Arbeitsrecht: Umkleidezeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit

originally published: 10/10/2021 14:11, updated: 19/10/2022 17:16

Rechtsanwalt

Henry Bach
Fachanwalt für
Arbeitsrecht, Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Author’s summary by Henry Bach

Umkleidezeit als Arbeitszeit im Arbeitsrecht und die hierfür zu zahlende Vergütung.

Ist im Unternehmen eine Dienstkleidung vorgeschrieben, dann ist die für das Umkleiden aufgewendete Zeit i.d.R. Arbeitszeit. Umkleidezeiten zählen im Arbeitsrecht als Arbeitszeit, wenn das Umkleiden ausschließlich fremdnützig ist. Gleichwohl müssen Umkleidezeiten nicht immer als Arbeitszeit vergütet werden.

1. Fremdnützige Tätigkeit

Das Tragen einer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Schutzkleidung, wie z. B. Sicherheitsschuhe, ist eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit, sodass es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit handelt (BAG 25.04.2018, Az. 5 AZR 245/17).
Trägt also z. B. ein Arbeitnehmer besonders auffällige Schutzkleidung und zieht er sich im Betrieb um, dann liegt Arbeitszeit vor.

2. Auffällige Dienstkleidung

Eine Dienstkleidung ist dann auffällig, wenn sie einem bestimmten Arbeitgeber zugeordnet werden kann oder der Arbeitnehmer aufgrund der Ausgestaltung seiner Kleidungsstücke in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Berufszweig in Verbindung gebracht wird (BAG 06.09.2017, Az. 5 AZR 382/16). So ist z.B. eine Schutzkleidung mit Lichtreflektorstreifen und Firmenlogo eine auffällige Dienstkleidung.

Entscheidet sich der Arbeitnehmer, die auffällige Dienstkleidung im Betrieb anzulegen, dann handelt es sich um Arbeitszeit. Kann die auffällige Dienstkleidung auch außerhalb der Arbeitszeit getragen werden und der Arbeitnehmer zieht sich nicht im Betrieb um, dann liegt keine Arbeitszeit vor.

3. Nicht auffällige Dienstkleidung

Bei nicht auffälliger Dienstkleidung ist die Umkleidezeit dann Arbeitszeit, wenn das Umkleiden zwingend im Betrieb erfolgen muss (BAG 26.10.2016, Az. 5 AZR 168/16).

Kann die Dienstkleidung dagegen auch zu Hause angelegt werden, handelt es sich nicht um Arbeitszeit (BAG 17.11.2015, Az. 1 ABR 76/13).

4. Vergütung für Umkleidezeiten

Durch Arbeitsverträge oder Tarifverträge können für Umkleidezeiten besondere Vergütungsregelungen getroffen werden. Dabei kann die Arbeitsvergütung für Umkleidezeiten abweichend geregelt oder pauschaliert werden.  Bei der Geltendmachung der Arbeitsvergütung sind ggf. arbeitsvertragliche oder tarifliche Ausschlussfristen zu beachten.

Eine solche abweichende Regelung ist z.B. in § 6 Abs. 2 MTV Chemie vorgesehen. Ist also ein Arbeitnehmer zum Tragen von Schutzausrüstung verpflichtet und ist diese auch besonders auffällig und der Arbeitnehmer zieht sich im Betrieb um, dann liegen die Voraussetzungen für eine Qualifizierung als Arbeitszeit vor. Gleichwohl ist eine Vergütung für die Umkleidezeiten nicht geschuldet, wenn auf das Arbeitsverhältnis der MTV Chemie Anwendung findet, der eine Vergütungspflicht für Umkleidezeiten ausschließt (BAG 12.12.2018, Az. 5 AZR 124/18).

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Annotations

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. März 2017 - 14 Sa 877/16 - aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. August 2016 - 4 Ca 161/16 - hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 69,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Januar 2016 abgeändert und die Klage abgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird auf die Revision der Klägerin das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. März 2017 - 14 Sa 877/16 - aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. August 2016 - 4 Ca 161/16 - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des Urteils des Arbeitsgerichts zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin erforderliche Zeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung bestehend aus Poloshirt und Sicherheitsschuhen im Betrieb der Beklagten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt und von der Beklagten zu vergüten ist.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung für Umkleidezeiten.

