Sozialrecht: Wie viel darf ein Auto bei Bezug von Hartz-IV wert sein?
Das zeigt eine Entscheidung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen. Dort hatte ein 58-jähriger Geringverdiener geklagt. Vom Geld seiner Eltern hatte er sich vor fünf Jahren einen riesigen Pick-Up Truck, Ford F 150, US-Import für 21.000 EUR gekauft. Das Jobcenter wollte ihm nun keine Grundsicherungsleistungen bewilligen. Der Mann sei nicht hilfebedürftig. Er müsse vorhandenes Vermögen in Form des Autos zunächst verwerten. Nach eigenen Internetrecherchen des Jobcenters und dem Angebot eines örtlichen Gebrauchtwagenhändlers sei von einem Wert von 20.000 EUR auszugehen.
Das LSG hat das Jobcenter im Eilverfahren vorläufig zur Leistung verpflichtet. Die Freibeträge zur Hilfebedürftigkeit würden nicht überschritten. Um die Mobilität zur Arbeitsaufnahme zu erhalten, gelte ein seit Jahren unveränderter Kfz-Freibetrag von 7.500 EUR. Hinzu komme ein Vermögensfreibetrag, der mit zunehmendem Alter ansteige. Er betrage bei dem Mann 9.300 EUR. Da außer dem Auto kein weiteres Vermögen vorhanden war, hätte der Mann das Auto nur verkaufen müssen, wenn der Wert 16.800 EUR übersteigen würde. Allerdings konnte das Gericht die Berechnung des Jobcenters nicht nachvollziehen. Der Gesamtfreibetrag werde selbst bei einem jährlichen Wertverlust von nur fünf Prozent durch Alter und Laufleistung unterschritten. Auch die vom Jobcenter beantragte richterliche Inaugenscheinnahme des Autos brachte keine anderen Erkenntnisse. Vielmehr beanstandete der Senat, dass bei solch unterschiedlichen Einschätzungen bisher kein Wertgutachten eingeholt wurde. Da im Eilverfahren nur geschätzt werden könne, sei dies im Hauptsacheverfahren nachzuholen. „Die Wertermittlung von Autos ist ein nüchterner Rechenvorgang ohne soziale Missbilligung“, erläutert das Gericht. „Hätte der Kläger einen Golf für 7.500 EUR in der Garage und 9.300 EUR auf dem Konto, wäre seine Bedürftigkeit nie angezweifelt worden.“
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Beschluss vom 16.05.2019 – L 11 AS 122/19 B ER – entschieden:
Tenor:
Der die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ablehnende Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 18. Februar 2019 wird geändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig und unter dem Vorbehalt des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens für den Monat Dezember 2018 273,00 Euro und für die Monate Januar bis Juli 2019 650,00 Euro pro Monat zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner erstattet dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Der 1961 geborene Antragsteller bezog in der Vergangenheit vom Antragsgegner laufende SGB II-Leistungen. Er betreibt als freischaffender Künstler das Atelier für Auftragskunst „F.“ und bezieht nach seinen Angaben eine Opferrente iHv 300,00 Euro monatlich.
Im Juni 2014 kaufte der Antragsteller einen Pick Up Truck der Marke Ford Modell F 150 Basic. Das Kfz weist einen Hubraum von 4.605 cm³ und eine Leistung von 218 kW auf.
Am 26. Oktober 2018 beantragte der Antragsteller erneut beim Antragsgegner die Gewährung von SGB II-Leistungen. In seinem Antrag gab er an, im März 2018 bei Herrn H. ein Darlehen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgenommen und als Sicherheit den Kfz-Brief des Pick Up Trucks an den Darlehensgeber übergeben zu haben um 5.990,00 Euro. Aus diesem Vermögen könne der monatliche Bedarf für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 31. März 2019 gedeckt werden.
Im Widerspruchsverfahren machte der Antragsteller geltend, das Kfz mittlerweile an Herrn J. sicherungsübereignet zu haben, nachdem dieser die vom Antragsteller bereits zurückgezahlten 1.300,00 Euro erneut an den Antragsteller ausgezahlt habe sei auch nicht zB in der sog. Schwacke-Liste gelistet. Der Wert des Fahrzeugs ergebe sich vielmehr aus dem bereits vorgelegten Gutachten der Kfz-Prüfstelle.
