Trabrennbahn-Urteil: Schweizer AG ist als in Deutschland rechtsfähige Personengesellschaft zu behandeln
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit drei Aktionären, von denen einer den Verwaltungsrat bildet. Sie verlangt von der Beklagten aufgrund einer Mietvertragskündigung Herausgabe eines Grundstücks und Zahlung der Miete und Erstattung von Anwaltskosten i.H.v. zusammen 42.194,95 €. Die Parteien streiten über die Rechts- und Parteifähigkeit der Klägerin sowie über die Fragen, ob zwischen ihnen ein Mietvertrag bestanden hat und ob er ggf. wirksam gekündigt worden ist.
Das streitige Grundstück ist Teil eines größeren Geländes, an dem die Stadt G. dem Trabrennverein G. e.V. ein Erbbaurecht bestellt hatte. Dieser hatte mit der Beklagten im Jahre 1978 - mit Neufassung in 1996 - einen "Pachtvertrag" über eine Teilfläche zum Zwecke der Veranstaltung von Trödelmärkten geschlossen. Am 3. Juni 2002 wurde über das Vermögen des Trabrennvereins das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter schloss mit dem G. Rennverein (im Folgenden: GR) über das Gelände zwei Pachtverträge, denen zufolge auch die zu dem Geschäftsbetrieb gehörenden Verträge auf den GR übergehen sollten, soweit sie in einer Anlage aufgeführt waren. Der Mietvertrag mit der Beklagten war in der Anlage nicht aufgeführt. Gleichwohl vertraten sowohl der Insolvenzverwalter als auch der GR in der Folgezeit gegenüber der Beklagten die Auffassung, der mit ihr bestehende Mietvertrag sei auf den GR übergegangen. Die Beklagte stellte das in Abrede.
Mit Vertrag vom 16. Juli 2004 veräußerte der Insolvenzverwalter das Erbbaurecht an die Klägerin. Nachdem die Stadt dieser Veräußerung zugestimmt hatte - ob ordnungsgemäß vertreten, ist streitig -, wurde der Rechtsübergang am 24. September 2004 im Grundbuch eingetragen.
Offenbar um den Übergang des Mietvertrages auf die Klägerin zu verhindern, vereinbarte die Beklagte am 23. August 2004 mit dem GR - im Gegensatz zu ihrem bis dahin vertretenen Standpunkt - einen Nachtrag zu dem "Pachtvertrag" aus 1996 und schloss vorsorglich einen eigenständigen "Unterpachtvertrag" mit dem GR. Dementsprechend zahlte sie die Miete nicht an die Klägerin, sondern an den GR.
Gestützt auf das Sonderkündigungsrecht aus § 111 InsO erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 29. September 2004 die Kündigung des Mietvertrages. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2004 erklärte sie die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 19.928,12 € - das ist die Miete für die Zeit ab dem 1. November 2004 nebst MwSt - verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung beider Parteien hat das Oberlandesgericht den Verurteilungsbetrag auf 17.179,41 € - das ist der Nettobetrag - vermindert und die weitergehenden Rechtsmittel zurückgewiesen (OLG Hamm ZIP 2006, 1822). Dabei hat es die Revision zugelassen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, soweit es um die Frage der Anwendbarkeit der Gründungstheorie auf die Schweiz gehe.
Beide Parteien haben Revision eingelegt, die Klägerin hilfsweise auch Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe:
Im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz findet die sog. Gründungstheorie nach geltendem Recht keine Anwendung.
Es bestehen - anders als etwa im Verhältnis zu den Staaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) - keine völkerrechtlichen Verträge, nach denen eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Verwaltungssitz in Deutschland nach dem Recht ihres Gründungsstaates zu behandeln ist.
Die Schweiz ist zwar Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), nicht aber auch Partei des von den übrigen EFTA-Staaten mit der Europäischen Union geschlossenen EWR-Abkommens. Deshalb sind die Regeln über die Niederlassungsfreiheit in Art. 31, 24 des EWR-Abkommens auf schweizerische Gesellschaften ebenso wenig anwendbar wie diejenigen der Art. 43, 48 EG-Vertrag.
Auch aus dem "Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit" vom 21. Juni 1999 (ABl. EG Nr. L 114 v. 30. April 2002, S. 6 ff.) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dieses Abkommen begründet für die Angehörigen der Vertragsstaaten Dienstleistungsfreiheit in dem jeweiligen anderen Vertragsstaat für die Dauer von 90 Arbeitstagen. Daraus ergibt sich keine - zeitlich begrenzte - Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften, denn die Gesellschaften können von der Dienstleistungsfreiheit auch ohne Verlegung ihres Verwaltungssitzes Gebrauch machen. Im Übrigen hat die Klägerin ihren Verwaltungssitz nach dem als richtig zu unterstellenden Vortrag der Beklagten dauerhaft in Deutschland.
Eine Pflicht zur Anerkennung schweizerischer Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland lässt sich auch nicht aus dem Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS, BGBl 1994 II S. 1643) herleiten. Dieses Übereinkommen, das allein eine Förderung des Handels mit Dienstleistungen bezweckt, richtet sich nur an die Mitgliedstaaten und begründet keine subjektiven Rechte der Angehörigen dieser Staaten. Eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des nationalen Rechts im Sinne einer Gewährleistung auch der Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften scheitert bereits daran, dass das Übereinkommen international nicht so verstanden wird.
Auch aus Art. 6 Abs. 1, Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 des ersten Zusatzprotokolls ergibt sich keine Pflicht Deutschlands, schweizerische Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland als rechtsfähig anzuerkennen. Danach genießen juristische Personen zwar Grundrechtsschutz nach der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser Schutz gilt aber nur für diejenigen juristischen Personen, die nach dem jeweiligen Kollisionsrecht anerkannt sind. Welche Regeln für die Anerkennung maßgebend sind, wird von der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vorgegeben, sondern den nationalen Rechtsordnungen überlassen.
Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in den Entscheidungen "Centros", "Überseering" und "Inspire Art" hat sich der Bundesgerichtshof für diejenigen Auslandsgesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des EWR oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrages in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden sind, der sog. Gründungstheorie angeschlossen (BGHZ 154, 185; 164, 148; BGH, Urt. v. 14. März 2005 - II ZR 5/03, ZIP 2005, 805). Danach ist die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats zu beurteilen. Die Rechtsfähigkeit von Gesellschaften, die in einem "Drittstaat" gegründet worden sind, der weder der Europäischen Union angehört noch aufgrund von Verträgen hinsichtlich der Niederlassung gleichgestellt ist, hat die Rechtsprechung dagegen weiter nach der Sitztheorie beurteilt, wonach für die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft das Recht des Sitzstaates maßgeblich ist (BGHZ 153, 353, 355; Bay-ObLG DB 2003, 819; OLG Hamburg ZIP 2007, 1108; offen gelassen von BGH, Urt. v. 2. Dezember 2004 - III ZR 358/03).
Ob diese Beurteilung bezüglich der Gesellschaften aus Drittstaaten nach wie vor richtig ist, kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung offen gelassen werden, jedenfalls im Verhältnis zur Schweiz sei von der Gründungstheorie auszugehen. Auch wenn die Schweiz ihre Rechtsordnung dem Recht der EU-Mitgliedstaaten stark angeglichen haben mag, ist sie nicht Mitglied der Europäischen Union und hat auch das EWR-Abkommen nicht ratifiziert. Das ist eine bewusste Entscheidung gegen die dort für die EWR-Mitgliedstaaten eröffnete europäische Niederlassungsfreiheit, die von den deutschen Gerichten nicht unbeachtet gelassen werden kann. Eine nur für die Schweiz geltende Ausnahme von den allgemeinen Regeln des deutschen internationalen Privatrechts kommt zudem aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht. Auch bei anderen Staaten müsste dann jeweils geprüft werden, ob ihre Rechtsordnung so weit den europäischen Standards angeglichen wäre, dass man sie wie einen EU-Mitgliedstaat behandeln könnte. Bezüglich der Schweiz gelten daher die allgemeinen Regeln für die Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften, auf die nicht die Grundsätze der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit anwendbar sind.
Nach diesen allgemeinen Regeln des deutschen Privatrechts ist die Rechtsfähigkeit einer in der Schweiz gegründeten Gesellschaft nach dem Recht des Ortes zu beurteilen, an dem sie ihren Verwaltungssitz hat (BGHZ 97, 269, 271). Eine in der Schweiz gegründete Aktiengesellschaft ist also nur dann in Deutschland rechtsfähig, wenn sie im deutschen Handelsregister eingetragen ist, was eine Neugründung voraussetzt. Der Senat sieht keinen Anlass, diese Rechtsprechung grundsätzlich aufzugeben. Allerdings herrscht im Schrifttum Streit über die Frage, ob der Übergang von der "Gründungstheorie" zur "Sitztheorie" für Gesellschaften unter dem Regime der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit einen ebensolchen Schritt für Gesellschaften aus Drittstaaten rechtfertigt oder gar erfordert. Die dies befürwortenden Autoren berufen sich zur Begründung ihrer Meinung vor allem auf die Einheit des deutschen Kollisionsrechts und den durch die "Gründungstheorie" ausgelösten Wettbewerb der internationalen Gesellschaftsformen. Die Gegenmeinung sieht die Gründe für die ursprünglich umfassende Geltung der "Sitztheorie" - Schutz der Gläubiger und Minderheitsgesellschafter nach deutschen Standards, Verhinderung einer Flucht in Gesellschaftsrechte mit den geringsten Anforderungen ("race to the bottom") - im Verhältnis zu den Drittstaaten als nach wie vor gegeben an und will deshalb ein "gespaltenes" Kollisionsrecht in Kauf nehmen.
Der Gesetzgeber hat dazu bisher noch keine Regelung getroffen. Insbesondere enthält § 4 a GmbHG idF des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Verhinderung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl I S. 2026) keine Regelung über die Anerkennung ausländischer Gesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland. Wohl hat der Gesetzgeber - einer Empfehlung des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht folgend - am 14. Dezember 2007 einen Referentenentwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vorgelegt. Darin schlägt er vor, die "Gründungstheorie" im deutschen Recht zu kodifizieren (Art. 10 EGBGB-E). Dieses Gesetzgebungsvorhaben ist indes noch nicht abgeschlossen. Gegen die generelle Geltung der "Gründungstheorie" sind im politischen Meinungsbildungsprozess Bedenken geäußert worden. Angesichts dessen ist es schon vom Ansatz her nicht Sache des Senats, der Willensbildung des Gesetzgebers vorzugreifen und die bisherige Rechtsprechung zu ändern. Ein Bedürfnis für eine solche Entscheidung ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ersichtlich, weil die Klägerin nicht daran gehindert wird, ihre Rechte vor deutschen Gerichten geltend zu machen.
Zwar ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Verwaltungssitz im Inland nicht als Aktiengesellschaft rechtsfähig. Sie ist aber nach der Rechtsprechung des Senats als rechtsfähige Personengesellschaft deutschen Rechts zu behandeln, nämlich als offene Handelsgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die keiner Eintragung in ein deutsches Register bedürfen. Wenn diese Gesellschaft in Deutschland am Geschäftsverkehr teilnimmt, wäre es nicht hinnehmbar, ihr nicht die Möglichkeit zu geben, Rechte zu begründen und klageweise geltend zu machen. Als Kehrseite davon haften die Gesellschafter zwar persönlich und unbeschränkt für die Gesellschaftsverbindlichkeiten. Die Rechtsfolgen dieser Haftung zu regeln, ist aber eine Frage des Innenrechts der betreffenden Gesellschaften. Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Rechtsprechung nicht auf Gesellschaften mit Satzungssitz auf der Insel Jersey oder in ähnlichen zur Europäischen Union gehörenden Gebieten mit einem Sonderstatus beschränkt.
Die Klägerin kann von der Beklagten weder Zahlung von Miete, noch Herausgabe des Grundstücks verlangen. Ebenso wenig steht ihr ein Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten zu. Sie hat das Erbbaurecht, aus dem sich diese Ansprüche allein ergeben könnten, nicht erworben, weil die hierfür erforderliche Zustimmungserklärung der Stadt G. von einem dazu nicht wirksam bevollmächtigten Beamten abgegeben worden ist.
Zum Erwerb des Erbbaurechts bedurfte es zunächst gemäß § 873 BGB i.V.m. § 11 Abs. 1 ErbbauRG einer Einigung und einer Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Darüber hinaus ist in § 7 des zwischen der Stadt G. und dem Trabrennverein G. e.V. geschlossenen Erbbaurechtsvertrages vom 29. Dezember 1978 vereinbart, dass jede Veräußerung des Erbbaurechts der schriftlichen Zustimmung der Stadt bedarf. Dieses Zustimmungserfordernis ist im Erbbau-Grundbuch eingetragen, wie sich der von der Klägerin vorgelegten Kopie des Grundbuchauszugs entnehmen lässt. Damit hängt die Wirksamkeit der Rechtsübertragung gemäß §§ 5 f. ErbbauRG von der Zustimmung ab. Fehlt die Zustimmung, sind sowohl das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft (schwebend) unwirksam.
Die Zustimmungserklärung, die der Stadtkämmerer in Vertretung des Oberbürgermeisters der Stadt G. unter dem 28. Juli 2004 abgegeben hat, ist - wie die Revision zu Recht geltend macht und was der Senat gemäß § 545 Abs. 1 ZPO nachprüfen kann - gemäß § 164 Abs. 1 BGB unwirksam. Der Stadtkämmerer hatte keine wirksame Vollmacht zur Vertretung der Stadt.
Nach § 64 Abs. 1 GO NW sind Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, in Schriftform abzugeben und von dem Bürgermeister oder seinem Stellvertreter und einem vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten zu unterzeichnen. Darin liegt die Anordnung einer Gesamtvertretung (BGH, Urt. v. 4. Dezember 1981 - V ZR 241/80; v. 15. April 1998 - VIII ZR 129/97). Der Unterschrift dieser zwei Personen bedarf es nach § 64 Abs. 2 und 3 GO NW nur dann nicht, wenn ein Geschäft der laufenden Verwaltung betroffen ist oder wenn ein für ein bestimmtes Geschäft oder einen Kreis von Geschäften ausdrücklich Bevollmächtigter die Erklärung abgibt. Eine derartige Vollmacht ist allerdings nur wirksam, wenn sie nicht so weit gefasst ist, dass damit die Vorschriften über die Gesamtvertretung unterlaufen werden (vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai 1997 - KZR 43/95, ZIP 1997, 2166, 2168). Die Gesamtvertretung dient dem Schutz des Vertretenen. Sie kann deshalb von den Vertretern nicht geändert werden. Ihnen ist es auch versagt, eine Einzelvollmacht zu erteilen, die so weit geht, dass sie einer Alleinvertretung gleichkommt (Sen.Urt. v. 25. November 1985 - II ZR 115/85, ZIP 1986, 501, 503).