2

Die Klägerin ist seit 1994 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen, zuletzt als Mitarbeiterin in der stationären Dienstleistung im Betrieb in D beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das bundesweit im Bereich Geld- und Werttransporte sowie Geldbearbeitung tätig ist. Der schriftliche Arbeitsvertrag der Klägerin vom 18. April 1994 bestimmt ua.:

        

§ 1   

Beginn des Arbeitsverhältnisses

        

(1)     

…       

        

(2)     

Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen und der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.

        

…       

        
        

§ 4     

Entgelt

                 

Es werden … die … vereinbarten Arbeitsstunden vergütet.

                 

Der Brutto-Stundenlohn beträgt …“

3

Der Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Dezember 2006 (iF MRTV) enthält ua. folgende Regelungen:

        

§ 4   

Allgemeine Bestimmungen

        

1.    

Der Dienst beginnt mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Übergabe der Arbeitsmittel und endet mit der Beendigung der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Rückgabe der Arbeitsmittel. …

        

…       

        
        

§ 6     

Arbeitszeit

        

1.1.   

Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit soll 8 Stunden nicht überschreiten. …

        

…       

        
        

§ 10   

Ausrüstung und Bekleidung

        

1.    

Die für den Dienst erforderliche Ausrüstung und die erforderliche Dienstkleidung sind dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber in ordnungsgemäßem Zustand unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, diese Sachen im Dienst zu gebrauchen. Zum Gebrauch außer Dienst ist er ohne ausdrückliche Genehmigung der Betriebsleitung nicht befugt.

        

…       

        
        

§ 12   

Ausschlussfristen

        

1.    

Sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen beiderseits drei Monate nach Fälligkeit, von oder gegen ausgeschiedene Arbeitnehmer jedoch nicht später als einen Monat nach Fälligkeit der Ansprüche für den Kalendermonat, in dem das Arbeitsverhältnis endet, sofern sie nicht vorher unter Angabe der Gründe schriftlich geltend gemacht worden sind.

        

2.    

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird.

        

…“    

        
4

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 hat die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e.V. mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am 11. November 2013 eine Rahmenvereinbarung für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland (iF RVB) vereinbart, die ua. bestimmt:

        

§ 2   

Besitzstandsfortschreibung und Arbeitsortprinzip

        

…       

        
        

1.    

Die Tarifparteien vereinbaren für die Laufzeit dieser Tarifvereinbarung, dass zunächst alle bis 31. Dezember 2013 für die Geld- und Wertdienstleistungsunternehmen gültigen oder nachwirkenden regionalen Tarifverträge und der Mantelrahmentarifvertrag vom 1. Dezember 2006 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland für die Geld- und Wertdienstleistungsunternehmen ab 1. Januar 2014 weitergelten, sofern nachfolgend nichts anderes vereinbart ist.

                 

…       

        

3.    

Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass der Ort der Erbringung der Arbeitsleistung für die mobile Dienstleistung im Tarifsinne für inländische Unternehmen der Ort ist, an dem die Arbeit aufgenommen und beendet wird.

                 

Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass für die stationäre Dienstleistung in der Geldbearbeitung Ort der Erbringung der Arbeitsleistung der Ort ist, an dem die Arbeit im Geldbearbeitungszentrum aufgenommen und beendet wird.

        

…       

        
        

§ 12   

Ausschlussfristen

                 

…       

                 

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis entfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.

                 

Lehnt die Gegenpartei die Ansprüche schriftlich ab, sind die Ansprüche innerhalb einer weiteren Ausschlussfrist von drei Monaten ab Zugang der schriftlichen Ablehnung gerichtlich geltend zu machen.

        

§ 13   

Sonderregelung Berlin und Brandenburg

                 

…       

                 

Für die Bundesländer Berlin und Brandenburg werden die Tarifvertragsparteien manteltarifliche Regelungen vereinbaren.

                 

…“    

5

Die manteltariflichen Sonderregelungen Berlin und Brandenburg gem. § 13 RVB vom 11. November 2013 für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland (iF Sonderregelungen Berlin-Brandenburg) enthalten folgende Bestimmung:

        

6. Dienstbeginn und -ende

        

Der vergütungspflichtige Dienst beginnt mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Übergabe der Arbeitsmittel (Ausrüstungsgegenstände) und endet mit der Beendigung der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Rückgabe der Arbeitsmittel.“

6

Die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e.V. hat mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am 11. November 2013 auch einen Bundeslohntarifvertrag für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland (iF BLTV 2013) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 und mit Wirkung ab 1. Januar 2017 den Bundeslohntarifvertrag vom 1. Februar 2017 (iF BLTV 2017) vereinbart. In § 2 BLTV 2013 und BLTV 2017 werden die Stundenlöhne für mobile und stationäre Dienstleistung in Abhängigkeit vom jeweiligen Bundesland und bestimmten Stichtagen festgesetzt. In BLTV 2013 und BLTV 2017 wird gleichlautend ua. bestimmt:

        

§ 5   

Arbeitsortprinzip

        

1.    

Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass der Ort der Erbringung der Arbeitsleistung für die mobile Dienstleistung im Tarifsinne für inländische Unternehmen der Ort ist, an dem die Arbeit aufgenommen und beendet wird.

        

2.    

Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass für die stationäre Dienstleistung in der Geldbearbeitung Ort der Erbringung der Arbeitsleistung der Ort ist, an dem die Arbeit im Geldbearbeitungszentrum aufgenommen und beendet wird.“

7

Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di, die Beklagte ist Mitglied der Arbeitgebervereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste. Die Beklagte vergütet die Arbeit in der stationären Dienstleistung vom Beginn der dienstplanmäßigen Tätigkeit bis zur Betätigung der Stempeluhr nach Arbeitsende mit 15,29 Euro brutto/Stunde. Neben der Stempeluhr am Haupteingang befinden sich weitere Stempeluhren vor den Abteilungen. Die Arbeitnehmer sind angewiesen, unmittelbar nach Tätigkeitsende die Stempeluhr vor der jeweiligen Abteilung zu bedienen.

8

Die Klägerin ist im Geldbearbeitungszentrum in der obersten Etage tätig. Wenn sie sich im Betrieb umzieht, sucht sie die Umkleideräume im Untergeschoss auf und legt dort ihre Dienstkleidung an. Diese besteht aus Sicherheitsschuhen und einem schwarzen Poloshirt, auf dem sich auf Vorder- und Rückseite in gelber Schrift das Firmenlogo befindet. Danach betätigt die Klägerin die Stempeluhr vor ihrer Abteilung, verrichtet ihre Tätigkeit, betätigt unmittelbar nach deren Beendigung erneut die Stempeluhr vor der Abteilung und begibt sich wieder in die Umkleideräume. Manche Arbeitnehmer erscheinen bereits in Dienstkleidung zur Arbeit und legen damit auch den Weg nach Hause zurück.

9

Mit Schreiben vom 2. November 2015 hat die Klägerin Vergütung für Umkleidezeiten vom 7. September bis 23. Oktober 2015 verlangt. Mit ihrer der Beklagten am 14. Januar 2016 zugestellten Klage hat sie die Feststellung der Vergütungspflicht für Umkleidezeiten im Betrieb und die Zahlung der sich ergebenden Bruttovergütung für die Zeit von 7. September bis 30. November 2015 gefordert.

10

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, Umkleidezeiten seien Teil der von der Beklagten zu vergütenden Arbeitszeit. Die Vergütungspflicht sei nicht durch Tarifvertrag ausgeschlossen. Sie hat behauptet, sie kleide sich jeweils vor ihrer Tätigkeit im Betrieb um. Bei einem tariflichen Stundenlohn von 15,29 Euro brutto im Jahr 2015 schulde die Beklagte Vergütung für Umkleidezeiten von 275 Minuten, insgesamt 69,00 Euro brutto.

11

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Zeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung im Betrieb der Beklagten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt und von der Beklagten zu vergüten ist,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 69,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die zur Verfügung gestellte Dienstkleidung sei nicht besonders auffällig, weshalb die Umkleidezeit keine zu vergütende Arbeitszeit sei. Jedenfalls seien die von der Klägerin erfassten Umkleidezeiten überhöht.

13

Das Arbeitsgericht hat - soweit in der Revision von Bedeutung - der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungs- und Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), denn die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung für Umkleidezeiten im Betrieb der Beklagten. Der Feststellungsantrag ist begründet. Das kann der Senat nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden, weil das Landesarbeitsgericht die hierfür erforderlichen Feststellungen getroffen hat. Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil es an Feststellungen zum Umfang der Umkleidezeiten der Klägerin fehlt.

15

I. Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht für Umkleidezeiten ist - in der gebotenen Auslegung - als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet.

