom August 2015 bis Oktober 2015 teilweise auf.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 24.05.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2016 forderte der Beklagte die Erstattung der überzahlten Leistungen in Höhe von zuletzt 366,93 €.

Mit der dagegen zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger u.a. geltend gemacht, er könne nichts zurückzahlen, das Erbe sei durch mit der Erbschaft verbundene Aufwendungen und weil der Beklagte anderweitige Leistungen (Erstausstattung für eine neue Wohnung) nicht bezahle, verbraucht.

Mit Urteil vom 28.04.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Aufhebungsbescheid vom 07.12.2015 sei bestandskräftig. Der Kläger habe diesen - auch unter Berücksichtigung einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung:- nicht - auch nicht innerhalb der dann eventuell anzuwendenden Jahresfrist - angefochten. Die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung sei daher nicht mehr zu prüfen. Die vom Beklagten im angegriffenen Erstattungsbescheid genannte Rechtsgrundlage des § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei zwar unzutreffend; Rechtsgrundlage stelle vielmehr § 50 Abs. 1 SGB X dar. Ein Austausch der Rechtsgrundlage sei aber möglich. Eine Anhörung sei erfolgt. Aus der Herabsetzung der zu erstattenden Summe mit Änderungsbescheid vom 28.10.2016 ergebe sich keine Beschwer des Klägers. Die vom Kläger vorgebrachten Einwände der Entreicherung, der Anrechnung fiktiven Einkommens und der unzutreffenden Anrechnungszeiten seien im Rahmen eines reinen Erstattungsverfahrens bei bestandskräftiger Aufhebungsentscheidung nicht mehr zu prüfen. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Das SG weiche von der obergerichtlichen Rechtsprechung ab. U.a. sei das Erbe im Zeitpunkt der Anrechnung durch den Beklagten bereits ausgegeben gewesen. Der Beklagte habe bei der Erstausstattung seiner neuen Wohnung zu spät und zu wenig (nur Pauschalen) geleistet.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Vorliegend macht der Kläger lediglich eine Abweichung des SG von der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R -, Urteil vom 12.12.2013 - B 14 AS 76/12 R -, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 38/12 R -) geltend. Eine grundsätzliche Bedeutung oder ein Verfahrensfehler, auf dem das Urteil des SG beruhen könne, ist für den Senat nicht erkennbar.

Aber auch ein Abweichen von der obergerichtlichen Rechtsprechung liegt nicht vor. Eine Abweichung von der obergerichtlichen Rechtsprechung (hier: BSG) liegt nur dann vor, wenn das SG einen abstrakten Rechtssatz gebildet hat, der von einem abstrakten Rechtssatz des Obergerichts abweicht. Ein abstrakter Rechtssatz ist nur vor bei einer fallübergreifenden, nicht lediglich auf die Würdigung des Einzelfalles bezogenen rechtlichen Aussage (vgl. dazu: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 160 Rn. 13) gegeben. Das SG muss der abweichenden Rechtsprechung im Grundsätzlichen widersprechen. Ein Rechtsirrtum im Einzelfall genügt nicht (vgl. dazu: Leitherer aaO Rn. 14).

Dies ist nicht der Fall, denn aus Sicht des SG war der Aufhebungsbescheid vom 07.12.2015 bestandskräftig geworden; ob diese Feststellung des SG zutreffend ist, ist im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu prüfen. Allein durch einen Widerspruch bzw. eine Anfechtung dieses Bescheides hätte das Vorbringen des Klägers und seine mit der Nichtzulassungsbeschwerde vorgebrachten Einwendungen berücksichtigt werden können. Im Rahmen des (reinen) Erstattungsverfahrens aber ist eine bestandskräftige Aufhebungsentscheidung nicht mehr zu überprüfen, denn entscheidend ist deren Wirksamkeit, nicht aber die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides (vgl. dazu auch: Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 50 Rn. 18). Somit sind die vom Kläger aufgeworfenen und vom BSG seiner Auffassung nach anders als vom Beklagten und SG entschiedenen Fragen nicht Prüfungsgegenstand der Erstattungsentscheidung gewesen. Einen vom BSG abweichenden Rechtssatz hat das SG daher nicht aufgestellt.

Nach alledem war die Beschwerde daher mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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Annotations

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.