Die Erklärung, dass der Veräußerung des Erbbaurechts zugestimmt werde, war eine Verpflichtungserklärung i.S. des § 64 Abs. 1 GO NW. Dadurch sollte die Gemeinde verpflichtet werden, das Grundstück von nun an dem Erwerber des Erbbaurechts - der Klägerin - zu überlassen. Das ist schon deshalb eine bedeutsame Rechtsänderung, weil gemäß § 33 ErbbauRG beim Heimfall (§ 2 Nr. 4 ErbbauRG) die von dem Erbbauberechtigten bewilligten Grundpfandrechte im Wesentlichen bestehen bleiben, die Person des Erbbauberechtigten für den Grundstückseigentümer also von erheblicher Bedeutung ist.
Die Erklärung betraf kein Geschäft der laufenden Verwaltung. Unter Geschäften der laufenden Verwaltung sind Geschäfte zu verstehen, die in mehr oder weniger regelmäßiger Wiederkehr vorkommen und nach Größe, Umfang der Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der beteiligten Gemeinde von sachlich weniger erheblicher Bedeutung sind (BGHZ 92, 164, 173; Urt. v. 6. Mai 1997 aaO S. 2167). Schon das erste Merkmal, die regelmäßige Wiederkehr, ist hier nicht erfüllt.
Eine damit nach § 64 Abs. 3 GO NW erforderliche Vollmacht ist dem Stadtkämmerer nicht wirksam erteilt worden. Nach dem Inhalt der Vollmachtsurkunde vom 30. Juni 2004 sollte der Kämmerer berechtigt sein, die Stadt "in allen Grundstücksangelegenheiten" zu vertreten. Damit betraf die Vollmacht einen wesentlichen Bereich der Geschäfte, für die nach § 64 Abs. 1 GO NW eine Gesamtvertretung angeordnet ist. Da die Geschäfte der laufenden Verwaltung davon ohnehin ausgenommen sind, sind es gerade die Grundstücksgeschäfte, die von der Gesamtvertretung erfasst werden. Für sie ist ein besonderer Schutz der Gemeinde angezeigt. Wenn für diesen Bereich eine umfassende Einzelvollmacht erteilt werden könnte, würde damit der von § 64 Abs. 1 GO NW bezweckte Schutz der Gemeinde unterlaufen. Die gesetzlich angeordnete Gesamtvertretung wäre dann für einen wichtigen Geschäftsbereich in eine Alleinvertretungsmacht umgewandelt. Das würde gegen den Zweck des § 64 GO NW verstoßen.
Die von dem Stadtkämmerer als Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebene Erklärung ist von der Stadt nicht genehmigt worden. Dabei kann offen bleiben, ob die Zustimmung als einseitiges Rechtsgeschäft nach § 180 Abs. 2 BGB überhaupt genehmigungsfähig ist. Denn jedenfalls hätte die Stadt auch eine erneute und wirksame Zustimmungserklärung zu der Übertragung des Erbbaurechts abgeben können (vgl. BGHZ 33, 76, 85), was jedoch ebenfalls nicht geschehen ist.
Eine Genehmigung oder - erneute - Zustimmungserklärung ist weder ausdrücklich noch konkludent abgegeben worden. Eine konkludente Erklärung liegt insbesondere nicht in dem von dem Oberbürgermeister unterzeichneten Schreiben vom 3. Juni 2005 an die Klägerin. Sie setzt nämlich voraus, dass sich der Erklärende zumindest der Möglichkeit bewusst ist, durch sein Handeln eine schwebend unwirksame Erklärung oder einen schwebend unwirksamen Vertrag zu genehmigen (BGH, Urt. v. 22. Oktober 1996 - XI ZR 249/95; v. 17. Mai 2002 - V ZR 149/01). Dieses Bewusstsein oder auch nur der Zweifel, dass die Erklärung des Stadtkämmerers unwirksam sein könnte, ist dem Schreiben des Oberbürgermeisters nicht zu entnehmen. Darin wird im Hinblick auf die "formalrechtliche Ausfertigung und Unterzeichnung der Zustimmungserklärung" vom 28. Juli 2004 ausgeführt:
"Durch die am 30. Juni 2004 vom damaligen Oberbürgermeister der Stadt G. , Herrn O. W. , und Herrn Stadtrat J. H. unterzeichnete Vollmacht ist Herr Stadtkämmerer R. K. generell bevollmächtigt worden, die Stadt G. in allen Grundstücksangelegenheiten rechtsgeschäftlich zu vertreten …
Durch diese Vollmacht wird die Unterzeichnung der Zustimmungserklärung durch Herrn Stadtkämmerer K. vom 28. Juli 2004 zur Übertragung des Erbbaurechtes in vollem Umfang abgedeckt."
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BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit drei Aktionären, von denen einer den Verwaltungsrat bildet. Sie verlangt von der Beklagten aufgrund einer Mietvertragskündigung Herausgabe eines Grundstücks und Zahlung der Miete und Erstattung von Anwaltskosten i.H.v. zusammen 42.194,95 €. Die Parteien streiten über die Rechts- und Parteifähigkeit der Klägerin sowie über die Fragen, ob zwischen ihnen ein Mietvertrag bestanden hat und ob er ggf. wirksam gekündigt worden ist.
- 2
- Das streitige Grundstück ist Teil eines größeren Geländes, an dem die Stadt G. dem Trabrennverein G. e.V. ein Erbbaurecht bestellt hatte. Dieser hatte mit der Beklagten im Jahre 1978 - mit Neufassung in 1996 - einen "Pachtvertrag" über eine Teilfläche zum Zwecke der Veranstaltung von Trödelmärkten geschlossen. Am 3. Juni 2002 wurde über das Vermögen des Trabrennvereins das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter schloss mit dem G. Rennverein (im Folgenden: GR) über das Gelände zwei Pachtverträge, denen zufolge auch die zu dem Geschäftsbetrieb gehörenden Verträge auf den GR übergehen sollten, soweit sie in einer Anlage aufgeführt waren. Der Mietvertrag mit der Beklagten war in der Anlage nicht aufgeführt. Gleichwohl vertraten sowohl der Insolvenzverwalter als auch der GR in der Folgezeit gegenüber der Beklagten die Auffassung, der mit ihr bestehende Mietvertrag sei auf den GR übergegangen. Die Beklagte stellte das in Abrede.
- 3
- Mit Vertrag vom 16. Juli 2004 veräußerte der Insolvenzverwalter das Erbbaurecht an die Klägerin. Nachdem die Stadt dieser Veräußerung zugestimmt hatte - ob ordnungsgemäß vertreten, ist streitig -, wurde der Rechtsübergang am 24. September 2004 im Grundbuch eingetragen.
- 4
- Offenbar um den Übergang des Mietvertrages auf die Klägerin zu verhindern , vereinbarte die Beklagte am 23. August 2004 mit dem GR - im Gegensatz zu ihrem bis dahin vertretenen Standpunkt - einen Nachtrag zu dem "Pachtvertrag" aus 1996 und schloss vorsorglich einen eigenständigen "Unterpachtvertrag" mit dem GR. Dementsprechend zahlte sie die Miete nicht an die Klägerin, sondern an den GR.
- 5
- Gestützt auf das Sonderkündigungsrecht aus § 111 InsO erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 29. September 2004 die Kündigung des Mietvertrages. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2004 erklärte sie die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges.
- 6
- Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 19.928,12 € - das ist die Miete für die Zeit ab dem 1. November 2004 nebst MwSt - verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung beider Parteien hat das Oberlandesgericht den Verurteilungsbetrag auf 17.179,41 € - das ist der Netto betrag - vermindert und die weitergehenden Rechtsmittel zurückgewiesen (OLG Hamm ZIP 2006, 1822). Dabei hat es die Revision zugelassen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, soweit es um die Frage der Anwendbarkeit der Gründungstheorie auf die Schweiz gehe.
- 7
- Beide Parteien haben Revision eingelegt, die Klägerin hilfsweise auch Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision der Beklagten ist begründet und führt - im Umfang der Beschwer der Beklagten - unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur vollständigen Abweisung der Klage. Auch zugunsten der Klägerin hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen. Eine Beschränkung der Zulassung ergibt sich weder aus dem Tenor des Urteils noch mit hinreichender Sicherheit aus den Gründen. Die Revision der Klägerin bleibt jedoch erfolglos.
- 9
- I. Die Klage ist zulässig. Dabei ist für das Verfahren über die Revision der Beklagten als richtig zu unterstellen, dass die Klägerin - wie die Beklagte behauptet, das Berufungsgericht aber offen gelassen hat - ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat.
- 10
- 1. Die Klägerin ist in Deutschland rechts- und parteifähig.
- 11
- a) Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob die Klägerin ihren Verwaltungssitz in der Schweiz oder in Deutschland habe. In jedem Fall sei sie nach deutschem internationalem Privatrecht rechtsfähig und damit auch parteifähig. Zwar gelte für sie nicht unmittelbar die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit, aus der sich ergebe, dass Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums berechtigt seien, ihren Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, ohne deshalb nach dem Recht des Sitzstaates beurteilt zu werden. Die Schweiz sei aber hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit schweizerischer Gesellschaften wie ein Mitgliedstaat zu behandeln. Ihr Recht sei nämlich - u.a. durch mehrere sektorielle Abkommen - dem Recht der Europäischen Union stark angenähert. Deshalb komme es auf den grundsätzlichen Streit über die Frage, ob die neuere Rechtsprechung zu den EU- und EWR-Gesellschaften auch auf Gesellschaften aus Drittstaaten auszudehnen sei, nicht an. Jedenfalls bezüglich der Schweiz sei es aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit gerechtfertigt, die für EU- und EWRGesellschaften geltenden Grundsätze anzuwenden.
- 12
- b) Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden.
- 13
- Im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz findet die sog. Gründungstheorie nach geltendem Recht keine Anwendung.
- 14
- aa) Es bestehen - anders als etwa im Verhältnis zu den Staaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) - keine völkerrechtlichen Verträge, nach denen eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Verwaltungssitz in Deutschland nach dem Recht ihres Gründungsstaates zu behandeln ist.
- 15
- Die Schweiz ist zwar Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), nicht aber auch Partei des von den übrigen EFTA-Staaten mit der Europäischen Union geschlossenen EWR-Abkommens. Deshalb sind die Regeln über die Niederlassungsfreiheit in Art. 31, 24 des EWR-Abkommens auf schweizerische Gesellschaften ebenso wenig anwendbar wie diejenigen der Art. 43, 48 EG-Vertrag.
- 16
- Auch aus dem "Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit" vom 21. Juni 1999 (ABl. EG Nr. L 114 v. 30. April 2002, S. 6 ff.) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dieses Abkommen begründet für die Angehörigen der Vertragsstaaten Dienstleistungsfreiheit in dem jeweiligen anderen Vertragsstaat für die Dauer von 90 Arbeitstagen. Daraus ergibt sich keine - zeitlich begrenzte - Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften (Jung, NZG 2008, 681, 683, a.A. Beretta, GPR 2006, 95, 96), denn die Gesellschaften können von der Dienstleistungsfreiheit auch ohne Verlegung ihres Verwaltungssitzes Gebrauch machen. Im Übrigen hat die Klägerin ihren Verwaltungssitz nach dem als richtig zu unterstellenden Vortrag der Beklagten dauerhaft in Deutschland.
- 17
- Eine Pflicht zur Anerkennung schweizerischer Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland lässt sich auch nicht aus dem Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS, BGBl 1994 II S. 1643) herleiten (MünchKommBGB/Kindler, 4. Aufl. IntGesR Rdn. 481 f.; a.A. Hoffmann in Anwaltkomm.BGB, Anh. zu § 12 EGBGB Rdn. 146 ff.). Dieses Übereinkommen, das allein eine Förderung des Handels mit Dienstleistungen bezweckt, richtet sich nur an die Mitgliedstaaten und begründet keine subjektiven Rechte der Angehörigen dieser Staaten. Eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des nationalen Rechts (vgl. BVerfG NJW 1982, 507, 510 - Eurocontrol I; NJW 1982, 512, 514 - Eurocontrol II) im Sinne einer Gewährleistung auch der Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften scheitert bereits daran, dass das Übereinkommen international nicht so verstanden wird (Lehmann, RIW 2004, 816 ff.; Jung, NZG 2008, 681, 683).
- 18
- Auch aus Art. 6 Abs. 1, Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 des ersten Zusatzprotokolls ergibt sich keine Pflicht Deutschlands, schweizerische Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland als rechtsfähig anzuerkennen (Großfeld/Boin, JZ 1993, 370 f.; Ebenroth/Auer, JZ 1993, 374 f.; a.A. Meilike, RIW 1992, 578; BB 1995, Beilage 9, S. 8 ff.). Danach genießen juristische Personen zwar Grundrechtsschutz nach der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser Schutz gilt aber nur für diejenigen juristischen Personen , die nach dem jeweiligen Kollisionsrecht anerkannt sind. Welche Regeln für die Anerkennung maßgebend sind, wird von der Europäischen Menschen- rechtskonvention nicht vorgegeben, sondern den nationalen Rechtsordnungen überlassen.
- 19
- bb) Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in den Entscheidungen "Centros", "Überseering" und "Inspire Art" (ZIP 1999, 438; 2002, 2037; 2003, 1885) hat sich der Bundesgerichtshof für diejenigen Auslandsgesellschaften , die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des EWR oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrages in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden sind, der sog. Gründungstheorie angeschlossen (BGHZ 154, 185; 164, 148; BGH, Urt. v. 14. März 2005 - II ZR 5/03, ZIP 2005, 805). Danach ist die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats zu beurteilen. Die Rechtsfähigkeit von Gesellschaften, die in einem "Drittstaat" gegründet worden sind, der weder der Europäischen Union angehört noch aufgrund von Verträgen hinsichtlich der Niederlassung gleichgestellt ist, hat die Rechtsprechung dagegen weiter nach der Sitztheorie beurteilt, wonach für die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft das Recht des Sitzstaates maßgeblich ist (BGHZ 153, 353, 355; BayObLG DB 2003, 819; OLG Hamburg ZIP 2007, 1108; offen gelassen von BGH, Urt. v. 2. Dezember 2004 - III ZR 358/03, Tz. 11, juris, insoweit in BGHZ 161, 224 nicht abgedruckt).