Am 19. Dezember 2018 hat der Antragsteller beim SG Osnabrück um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er hat geltend gemacht, dass der Antragsgegner den Wert des Kfz entgegen den Weisungen der Bundesagentur für Arbeit nicht mittels eines Wertermittlungsprogramms ermittelt habe. Im Jahr 2010 seien bei Ford USA insgesamt 10 verschiedene Modelle des Pick Up Trucks auf den Markt gekommen. Sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im vorangegangenen Eilverfahren sei offensichtlich „in Unkenntnis der verschiedenen Modelle im Internet nach irgendwelchen Modellen gesucht“ worden. Der Antragsteller habe sich bei verschiedenen Ford-Händlern um einen Verkauf des Kfz bemüht. Es sei jedoch kein Händler zum Ankauf bereit gewesen. Er sei dringend auf die Gewährung von SGB II-Leistungen angewiesen. Seit Oktober 2018 erziele er keine Einnahmen mehr aus seiner selbständigen Tätigkeit. Das noch offene Darlehen gegenüber Herrn J. betrage nach Abschluss des „Sicherungsübereignungsvertrages“ nunmehr wieder 2.000,00 Euro. Mit dem Darlehensbetrag habe der Antragsteller zwei offene Mieten nachgezahlt; der Rest des Darlehensbetrags sei mittlerweile für den Lebensunterhalt verbraucht worden.
Das SG hat die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller nicht hilfebedürftig sei. Er habe nicht plausibel dargelegt, wovon er die letzten zwei Jahre gelebt habe, obwohl er für diesen Zeitraum Klageverfahren mit der Begründung führe, dass sein Einkommen nicht bedarfsdeckend sei. Gleichwohl habe er bislang weder sein Kfz verwertet noch in der Zeit von April 2017 bis Ende 2018 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Für die Zeit von Mai bis Oktober 2018 habe er einerseits angegeben, nicht hilfebedürftig gewesen zu sein. Im nachgereichten EKS-Bogen habe dies dann „schon wieder anders“ ausgesehen. Die Darlehensverträge seien sehr kritisch zu würdigen, da sie mit der angeblichen Sicherungsübereignung an die Eltern nicht zu vereinbaren seien und zudem die Darlehensforderung völlig übersichert sei. Der Ursprung einzelner Bareinzahlungen auf dem Bankkonto des Antragstellers sei ebenfalls unklar Beim Antragsteller sei ein Barbestand in unbekannter Höhe zu vermuten.
Gegen den dem Antragsteller am 21. Februar 2019 zugestellten Beschluss richtet sich seine am 7. März 2019 eingelegte Beschwerde. Das SG habe die Darlehensabwicklung missverstanden. Der Antragsteller habe auf den ursprünglichen Darlehensvertrag zunächst 1.100,00 Euro an Herrn J. zurückgezahlt, dann aber aufgrund des „Sicherungsübereignungsvertrages“ vom 10. Dezember 2018 erneut 1.300,00 Euro ausgezahlt bekommen. Den Kfz-Preisrecherchen des Antragsgegners könne nicht gefolgt werden. Stattdessen sei entweder auf das vom Antragsteller eingeholte Wertgutachten oder aber auf eine Wertermittlung über USamerikanische Kfz-Bewertungsportale abzustellen, woraus sich ein Händlereinkaufspreis von 10.611,00 USD = 9.339,00 Euro bzw. ein Privatverkaufspreis von 13.106,00 USD = 11.534,00 Euro ergebe. Seit Oktober 2018 habe der Antragsteller seinen Lebensunterhalt aus den Einnahmen aus der Rechnung vom 1. Oktober 2018, dem „Darlehensausgleich“ vom 10. Dezember 2018 sowie der laufenden Opferrente bestritten. Wegen der noch andauernden Leistungsversagung sei die Darlehenssumme zwischenzeitlich um weitere 2.000,00 Euro auf 4.000,00 Euro erhöht worden.
Der Antragsgegner hält die Kfz-Sicherungsübereignung wegen Übersicherung für nichtig. Der ortsansässige Ford-Händler bestätige aktuell einen Inzahlungnahmepreis von 18.000,00 Euro inkl. Mwst. Da Pick Up Trucks momentan sehr gefragt seien, sei von einem Verkehrswert von über 20.000,00 Euro auszugehen. Der Antragsteller habe auch seine Einkommensverhältnisse bislang nicht plausibel dargelegt. Es würden lediglich Rechnungen mit geschwärzten Rechnungsempfängern vorgelegt. Trotz Aufforderung sei kein ordentlich geführtes Kassenbuch vorgelegt worden.