16

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig, bedarf allerdings der Auslegung. Er ist dahin zu verstehen, dass mit ihm die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten im Betrieb der Beklagten unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin festgestellt werden soll.

17

a) Für die Auslegung von Klageanträgen gelten die für Willenserklärungen maßgeblichen Auslegungsregeln, §§ 133, 157 BGB. Die Gerichte sind gehalten, Klageanträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird. Im Zweifel ist gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht (BAG 23. März 2016 - 5 AZR 758/13 - Rn. 26, BAGE 154, 337). Danach war der Feststellungantrag bereits mit Klageerhebung nur auf Umkleidezeiten im Betrieb sowie auf Zeiten des An- und Ablegens des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Poloshirts nebst Sicherheitsschuhen gerichtet. Darüber hinaus ergibt die Auslegung des Antrags unter Berücksichtigung des Inhalts der Klageschrift, dass lediglich die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin erforderlichen Umkleidezeiten vom Feststellungsantrag erfasst sein sollen. In dieser Auslegung ist er zulässig und hinreichend bestimmt.

18

b) Der so verstandene Antrag ist in Form der Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.

19

Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann die Klägerin zugleich mit der Hauptklage - hier der Zahlungsklage auf Vergütung für Umkleidezeiten - auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen. Damit wird ein Element aus der Gesamtentscheidung verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen, weil hierdurch Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten hergestellt wird. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestehen des Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss, aber darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann (BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 25, BAGE 138, 287). Diese Vorgreiflichkeit ist hier gegeben. Die Feststellung der Vergütungspflicht für Umkleidezeiten ist eine Vorfrage, die jedenfalls bei der Entscheidung über den Leistungsantrag beantwortet werden muss. Zugleich reicht sie über das dort erfasste Rechtsschutzziel der Klägerin hinaus. Denn der in der Leistungsklage geltend gemachte Anspruch ist auf die Zeit vom 7. September bis zum 30. November 2015 begrenzt.

20

2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten folgt aus § 611 Abs. 1 BGB. Sie ist nicht durch Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen.

21

a) Bei den von der Klägerin benötigten Umkleidezeiten zum An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb handelt es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611 Abs. 1 BGB.

22

aa) Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an. Zu den „versprochenen Diensten“ iSd. § 611 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste iSd. § 611 Abs. 1 BGB ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient(BAG 6. September 2017 - 5 AZR 382/16 - Rn. 12 mwN).

23

bb) Um vergütungspflichtige Arbeit handelt es sich bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung. An der Offenlegung der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse. Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers beruhen auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit (BAG 6. September 2017 - 5 AZR 382/16 - Rn. 13 mwN).

24

Das Ankleiden mit einer vorgeschriebenen Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit keine Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und - ohne besonders auffällig zu sein - auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. Gleiches gilt, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet (BAG 6. September 2017 - 5 AZR 382/16 - Rn. 13 mwN).

25

cc) Danach ist die für das An- und Ablegen der Dienstkleidung, bestehend aus Poloshirt und Sicherheitsschuhen, im Betrieb benötigte Zeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen.

26

(1) Die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer sind unstreitig zum Tragen der Dienstkleidung verpflichtet.

27

(2) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Klägerin durch den Schriftzug auf dem Poloshirt in der Öffentlichkeit als Mitarbeiterin der Beklagten eindeutig zu erkennen. Die hierauf gestützte Annahme des Berufungsgerichts, bei dem zu tragenden Poloshirt handele es sich um besonders auffällige Dienstkleidung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

28

(3) Eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit liegt auch beim Tragen der Sicherheitsschuhe vor. Das Landesarbeitsgericht hat zwar dahinstehen lassen, ob diese eine besonders auffällige Dienstkleidung darstellen. Doch kann der Senat aufgrund der getroffenen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Denn die Klägerin erfüllt mit dem Tragen von Sicherheitsschuhen kein eigenes Bedürfnis, sondern kommt damit dem Erfordernis zur Nutzung einer von der Beklagten zur Verfügung gestellten Schutzkleidung während ihrer Tätigkeit nach.

29

b) In welchem zeitlichen Umfang Umkleidezeiten zur Arbeitszeit rechnen, ergibt sich - soweit eine anderweitige Regelung nicht besteht - nach allgemeinen Grundsätzen. Der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht willkürlich selbst bestimmen, er muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Dieser modifizierte subjektive Maßstab gilt auch für das Umkleiden. Nur die Zeitspanne, die dazu für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist, zählt zur Arbeitszeit (BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 168/16 - Rn. 28, BAGE 157, 116).