- 20
- Ob diese Beurteilung bezüglich der Gesellschaften aus Drittstaaten nach wie vor richtig ist, kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung offen gelassen werden, jedenfalls im Verhältnis zur Schweiz sei von der Gründungstheorie auszugehen (dagegen auch Wachter, GmbHR 2005, 1484, 1485 und Weller, ZGR 2006, 748, 765). Auch wenn die Schweiz ihre Rechtsordnung dem Recht der EU-Mitgliedstaaten stark angeglichen haben mag, ist sie nicht Mitglied der Europäischen Union und hat auch das EWR-Abkommen nicht ratifiziert. Das ist eine bewusste Entscheidung ge- gen die dort für die EWR-Mitgliedstaaten eröffnete europäische Niederlassungsfreiheit , die von den deutschen Gerichten nicht unbeachtet gelassen werden kann. Eine nur für die Schweiz geltende Ausnahme von den allgemeinen Regeln des deutschen internationalen Privatrechts kommt zudem aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht. Auch bei anderen Staaten müsste dann jeweils geprüft werden, ob ihre Rechtsordnung so weit den europäischen Standards angeglichen wäre, dass man sie wie einen EU-Mitgliedstaat behandeln könnte. Bezüglich der Schweiz gelten daher die allgemeinen Regeln für die Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften, auf die nicht die Grundsätze der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit anwendbar sind.
- 21
- cc) Nach diesen allgemeinen Regeln des deutschen Privatrechts ist die Rechtsfähigkeit einer in der Schweiz gegründeten Gesellschaft nach dem Recht des Ortes zu beurteilen, an dem sie ihren Verwaltungssitz hat (BGHZ 97, 269, 271). Eine in der Schweiz gegründete Aktiengesellschaft ist also nur dann in Deutschland rechtsfähig, wenn sie im deutschen Handelsregister eingetragen ist, was eine Neugründung voraussetzt. Der Senat sieht keinen Anlass, diese Rechtsprechung grundsätzlich aufzugeben. Allerdings herrscht im Schrifttum Streit über die Frage, ob der Übergang von der "Gründungstheorie" zur "Sitztheorie" für Gesellschaften unter dem Regime der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit einen ebensolchen Schritt für Gesellschaften aus Drittstaaten rechtfertigt oder gar erfordert. Die dies befürwortenden Autoren berufen sich zur Begründung ihrer Meinung vor allem auf die Einheit des deutschen Kollisionsrechts und den durch die "Gründungstheorie" ausgelösten Wettbewerb der internationalen Gesellschaftsformen (Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2244; Behrens in Großkomm.z.GmbHG Einl. B Rdn. 36; Rehm in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht 2004, § 2 Rz. 87; Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925, 930; Paefgen, WM 2003, 561, 570). Die Gegenmeinung sieht die Gründe für die ursprünglich umfassende Geltung der "Sitztheorie" - Schutz der Gläubiger und Minderheitsgesellschafter nach deutschen Standards, Verhinderung einer Flucht in Gesellschaftsrechte mit den geringsten Anforderungen ("race to the bottom") - im Verhältnis zu den Drittstaaten als nach wie vor gegeben an und will deshalb ein "gespaltenes" Kollisionsrecht in Kauf nehmen (Hüffer, AktG 7. Aufl. § 1 Rdn. 32 f.; MünchKommBGB /Kindler aaO Rdn. 433; Erman/Hohloch, BGB 12. Aufl., Anh. II Art. 37 EGBGB Rdn. 32; MünchKommAktG/Heider, 2. Aufl. Einl. Rdn. 122 ff.; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 6. Aufl. Rdn. 2284 b; Wiedemann, GesR II § 1 IV 2, 3; Palandt/Heldrich, BGB 67. Aufl. Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdn. 9; Bayer, BB 2003, 2357, 2363 f.; Ebke, JZ 2003, 927, 929 f.; Horn, NJW 2004, 893, 897; Wachter, GmbHR 2005, 1484, 1485; Weller, ZGR 2006, 748, 765).
- 22
- Der Gesetzgeber hat dazu bisher noch keine Regelung getroffen. Insbesondere enthält § 4 a GmbHG idF des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Verhinderung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl I S. 2026) keine Regelung über die Anerkennung ausländischer Gesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland (Kindler, AG 2007, 721, 725 f.). Wohl hat der Gesetzgeber - einer Empfehlung des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht folgend (abgedruckt bei Sonnenberger/Bauer, RIW 2006 Beil. 1 zu Heft 4) - am 14. Dezember 2007 einen Referentenentwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vorgelegt. Darin schlägt er vor, die "Gründungstheorie" im deutschen Recht zu kodifizieren (Art. 10 EGBGB-E). Dieses Gesetzgebungsvorhaben ist indes noch nicht abgeschlossen. Gegen die generelle Geltung der "Gründungstheorie" sind im politischen Meinungsbildungsprozess Bedenken geäußert worden. Angesichts dessen ist es schon vom Ansatz her nicht Sache des Senats, der Willensbildung des Gesetzgebers vorzugreifen und die bisherige Rechtsprechung zu ändern. Ein Bedürfnis für eine solche Entschei- dung ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ersichtlich, weil die Klägerin nicht daran gehindert wird, ihre Rechte vor deutschen Gerichten geltend zu machen.
- 23
- c) Zwar ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Verwaltungssitz im Inland nicht als Aktiengesellschaft rechtsfähig. Sie ist aber nach der Rechtsprechung des Senats als rechtsfähige Personengesellschaft deutschen Rechts zu behandeln, nämlich als offene Handelsgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die keiner Eintragung in ein deutsches Register bedürfen (BGHZ 151, 204; krit. Binz, BB 2005, 2361, 2363 ff.). Wenn diese Gesellschaft in Deutschland am Geschäftsverkehr teilnimmt, wäre es nicht hinnehmbar , ihr nicht die Möglichkeit zu geben, Rechte zu begründen und klageweise geltend zu machen. Als Kehrseite davon haften die Gesellschafter zwar persönlich und unbeschränkt für die Gesellschaftsverbindlichkeiten. Die Rechtsfolgen dieser Haftung zu regeln, ist aber eine Frage des Innenrechts der betreffenden Gesellschaften. Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Rechtsprechung nicht auf Gesellschaften mit Satzungssitz auf der Insel Jersey oder in ähnlichen zur Europäischen Union gehörenden Gebieten mit einem Sonderstatus beschränkt.
- 24
- 2. Die Klägerin ist durch ihren Gesellschafter N. M. ordnungsgemäß vertreten.
- 25
- Die Vertretungsmacht bestimmt sich nach den Vorschriften über die Personengesellschaften deutschen Rechts. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin als offene Handelsgesellschaft oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu behandeln ist. In beiden Fällen ist M. zur (Allein-)Vertretung der Klägerin befugt. Das ergibt sich für die offene Handelsgesellschaft schon aus § 125 Abs. 1 HGB, wonach grundsätzlich jeder Gesellschafter zur (Allein-)Vertretung berechtigt ist (vgl. MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl. § 125 Rdn. 25). Dar- über hinaus ist die Alleinvertretungsmacht des Gesellschafters M. in der Satzung der Klägerin begründet. Darin ist bestimmt, dass M. - als alleiniger Verwaltungsrat - die Klägerin vertritt. Das gilt auch, soweit die Gesellschaft nach deutschem Recht als Personengesellschaft zu beurteilen ist.
- 26
- II. Die somit zulässige Klage ist unbegründet.
- 27
- Die Klägerin kann von der Beklagten weder Zahlung von Miete, noch Herausgabe des Grundstücks verlangen. Ebenso wenig steht ihr ein Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten zu. Sie hat das Erbbaurecht, aus dem sich diese Ansprüche allein ergeben könnten, nicht erworben, weil die hierfür erforderliche Zustimmungserklärung der Stadt G. von einem dazu nicht wirksam bevollmächtigten Beamten abgegeben worden ist.
- 28
- Zum Erwerb des Erbbaurechts bedurfte es zunächst gemäß § 873 BGB i.V.m. § 11 Abs. 1 ErbbauRG einer Einigung und einer Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Darüber hinaus ist in § 7 des zwischen der Stadt G. und dem Trabrennverein G. e.V. geschlossenen Erbbaurechtsvertrages vom 29. Dezember 1978 vereinbart, dass jede Veräußerung des Erbbaurechts der schriftlichen Zustimmung der Stadt bedarf. Dieses Zustimmungserfordernis ist im ErbbauGrundbuch eingetragen, wie sich der von der Klägerin vorgelegten Kopie des Grundbuchauszugs entnehmen lässt. Damit hängt die Wirksamkeit der Rechtsübertragung gemäß §§ 5 f. ErbbauRG von der Zustimmung ab. Fehlt die Zustimmung , sind sowohl das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft (schwebend) unwirksam (MünchKommBGB/von Oefele, 4. Aufl. § 6 ErbbauVO Rdn. 2).
- 29
- 1. Die Zustimmungserklärung, die der Stadtkämmerer in Vertretung des Oberbürgermeisters der Stadt G. unter dem 28. Juli 2004 abgege- ben hat, ist - wie die Revision zu Recht geltend macht und was der Senat gemäß § 545 Abs. 1 ZPO nachprüfen kann - gemäß § 164 Abs. 1 BGB unwirksam. Der Stadtkämmerer hatte keine wirksame Vollmacht zur Vertretung der Stadt.
- 30
- Nach § 64 Abs. 1 GO NW sind Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, in Schriftform abzugeben und von dem Bürgermeister oder seinem Stellvertreter und einem vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten zu unterzeichnen. Darin liegt die Anordnung einer Gesamtvertretung (BGH, Urt. v. 4. Dezember 1981 - V ZR 241/80, NJW 1982, 1036, 1037; v. 15. April 1998 - VIII ZR 129/97, NJW 1998, 3058, 3060). Der Unterschrift dieser zwei Personen bedarf es nach § 64 Abs. 2 und 3 GO NW nur dann nicht, wenn ein Geschäft der laufenden Verwaltung betroffen ist oder wenn ein für ein bestimmtes Geschäft oder einen Kreis von Geschäften ausdrücklich Bevollmächtigter die Erklärung abgibt. Eine derartige Vollmacht ist allerdings nur wirksam, wenn sie nicht so weit gefasst ist, dass damit die Vorschriften über die Gesamtvertretung unterlaufen werden (vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai 1997 - KZR 43/95, ZIP 1997, 2166, 2168). Die Gesamtvertretung dient dem Schutz des Vertretenen. Sie kann deshalb von den Vertretern nicht geändert werden. Ihnen ist es auch versagt, eine Einzelvollmacht zu erteilen, die so weit geht, dass sie einer Alleinvertretung gleichkommt (Sen.Urt. v. 25. November 1985 - II ZR 115/85, ZIP 1986, 501, 503).
- 31
- Die Erklärung, dass der Veräußerung des Erbbaurechts zugestimmt werde , war eine Verpflichtungserklärung i.S. des § 64 Abs. 1 GO NW. Dadurch sollte die Gemeinde verpflichtet werden, das Grundstück von nun an dem Erwerber des Erbbaurechts - der Klägerin - zu überlassen. Das ist schon deshalb eine bedeutsame Rechtsänderung, weil gemäß § 33 ErbbauRG beim Heimfall (§ 2 Nr. 4 ErbbauRG) die von dem Erbbauberechtigten bewilligten Grundpfandrech- te im Wesentlichen bestehen bleiben, die Person des Erbbauberechtigten für den Grundstückseigentümer also von erheblicher Bedeutung ist (MünchKommBGB /von Oefele aaO § 5 Rdn. 1).
- 32
- Die Erklärung betraf kein Geschäft der laufenden Verwaltung. Unter Geschäften der laufenden Verwaltung sind Geschäfte zu verstehen, die in mehr oder weniger regelmäßiger Wiederkehr vorkommen und nach Größe, Umfang der Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der beteiligten Gemeinde von sachlich weniger erheblicher Bedeutung sind (BGHZ 92, 164, 173; Urt. v. 6. Mai 1997 aaO S. 2167). Schon das erste Merkmal, die regelmäßige Wiederkehr, ist hier nicht erfüllt.
- 33
- Eine damit nach § 64 Abs. 3 GO NW erforderliche Vollmacht ist dem Stadtkämmerer nicht wirksam erteilt worden. Nach dem Inhalt der Vollmachtsurkunde vom 30. Juni 2004 sollte der Kämmerer berechtigt sein, die Stadt "in allen Grundstücksangelegenheiten" zu vertreten. Damit betraf die Vollmacht einen wesentlichen Bereich der Geschäfte, für die nach § 64 Abs. 1 GO NW eine Gesamtvertretung angeordnet ist. Da die Geschäfte der laufenden Verwaltung davon ohnehin ausgenommen sind, sind es gerade die Grundstücksgeschäfte , die von der Gesamtvertretung erfasst werden. Für sie ist ein besonderer Schutz der Gemeinde angezeigt. Wenn für diesen Bereich eine umfassende Einzelvollmacht erteilt werden könnte, würde damit der von § 64 Abs. 1 GO NW bezweckte Schutz der Gemeinde unterlaufen. Die gesetzlich angeordnete Gesamtvertretung wäre dann für einen wichtigen Geschäftsbereich in eine Alleinvertretungsmacht umgewandelt. Das würde gegen den Zweck des § 64 GO NW verstoßen.
- 34
- 2. Die von dem Stadtkämmerer als Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebene Erklärung ist von der Stadt nicht genehmigt worden. Dabei kann offen bleiben, ob die Zustimmung als einseitiges Rechtsgeschäft nach § 180 Abs. 2 BGB überhaupt genehmigungsfähig ist. Denn jedenfalls hätte die Stadt auch eine erneute und wirksame Zustimmungserklärung zu der Übertragung des Erbbaurechts abgeben können (vgl. BGHZ 33, 76, 85), was jedoch ebenfalls nicht geschehen ist.