Auf Nachfrage des Senats hat der Antragsteller mitgeteilt, die Kfz-Unterlagen im September 2017 von seiner damals schwer kranken Mutter ausgehändigt bekommen zu haben. Dies sei erfolgt, um spätere Komplikationen mit dem Vater, der der Finanzierung nur widerwillig zugestimmt habe, zu vermeiden. Eine schriftliche Erklärung zur Aufhebung des Verfügungsverbotes sei nicht gefertigt worden.
Am 19. Februar 2019 hat der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers gegen den Ablehnungsbescheid vom 15. November 2018 zurückgewiesen. Hiergegen führt der Antragsteller vor dem SG Osnabrück das Klageverfahren S 22 AS 167/19. Einen erneuten Leistungsantrag vom 28. Februar 2019 hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 16. April 2019 abgelehnt. Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 22. April 2019 Widerspruch eingelegt, über den - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden worden ist.
Der Senat hat am 13. Mai 2019 einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Auf Hinweis des Senats hat der Antragsteller mehrere eidesstattliche Versicherungen zur Gerichtsakte gereicht.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist, insbesondere auch ein Eilbedürfnis vorliegt. Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen.
1. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, da die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers glaubhaft gemacht worden ist.
Die Gewährung von SGB II-Leistungen setzt Hilfebedürftigkeit voraus, d.h. die Unmöglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen bestreiten zu können. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners steht das Kfz nach derzeitigem Sach- und Streitstand der Annahme von Hilfebedürftigkeit nicht entgegen.
Zwar sind nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Gegenstände als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen ist jedoch ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person ist ein von Arbeitsuchenden genutztes Kfz nicht als Vermögen zu berücksichtigen, wenn dessen Verkehrswert bei realitätsnaher Betrachtung zumindest die Summe aus dem Wert für ein angemessenes Kraftfahrzeug und den Grundfreibeträgen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II nicht überschreitet.
Nach der im sozialgerichtlichen Eilverfahren gebotenen lediglich summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage kann nicht festgestellt werden, dass das Kfz des Antragstellers im maßgeblichen Zeitraum einen Wert von mehr als 16.800,00 Euro hatte.
Obwohl der Antragsgegner bereits seit Februar 2017 die Gewährung von SGB II-Leistungen unter Hinweis auf das aus seiner Sicht unangemessene Kfz abgelehnt hat bzw. ablehnt, hat er bislang kein Wertgutachten über das Kfz eingeholt. Dies wertet der erkennende Senat als Verletzung der dem Antragsgegner obliegenden Amtsermittlungspflicht, da die erfolgten Internet-Recherchen sowie die vom Antragsgegner bislang eingeholten relativ pauschalen Auskünfte für eine tragfähige Wertbestimmung nicht ausreichen.
Der Antragsteller hat das Kfz im Juni 2014 - d.h. vor ca. fünf Jahren - für 21.000,00 Euro bei einem km-Stand von ca. 49.500 km gekauft. Dass der Antragsteller keine weiteren Zahlungen geleistet und der Verkäufer im Zusammenhang mit diesem Kfz-Kauf auch keine weiteren wirtschaftlichen Vorteile erhalten hat, hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren eidesstattlich versichert. Zudem ist der damalige Kaufvertrag, der diesen Kaufpreis ausweist, aktenkundig.
Da es sich bei einem Kfz um einen Gebrauchsgegenstand handelt, der sowohl durch Zeitablauf als auch durch Nutzung erhebliche Wertverluste erleidet, ist in besonderem Maße begründungsbedürftig, wenn ein Kraftfahrzeug nach Ablauf von ca. 5 Jahren und einer weiteren Laufleistung von mehr als 70.000 km nicht nur keinen Wert verloren haben soll, sondern sogar wertvoller geworden sein soll. Die vom Antragsgegner vorgenommenen diversen Wertbestimmungen werden durch das vom Antragsteller in Auftrag gegebene Wertgutachten des Kfz-Sachverständigen von M. erheblich in Frage gestellt. Schließlich wies dieses Gutachten bereits im Jahr 2017 einen deutlich niedrigeren Wert aus. Unabhängig davon, ob dieses Wertgutachten tatsächlich insgesamt überzeugt, stellt es einen substantiierten Vortrag des Antragstellers zum tatsächlichen Wert des Kfz dar. Die vom Antragsgegner eingeholten relativ pauschalen Auskünfte sowie die bislang durchgeführten Internetrecherchen sind nicht geeignet, das von einem Kfz-Sachverständigen erstellte Wertgutachten vollständig zu entkräften. So lässt die Recherche von Angebotspreisen anderer Ford Pick Up-Modelle nur begrenzte Rückschlüsse auf das sehr spezielle Fahrzeug des Antragstellers zu. Ebenso wenig ist das Fahrzeug in gängigen Gebrauchtwagen-Datenbanken gelistet. Eine hinreichend valide Wertbestimmung dürfte im vorliegenden Einzelfall somit wohl nur mittels eines Wertgutachtens möglich sein. Dies gilt auch deshalb, weil die Autohaus L. GmbH auf Nachfrage des Antragsgegners zwar immer wieder deutlich höhere Wertangaben gemacht hat, nach dem Vorbringen des Antragstellers im Erörterungstermin jedoch nicht bereit gewesen sei, das Kfz des Antragstellers auch tatsächlich anzukaufen.
