Verkehrsunfall im EU-Ausland: Gerichtliche Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen in Deutschland bei Auslandsunfall innerhalb der EU
published on 03/01/2012 16:10
Verkehrsunfall im EU-Ausland: Gerichtliche Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen in Deutschland bei Auslandsunfall innerhalb der EU
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Der Bereich der Schadensregulierung im europäischen Raum hat nicht zuletzt durch die Rom II-Verordnung (VO Nr. 864/2007) und die 4. und 5. Kraftfahrthaftpflicht – Richtlinie (RL -2000/26/EG, 2005/14/EG) viele Neuerungen erfahren. Die steigende Anzahl von Fällen und die verbesserten Möglichkeiten zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen machen diese daher für die Regulierungs- und Rechtspraxis zu einem wichtigen Instrument. Auch für Fußgänger, Radfahrer oder sonstige Verkehrsteilnehmer gibt es eine Deckung der Schäden in diesen Fällen.
Diese Ausführungen befassen sich mit dem Auslandsunfall aus Sicht des Geschädigten, wobei die Vorschriften auch Anwendung auf Unfälle im Inland mit Ausländerbeteiligung finden können.
Neben der Auswahl des zweckmäßigen Verfahrens, der gerichtlichen Zuständigkeit und der Frage, welches nationale Recht anzuwenden ist, sind aber auch die außergerichtlichen Möglichkeiten der Schadensregulierung hervorzuheben. Es sollen beide Wege kurz dargestellt und erläutert werden.
Ein Verkehrsunfall im Ausland unterliegt in der Regel dem dortigen nationalen Recht. Dies hat grundsätzlich Geltung für Sach- und Personenschäden. Anwendbar ist gemäß Art. 4 Absatz 1 VO 864/2007 grundsätzlich das Schadensersatzrecht des jeweiligen Unfalllandes.
Seit dem 1. Januar 2003 gilt die 4. Kraftfahrthaftpflicht – Richtlinie (ergänzt durch die 5. Kraftfahrthaftpflicht - Richtlinie), die eine Schadensabwicklung zwischen Unfallbeteiligten aus der Europäischen Union wesentlich vereinfacht. Zu diesem Zweck sind im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum nationale Entschädigungsstellen eingerichtet worden . D.h. jeder Versicherer in Europa muss in jedem Mitgliedsland Schadensregulierungsbeauftragte benennen. Im Schadensfall bedeutet das, dass sich der Geschädigte an den Schadensbeauftragten der ausländischen Kfz-Haftpflichtversicherung in Deutschland wenden kann.
Wer das ist, erfährt der Geschädigte von der nationalen Auskunftsstelle, in Deutschland dem Zentralruf der Autoversicherer. Dazu benötigt man neben eigenen Angaben auch das amtliche Kennzeichen des gegnerischen Fahrzeugs mit Länderkennung. Darüber kann die gegnerische Haftpflichtversicherung und Vertragsnummer für den Schadensbeauftragten ermittelt werden. Selbst mit diesem vereinfachten Verfahren gehen jedoch Vorschriften einher, die zu beachten sind.
So darf die Bearbeitungszeit eines Unfallschadens durch den Regulierungsbeauftragten drei Monate nicht überschreiten. Reagiert er in dieser Zeit nicht oder nicht angemessen, kann sich der Geschädigte stattdessen an die nationale Entschädigungsstelle - in Deutschland der Verein Verkehrsopferhilfe - wenden. Die nationale Entschädigungsstelle ist auch zuständig, wenn der ausländische Versicherer (noch) keinen Schadenregulierungsbeauftragten benannt hat oder sich Versicherer, Kfz oder Anhänger nicht innerhalb von zwei Monaten seit Unfallereignis ermitteln lassen (vgl. §§ 12a, 13a Pflichtversicherungsgesetz). Unterbleibt die Schadensregulierung oder erfolgt diese unvollständig, verbleibt nur der Klageweg.
Im Wege der gerichtlichen Geltendmachung ist es dem Geschädigten vorbehalten zu entscheiden, ob er die Verfolgung seiner Ansprüche auch in seinem eigenen Wohnsitzstaat betreiben möchte oder ob er diese bei der gegnerischen Versicherung im Ausland verfolgt. Dies kann im Einzelfall vorteilhaft sein.
Grundsätzlich gilt für die Rechtsverfolgung über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinaus:
Actor sequitur forum rei – „Der Kläger folgt dem Gerichtsort des Beklagten“ (vgl. § 12, 13 ZPO).
Die europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) lässt dahingehend Ausnahmen zu. Unter anderem besagt Art. 5 Nr.3 EuGVVO, dass Ansprüche klageweise auch bei dem Gericht an dem Ort des „schädigenden Ereignisses“ erhoben werden können.
Damit ist gemeint, der Ort, an dem die schädigenden Auswirkungen des haftungsauslösenden Ereignisses zu Lasten des Betroffenen eintreten (EuGH, Rs. C-68/93). Dies können zum Beispiel notwendige Behandlungsmaßnahmen in einem dt. Krankenhaus, bzw. andere entstehenden Kosten am Wohnsitz des Geschädigten sein.