- 35
- Eine Genehmigung oder - erneute - Zustimmungserklärung ist weder ausdrücklich noch konkludent abgegeben worden. Eine konkludente Erklärung liegt insbesondere nicht in dem von dem Oberbürgermeister unterzeichneten Schreiben vom 3. Juni 2005 an die Klägerin. Sie setzt nämlich voraus, dass sich der Erklärende zumindest der Möglichkeit bewusst ist, durch sein Handeln eine schwebend unwirksame Erklärung oder einen schwebend unwirksamen Vertrag zu genehmigen (BGH, Urt. v. 22. Oktober 1996 - XI ZR 249/95, ZIP 1996, 2169, 2171; v. 17. Mai 2002 - V ZR 149/01, WM 2002, 2342, 2343). Dieses Bewusstsein oder auch nur der Zweifel, dass die Erklärung des Stadtkämmerers unwirksam sein könnte, ist dem Schreiben des Oberbürgermeisters nicht zu entnehmen. Darin wird im Hinblick auf die "formalrechtliche Ausfertigung und Unterzeichnung der Zustimmungserklärung" vom 28. Juli 2004 ausgeführt : "Durch die am 30. Juni 2004 vom damaligen Oberbürgermeister der Stadt G. , Herrn O. W. , und Herrn Stadtrat J. H. unterzeichnete Vollmacht ist Herr Stadtkämmerer R. K. generell bevollmächtigt worden, die Stadt G. in allen Grundstücksangelegenheiten rechtsgeschäftlich zu vertreten … Durch diese Vollmacht wird die Unterzeichnung der Zustimmungserklärung durch Herrn Stadtkämmerer K. vom 28. Juli 2004 zur Übertragung des Erbbaurechtes in vollem Umfang abgedeckt." Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart
LG Essen, Entscheidung vom 06.10.2005 - 16 O 221/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 26.05.2006 - 30 U 166/05 -
Veräußert der Insolvenzverwalter einen unbeweglichen Gegenstand oder Räume, die der Schuldner vermietet oder verpachtet hatte, und tritt der Erwerber anstelle des Schuldners in das Miet- oder Pachtverhältnis ein, so kann der Erwerber das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Die Kündigung kann nur für den ersten Termin erfolgen, für den sie zulässig ist. § 111: Früherer Satz 3 aufgeh. durch Art. 13 G v. 22.12.2006 I 3416 mWv 31.12.2006
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von technischen Gasen befaßt, stellte der U. Ltd. (nachfolgend U. Ltd.) für vertraglich vereinbarte Gaslieferungen und Vermietung von Gasflaschen in den Jahren 2000 und 2001 einen - unstreitigen - Gesamtbetrag von 3.393,87 DM in Rechnung. Die U. Ltd., deren Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Beklagte ist, wurde schon vorher - am 11. Februar 2000 - gemäß dem Companies Act 1985 im Companies House, C./UK als private limited company mit eingetragenem (Haupt-)Sitz in L. registriert. Die gesamte Geschäftstätigkeit der Gesellschaft fand hingegen - von ihrem tat-
sächlichen Verwaltungssitz in G. aus - nur in Deutschland statt, ohne daß deren Eintragung in ein deutsches Handelsregister erfolgt wäre. Die Rechnungen der Klägerin blieben unbezahlt. Auf einen gegen die U. Ltd. gestellten Insolvenzantrag wurde durch Beschluß des Amtsgerichts H. vom 20. September 2001 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt.
Die Klägerin nahm daraufhin wegen der unbeglichenen Rechnungen den Beklagten als für die U. Ltd. Handelnden persönlich in Anspruch und erwirkte gegen ihn einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts H. vom 16. Juli 2002. Auf den Einspruch des Beklagten hat das zuständige Amtsgericht S. den Vollstreckungsbescheid - mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen - aufrechterhalten. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagte hafte wegen Fehlens einer Eintragung der U. Ltd. als Gesellschaft mit beschränkter Haftung in einem deutschen Handelsregister als handelnder Gesellschafter-Geschäftsführer analog § 11 Abs. 2 GmbHG persönlich für die in ihrem Namen begründeten Kaufpreis- und Mietzinsverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin. Europarechtliche Normen stünden einer persönlichen Haftung des Beklagten nicht ent-
gegen. Zwar verstoße es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (nachfolgend: EuGH) im Urteil vom 5. November 2002 (ZIP 2002, 2037 - Überseering) gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG), wenn einer nach dem Recht eines Mitgliedstaates wirksam gegründeten Gesellschaft von einem anderen Mitgliedstaat, in den sie ihren Verwaltungssitz verlegt habe, die Rechts- und Parteifähigkeit abgesprochen werde; jedoch rechtfertigten zwingende Gründe des Gemeinwohls Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit. Im Gläubigerinteresse sei durch Anwendung der Sitztheorie sicherzustellen, daß eine im Ausland gegründete Kapitalgesellschaft mit Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland - wie hier die U. Ltd. - den deutschen Gründungsvorschriften unterworfen werde. Ihrer Umgehung müsse durch eine persönliche Haftung der für die Auslandsgesellschaft handelnden Personen analog § 11 Abs. 2 GmbHG begegnet werden.
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II. 1. Das Berufungsurteil ist allerdings nicht bereits wegen Fehlens eines Tatbestandes gemäß § 540 ZPO als eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangels aufzuheben. Zwar enthält das Urteil des Landgerichts über die - insoweit zulässige - Inbezugnahme der tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils hinsichtlich des erstinstanzlichen Sachund Streitstandes (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) hinaus keine Ausführungen zum zweitinstanzlichen Begehren des Beklagten als Berufungskläger. Jedoch ist - was ausreicht (vgl. BGH, Urt. v. 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02, NJW 2003, 747 m.w.Nachw.; st.Rspr.) - dem Gesamtzusammenhang der Begründung des Berufungsurteils (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß der Beklagte mit der Berufung gegen seine Verurteilung
durch das Amtsgericht sein Klageabweisungsbegehren unverändert weiterverfolgt.
2. Das Urteil des Landgerichts hat aber deshalb keinen Bestand, weil die Gleichsetzung der wirksam als limited liability company gegründeten und damit nach englischem Recht rechtsfähigen U. Ltd. mit einer - mangels Eintragung in einem deutschen Handelsregister - nicht als GmbH existenten Gesellschaft (§ 11 Abs. 1 GmbHG) und die daraus abgeleitete persönliche Handelndenhaftung des Beklagten als Geschäftsführer analog § 11 Abs. 2 GmbHG für die Verbindlichkeiten der U. Ltd. aus den von ihm selbst in deren Namen abgeschlossenen Kauf- und Mietverträgen mit der Klägerin mit der in Art. 43 und 48 EG garantierten Niederlassungsfreiheit unvereinbar ist.
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die in einem Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat - unabhängig von dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes - in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet wurde (vgl. EuGH, Urt. v. 5. November 2002 - Rs C-208/00, ZIP 2002, 2037 - Überseering; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 30. September 2003 - Rs C-167/01, ZIP 2003, 1885 - Inspire Art; vgl. auch BGHZ 154, 185, 189; vgl. ferner zur vergleichbaren Rechtslage beim Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag: BGHZ 153, 353, 356 f.; Sen.Urt. v. 5. Juli 2004 - II ZR 389/02, ZIP 2004, 1402 m.w.Nachw.; BGH, Urt. v. 13. Oktober 2004 - I ZR 245/01, ZIP 2004, 2230, 2231). Aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer solchen Gesellschaft folgt zugleich, daß deren Personalstatut auch in bezug auf die Haftung für in ihrem Namen begründete rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einschließlich der Frage nach einer etwaigen diesbezüglichen persönlichen Haftung ihrer Gesellschafter oder Geschäftsführer gegenüber den
Gesellschaftsgläubigern maßgeblich ist (vgl. BGHZ 154, 185, 189 - auch zur passiven Parteifähigkeit; BGH, Urt. v. 23. April 2002 - XI ZR 136/01, NJW-RR 2002, 1359 f.; Sen.Urt. v. 5. Juli 2004 aaO, S. 1403).
Danach scheidet im vorliegenden Fall eine Haftung des Beklagten analog § 11 Abs. 2 GmbHG für die von ihm als Geschäftsführer namens der U. Ltd. rechtsgeschäftlich begründeten Verbindlichkeiten aus; nach dem für das Personalstatut dieser private limited company (Kapitalgesellschaft) maßgeblichen englischen Recht haftet deren Geschäftsführer als Leitungsorgan - wie im deutschen GmbH-Recht - grundsätzlich nicht persönlich für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten.
b) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des EuGH ist es selbst unter Gläubigerschutzgesichtspunkten mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, wenn das Landgericht im vorliegenden Fall hinsichtlich der Frage einer Haftung des Gesellschafter-Geschäftsführers der U. Ltd. deren maßgebliches Personalstatut (ausnahmsweise) nicht an das am Ort ihrer Gründung geltende Recht, sondern an das Recht ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes anknüpfen will.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des EuGH anerkannt, daß zwingende Gründe des Gemeinwohls, wie der Schutz der Interessen der Gläubiger u.a. unter bestimmten Umständen und unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können (EuGH, ZIP 2002 aaO Tz. 92 - Überseering; EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 132 f. - Inspire Art). Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, daß eine Behinderung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten durch nationale Maßnahmen allenfalls unter vier engen Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann: Die Maßnahmen müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie
müssen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sein und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 133 m.w.Nachw. - Inspire Art). Danach stellt sogar die bewußte Ausnutzung unterschiedlicher Rechtssysteme für sich allein genommen noch keinen Mißbrauch dar, auch wenn sie in der offenen Absicht erfolgt, die "größte Freiheit" zu erzielen und mit einer ausländischen Briefkastengesellschaft die zwingenden inländischen Normativbestimmungen zu umgehen (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 96 f., 137 ff. m.w.Nachw. - Inspire Art). Da die Bestimmungen über das Mindestkapital insoweit mit der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit unvereinbar sind, gilt zwangsläufig dasselbe für die Sanktionen, die an die Nichterfüllung der fraglichen Verpflichtungen geknüpft sind, d.h. die Anordnung einer persönlichen (gesamtschuldnerischen) Haftung der Geschäftsführer in dem Fall, daß das Kapital nicht den im nationalen Recht vorgeschriebenen Mindestbetrag erreicht oder während des Betriebes unter diesen sinkt. Folglich rechtfertigen weder Art. 46 EG noch der Gläubigerschutz die Bekämpfung der mißbräuchlichen Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit oder die Erhaltung der Lauterkeit des Handelsverkehrs die Behinderung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit, wie sie nationale Rechtsvorschriften über das Mindestkapital und eine persönliche (gesamtschuldnerische) Haftung der Geschäftsführer darstellen (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 142 - Inspire Art).
c) Eine persönliche Haftung des Beklagten analog § 11 Abs. 2 GmbHG kann schließlich - entgegen der Ansicht der Klägerin - auch nicht daraus abgeleitet werden, daß der Beklagte als Geschäftsführer es entgegen §§ 13 d ff. HGB unterlassen hat, die "Zweigniederlassung" der U. Ltd. zum Handelsregister anzumelden. Zwar verpflichtet Art. 12 der 11. Richtlinie 89/666/EWG des
Rates vom 21. Dezember 1999 die Mitgliedstaaten, geeignete Maßregeln für den Fall anzudrohen, daß die erforderliche Offenlegung der Zweigniederlassungen im Aufnahmestaat unterbleibt. Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten, denen zwar die Wahl der Sanktion verbleibt, namentlich darauf achten, daß Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleiche Verstöße gegen nationales Recht, wobei die Sanktion nicht nur wirksam und abschreckend, sondern auch verhältnismäßig sein muß (EuGH, ZIP 2003 aaO Tz. 62, 133 - Inspire Art). Schon danach bleibt festzustellen, daß die offenbar vom Berufungsgericht befürwortete Sanktion der persönlichen Haftung des Beklagten als Geschäftsführer wegen Nichterfüllung der Anmeldungspflicht weder gesetzlich vorgesehen ist noch etwa im Wege der Rechtsfortbildung in Betracht käme. Als zulässige Sanktion im Sinne der 11. Richtlinie des Rates sieht das deutsche Recht in § 14 HGB allein die Festsetzung von Zwangsgeld für den Fall der Nichterfüllung der Anmeldepflicht pp. vor, nicht hingegen haftungsrechtliche Konsequenzen.
III. Aufgrund der unter Nr. II, 2 aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung (§ 562 ZPO). Mangels Endentscheidungsreife ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Der Klägerin ist auf ihre Gegenrüge hin unter dem Blickwinkel der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie eines fairen Verfahrens (Art. 2, 20 GG) Gelegenheit zu geben, in der wiedereröffneten Berufungsinstanz ihr Klagebegehren nunmehr auf - bislang nicht geltend gemachte - etwaige
Haftungstatbestände des materiellen englischen Rechts oder des (deutschen) Deliktsrechts (§§ 823 ff. BGB) zu stützen und hierzu weiteren Sachvortrag zu halten.
Röhricht Goette Kurzwelly
Münke Gehrlein
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das genannte Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 3, vom 29. Juni 2001 wird zurückgewiesen, soweit sie die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage betrifft.
Von den Gerichtskosten des ersten und zweiten Rechtszuges und den in diesen Rechtszügen angefallenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin 97,8 v.H. und die Beklagte zu 1 2,2 v.H. zu tragen. Von den in diesen Rechtszügen angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 haben die Klägerin 95,6 v.H. und die Beklagte zu 1 4,4 v.H. selbst zu tragen.
Von den Gerichtskosten des Revisionsrechtszuges und den in diesem Rechtszug angefallenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin und die Beklagte zu 1 je 50 v.H. zu tragen. Die Beklagte zu 1 hat ihre im Revisionsrechtszug angefallenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Die Klägerin hat die gesamten außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine nach dem Recht von Panama gegründe te und im dortigen Handelsregister eingetragene Sociedad Anónima, war Reeder des 1971 erbauten, unter der Flagge von Belize fahrenden Bulkcarriers MS "VISVLIET". Sie macht gegen die See-Berufsgenossenschaft (Beklagte zu 1) und die Bundesrepublik Deutschland (Beklagte zu 2) Schadensersatzansprüche in Höhe von 628.790,72 DM, 688.094,85 US-Dollar und 169.685,56 HFL geltend, weil das Schiff in der Zeit vom 3. Oktober 1997 bis zum 25. Februar 1998 im Hamburger Hafen festgehalten wurde. Dem lag folgendes zugrunde:
Wegen Sicherheitsmängeln war das Schiff bereits am 16. Juni 1997 von der Beklagten zu 1 in Hamburg vorübergehend festgehalten worden. Am 18. Juni 1997 war ihm aufgrund eines Klassenzeugnisses das Auslaufen "für eine Reise in Ballast ohne Ladung zu einer Werft im Mittelmeer" gestattet worden. Danach befand es sich - belegt mit einem Auslaufverbot wegen diverser
Mängel - in Rotterdam. Die Klägerin beabsichtigte, das Schiff in der Weise außer Dienst zu stellen, daß es - beladen mit Schrott - eine letzte Fahrt nach Indien antreten und dort mit der Ladung als Schrott verkauft werden sollte. Das Isthmus Bureau of Shipping, eine im Auftrag des Staates Belize in Rotterdam tätige Klassifikationsgesellschaft, stellte der Klägerin am 25. August 1997 ein Sicherheitszeugnis (Interim Cargo Ship Safety Construction Certificate), ein Ausrüstungssicherheitszeugnis (Interim Cargo Ship Safety Equipment Certificate ) sowie ein Freibordzeugnis (Interim International Load Line Certificate) aus, die sämtlich eine Gültigkeitsdauer bis zum 24. Januar 1998 auswiesen und die folgende Nebenbestimmung enthielten:
"Issued for ONE passage - with scrap cargo or in ballast - from th Continent to India / Far East Range between 25 August 1997 th and 24 January 1998 for continuation of surveys and repairs or to be scrapped at Owners option."