30

c) Die Vergütung der Umkleidezeiten ist nicht durch arbeitsvertragliche Vereinbarung und entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht durch Tarifvertrag ausgeschlossen.

31

aa) Mit der Einordnung der Umkleidezeiten als Teil der iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste“ ist noch nicht geklärt, wie sie zu vergüten sind. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Umkleidezeiten getroffen werden (vgl. BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 226/16 - Rn. 23 mwN).

32

(1) Der Arbeitsvertrag selbst schließt die Vergütung der Umkleidezeiten nicht aus. § 4 Arbeitsvertrag regelt lediglich die Höhe der Vergütung pro Arbeitsstunde.

33

(2) Aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifregelungen ergibt sich ebenfalls kein Ausschluss der Vergütung. Das Landesarbeitsgericht hat ohne jede Begründung angenommen, die Regelungen des BLTV (2013/2017) fänden auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung. Gemäß § 5 BLTV sei eine Vergütung für Umkleidezeiten nicht vorgesehen. Mit dieser Vorgehensweise hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass nach seinen Feststellungen eine Tarifbindung der Parteien nicht bestand und die Bezugnahmeklausel des § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag den zwischen der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e.V. und ver.di abgeschlossenen Tarifvertrag nicht einbezieht. Danach finden die zwischen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen und der ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung. Hierzu zählen zwar auch die von ver.di als Rechtsnachfolger der ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge (BAG 7. Dezember 2016 - 4 AZR 414/14 - Rn. 27) und damit der MRTV, nicht jedoch der BLTV, der auf Arbeitgeberseite von der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste abgeschlossen wurde.

34

(3) Auch unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellten beiderseitigen Tarifbindung im Streitzeitraum verbleibt es bei dem gefundenen Ergebnis. Denn die dann anwendbare RVB regelt nicht - insbesondere nicht in § 2 Nr. 3 - Beginn und Ende der vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Dort ist nur bestimmt, dass für die stationäre Dienstleistung in der Geldbearbeitung Ort der Erbringung der Arbeitsleistung der Ort ist, an dem die Arbeit im Geldbearbeitungszentrum aufgenommen und beendet wird. Eine Regelung zu Beginn und Ende der tariflichen Arbeitszeit oder eine Zuordnung, welche Tätigkeiten zur Arbeitszeit zählen, enthält diese Tarifnorm nicht. Gleiches gilt für § 5 BLTV 2013 und BLTV 2017. Das darin geregelte Arbeitsortprinzip dient nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang der Zuordnung der Sicherheitsmitarbeiter zu den in § 2 BLTV aufgeführten und je nach Bundesland unterschiedlich festgelegten Stundenlohnsätzen.

35

(4) Die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten ist auch nicht nach § 4 Nr. 1 MRTV iVm. § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Diese Norm regelt Beginn und Ende des Dienstes. Dieser beginnt „mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Übergabe der Arbeitsmittel“ und endet „mit der Beendigung der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Rückgabe der Arbeitsmittel“. Was „Aufnahme der Tätigkeit“ bedeutet, bestimmt der Tarifvertrag nicht näher. Denkbar ist zwar, dass damit auf die konkrete Arbeitsleistung in den jeweiligen, vom fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags erfassten Arbeitsbereichen, im Fall der Klägerin die Geldbearbeitung, abgestellt wird. Dann würde das An- und Ablegen der Dienstkleidung noch nicht zum „Dienst“ und damit nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören. Doch erlaubt der Tarifwortlaut gleichermaßen die Auslegung, als Beginn der Tätigkeit „gemäß Dienstanweisung“ bereits das Umkleiden einzubeziehen, denn zum Tragen der Dienstkleidung ist die Klägerin durch eine Anweisung der Beklagten verpflichtet. Der tarifliche Gesamtzusammenhang ist zur Beantwortung der Frage eines möglichen Ausschlusses der Vergütungspflicht von Umkleidezeiten nicht ergiebig. Ein klarer übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien lässt sich dem Tarifvertrag nicht entnehmen. Wollen die Tarifvertragsparteien die grundsätzliche bestehende Vergütungspflicht des Arbeitgebers ausschließen, bedarf dies jedoch einer klaren Regelung (zur tariflichen Festlegung einer abweichenden Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG vgl. BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 53/09 - Rn. 12, BAGE 133, 101). Daran fehlt es in § 4 Nr. 1 MRTV.

