Amtsgericht Erding Urteil, 13. Mai 2015 - 4 C 420/15

published on 13/05/2015 00:00
Amtsgericht Erding Urteil, 13. Mai 2015 - 4 C 420/15
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Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 600,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.12.2014 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 20% und die Beklagte 80% zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 600,00 € festgesetzt.

Tatbestand

I.

Die zulässige Klage ist betreffend die Hauptforderung vollumfänglich begründet.

1. Der Kläger kann eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600,00 € aus Art. 5 Abs.1 lit.c, 7 Abs.1 lit. c) der VO (EG) 261/2004 verlangen.

a) Der Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordung ist gem. Art. 3 Abs.1 lit. a, Abs.2 lit. a VO (EG) 261/2004 eröffnet. Der Kläger trat den Flug am Flughafen München an, verfügt über eine Buchungsbestätigung und erschien rechtzeitig zur Abfertigung am Abflughafen.

b) Der Flug kam mit einer Verspätung von mehr als 41 Stunden am Zielflughafen in Islamabad an. Eine solche Verspätung von mehr als 3 Stunden ist nach der Rechtsprechung des EuGH einer Flugannulierung gleichzustellen. Die Art.5 bis 7 VO (EG) 261/2004 sind dahin auszulegen, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein Ausgleichsanspruch nach dieser Verordnung zusteht, wenn sie aufgrund dieser Flüge einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der vom Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen, vgl. EuGH (Große Kammer), Urt. v. 23.10. 2012 - C-581/10, C-629/10 (Emeka Nelson u. a./Deutsche Lufthansa AG und The Queen/Civil Aviation Authority), NJW 2013, 671. Im Falle einer Umsteigeverbindung ist für die Berechnung der Verspätung die Ankunft am Zielflughafen maßgeblich. Denn Art. 7 VO (EG) 261/2004 ist dahin auszulegen, dass auf seiner Grundlage dem Fluggast eines Flugs mit Anschlussflügen, dessen Verspätung zum Zeitpunkt des Abflugs unterhalb der in Art. 6 der Verordnung festgelegten Grenzen lag, der aber sein Endziel mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreichte, eine Ausgleichszahlung zusteht, da diese Zahlung nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug abhängt, vgl. EuGH (Große Kammer), Urt. v. 26. 2. 2013 a) C-11/11 (Air France SA /Heinz-Gerke Folkerts u. a.), NJW 2013, 1291 und dem EuGH folgend BGH, Urteil vom 07.05.2013, X ZR 127/11, NJW-RR 2013, 1065 und Urteil vom 17.09.2013 - X ZR 123/10, BeckRS 2013, 15207. Dies gilt auch für den Fall, dass der Anschlussflug vollständig außerhalb des Gemeinschaftsgebietes erfolgte, vgl. Führich, Reiserecht, 7.Aufiage 2015, § 41 Rn. 11 (3), HG Wien, Urteil vom 18.03.2015 - 1 R 153/14t, LG Frankfurt, Beschluss vom 26.03.2013, 2/24 S16/13, RRa 2013, 187, oder von einem anderen Luftfahrtunternehmen ausgeführt wurde, vgl. Führich, a. a. O., LG Frankfurt a.M., Urteil vom 26.07.2013, 2-24 S 147/12, RRa 2013, 283, LG Berlin, Urteil vom 15.10.2013, 54 S 22/13, RRa 2014, 248.

c) Die gem. Art. 7 Abs.1 S.2 VO (EG) 261/2004 zugrunde zu legende Entfernung zwischen dem Abflughafen Franz-Josef-Strauß in München und dem Zielflughafen Islamabad beträgt nach der gem. Art. 7 Abs.4 VO (EG) 261/2004 maßgeblichen Großkreisberechnungsmethode 6.646 Kilometer, so dass sich die Anspruchshöhe aus Art. 7 Abs. 1 S.1 lit.c) VO (EG) 261/2004 ergibt und 600,00 € beträgt.

2. Die Verurteilung zur Zahlung der Zinsen gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

Gründe

II.

Betreffend die zusätzlich erhobene Nebenforderung war die Klage unbegründet. Dem Kläger steht kein Freistellungsanspruch betreffend die Honoraransprüche seiner Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit aus §§ 280 Abs.1, Abs.2, 286, 249 Abs.1 BGB zu. Insoweit war die Klage abzuweisen. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der außergerichtlichen Beitreibung der Ausgleichsforderung erfolgte zwar erst nach Verzugseintritt und stellt grundsätzlich eine Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dar, die im Regelfall dem adäquaten Kausalverlauf entspricht und nicht gegen § 254 BGB verstößt, vgl. Palandt-Grüneberg, 73.Auflage 2014, § 286 Rn. 45. Vorliegend ist aber zu sehen, dass der Kläger vor der Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten bereits die ... mit der außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung beauftragt hatte. Die ... ist gerichtsbekannt ein professionelles, auf Erfolgshonorarbasis agierendes Inkassounternehmen, das sich auf die Geltendmachung von Ansprüchen nach der europäischen Fluggastrechteverordnung spezialisiert hat. Die ... ermöglicht es nach ihren eigenen Angaben, unterstützt durch Reiserechtsexperten, Fluggästen, Ihre nach europäischem Recht zugewiesenen Entschädigungsansprüche auf Augenhöhe gegenüber den Fluggesellschaften durchzusetzen. Es ist vor diesem Hintergrund für das Gericht nicht nachvollziehbar, weshalb nach einem erfolglosen Mahnschreiben der ... zusätzlich noch ein Anwalt mit der außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung beauftragt wurde, zumal das anwaltliche Mahnschreiben gegenüber der Erstmahnung keinerlei substanziellen Mehrwert aufweist und in rechtlicher Hinsicht lediglich pauschal auf die gängige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof verweist. Das anwaltliche Mahnschreiben, das offenbar auf einem Textbaustein-Formular basiert, enthält gegenüber dem Schreiben der ... keinerlei zusätzliche juristische Argumentation. Unter diesen Umständen stellte die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur weiteren außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung zur Überzeugung des Gerichts keine Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung mehr dar, sondern verstieß gegen die Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs.2 BGB. Der Kläger wäre unter den gegebenen Umständen gehalten gewesen, nach der erfolglosen Mahnung der ... sogleich einen unbedingten Klageauftrag zu erteilen. Angesichts der gerichtsbekannten Vielzahl an Fällen, in welchen Ausgleichsansprüche nach der VO (EG) 261/2004 von den Luftfahrtunternehmen auch nach einer anwaltlichen Zahlungsaufforderung außergerichtlich nicht erfüllt werden, kann gerade auch keine solche hohe Steigerung der Erfolgsaussichten durch die außergerichtliche Einschaltung eines Anwalts angenommen werden, die auch unter den gegebenen Umstände noch eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung begründen könnte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 S.1 ZPO.

Im Rahmen der Kostenentscheidung war das Unterliegen des Klägers betreffend die Nebenforderung zu berücksichtigten. § 92 Abs.2 N.1 ZPO konnte nicht zur Anwendung gelangen, weil das Unterliegen verhältnismäßig mehr als geringfügig war.

IV.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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Annotations

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

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(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.