Nachdem es der Klägerin nicht gelungen war, Schrott fü r eine Verschiffung nach Indien aufzunehmen, schloß sie am 19. September 1997 mit einer indischen Gesellschaft eine Charter, welche die Ladung von insgesamt ca. 28.000 t Düngemittel in Hamburg zur Verschiffung nach Indien zum Gegenstand hatte. Nach der Ankunft des Schiffes in Hamburg führte die Beklagte zu 1 am 3. Oktober 1997 eine Hafenstaatkontrolle durch und erließ am selben Tage eine Festhalteverfügung, die auf § 17 Abs. 3 der Verordnung über die Sicherheit der Seeschiffe (Schiffssicherheitsverordnung - SchSV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. September 1997 (BGBl. I S. 2217) in Verbindung mit Kapitel I Regel 19 der Anlage zum Internationalen Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (im folgenden SOLAS-Übereinkommen ) und Art. 21 des Internationalen Freibord-Übereinkommens von 1966
gestützt wurde. Es folgten weitere Besichtigungen nach, die erhebliche Korrosionsschäden zutage förderten und sich am 28. Oktober 1997 in der Aufforderung der Beklagten zu 1 niederschlugen, eine Untersuchung des Schiffes entsprechend den Forderungen des "Enhanced Survey Programs" für Bulkcarrier im Rahmen einer Klasseerneuerung durchzuführen. Dies kam für die Klägerin jedoch aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Betracht. Sie fragte am 11. Dezember 1997 bei der Beklagten zu 1 an, welche Maßnahmen einzuleiten seien, um das Schiff als Anhang eines Schleppzuges aus dem Hafen zu bringen. Die Beklagte zu 1 wies in ihrer Antwort vom 12. Dezember 1997 darauf hin, daß das Schiff vollständig aufgebraucht und zum Transport auf See nicht mehr geeignet sei. Vielmehr solle das Schiff zur Verschrottung verschleppt werden. Hierfür sei es erforderlich, den Verschlußzustand des Schiffes herzustellen und weitere Maßnahmen durchzuführen, die nach einer auf Antrag unter Beifügung einer Kostenübernahmeerklärung von 50.000 DM vorzunehmenden Besichtigung festzulegen seien. Dem anschließend geäußerten Wunsch der Klägerin, das Schiff nach Rotterdam zu schleppen, um es nach Entscheidung der dortigen Hafenbehörde zu verschrotten oder reparieren zu lassen, trat die Beklagte zu 1 mit der Auffassung entgegen, da in Hamburg ausreichende Reparaturmöglichkeiten bestünden, komme nach Art. 11 Abs. 1 der "Richtlinie 95/21/EG des Rates vom 19. Juni 1995 (ABlEG Nr. L 157/1) zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren (Hafenstaatkontrolle)" nur eine Schlepperlaubnis zur Verschrottung in Betracht; eine Genehmigung zur Verschleppung nach Rotterdam zur dortigen Durchführung von Reparaturarbeiten könne nicht erteilt werden. Nachdem die Klägerin am 2. Januar 1998 beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung mit
dem Ziel beantragt hatte, ihr zu gestatten, das Schiff nach Durchführung der erforderlichen provisorischen Maßnahmen nach Rotterdam verschleppen zu lassen, um dort die für eine Wiederinbetriebnahme des Schiffs erforderlichen Reparaturarbeiten vornehmen zu können, nahm die Beklagte zu 1 in einem der Klägerin am 12. Januar 1998 zugegangenen Schriftsatz von ihrer Auffassung Abstand, die für ein Auslaufen oder eine Weiterfahrt des Schiffes mit Ladung oder in Ballast erforderlichen Reparaturen müßten in Hamburg erfolgen. Die Klägerin stellte sodann am 14. Januar 1998 bei der Beklagten zu 1 den Antrag, das Schiff zu besichtigen, um die erforderlichen Maßnahmen für eine Verschleppung nach Rotterdam festzulegen, und zahlte am 6. Februar 1998 den Verwaltungskostenvorschuß ein. Die Beklagte zu 1 legte am 21. Januar 1998 nach einer Besichtigung die erforderlichen Maßnahmen fest und erteilte der Klägerin nach deren Erfüllung am 24. Februar 1998 die begehrte Erlaubnis. Das Schiff verließ Hamburg am 25. Februar 1998 im Schleppzug. In Rotterdam wurde es für eine letzte Reise nach Indien in Ballast wieder hergerichtet. Mit Zustimmung der Rotterdamer Hafenbehörden und des Lloyds-Registers fuhr das Schiff durch den Suezkanal nach Indien, wo es schließlich verschrottet wurde.
Die Klägerin, die das Festhalten des Schiffes in Hambur g für rechtswidrig angesehen hat, hatte beim Landgericht keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat der Klage wegen einer Verzögerung der Freigabe um drei Wochen gegen beide Beklagte in Höhe von 53.252,59 € nebst Zinsen entsprochen und sie im übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten zu 1 ist unbegründet, währen d die Revision der Beklagten zu 2 Erfolg hat. Die Klägerin kann nur die Beklagte zu 1 auf Ersatz ihres durch die Verzögerung der Freigabe entstandenen Schadens in Anspruch nehmen.
I.
Unbegründet sind die Einwände der Revision gegen die Parteifähigkeit der Klägerin und gegen die Zulässigkeit der Berufung, soweit diese sich gegen die Beklagte zu 2 richtet.
1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin als im Handelsregister eingetragene Sociedad Anónima nach den in Panama geltenden Vorschriften das Recht hat, zu klagen und verklagt zu werden, und daß dies auch dann gilt, wenn die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz außerhalb der Republik Panama hat. Unterstelle man den Vortrag der Beklagten als richtig, der Verwaltungssitz der Klägerin befinde sich in den Niederlanden, ergebe sich nichts anderes. Das niederländische internationale Gesellschaftsrecht, welches von der Verweisung des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts nach der Regel des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB mit umfaßt sei, verweise nämlich auf das Recht von Panama weiter. Denn in den Niederlanden gelte im internationalen Gesellschaftsrecht die Gründungstheorie, nach der das Statut einer Gesellschaft dem Recht des Staates unterliege, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet worden sei.
Das hält der auf die Anwendung deutschen Rechts beschränkt en rechtlichen Überprüfung (§ 545 Abs. 1 ZPO) stand.
a) Nach der bisherigen Rechtsprechung zum deutschen intern ationalen Gesellschaftsrecht beurteilt sich die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht am Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes (sogenannte Sitztheorie , vgl. BGHZ 97, 269, 271 m.w.N.). Eine starre Anwendung dieses Grundsatzes steht jedoch, wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom 5. November 2002 (Rs. C-208/00 - Überseering - NJW 2002, 3614, 3616 zu Rn. 82) entschieden hat, mit der in Art. 43 und 48 EG gewährleisteten Niederlassungsfreiheit in Widerspruch, soweit sie darauf hinausläuft, die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründet worden ist und dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat, mit der Folge in Frage zu stellen, daß sie sich nach dem Recht des Aufnahmestaates neu gründen muß. Der Bundesgerichtshof hat im Anschluß an dieses Urteil des Gerichtshofs für den Rechtsraum der Europäischen Gemeinschaften daher entschieden, daß eine Gesellschaft nach deutschem internationalen Gesellschaftsrecht hinsichtlich ihrer Rechtsfähigkeit dem Recht des Mitgliedstaates zu unterstellen ist, in dem sie gegründet worden ist und in dem sie weiterhin ihren satzungsmäßigen Sitz hat (vgl. BGHZ 154, 185, 190).
b) Die Frage, ob außerhalb dieses Rechtsraums an der he rkömmlichen Sitztheorie festzuhalten ist oder ob dem Gründungsstatut auch bei der Gesellschaftsgründung in Drittstaaten höheres Gewicht zukommt, bedarf im hier zu beurteilenden Fall keiner abschließenden Beantwortung. Stellt man auf das Gründungsstatut der Klägerin in Panama ab, ist nach den für das Revisionsver-
fahren maßgebenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 560 ZPO) davon auszugehen, daß die Klägerin parteifähig ist. Wendet man die Sitztheorie an, ist die Rechts- und Parteifähigkeit der Klägerin mit einem (unterstellten) Verwaltungssitz in den Niederlanden nach dem Recht dieses Staates, und zwar nach der Regel des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unter Einschluß dessen internationalen Privatrechts, zu beurteilen. Verweist das Recht des Sitzstaates für das Gesellschaftsstatut auf das Recht des Gründungsstaates und folgt das Recht des Staates am tatsächlichen Verwaltungssitz der Gründungstheorie, kommt - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - grundsätzlich eine Weiterverweisung auf das Recht des Gründungsstaates in Betracht (vgl. auch OLG Frankfurt NJW 1990, 2204, 2205; Kindler, in: MünchKomm-BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1999, Rn. 378 f; Staudinger/Großfeld , BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Neubearb. 1998, Rn. 108).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts folgt das ni ederländische internationale Gesellschaftsrecht der Gründungstheorie und verweist damit für das Gesellschaftsstatut auf das Recht von Panama, nach dessen Recht die Klägerin gegründet worden ist. Diese Auffassung, die in der Literatur geteilt wird (vgl. Kindler, aaO Rn. 381; mit gewissen Einschränkungen Gotzen, Niederländisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2000, Rn. 842 f; Staudinger / Großfeld, aaO Rn. 157) - auch die niederländische Regierung hat im Verfahren "Inspire Art" vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften diesen Grundsatz hervorgehoben (vgl. Urteil vom 30. September 2003 - Rs. C167 /01 - WM 2003, 2042, 2047 f unter Rn. 77 f) -, unterliegt nicht der revisionsrechtlichen Nachprüfung. Verfahrensrügen wegen unzureichender Ermittlung des niederländischen Rechts vermag der Senat der Revisionsbegründung nicht
zu entnehmen. Soweit die Revision unter Bezugnahme auf die angeführte Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 30. September 2003 auf Art. 1 bis 5 der Wet op de formeel buitenlandse vennootschappen (Gesetz über formal ausländische Gesellschaften) vom 17. Dezember 1997 verweist und diesen Bestimmungen eine nur eingeschränkte Geltung der Gründungstheorie entnehmen will, vermag dies die nach dem Recht von Panama bestehende Rechts- und Parteifähigkeit der Klägerin nicht in Frage zu stellen. Aus den in den Rn. 22 bis 33 des Urteils des Gerichtshofs (aaO S. 2044) inhaltlich wiedergegebenen Bestimmungen ergibt sich zwar, daß formal ausländische Gesellschaften, die ihre Tätigkeit vollständig oder nahezu vollständig in den Niederlanden ausüben und daneben keine tatsächliche Bindung an den Staat haben, in dem das Recht gilt, nach dem sie gegründet wurden , zusätzlichen Verpflichtungen - auch in bezug auf ein haftendes Mindestkapital und eine Geschäftsführerhaftung - unterliegen sollen. Die Rechts- und Parteifähigkeit der ausländischen Gesellschaften wird von diesen Bestimmungen jedoch nicht berührt.
2. Die Klägerin hat nach Abweisung der Klage gegen das angefochtene Urteil Berufung eingelegt und in ihrer Berufungsbegründung die auch in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge angekündigt, die Beklagten zu verurteilen , als Gesamtschuldner an sie die bereits erstinstanzlich begehrten Beträge zu zahlen. Mit dem Inhalt dieser Anträge ist die Berufung auch in Ansehung der Beklagten zu 2 unbedingt geführt worden. Die Berufungsbegründung enthält zwar in der Überschrift "4. Die hilfsweisen Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 wegen Nichtumsetzung der Hafenstaatkontroll-Richtlinie" eine Wendung , die Anlaß zur Frage geben könnte, ob die Klägerin die Inanspruchnahme der Beklagten zu 2 nur für den Fall gelten lassen wollte, daß ein Anspruch aus
Amtshaftung ebenso wie ein Anspruch aus unmittelbarer Anwendung von Art. 9 Abs. 7 Satz 2 der Richtlinie gegen die Beklagte zu 1 scheitere. Abgesehen davon , daß die Klägerin auf entsprechende Einwände der Beklagten zu 2 klargestellt hat, daß sie diese nicht nur hilfsweise in Anspruch nehmen wolle, ergibt sich aus ihrer Prozeßführung insgesamt, daß sie aus Gründen der Vorsicht das gegen die Beklagte zu 2 angestrengte Verfahren fortsetzen wollte, das vor allem erstinstanzlich auf eine Konkurrenz verschiedener Ansprüche gegen beide Beklagte gestützt wurde. Der Senat, der zu einer Auslegung prozessualer Erklärungen befugt ist, würdigt das Vorbringen der Klägerin so, daß sie die mögliche Verurteilung der Beklagten zu 2 nicht unter eine Bedingung gestellt hat.
II.