Es besteht kein Anlass, die bereits mehrjährigen Defizite in der Amtsermittlung des Antragsgegners im lediglich summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nachzuholen. Das sozialgerichtliche Eilverfahren dient weder der Ausermittlung bislang nicht hinreichend ermittelter Tatsachen noch lässt sich die Einholung von Gutachten mit dem das Eilverfahren beherrschenden Beschleunigungsgebot vereinbaren.
Dem Senat bleibt für das vorliegende Eilverfahren daher lediglich die Möglichkeit des Versuchs einer Wertbestimmung anhand von Erfahrungswerten.
Ausgangspunkt für die Schätzung ist die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers, wonach das Kfz im Juni 2014 für 21.000,00 Euro gekauft worden ist. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte geht der Senat davon aus, dass der damalige Kaufpreis in etwa dem damaligen Verkaufswert entsprach, welcher somit im Juni 2014 ebenfalls bei ungefähr 21.000,00 Euro gelegen haben dürfte. Auch der Antragsgegner hat keine Tatsachen ermittelt, aus denen geschlossen werden könnte, dass das Kfz im Juni 2014 erheblich unter Wert verkauft worden sein könnte.
Bei einem Verkehrswert von 21.000,00 Euro im Juni 2014 hält es der erkennende Senat für ausgeschlossen, dass das Kfz nach Ablauf von fast 5 Jahren und bei einem derzeitigen km-Stand von 122.478 km noch immer einen Verkehrswert von „über 20.000,00 Euro“ oder sogar 22.790,00 Euro aufweisen soll. Schließlich beträgt der Wertverlust von Kraftfahrzeugen im ersten Jahr nach Zulassung bis zu 25% und in den Folgejahren idR 5 bis 6% pro Jahr dürfte der Verkehrswert des Kfz somit im Dezember 2018 einen Betrag von 16.800,00 Euro nicht mehr überstiegen haben.
Es ist auch nicht erkennbar, dass der Antragsteller über weiteres einzusetzendes Vermögen oder über bedarfsdeckendes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit verfügt. Auf die Aufforderung des Senats, sämtliche im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit seit September 2018 erstellten Rechnungen vorzulegen, hat der Antragsteller Rechnungen aus der Zeit vom 19. September 2018 bis 24. Januar 2019 vorgelegt. Die Vollständigkeit dieser Rechnungen wird auch vom Antragsgegner nicht bezweifelt bis Ende April 2019 von Einnahmen iHv lediglich insgesamt 1.469,58 Euro auszugehen. Bei Verteilung dieses Erwerbseinkommens auf den Bewilligungszeitraum kann nicht davon ausgegangen werden, dass der grundsicherungsrechtliche Bedarf des Antragstellers gedeckt war bzw ist. Insoweit hat der Antragsteller auch hinreichend glaubhaft gemacht, auf welche Weise er trotz Leistungsablehnung seinen Lebensunterhalt bestritten hat.
2. Der Anordnungsgrund ergibt sich aus der schwierigen finanziellen Situation des Antragstellers, der trotz seiner nur geringen Einnahmen aus selbständiger Erwerbstätigkeit auf seinen bereits im Oktober 2018 gestellten Antrag bislang keinerlei SGB II-Leistungen erhalten hat. Trotz der dem Antragsteller von seinem Schwager gewährten Darlehen sind bereits Zahlungsrückstände iHv derzeit 792,68 Euro entstanden.