36

(5) § 10 Nr. 1 MRTV schließt ebenfalls die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten nicht aus. Die Bestimmung regelt die Pflicht des Arbeitsgebers zur unentgeltlichen Bereitstellung der Dienstkleidung und die Tragepflicht des Arbeitnehmers. Die Vergütung der Umkleidezeiten ist darin indes nicht angesprochen.

37

(6) Entgegen der Auffassung der Revision kann Nr. 6 der Sonderregelungen Berlin-Brandenburg zur Auslegung des MRTV nicht herangezogen werden. Dem steht entgegen, dass diese Tarifregelungen von anderen Tarifvertragsparteien für einen anderen örtlichen Geltungsbereich abgeschlossen worden ist. Da es entscheidend auf den Willen der Vertragschließenden ankommt, ist nur ausnahmsweise bei gewichtigen Anhaltspunkten davon auszugehen, dass der Sprachgebrauch anderer Tarifvertragsparteien und die von ihnen getroffene Regelung für die Auslegung des in Streit stehenden Tarifvertrags von Bedeutung ist. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn mehrere Tarifverträge eine gewisse Einheit bilden (BAG 18. Oktober 2017 - 10 AZR 327/16 - Rn. 28). Die Sonderregelungen Berlin-Brandenburg bilden jedoch keine Einheit mit dem MRTV.

38

II. Die Revision ist auch begründet, soweit das Landesarbeitsgericht den Zahlungsantrag der Klägerin zurückgewiesen hat. Ob und in welcher Höhe das Zahlungsbegehren begründet ist, vermag der Senat nicht zu entscheiden. Es fehlt an Feststellungen zum Umfang der Umkleidezeiten der Klägerin. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

39

1. Der Zahlungsantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt Vergütung für Umkleidezeiten für insgesamt 275 Minuten in der Zeit von 7. September bis 30. November 2015 in Höhe von jeweils 0,25 Euro brutto. Damit ist der Antrag für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (BAG 23. Januar 2018 - 9 AZR 854/16 - Rn. 13 mwN).

40

2. Die Vergütungspflicht für die Umkleidezeiten folgt aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. Arbeitsvertrag. Ob und in welcher Höhe der Antrag begründet ist, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben. Der bisherige Vortrag der Klägerin hierzu ist nicht ausreichend substantiiert. Sie verweist lediglich auf die Anlage zur Klageschrift. Die Bezugnahme auf Anlagen ersetzt jedoch grundsätzlich keinen Sachvortrag (BAG 23. Oktober 2013 - 5 AZR 667/12 - Rn. 14). Die Beklagte hat die Behauptungen der Klägerin zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Steht fest, dass Umkleidezeiten im Streitzeitraum entstanden sind, kann aber die Klägerin ihrer Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, hat das Gericht die erforderlichen Umkleidezeiten nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO zu schätzen (BAG 6. September 2017 - 5 AZR 382/16 - Rn. 28 mwN).

41

3. Besteht ein Zahlungsanspruch, hat die Klägerin die Ausschlussfristen gemäß § 12 MRTV bzw. § 12 RVB eingehalten.

42

a) Die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung einer Ausschlussfrist verlangt, dass die in Anspruch genommene Vertragspartei erkennen kann, welcher konkrete Anspruch ihr gegenüber erhoben wird. Dieser ist dem Grunde nach hinreichend deutlich zu bezeichnen. Eine Bezifferung der Forderung ist entbehrlich, wenn sie dem Schuldner der Höhe nach bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar davon ausgeht (BAG 26. September 2017 - 1 AZR 717/15 - Rn. 36).

43

b) Bereits die der Beklagten am 14. Januar 2016 zugestellte Klageschrift wahrt sowohl die erste als auch die zweite Stufe der Ausschlussfrist nach § 12 MRTV bzw. § 12 RVB. Die Klägerin hat die im streitgegenständlichen Zeitraum ihrer Auffassung nach angefallenen Umkleidezeiten aufgeführt und mit Schreiben vom 2. November 2015 auch die Bemessung des Entgelts „Monatsbasis“ angegeben. Die Vergütung für den Monat September 2015 war sowohl nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BLTV 2013 als auch nach § 8 Nr. 2 Satz 3 MRTV zum 15. Oktober 2015 fällig, die Frist zur schriftlichen Geltendmachung nach § 12 Nr. 1 MRTV bzw. § 12 Abs. 1 RVB ist erst am 15. Januar 2016 abgelaufen.