1. Das Berufungsgericht zieht als Anspruchsgrundlage für das Schadensersatzbegehren der Klägerin Art. 9 Abs. 7 Satz 2 der Richtlinie 95/21/EG heran. Hiernach hat der Eigentümer oder Betreiber eines Schiffes Anspruch auf Ersatz des erlittenen Verlustes oder Schadens, wenn das Schiff in unangemessener Weise festgehalten oder aufgehalten wird. Das Berufungsgericht führt weiter aus, die Richtlinie sei zwar in bezug auf diese Bestimmung erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist (30. Juni 1996; Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie) in nationales Recht umgesetzt worden, indem durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. März 2002 (BGBl. I S. 1163) ein neuer § 3e in das Seeaufgabengesetz (SeeaufgG) in der Fassung vom 18. September 1998 (BGBl. I S. 2986) eingefügt wurde (vgl. auch die Bekanntmachung der Neufassung des Seeaufgabengesetzes vom 26. Juli 2002,
BGBl. I S. 2876). Die Klägerin könne sich aber unmittelbar auf diese Richtlinienbestimmung berufen, da die Richtlinie die Rechte, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden könnten, unbedingt und inhaltlich so bestimmt festlege , daß es zu ihrer Anwendung keines Ausführungsaktes mehr bedürfe. Die Richtlinie sei auch auf die Klägerin als Rechtssubjekt der Republik Panama anwendbar, weil eine Beschränkung des Kreises der Normadressaten auf Gemeinschaftsbürger mit der internationalen Geltung der von der zuständigen Behörde des Hafenstaates bei der Überprüfung von Seeschiffen einzuhaltenden Abkommen nicht zu vereinbaren sei. Der Schadensersatzanspruch richte sich gegen das Organ, welches die konkrete Entscheidung in fehlerhafter Anwendung der unmittelbar heranzuziehenden Richtlinie getroffen habe. Das sei die Beklagte zu 1, der die Beklagte zu 2 die Durchführung der Richtlinie gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 SchSV i.V.m. § 1 Nr. 4, § 6 Abs. 1 SeeaufgG auferlegt habe. Daneben hafte die Beklagte zu 2 unter dem Gesichtspunkt eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs, weil jeder Verstoß eines nationalen Organs gegen EU-Recht zugleich einen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen das Gemeinschaftsrecht darstelle.
In der Sache nimmt das Berufungsgericht an, der Kläger in stehe ein Schadensersatzanspruch zu, weil die Beklagte zu 1, die das Schiff zunächst rechtmäßig festgehalten habe, auf das Anerbieten der Klägerin, das Schiff nach Rotterdam verschleppen zu lassen, verspätet eingegangen sei. Die Beklagte zu 1 habe sich zu Unrecht auf den Standpunkt gestellt, der Klägerin bleibe nur die Alternative, das Schiff in Hamburg reparieren oder zum Verschrottungshafen abschleppen zu lassen. Unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr mache es keinen Unterschied, ob das Schiff zur Reparatur oder zum Verschrotten abgeschleppt werde. Soweit sich die Beklag-
te zu 1 auf Art. 11 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 95/21/EG gestützt habe , gehe es in diesen Bestimmungen lediglich um die Voraussetzungen, unter denen einem mit Sicherheitsmängeln behafteten Schiff die Weiterfahrt erlaubt werden könne. Davon sei das Verschleppen zu unterscheiden, zumal es die Beklagte zu 1 in der Hand gehabt habe, durch geeignete Auflagen - wie später geschehen - sicherzustellen, daß das Abschleppen gefahrlos vonstatten gehen könne. Erst nachdem die Beklagte zu 1 ihre in mehreren Schreiben eingenommene unnachgiebige Haltung aufgegeben habe, sei es der Klägerin zuzumuten gewesen, einen für die Festlegung erforderlicher Maßnahmen förmlichen Besichtigungsantrag zu stellen. Durch das Verhalten der Beklagten zu 1 sei das Schiff für drei Wochen unangemessen aufgehalten worden, so daß die Klägerin so zu stellen sei, als hätte das Schiff bereits am 4. Februar 1998 aus dem Hamburger Hafen geschleppt werden können. Daß sie den Kostenvorschuß erst am 6. Februar 1998 eingezahlt habe, sei ohne Bedeutung, weil die Beklagte zu 1 ihr Tätigwerden tatsächlich nicht hiervon abhängig gemacht habe.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Bediensteten der Beklagten zu 1 hätten ein Auslaufen des Schiffes als Anhang eines Schleppzuges unangemessen verzögert, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Festhalteverfügung, die sich gegen ein Schiff unter fremder Flagge richtete, auf das das Internationale Freibord-Übereinkommen von 1966 und das Internationale Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS-Übereinkommen) Anwendung fand, hatte ihre Grundlage in § 17 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 SchSV. Sie hatte - für die Entscheidung im jetzigen Verfahrensstadium nicht mehr bedeutsame - Sicherheitsmängel zum Gegenstand, die einer Weiterfahrt und einem Auslaufen des Schiffs aus
eigener Kraft entgegenstanden. Sowohl nach allgemeinen polizeirechtlichen Erwägungen der Gefahrenabwehr als auch nach dem Sinn der angeführten internationalen Übereinkommen ist bei einer so schwerwiegenden und mit erheblichen finanziellen Auswirkungen verbundenen Maßnahme wie einer Festhalteverfügung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
a) Dies findet etwa Ausdruck in der Pariser Vereinbarun g vom 26. Januar 1982 über die Hafenstaatkontrolle (BGBl. II S. 585), in deren Ziffer 3.11 davon gesprochen wird, daß die Behörden bei der Ausübung der Kontrolle alle nur möglichen Anstrengungen unternehmen, um ein unangemessenes Festoder Aufhalten des Schiffs zu vermeiden. In Ziffer 1.2 der Anlage 1, die Grundsätze für die Beseitigung von Mängeln bzw. das Festhalten eines Schiffes betrifft , heißt es, daß der Besichtiger seine fachmännische Entscheidung darüber trifft, ob das Schiff bis zur Beseitigung der Mängel festgehalten wird oder ob es mit bestimmten Mängeln, die keine unvertretbare Gefahr für die Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt darstellen, auslaufen darf, wobei er die besonderen Umstände der beabsichtigten Reise berücksichtigt. Der Besichtiger hat hiernach also nicht allein in Erwägung zu ziehen, ob Mängel, die einem Auslaufen entgegenstehen , in dem Hafen, in dem die Kontrolle durchgeführt wird, (endgültig) beseitigt werden können oder nicht (vgl. Ziffern 3.7 und 3.8 der Pariser Vereinbarung ).
b) Ähnliche Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sind auch dem SOLASÜbereinkommen zu entnehmen, das in Kapitel I Regel 19 lit. a bis e die Befugnisse der Behörden der Hafenstaatkontrolle umschreibt und in lit. f bestimmt, daß bei der Ausübung der Kontrolle alle nur möglichen Anstrengungen zu unternehmen sind, um ein unangemessenes Fest- oder Aufhalten des Schiffs zu
verhindern. Der in dieser Bestimmung enthaltenen Schadensersatzregelung bei unangemessenem Festhalten hat der Bundestag durch Art. 1 Abs. 2 des MARPOL-Gesetzes vom 23. Dezember 1981 (BGBl. 1982 II, S. 2) zugestimmt und sie durch Art. 4 Nr. 2 des am 24. Juli 1997 in Kraft getretenen Zweiten Gesetzes zur Änderung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet d er Seeschifffahrt vom 17. Juli 1997 (BGBl. I S. 1832) dahin klargestellt, daß der Ausdruck "Schiff" (als Anspruchsberechtigten) den Eigentümer und den Betreiber des Schiffs einschließt (Art. 1c des MARPOL-Gesetzes).
c) Aus der Richtlinie 95/21/EG über die Hafenstaatkontr olle, deren Durchführung bereits durch die Siebente Verordnung zur Änderung der Schiffssicherheitsverordnung vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1710) nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 SeeaufgG in die Hände der Beklagten zu 1 gelegt worden ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 SchSV), ergibt sich nichts anderes. Sie ist vielmehr - wie sich aus ihrem Art. 1 ergibt - darauf angelegt, die Einhaltung internationaler und einschlägiger gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften für die Sicherheit auf See, den Schutz der Meeresumwelt sowie der Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord der Schiffe aller Flaggen zu fördern sowie gemeinsame Kriterien für die Kontrolle von Schiffen durch den Hafenstaat festzulegen und die Verfahren für die Überprüfung und das Festhalten zu vereinheitlichen, wobei die Verpflichtungen, welche die Seeschiffahrtsbehörden der Mitgliedstaaten in der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle eingegangen sind, gebührend zu berücksichtigen sind. Es überrascht daher nicht, sondern ist eher Ausdruck einer bereits seit längerem bestehenden Überprüfungspraxis, daß die Richtlinie in Art. 9 Abs. 7 verlangt, bei der Ausübung der Hafenstaatkontrolle alle nur möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um ein unangemessenes Festhalten oder Aufhalten des Schiffs zu vermeiden. Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie läßt ein Festhalten des Schiffes zu
ein Festhalten des Schiffes zu bei Mängeln, die eindeutig eine Gefahr für die Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt darstellen, und rechtfertigt seine Fortdauer , solange die Gefahr nicht beseitigt ist oder die Behörde nicht feststellt, daß das Schiff unter den erforderlichen Auflagen auslaufen kann, ohne daß dies eine Gefahr darstellt. Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie darf die Behörde dem Schiff die Weiterfahrt zur nächstgelegenen geeigneten Reparaturwerft erlauben , wenn Mängel im Sinn von Art. 9 Abs. 2 im Überprüfungshafen nicht beseitigt werden können. Die Revision will aus dem Zusammenspiel der beiden Bestimmungen folgern, die Aufhebung einer Festhalteverfügung komme nicht in Betracht, wenn die Werften im Überprüfungshafen - wie hier - in der Lage (gewesen ) seien, die Mängel zu beseitigen. Abgesehen davon, daß sich die Beklagte zu 1 mit ihrem eigenen späteren Verhalten sehenden Auges ins Unrecht gesetzt hätte, wenn man die Richtlinie in diesem Sinn verstehen müßte, übersieht die Revision weitere wesentliche Gesichtspunkte, die die Beklagte zu 1 bei ihrer Entscheidung zu beachten hatte. Zum einen folgt aus der Pflicht, alle nur möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um ein unangemessenes Aufhalten zu vermeiden, eine stärkere Berücksichtigung von Möglichkeiten, unter bestimmten Auflagen einer aufgetretenen Gefahr zu begegnen - eine Option, die im übrigen in Art. 9 Abs. 2 ausdrücklich erwähnt wird -, zum anderen wird der Besichtiger in Art. 9 Abs. 3 auf Kriterien hingewiesen, die im Anhang VI der Richtlinie aufgeführt sind. Dort heißt es im Bereich des hier angewendeten Freibord-Übereinkommens unter Ziffer 3.5.1:
"Größere Bereiche mit Schäden oder Korrosion, Lochfraß in Beplattung und Steifen von Decks und Schiffskörper, wodurch die Seetüchtigkeit und die Festigkeit bei örtlichen Belastungen beeinträchtigt werden, sofern nicht eine sachgemäße vorläufige Reparatur für die Reise zu einem Hafen zwecks dauerhafter Reparatur durchgeführt worden ist."
Auch aus dieser Bestimmung folgt, daß eine vollständige Reparatur im Überprüfungshafen nicht zwingend geboten ist, wenn der festgestellten Gefahr auf andere Weise begegnet werden kann. Der Senat zweifelt nicht daran, daß die Beklagte zu 1 die Verschleppung des Schiffs nur unter solchen Auflagen gestattet hat, die es sicherstellten, Gefahren für die Sicherheit, Gesundheit und Umwelt zu vermeiden. Gab es aber eine solche Möglichkeit und war die Klägerin bereit, die insoweit erforderlichen Maßnahmen durchzuführen, war ein weiteres Festhalten des Schiffs nach Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie nicht mehr gerechtfertigt. Der Senat teilt die Auffassung des Berufungsgerichts, daß es - was die Gefahrenlage und ihre Bewältigung angeht - keinen Unterschied macht, ob das Schiff zu einer Reparaturwerft oder direkt zum Verschrotten geschleppt wird. Indem die Beklagte zu 1 im Dezember 1997 durch ihre mehrfache Ablenung der erstgenannten Alternative die schließlich gefundene Lösung verzögert hat, hat sie das Schiff der Klägerin im Sinne der Richtlinie unangemessen aufgehalten.
3. a) Dieses Verhalten begründet - unbeschadet, daß auch Art. 1 Abs. 2 des MARPOL-Gesetzes in Verbindung mit Kapitel I Regel 19 lit. f des SOLASÜbereinkommens als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt - jedenfalls Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. An der Drittgerichtetheit der Pflichten, die die Beklagte zu 1 gegenüber der Klägerin wahrzunehmen hatte, bestehen keine Zweifel. Für das Verhalten ihrer Mitarbeiter hat auch die Beklagte zu 1 - eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 29 Abs. 1 SGB IV, § 114 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Anlage 1 Nr. 35 SGB VII) - selbst einzustehen und nicht - wie sie meint - die Beklagte zu 2. Bei der Schiffahrtsverwaltung handelt es sich gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 1, Art. 89 Abs. 2 Satz 2 GG um eine Aufgabe, die der
Art. 87 Abs. 1 Satz 1, Art. 89 Abs. 2 Satz 2 GG um eine Aufgabe, die der Bund in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau zu führen hat. Für den Bereich der Seeschiffahrt hat der Bund der Beklagten zu 1 in § 6 Abs. 1 SeeaufgG in der Fassung der hier anwendbaren Bekanntmachung vom 13. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2803) Bundesaufgaben - unter anderem die Überwachung der Verkehrs- und Betriebssicherheit der Wasserfahrzeuge gemäß § 1 Nr. 4 SeeaufgG - übertragen. Dementsprechend sind bei den Kontrollen und maßgebenden Entscheidungen Mitarbeiter der Beklagten zu 1 tätig geworden. Der Haftung der Beklagten zu 1 läßt sich auch nicht entgegenhalten, ihre Mitarbeiter hätten vorliegend keine körperschaftlichen Selbstverwaltungsaufgaben , sondern - im Wege der "Organleihe" - Aufgaben der Bundesverwaltung wahrgenommen. In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, daß die Frage der haftenden Körperschaft im Sinne des Art. 34 GG danach zu beantworten ist, wer den fehlsam handelnden Amtsträger mit der Durchführung der Aufgabe betraut hat; ob die konkrete Aufgabe, bei deren Wahrnehmung die Amtspflichtverletzung vorgekommen ist, in den Aufgabenkreis dieser (Anstellungs -)Körperschaft fällt, bleibt dagegen grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Senatsurteile BGHZ 99, 326, 330; vom 27. Januar 1994 - III ZR 109/92 - NVwZ 1994, 823; vom 11. Mai 2000 - III ZR 258/99 - NVwZ 2000, 963, 964). Dementsprechend haftet etwa für Amtspflichtverletzungen, die ein gemeindlicher Amtsträger bei der Wahrnehmung staatlicher Auftragsangelegenheiten (Pflichtaufgaben nach Weisung) begeht, die Gemeinde und nicht der Staat (vgl. Staudinger / Wurm, BGB, 13. Bearbeitung 2002, § 839 Rn. 57). Ähn lich liegt der Fall hier. Die - nicht unproblematische - Konstruktion der Organleihe mag geeignet sein, die Heranziehung einer bundesrechtlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, die an sich nur in unmittel-
barer Bundesverwaltung erledigt werden dürfen, verfassungsrechtlich zu rechtfertigen (siehe hierzu Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 202 f; Bekkert /Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, Rn. 522). Haftungsrechtlich ist jedoch allein entscheidend, daß es sich bei der Beklagten zu 1 um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt und damit um ein taugliches Haftungssubjekt (vgl. Staudinger/Wurm, aaO Rn. 54). Anders als in Fällen, in denen der Senat über die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der Gemeinde für das Verhalten eines vom Land entliehenen Beamten entschieden hat (vgl. Urteil vom 19. Januar 1989 - III ZR 258/87 - LM BGB § 839 Ca Nr. 73), ist hier weder vorgetragen noch erkennbar, daß der Bund - von der Wahrnehmung der Fachaufsicht durch das zuständige Bundesministerium abgesehen - den Einsatz der Mitarbeiter der Beklagten zu 1 steuert, sie kontrolliert oder ihnen Weisungen erteilt. Daß schließlich der Bund nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 4 Nr. 4 der Anordnung über die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und über das Verfahren bei der Vertretung vom 6. Mai 1997 (VkBl. 1997, 402) durch das Bundesministerium für Verkehr, dieses durch die Beklagte zu 1 vertreten wird, berührt die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1 nicht. Die durch das Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. März 2002 (BGBl. I S. 1163) eingefügte Vorschrift des § 3e SeeaufgG, die der Umsetzung von Art. 9 Abs. 7 der Richtlinie 95/21/EG dient und die Haftung der Verkehrsbehörde des Bundes zuweist, die das unangemessene Festhalten amtlich veranlaßt hat, knüpft an die zu Art. 34 GG entwickelten Grundsätze der haftenden Körperschaft an und bestätigt die Überlegungen zur haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1.
b) Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab des Amtshaftu ngsrechts ist auch von einem Verschulden der Bediensteten der Beklagten zu 1 auszugehen. Die Beklagte zu 1 kann sich nicht darauf berufen, bei der Anwendung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie sei ein ihr in § 17 SchSV grundsätzlich eingeräumtes Ermessen in dem Sinn auf Null reduziert worden, daß sie auf eine Reparatur im Überprüfungshafen habe bestehen müssen. Damit gibt sie den Richtlinienbestimmungen im Zusammenhang einen ihnen nicht zukommenden Inhalt (vgl. oben II 2 c). Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, daß die Richtlinie 95/21/EG in der Europäischen Gemeinschaft insgesamt eine einheitliche und wirkungsvolle - und damit wohl auch eine konsequentere - Durchsetzung internationaler Normen verfolgt (vgl. Siebente Begründungserwägung). Inhaltlich knüpft sie aber an die Beachtung und Anwendung internationaler Übereinkommen an, die schon vor dem Ablauf der für die Richtlinie geltenden Umsetzungsfrist zum täglichen Geschäft der Beklagten zu 1 gehörten.
Die Beklagte zu 1 entlastet auch nicht, daß das Landgeri cht ihre Weigerung , das Verschleppen zu gestatten, als nicht rechtswidrig angesehen hat. Dies beruht nicht etwa auf einer anderen rechtlichen Würdigung des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie oder auf einer anderen Gewichtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - insoweit geht auch das Landgericht davon aus, die Beklagte zu 1 habe sich auf einen fehlerhaften Rechtsstandpunkt gestellt -, sondern auf der Erwägung, die Klägerin habe sich die Verzögerungen selbst zuzuschreiben , weil sie den von der Beklagten zu 1 von Beginn an geforderten Besichtigungsantrag nicht gestellt und den Vorschuß für ein Tätigwerden nicht eingezahlt habe. Damit fehlt es aber an einer erschöpfenden Würdigung des Schriftwechsels zwischen den Parteien. Die Klägerin ist nicht etwa untätig geblieben , sondern hat sich gegen den Rechtsstandpunkt der Beklagten zu 1 ge-
wehrt. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Stellung eines förmlichen Besichtigungsantrags im Vorfeld der von der Klägerin verfolgten Verschleppung des Schiffs nach Rotterdam zur Reparatur keinen Sinn gehabt. Es kann der Klägerin auch nicht angelastet werden, daß sie sich (erst) Anfang Januar 1998 an das Verwaltungsgericht gewandt hat; vielmehr war dies erst sachgemäß, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Beklagte zu 1 den in mehreren Schreiben im Dezember 1997 eingenommenen Rechtsstandpunkt nicht aufzugeben bereit war. Nach Aufgabe dieses Rechtsstandpunkts in einem der Klägerin am 12. Januar 1998 zugegangenen Schriftsatz hat diese am 14. Januar 1998 unverzüglich den Besichtigungsantrag gestellt. Daß zu diesem Zeitpunkt der Kostenvorschuß noch nicht eingegangen war, hat die Beklagte zu 1 mit Recht nicht davon abgehalten, die Besichtigung vorzunehmen und die erforderlichen Maßnahmen festzulegen. Zu einer solchen Verfahrensweise bestand schon im Hinblick auf die ihr zuzurechnenden Verzögerungen Anlaß. Die Beklagte kann ihre Schadensersatzpflicht daher auch nicht mit dem Zeitpunkt des Eingangs des gezahlten Vorschusses in Frage stellen.
c) Gegen die Höhe des zuerkannten Anspruchs, die das Beruf ungsgericht den Parteien bereits mit Hinweisbeschluß vom 2. Juni 2003 bekanntgegeben hat, sind von der Beklagten zu 1 keine substantiierten Einwendungen erhoben worden. Dies gilt auch für die Heuerkosten, hinsichtlich derer die Klägerin behauptet hatte, die Besatzung habe bis zum Ende der erzwungenen Liegezeit in Hamburg unter Vertrag gestanden.
4. Die Klage ist indessen unbegründet, soweit sie gegen die Beklagte zu 2 gerichtet ist. Soweit es um die Amtspflichtverletzungen der Mitarbeiter der Be-
klagten zu 1 im Sinn des § 839 BGB geht, hat diese nach Art. 34 GG hierfür einzustehen (vgl. oben II 3 a).
Eine Haftung der Beklagten zu 2 kommt daher nur unter dem Gesichtspunkt des vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs in Betracht. Hiernach ist der Mitgliedstaat zum Ersatz der Schäden verpflichtet, die dem einzelnen durch diesem zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, gleichviel, ob der zur Last gelegte Verstoß dem nationalen Gesetzgeber, seiner Verwaltung oder seinen letztinstanzlich entscheidenden Gerichten zuzuschreiben ist, sofern die verletzte Gemeinschaftsrechtsnorm bezweckt, dem einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und den dem einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. Urteil vom 30. September 2003 - Rs. C-224/01 - Köbler - NJW 2003, 3539 zu Rn. 30, 31 m.umfangr.w.N.; aus der Rechtsprechung des Senats BGHZ 134, 30; 146, 153, 158 f; Beschluß vom 28. Oktober 2004 - III ZR 294/03 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2 ist hier unter zwei Gesichtspunkten zu prüfen.
a) Zum einen geht es um die Frage, ob die Beklagte zu 2 dafür haftbar zu machen ist, daß sie den Schadensersatzanspruch nach Art. 9 Abs. 7 der Richtlinie 95/21/EG erst lange nach Ablauf der Umsetzungsfrist (30. Juni 1996; Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie) durch Einfügung des § 3e SeeaufgG durch das Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. März 2002 (BGBl. I S. 1163) in nationales Recht umgesetzt hat, so daß sich die Klägerin wegen des ihr entstandenen Schadens gegenüber der Beklagten zu 1 nicht auf diese Norm beziehen konnte. Der Senat kann offen las-
sen, ob die Richtlinienbestimmung nicht nur Gemeinschaftsbürgern, sondern auch Eigentümern und Betreibern aus Drittstaaten, die der Hafenstaatkontrolle unterworfen werden sollen, Rechte verleihen wollte, wie es im Ergebnis auch in § 3e SeeaufgG vorgesehen ist. Der Klägerin ist nämlich aus dieser Säumnis des nationalen Gesetzgebers, der andere Teile der Richtlinie 95/21/EG früher umgesetzt hat, kein Schaden entstanden. Denn ihr stehen - wie ausgeführt - aufgrund des amtspflichtwidrigen Verhaltens der Mitarbeiter der Beklagten zu 1 Amtshaftungsansprüche gegen diese zu, die in ihrem Umfang nicht hinter dem zurückbleiben, was sie bei rechtzeitiger Umsetzung der Schadensersatzregelung in Art. 9 Abs. 7 der Richtlinie hätte erlangen können.
b) Eine Haftung ist auch unter dem Gesichtspunkt zu prüfe n, daß durch das Verwaltungshandeln der Beklagten zu 1 nicht nur Amtspflichten verletzt sind, die das innerstaatliche Recht betreffen, sondern zugleich Normen des Gemeinschaftsrechts, die eine gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung auslösen. Eine solche Konstellation wird insbesondere dann auftreten, wenn die Verstöße Gebiete betreffen, in denen das nationale Recht gemeinschaftsrechtlich harmonisiert worden ist (vgl. aus der Senatsrechtsprechung etwa BGHZ 146, 153, 158). Das Berufungsgericht hat angenommen, in einer solchen Konstellation trete neben die Haftung des nationalen Organs immer auch ein gegen den Mitgliedstaat selbst gerichteter Staatshaftungsanspruch. Dies ist jedoch nach der im folgenden zu erörternden Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemeinschaftsrechtlich nicht geboten.
In seinem Urteil vom 1. Juni 1999 (Rs. C-302/97 - Konl e - Slg. 1999, I-3122, 3140 zu Rn. 61 bis 64) hat der Gerichtshof entschieden, ein bundesstaatlich aufgebauter Mitgliedstaat könne seine gemeinschaftsrechtlichen Ver-
pflichtungen auch dann erfüllen, wenn nicht der Gesamtstaat den Ersatz der einem einzelnen durch gemeinschaftsrechtswidrige innerstaatliche Maßnahmen entstandenen Schäden sicherstellt, sondern - wie zu ergänzen ist - das einzelne Bundesland. Diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 4. Juli 2000 (Rs. C-424/97 - Haim II - Slg. 2000, I-5148, 5158 ff zu Rn. 25 bis 34) auf die Frage des vorlegenden Gerichts, ob die Haftung einer rechtlich selbständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft neben der Haftung des Mitgliedstaates gegeben sein könne, dahin fortentwickelt und präzisiert, daß dies auch für Mitgliedstaaten gilt, in denen - unabhängig davon, ob sie bundesstaatlich aufgebaut sind oder nicht - bestimmte Gesetzgebungs- oder Verwaltungsaufgaben dezentralisiert von Gebietskörperschaften mit einer gewissen Autonomie oder von anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, die vom Staat rechtlich verschieden sind (in casu eine Kassenärztliche Vereinigung in der Bundesrepublik Deutschland), wahrgenommen werden. In diesen Mitgliedstaaten könnten die Schäden, die eine öffentliche Einrichtung unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht verursacht habe, daher von dieser ersetzt werden (aaO S. 5160 zu Rn. 31). Zwar findet sich in beiden Entscheidungen des Gerichtshofs (Konle Rn. 62; Haim II Rn. 28) die Wendung, ein Mitgliedstaat könne sich seiner Haftung nicht dadurch entziehen, daß er auf die Aufteilung/interne Verteilung der Zuständigkeit(en) und der Haftung auf Körperschaften verweise, die nach seiner Rechtsordnung bestünden. Diese Formulierung legt für sich genommen den Schluß nahe, daß der Mitgliedstaat selbst den durch den Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht eingetretenen Schaden zu ersetzen hat. Einer entsprechenden Deutung tritt der Gerichtshof jedoch nach Auffassung des Senats in beiden Entscheidungen entgegen. Zwar muß jeder Mitgliedstaat sicherstellen, daß dem einzelnen der Schaden ersetzt wird, der ihm durch einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht entstanden ist,
gleichgültig, welche staatliche Stelle diesen Verstoß begangen hat und welche Stelle nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats diesen Schadensersatz grundsätzlich zu leisten hat (Haim II Rn. 27). Hieraus folgt jedoch nach Auffassung des Gerichtshofs nicht, daß der Mitgliedstaat seine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nur erfüllt, wenn er selbst den entstandenen Schaden ersetzt (Haim II Rn. 29). Vielmehr hat der Gerichtshof konzediert, daß der Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, die Aufteilung der Zuständigkeit und der Haftung auf die öffentlichen Körperschaften in seinem Gebiet zu ändern, und daß den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts genügt ist, wenn die innerstaatlichen Verfahrensregelungen einen wirksamen Schutz der Rechte ermöglichen, die dem einzelnen aufgrund Gemeinschaftsrechts zustehen, und die Geltendmachung dieser Rechte nicht gegenüber derjenigen solcher Rechte erschwert ist, die dem einzelnen nach innerstaatlichem Recht zustehen (Konle Rn. 63; Haim II Rn. 30). Dann aber liegt es nahe, die Folgen eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs - unter Beachtung seiner Zielsetzung und seiner Voraussetzungen - weitgehend mit den nach innerstaatlichem Recht geltenden Regeln in Einklang zu bringen.
Der Senat sieht daher angesichts des Umstandes, daß der g emeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch aufgrund der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in die innerstaatliche Rechtspraxis selbstverständlichen Einzug gehalten hat, keine Bedenken, die Bestimmung des Haftungssubjekts für diesen Anspruch nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, die für die Übernahme der Haftung nach Art. 34 GG gelten (so auch Staudinger/Wurm, aaO Rn. 544). Insbesondere ergibt sich auch aus diesen Grundsätzen, wen in Fällen eines Verstoßes des Gesetzgebers oder der Rechtsprechung gegen das Gemeinschaftsrecht - hier wird nach Amtshaftungsgrundsätzen nicht oder nur eingeschränkt gehaftet - die
tungsgrundsätzen nicht oder nur eingeschränkt gehaftet - die Verantwortlichkeit trifft. Insoweit liegt eine gefestigte Rechtsprechung vor, so daß für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland innerstaatlich und mit Verfassungsrang gewährleistet ist, daß für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht gehaftet wird. Die Beklagte zu 1 hat daher auch für die nachteiligen Folgen ihres Verwaltungshandelns einzustehen, soweit es Gemeinschaftsrecht verletzt hat.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Herrmann
(1) Zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Recht sowie zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechts ist die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Vor der Eintragung sind die Beteiligten an die Einigung nur gebunden, wenn die Erklärungen notariell beurkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind oder wenn der Berechtigte dem anderen Teil eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat.