3. Die Verpflichtung zur vorläufigen Zahlung von SGB II-Leistungen erfolgt für die Zeit ab dem 19. Dezember 2018 als dem Tag der Beantragung von einstweiligem Rechtsschutz beim SG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann grundsätzlich erst für die Zeit ab Eingang des Eilantrages beim SG einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden, nicht dagegen für die Vergangenheit. Eine besondere, sich auch derzeit noch auswirkende Notlage, aufgrund derer ausnahmsweise auch für die Zeit vor der Antragstellung einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden könnte, ist weder ersichtlich noch vom Antragsteller glaubhaft gemacht worden.
4. Bei der Höhe der dem Antragsteller vorläufig zu zahlenden Leistungen berücksichtigt der Senat einerseits den Bedarf des Antragstellers und andererseits sein schwankendes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. Insoweit stimmt der Senat dem Antragsgegner zu, dass die Angaben des Antragstellers zu seinem Erwerbseinkommen nicht widerspruchsfrei sind. So befinden sich in der Verwaltungsakten zB zwei vom Antragsteller gefertigte Gewinn- und Verlustrechnungen, die - obwohl sie einen identischen Zeitraum betreffen - unterschiedliche Gewinne ausweisen. Auch hat der Antragsteller noch mit Schriftsatz vom 6. Februar 2019 vortragen lassen, dass er seit Oktober keine Einnahmen mehr erzielt habe, obwohl er am 1. Oktober 2018 einen Betrag von 1.000,00 Euro, am 8. November 2018 einen Betrag von 439,58 Euro und am 24. Januar 2019 einen Betrag von 30,00 Euro vereinnahmt hat. Insgesamt hält der Senat daher im Wege einer Schätzung einen vorläufigen monatlichen Betrag von 650,00 Euro für geboten, aber auch für ausreichend gibt dem Antragsgegner Gelegenheit, die erforderlichen weiteren Ermittlungen durchzuführen.
5. Die Verpflichtung zur Leistungsgewährung erfolgt lediglich vorläufig, d.h. vorbehaltlich des Ausgangs des Rechtsstreits in der Hauptsache. Bestätigt sich der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorläufig zugesprochene Zahlungsanspruch im Hauptsacheverfahren nicht, resultiert hieraus ein entsprechender Erstattungsanspruch des Antragsgegners.
Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass die vorliegende Entscheidung maßgeblich auf den Angaben des Antragstellers zu dem von ihm für das Kfz gezahlten Kaufpreis, zur Höhe seines seit September 2018 erzielten Erwerbseinkommens und zu den von seinem Schwager gewährten Darlehen beruht. Sollten sich diese vom Senat als wahr zugrunde gelegten Angaben als unwahr erweisen, hätte dies für den Antragsteller uU auch strafrechtliche Konsequenzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind
- 1.
angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bürgergeld maßgebend, - 2.
ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person; die Angemessenheit wird vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt, - 3.
für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge; zudem andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden, - 4.
weitere Vermögensgegenstände, die unabhängig von der Anlageform als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet werden; hierbei ist für jedes angefangene Jahr einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit, in dem keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, an eine öffentlich-rechtliche Versicherungseinrichtung oder an eine Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe entrichtet wurden, höchstens der Betrag nicht zu berücksichtigen, der sich ergibt, wenn der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung nach § 158 des Sechsten Buches mit dem zuletzt festgestellten endgültigen Durchschnittsentgelt gemäß Anlage 1 des Sechsten Buches multipliziert und anschließend auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet wird, - 5.
ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern; bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person; höhere Wohnflächen sind anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde, - 6.
Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, und das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen zu Wohnzwecken dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde sowie - 7.
Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für die betroffene Person eine besondere Härte bedeuten würde.
(2) Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15 000 Euro abzusetzen. Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.
(3) Für die Berücksichtigung von Vermögen gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit wird Vermögen nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind.
(4) Vermögen ist im Sinne von Absatz 3 Satz 2 erheblich, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ist ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Liegt erhebliches Vermögen vor, sind während der Karenzzeit Beträge nach Satz 1 an Stelle der Freibeträge nach Absatz 2 abzusetzen. Der Erklärung ist eine Selbstauskunft beizufügen; Nachweise zum vorhandenen Vermögen sind nur auf Aufforderung des Jobcenters vorzulegen.
(5) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.
(6) Ist Bürgergeld unter Berücksichtigung des Einkommens nur für einen Monat zu erbringen, gilt keine Karenzzeit. Es wird vermutet, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Absatz 4 Satz 4 gilt entsprechend.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.