44

III. Das Landesarbeitsgericht wird über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

        

    Linck    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    E. Bürger    

        

    Jens M. Schubert    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. Mai 2016 - 11 Sa 1007/15 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten.

2

Der Kläger ist seit März 1984 bei der Beklagten als Krankenpfleger mit einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden auf Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrags, der die Vorschriften des Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 in Bezug nimmt, beschäftigt. Die Beklagte ist seit dem 1. März 2014 an einen Haustarifvertrag gebunden, der den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser (BTK) im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) vom 13. September 2005 für anwendbar erklärt.

3

Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 5. Juli 1995 eine „Dienstvereinbarung über das Tragen von Dienst- und Schutzkleidung im Kreiskrankenhaus“ (DV), die ua. bestimmt:

        

„1. Bereitstellung von Schutz- und Dienstkleidung

        

1.1     

Die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Dienst- und Schutzkleidung bleibt in seinem Eigentum und wird der/dem Beschäftigten für die Zeit der dienstlichen Verpflichtung zur Verfügung gestellt.

        

…       

        
        

2. Ausstattung der einzelnen Bereiche mit Dienstkleidung

        

2.1     

Bei der Erstausstattung erhält:

                 

a)    

Das Pflegepersonal …

                          

Das … männliche Personal erhält 6 weiße Hosen und 6 weiße Oberteile.

                 

…       

        
        

3. Tragen von Dienstkleidung

        

Jede/r Beschäftigte ist verpflichtet während des Dienstes die entsprechende Dienstkleidung zu tragen.

        

Der Arbeitgeber stellt Umkleideräume und abschließbare Schränke für jede/n Beschäftigten zur Verfügung.“

4

Die Dienstkleidung weist keine Beschriftung oder ähnliche Kennzeichnung auf. Das während des Dienstes zu tragende Namensschild ist mittels eines Clips abnehmbar.

5

Bei der Beklagten gilt eine „Arbeitsanweisung Händehygiene“, die eine hygienische Händedesinfektion von 30 Sekunden nach einer Standard-Einreibemethode vorsieht.

6

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger Überstundenvergütung wegen Umkleide- und dadurch veranlasster innerbetrieblicher Wegezeiten für die Zeit von Februar 2013 bis April 2014 geltend gemacht. An 100 Arbeitstagen habe er durchschnittlich 12 Minuten je Arbeitstag für das An- und Ablegen der Dienstkleidung und für die Wegezeiten vom Umkleideraum zur Arbeitsstelle und zurück benötigt. Darin enthalten seien auch jeweils 30 Sekunden für die Händedesinfektion. Daraus ergäben sich insgesamt 20 Überstunden. Die DV ließe nur den Schluss zu, dass die Dienstkleidung nicht zu Hause angezogen und auf dem Weg zur Arbeit getragen werden dürfe.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 464,20 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Dem Kläger stehe es frei, die Dienstkleidung zu Hause an- und abzulegen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung für den Kläger zugelassen. Diese hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Entgegen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei den streitgegenständlichen Umkleide- und Wegezeiten um vergütungspflichtige Arbeitszeit. Über die Grundlage und etwaige Höhe eines Vergütungsanspruchs kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

11

I. Bei den vom Kläger benötigten Umkleidezeiten zum An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb und den Wegezeiten vom Umkleideraum zur Arbeitsstelle und zurück handelt es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611 Abs. 1 BGB.

12

1. Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an. Zu den „versprochenen Diensten“ iSd. § 611 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung für alle Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste iSd. § 611 Abs. 1 BGB ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient(BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 168/16 - Rn. 10, BAGE 157, 116).

13

2. Um vergütungspflichtige Arbeit handelt es sich bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung. An der Offenlegung der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse. Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers - auch zum Aufsuchen der Umkleideräume - beruhen auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit (vgl. BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 168/16 - Rn. 12, BAGE 157, 116; 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BAGE 143, 107). Das Ankleiden mit einer vorgeschriebenen Dienstkleidung ist nur dann nicht lediglich fremdnützig und damit keine Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und - ohne besonders auffällig zu sein - auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann (BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 15). An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet (BAG 17. November 2015 - 1 ABR 76/13 - Rn. 25, BAGE 153, 225; 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 33, BAGE 146, 271).