Nach Urteilen des EuGH (C-463/06) und des BGH (IX ZB 144/07) steht auch für deutsche Gerichte fest, dass die internationale Zuständigkeit für Direktklagen eines Geschädigten aus Deutschland gegen einen Kfz-Haftpflichtversicherer aus einem anderen EU-Mitgliedstaat gegeben ist.
Dem Kläger kommt insoweit ein freies Wahlrecht für den Gerichtsstand zu:
Es ist daher wichtig zwischen diesen Möglichkeiten genau abzuwägen. Allein die Zustellung der Klageschrift kann dabei schon umstritten sein (vgl. BGH, VI ZR 48/10).
Welches nationale Recht dann bei dem Gericht zur materiell-rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes herangezogen wird, ist in einem Stufensystem geregelt. So können die Parteien selbst über das dem Rechtsstreit zugrundeliegende nationale Recht bestimmen. Haben Unfallverursacher und Geschädigter ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in dem gleichen Land, bestimmt sich wiederum daran das nationale Recht. Liegt keine Rechtswahl oder ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthaltsort vor, sind zumeist Beratung oder genauere Kenntnisse des ausländischen Zivilrechts unerlässlich.
Verklagt zum Beispiel eine deutsche Fußgängerin, die durch einen italienischen Autofahrer in Italien geschädigt wurde, den Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers an ihrem Wohnsitz in Deutschland, ist - ohne spezielle Vereinbarungen - das materielle Recht des Unfalllandes anzuwenden.
Wichtig ist daher, den genauen Umfang des sachlichen Geltungsbereich des anzuwendenden nationalen Rechts zu kennen, da die deutschen Gerichte eher noch selten mit ausländischem Unfallrecht zu tun haben. So ist das anzuwendende Recht für den Umfang der Haftung, Haftungsausschlussgründen oder der Verjährung ausschlaggebend. Vor allem sind aber die Art und Bemessung des Schadens/Schmerzensgeld bedeutend. Gerade bei dem Ersatz von Körperschäden werden im Ausland oft zum Teil höhere Schmerzensgelder bezahlt. Wogegen der Ausgleich von Reparaturkosten in Deutschland öfter höher bewertet wird.
Die „neuen“ Vorschriften sind vor allem dazu da, dem Geschädigten als generell schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften, die für ihn günstiger sind, entgegen zu kommen und unmittelbare Klagen gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer möglich zu machen.
Die Regulierungsmöglichkeiten und die gerichtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen wurden somit erheblich verbessert. Sie stellen aber gleichfalls höhere Anforderungen an die Auswahl der zweckmäßigsten Vorgehensweise und erfordern daher Überblick, Kenntnisse wenn nicht Beratung.
Im Regelfall ist hierzu die Beauftragung eines Anwaltes notwendig.
Diese Ausführungen befassen sich mit dem Auslandsunfall aus Sicht des Geschädigten, wobei die Vorschriften auch Anwendung auf Unfälle im Inland mit Ausländerbeteiligung finden können.
Neben der Auswahl des zweckmäßigen Verfahrens, der gerichtlichen Zuständigkeit und der Frage, welches nationale Recht anzuwenden ist, sind aber auch die außergerichtlichen Möglichkeiten der Schadensregulierung hervorzuheben. Es sollen beide Wege kurz dargestellt und erläutert werden.
Ein Verkehrsunfall im Ausland unterliegt in der Regel dem dortigen nationalen Recht. Dies hat grundsätzlich Geltung für Sach- und Personenschäden. Anwendbar ist gemäß Art. 4 Absatz 1 VO 864/2007 grundsätzlich das Schadensersatzrecht des jeweiligen Unfalllandes.
Seit dem 1. Januar 2003 gilt die 4. Kraftfahrthaftpflicht – Richtlinie (ergänzt durch die 5. Kraftfahrthaftpflicht - Richtlinie), die eine Schadensabwicklung zwischen Unfallbeteiligten aus der Europäischen Union wesentlich vereinfacht. Zu diesem Zweck sind im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum nationale Entschädigungsstellen eingerichtet worden . D.h. jeder Versicherer in Europa muss in jedem Mitgliedsland Schadensregulierungsbeauftragte benennen. Im Schadensfall bedeutet das, dass sich der Geschädigte an den Schadensbeauftragten der ausländischen Kfz-Haftpflichtversicherung in Deutschland wenden kann.
Wer das ist, erfährt der Geschädigte von der nationalen Auskunftsstelle, in Deutschland dem Zentralruf der Autoversicherer. Dazu benötigt man neben eigenen Angaben auch das amtliche Kennzeichen des gegnerischen Fahrzeugs mit Länderkennung. Darüber kann die gegnerische Haftpflichtversicherung und Vertragsnummer für den Schadensbeauftragten ermittelt werden. Selbst mit diesem vereinfachten Verfahren gehen jedoch Vorschriften einher, die zu beachten sind.