(1) Auf das Erbbaurecht finden die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften mit Ausnahme der §§ 925, 927, 928 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie die Vorschriften über Ansprüche aus dem Eigentum entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus diesem Gesetz ein anderes ergibt. Eine Übertragung des Erbbaurechts, die unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgt, ist unwirksam.
(2) Auf einen Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, ein Erbbaurecht zu bestellen oder zu erwerben, findet der § 311b Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung.
(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.
(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.
(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.
(1) Beim Heimfall des Erbbaurechts bleiben die Hypotheken, Grund- und Rentenschulden und Reallasten bestehen, soweit sie nicht dem Erbbauberechtigten selbst zustehen. Dasselbe gilt für die Vormerkung eines gesetzlichen Anspruchs auf Eintragung einer Sicherungshypothek. Andere auf dem Erbbaurecht lastende Rechte erlöschen.
(2) Haftet bei einer Hypothek, die bestehen bleibt, der Erbbauberechtigte zugleich persönlich, so übernimmt der Grundstückseigentümer die Schuld in Höhe der Hypothek. Die Vorschriften des § 416 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. Das gleiche gilt, wenn bei einer bestehenbleibenden Grundschuld oder bei Rückständen aus Rentenschulden oder Reallasten der Erbbauberechtigte zugleich persönlich haftet.
(3) Die Forderungen, die der Grundstückseigentümer nach Absatz 2 übernimmt, werden auf die Vergütung (§ 32) angerechnet.
Zum Inhalt des Erbbaurechts gehören auch Vereinbarungen des Grundstückseigentümers und des Erbbauberechtigten über:
- 1.
die Errichtung, die Instandhaltung und die Verwendung des Bauwerks; - 2.
die Versicherung des Bauwerks und seinen Wiederaufbau im Falle der Zerstörung; - 3.
die Tragung der öffentlichen und privatrechtlichen Lasten und Abgaben; - 4.
eine Verpflichtung des Erbbauberechtigten, das Erbbaurecht beim Eintreten bestimmter Voraussetzungen auf den Grundstückseigentümer zu übertragen (Heimfall); - 5.
eine Verpflichtung des Erbbauberechtigten zur Zahlung von Vertragsstrafen; - 6.
die Einräumung eines Vorrechts für den Erbbauberechtigten auf Erneuerung des Erbbaurechts nach dessen Ablauf; - 7.
eine Verpflichtung des Grundstückseigentümers, das Grundstück an den jeweiligen Erbbauberechtigten zu verkaufen.
Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Hat jedoch derjenige, welchem gegenüber ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet oder ist er damit einverstanden gewesen, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht handele, so finden die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem Vertreter ohne Vertretungsmacht mit dessen Einverständnis vorgenommen wird.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Klage ist dem Grunde nach berechtigt.
Der Rechtsstreit wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs und die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte war Eigentümer eines Hausgrundstücks in L. , das er 1993 in Wohnungseigentum aufteilte. Hierdurch entstand u.a. der im Wohnungseigentumsgrundbuch des Amtsgerichts S. von L. Band Blatt eingetragene Miteigentumsanteil von 22/100 an dem
Grundstück, der mit dem Sondereigentum an der im Teilungsplan als Nr. 1 bezeichneten Wohnung verbunden ist.
Mit Notarvertrag vom 29. März 1994 verkaufte der Beklagte die Wohnung dem Kläger. Nach § 6 des Vertrages waren sich die Vertragsparteien einig , daß dem Kläger "an dem Wohnraum auf halber Höhe über der von ihm gekauften Wohnung (im folgenden: Wohnraum)... ein Sondernutzungsrecht" zustehen solle. In der Vertragsurkunde bevollmächtigten die Parteien die Notariatsangestellte K. M. unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, "alle zur Durchführung und etwaigen Ergänzung... (des) Vertrages noch erforderlichen Erklärungen für sie abzugeben". Die Auflassung erfolgte in der Notarverhandlung.
In der Folgezeit beanstandete das Grundbuchamt den von dem Urkundsnotar gestellten Antrag auf Eintragung des Klägers in das Grundbuch, weil der Wohnraum, zu dessen alleiniger Nutzung der Kläger berechtigt sein sollte, in der Teilungserklärung nicht dargestellt sei. Der Notar veranlaßte daraufhin Frau M. , als Bevollmächtigte der Vertragsparteien den Kaufvertrag zu ändern. Nach der von Frau M. hierzu am 19. September 1994 in notariell beurkundeter Form abgegebenen Erklärung soll der Kläger schuldrechtlich zur alleinigen Nutzung des Wohnraums berechtigt sein. Ein dinglich wirkendes Sondernutzungsrecht soll erst bei einer späteren Änderung der Teilungserklärung begründet werden.
Bemühungen des Klägers, die Wohnung weiterzuverkaufen, scheiterten an dem Mangel einer dinglichen Sicherung des Sondernutzungsrechts an dem Wohnraum. Mit Erklärung vom 24. September 1999 verlangte er von dem Be-
klagten Verschaffung eines dinglich wirkenden Sondernutzungsrechts, setzte hierzu eine Frist bis zum 15. Oktober 1999 und erklärte, die Leistung nach Fristablauf abzulehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags zu verlangen. Die Eintragung des Sondernutzungsrechts in das Grundbuch unterblieb.
Der Kläger beziffert den ihm durch die Nichterfüllung des Vertrages entstandenen Schaden auf 125.729,54 DM. Mit der Klage verlangt er von dem Beklagten Erstattung dieses Betrages zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Rückauflassung seines Mit- und Sondereigentums. Zur Begründung seines Antrags auf Abweisung der Klage hat der Beklagte unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten. Es meint, nach dem Vertrag vom 29. März 1994 sei der Beklagte verpflichtet gewesen, dem Kläger ein dinglich wirkendes Sondernutzungsrecht an dem Wohnraum zu verschaffen. Diese Verpflichtung sei durch die am 19. September 1994 vereinbarte Änderung des Kaufvertrages aufgehoben worden. An die Stelle der Verpflichtung des Beklagten zur Verschaffung eines dinglich wirkenden Rechts sei die Verpflichtung zur Verschaffung einer obliga-
torisch wirkenden Berechtigung zur alleinigen Nutzung des Wohnraums getreten. Diese Verpflichtung sei erfüllt. Auch wenn zweifelhaft sei, ob die von Frau M. erklärte Änderung des Kaufvertrags von der ihr erteilten Vollmacht gedeckt gewesen sei, sei die von ihr für die Parteien abgegebene Erklärung wirksam. Eine vollmachtlos für den Kläger abgegebene Erklärung sei von ihm nämlich dadurch genehmigt worden, daû er die Wirksamkeit der Änderung des Kaufvertrages bis zur Erhebung der Klage nicht bezweifelt habe.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung auf die schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Parteien Anwendung. Gemäû § 326 Abs. 1 BGB a.F. besteht der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts schuldete der Beklagte dem Kläger die Verschaffung des Rechts zur Nutzung des Wohnraums durch Begründung oder Übertragung eines gegen einen Rechtsnachfolger wirkenden Sondernutzungsrechts. Diese Auslegung von § 6 des Kaufvertrags ist fehlerfrei und wird von der Revision auch nicht beanstandet. Gemäû § 10 Abs. 2 WEG bedarf es zum Entstehen eines solchen Rechts der Eintragung in das Grundbuch. Da diese unterblieb, hat der Beklagte dem Kläger das geschuldete Recht nicht verschafft.
a) Der Anspruch des Klägers auf ein dinglich wirkendes Sondernutzungsrecht ist durch die am 19. September 1994 von Frau M. für die Parteien abgegebenen Erklärungen nicht aufgehoben oder abgeändert worden. Denn die Erklärungen wirken nicht gegen den Kläger (§ 177 Abs. 1 BGB). Die in der Urkunde vom 29. März 1994 erteilte Vollmacht berechtigte Frau M. nur zur Vertretung des Klägers, soweit Hindernisse formeller Art, die dem Vollzug des Kaufvertrages entgegenstanden, beseitigt werden sollten, nicht aber zur Änderung einer Hauptleistungspflicht aus dem Kaufvertrag. Um eine solche handelt es sich aber hier.
Während das dinglich wirkende Sondernutzungsrecht als Inhalt des Sondereigentums gegenüber jedem Sonderrechtsnachfolger eines von der Nutzung ausgeschlossenen Erwerbers wirkt, wird ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht mit einem Eigentümerwechsel hinfällig, wenn der neue Eigentümer die Rechte und Pflichten aus der Begründung des Sondernutzungsrechts nicht mit Zustimmung der übrigen Eigentümer übernimmt (OLG Hamburg ZMR 2002, 216, 217; OLG Köln DNotZ 2002, 223, 227 m. Anm. Häublein; Müller, ZMR 2000, 473, 474). Es ist diesem gegenüber nicht durchsetzbar und verliert damit seinen Ausschlieûlichkeitscharakter (vgl. Müller ZMR 2000, 473, 474). Zu einer derartigen Inhaltsänderung des Sondereigentums berechtigte die der Notariatsangestellten erteilte Vollmacht nicht.
b) Die von Frau M. für den Kläger am 19. September 1994 vollmachtlos erklärte Änderung des Vertrages vom 29. März 1994 ist auch nicht durch Genehmigung wirksam geworden. Die Genehmigung einer von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebenen beurkundungsbedürftigen Er-
klärung bedarf zwar ihrerseits keiner Form (§ 182 Abs. 2 BGB) und kann damit auch durch konkludentes Handeln erfolgen. An einem solchen Handeln des Beklagten fehlt es jedoch. Eine Genehmigung vollmachtloser Vertretung durch konkludentes Handeln des Vertretenen setzt grundsätzlich voraus, daû sich der Vertretene zumindest der Möglichkeit bewuût ist, durch sein Handeln eine in seinem Namen abgegebene Erklärung zu genehmigen (st. Rspr., vgl. BGHZ 2, 150, 153; RGZ 118, 335, 336f, BGH, Urt. v. 18. Februar 1960, VII ZR 21/59, WM 1960, 611, 612 u. v. 5. März 1986, IVa ZR 141/84, NJW 1986, 2107, 2108). Daû der Kläger die Unwirksamkeit der in seinem Namen von Frau M. abgegebenen Erklärungen auch nur in Betracht gezogen haben könnte, hat der Beklagte nicht behauptet. Nach der vorprozessualen Korrespondenz haben noch nicht einmal die Rechtsanwälte, die der Kläger mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hatte, den Mangel der Vertretung des Klägers beim Abschluû des Änderungsvertrages vom 19. September 1994 erkannt. Auch bei der Vorbereitung der Eigentümerversammlung vom 10. Februar 1999, mit der der Kläger einen Rechtsanwalt beauftragt hatte, ist die Unwirksamkeit der für den Kläger von Frau M. abgegebenen Erklärungen nicht erkannt worden. Nach dem Protokoll der Versammlung haben weder der Kläger noch sein Berater auch nur mit der Möglichkeit der Unwirksamkeit der für ihn von Frau M. abgegebenen Erklärungen gerechnet.
Auch wenn man nur auf die objektive Erklärungsbedeutung des Verhaltens des Klägers abstellen wollte, führte dies nicht dazu, daû die von Frau M. für den Kläger vollmachtlos abgegebenen Erklärungen genehmigt worden wären. Entscheidend ist dann, ob das Verhalten des Klägers sich aus der Sicht des Beklagten als eines vernünftigen Dritten redlicherweise als Genehmigung darstellte. Das würde voraussetzen, daû der Beklagte davon ausging
oder davon ausgehen konnte, die Änderung des Kaufvertrags sei von der Frau M. erteilten Vollmacht nicht gedeckt. Das ist nicht der Fall.
c) Der Anspruch auf Verschaffung eines dinglich wirkenden Sondernutzungsrechts war bei Ablauf der von dem Kläger zur Erfüllung gesetzten Nachfrist nicht verjährt. Die in der Instanz erhobene Einrede ist unbegründet. Die Frist für die Verjährung des Anspruchs des Klägers betrug gemäû § 195 BGB a.F. 30 Jahre. Sie begann mit Abschluû des Kaufvertrags am 29. März 1994 (§ 198 BGB a.F.). Die Aufforderung des Klägers zur Rechtsverschaffung bedeutet eine Mahnung. Die Mahnung konnte mit der Setzung einer Nachfrist zur Erfüllung verbunden werden (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 10. Januar 1990, VIII ZR 337/88, NJW-RR 1990, 442, 444; v. 17. Dezember 1996, X ZR 74/95, NJW-RR 1997, 622; RGZ 50, 255, 262; 93, 180; 106, 89). Die Erfüllungsablehnung erfaûte den Vertrag insgesamt, weil die Wohnung des Klägers aufgrund der fehlenden dinglichen Sicherung seines Rechts zur Nutzung des Wohnraums einen erheblichen Minderwert aufweist und das Eigentum an der Wohnung ohne ein dinglich wirkendes Sondernutzungsrecht an dem Wohnraum für den Kläger ohne Interesse ist.
Mit dem Ablauf der vom Kläger gesetzten Frist erlosch sein Erfüllungsanspruch. Der Beklagte schuldet dem Kläger seither Schadensersatz wegen Nichterfüllung.
d) Auch der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt. Dieser Anspruch entstand aufgrund des Schadensersatzverlangens des Klägers im Schreiben vom 24. September 1999 mit dem erfolglosen Ablauf der dem Beklagten zur Erfüllung gesetzten Nachfrist (§ 198 BGB a.F.). Für ihn galt die
dreiûigjährige Verjährung gemäû § 195 BGB a.F.. Diese Frist wurde durch die Zustellung der Klage am 7. Dezember 1999 unterbrochen. Aufgrund der Änderung der Verjährungsvorschriften beträgt die Verjährungsfrist seit dem 1. Januar 2002 nur noch drei Jahre (§ 195 BGB); die Unterbrechung der Verjährung durch die Erhebung der Klage ist seit Beginn des 1. Januar 2002 beendet. Die Anhängigkeit des Rechtsstreits führt jedoch dazu, daû der Beginn der seither geltenden kürzeren Verjährung gehemmt ist (Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB).
2. Der Rechtsstreit ist dem Grunde nach zur Entscheidung reif. Zur Höhe des dem Kläger entstandenen Schadens fehlt es an Feststellungen. Insoweit besteht Anlaû zu dem Hinweis, daû es dem Beklagten obliegt, die Vorteile, die der Kläger aus dem Besitz der Wohnung gezogen hat, darzustellen, soweit diese unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung als anspruchsmindernd Berücksichtigung finden sollen.
Wenzel Tropf Krüger Klein Lemke