So darf die Bearbeitungszeit eines Unfallschadens durch den Regulierungsbeauftragten drei Monate nicht überschreiten. Reagiert er in dieser Zeit nicht oder nicht angemessen, kann sich der Geschädigte stattdessen an die nationale Entschädigungsstelle - in Deutschland der Verein Verkehrsopferhilfe - wenden. Die nationale Entschädigungsstelle ist auch zuständig, wenn der ausländische Versicherer (noch) keinen Schadenregulierungsbeauftragten benannt hat oder sich Versicherer, Kfz oder Anhänger nicht innerhalb von zwei Monaten seit Unfallereignis ermitteln lassen (vgl. §§ 12a, 13a Pflichtversicherungsgesetz). Unterbleibt die Schadensregulierung oder erfolgt diese unvollständig, verbleibt nur der Klageweg.
Im Wege der gerichtlichen Geltendmachung ist es dem Geschädigten vorbehalten zu entscheiden, ob er die Verfolgung seiner Ansprüche auch in seinem eigenen Wohnsitzstaat betreiben möchte oder ob er diese bei der gegnerischen Versicherung im Ausland verfolgt. Dies kann im Einzelfall vorteilhaft sein.
Grundsätzlich gilt für die Rechtsverfolgung über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinaus:
Actor sequitur forum rei – „Der Kläger folgt dem Gerichtsort des Beklagten“ (vgl. § 12, 13 ZPO).
Die europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) lässt dahingehend Ausnahmen zu. Unter anderem besagt Art. 5 Nr.3 EuGVVO, dass Ansprüche klageweise auch bei dem Gericht an dem Ort des „schädigenden Ereignisses“ erhoben werden können.
Damit ist gemeint, der Ort, an dem die schädigenden Auswirkungen des haftungsauslösenden Ereignisses zu Lasten des Betroffenen eintreten (EuGH, Rs. C-68/93). Dies können zum Beispiel notwendige Behandlungsmaßnahmen in einem dt. Krankenhaus, bzw. andere entstehenden Kosten am Wohnsitz des Geschädigten sein.
Nach Urteilen des EuGH (C-463/06) und des BGH (IX ZB 144/07) steht auch für deutsche Gerichte fest, dass die internationale Zuständigkeit für Direktklagen eines Geschädigten aus Deutschland gegen einen Kfz-Haftpflichtversicherer aus einem anderen EU-Mitgliedstaat gegeben ist.
Dem Kläger kommt insoweit ein freies Wahlrecht für den Gerichtsstand zu:
- am Wohnort des Geschädigten (Art. 11 Abs. 2, 9 Abs. 1 lit. B EuGVVO)
- im Unfallland selber (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO)
- Sitz der Kfz-Haftpflichtversicherung des ausländischen Unfallverursachers (Art. 2, Art. 9 Abs. 1 lit. A EuGVVO)
Es ist daher wichtig zwischen diesen Möglichkeiten genau abzuwägen. Allein die Zustellung der Klageschrift kann dabei schon umstritten sein (vgl. BGH, VI ZR 48/10).
Welches nationale Recht dann bei dem Gericht zur materiell-rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes herangezogen wird, ist in einem Stufensystem geregelt. So können die Parteien selbst über das dem Rechtsstreit zugrundeliegende nationale Recht bestimmen. Haben Unfallverursacher und Geschädigter ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in dem gleichen Land, bestimmt sich wiederum daran das nationale Recht. Liegt keine Rechtswahl oder ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthaltsort vor, sind zumeist Beratung oder genauere Kenntnisse des ausländischen Zivilrechts unerlässlich.
Verklagt zum Beispiel eine deutsche Fußgängerin, die durch einen italienischen Autofahrer in Italien geschädigt wurde, den Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers an ihrem Wohnsitz in Deutschland, ist - ohne spezielle Vereinbarungen - das materielle Recht des Unfalllandes anzuwenden.
Wichtig ist daher, den genauen Umfang des sachlichen Geltungsbereich des anzuwendenden nationalen Rechts zu kennen, da die deutschen Gerichte eher noch selten mit ausländischem Unfallrecht zu tun haben. So ist das anzuwendende Recht für den Umfang der Haftung, Haftungsausschlussgründen oder der Verjährung ausschlaggebend. Vor allem sind aber die Art und Bemessung des Schadens/Schmerzensgeld bedeutend. Gerade bei dem Ersatz von Körperschäden werden im Ausland oft zum Teil höhere Schmerzensgelder bezahlt. Wogegen der Ausgleich von Reparaturkosten in Deutschland öfter höher bewertet wird.
Die „neuen“ Vorschriften sind vor allem dazu da, dem Geschädigten als generell schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften, die für ihn günstiger sind, entgegen zu kommen und unmittelbare Klagen gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer möglich zu machen.
Die Regulierungsmöglichkeiten und die gerichtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen wurden somit erheblich verbessert. Sie stellen aber gleichfalls höhere Anforderungen an die Auswahl der zweckmäßigsten Vorgehensweise und erfordern daher Überblick, Kenntnisse wenn nicht Beratung.
Im Regelfall ist hierzu die Beauftragung eines Anwaltes notwendig.
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Das Gericht, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, ist für alle gegen sie zu erhebenden Klagen zuständig, sofern nicht für eine Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist.
Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird durch den Wohnsitz bestimmt.
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