14

3. Danach hat das Landesarbeitsgericht die für das An- und Ablegen der Dienstkleidung benötigte Zeit sowie die damit verbundenen notwendigen innerbetrieblichen Wegezeiten rechtsfehlerhaft nicht als vergütungspflichtige Arbeitszeiten angesehen.

15

a) Die - wie der Kläger - im Pflegedienst beschäftigten Arbeitnehmer sind nach Nr. 3 DV zum Tragen der unternehmenseinheitlichen Dienstkleidung verpflichtet. Dies steht zwischen den Parteien außer Streit.

16

b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei den zu tragenden Kleidungsstücken des Pflegepersonals um besonders auffällige Dienstkleidung.

17

aa) Bei der Beurteilung, ob eine Dienstkleidung als besonders auffällig anzusehen ist, steht dem Berufungsgericht ein Beurteilungsspielraum zu. Dessen Würdigung ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob das Gericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (zum Rechtsbeschwerdeverfahren zuletzt BAG 13. Dezember 2016 - 1 ABR 59/14 - Rn. 26).

18

bb) Diesem eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat die besondere Auffälligkeit der vom Pflegepersonal zu tragenden Dienstkleidung verneint. Dies hat es damit begründet, dass die Dienstkleidung keine Zuordnung zu einem bestimmten Berufsbild oder einem bestimmten Arbeitgeber erlaube. Sie weise weder eine besondere farbliche Gestaltung auf noch seien auf ihr Namenszüge angebracht.

19

cc) Dabei hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an eine besonders auffällige Dienstkleidung verkannt. Zwar kann der Arbeitnehmer bei einer ausschließlich in weißer Farbe gehaltenen Kleidung nicht ohne weiteres einem bestimmten Arbeitgeber zugeordnet werden. Um eine besonders auffällige Dienstkleidung handelt es sich jedoch auch, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Ausgestaltung seiner Kleidungsstücke in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche in Verbindung gebracht wird. An einer solchen Offenlegung seiner beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer regelmäßig kein eigenes Interesse. Für die Zuordnung zu einer Branche bzw. einem Berufszweig ist ohne Bedeutung, ob die Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gehalten ist.

20

dd) Einer hierauf gestützten Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht bedarf es indes nicht. Der Senat kann über die besondere Auffälligkeit der Dienstkleidung selbst befinden. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist die ausschließlich in der Farbe „Weiß“ gehaltene Dienstkleidung im öffentlichen Straßenbild als „auffällig“ zu bezeichnen und lässt typischerweise auf eine Zugehörigkeit des Trägers zu einem Heil- oder hierzu gehörenden Hilfsberuf schließen. Das entspricht auch dem von der Beklagten mit der DV verfolgten Zweck. Durch die besondere Ausgestaltung der Dienstkleidung sollen die Krankenhauspatienten und -besucher die Mitarbeiter des Pflegepersonals als solche erkennen können.

21

ee) Eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit liegt daher auch vor, wenn der Kläger die von der Beklagten dafür eingerichteten Umkleidemöglichkeiten für das Anlegen seiner Dienstkleidung nutzt und sich anschließend zu seinem Arbeitsplatz begibt. Dies gilt entsprechend nach Beendigung seiner dienstlichen Tätigkeit.

22

II. Der Senat kann nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts allerdings nicht darüber befinden, ob, auf welcher Grundlage und in welcher Höhe Vergütungsansprüche des Klägers bestehen. Bei erneuter Verhandlung und Entscheidung wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

23

1. Das Landesarbeitsgericht wird zunächst festzustellen haben, welche tarifliche Regelungen im Streitzeitraum aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis anwendbar waren und ob diese ggf. den sich aus § 611 Abs. 1 BGB ergebenden Anspruch des Klägers ausschließen oder besonders ausgestalten(vgl. BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 168/16 - Rn. 17, BAGE 157, 116; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 30).

24

2. Die Klage ist bereits teilweise unschlüssig.

25

Der Kläger macht Überstundenvergütung für insgesamt 20 Überstunden geltend. Dabei geht er von 44 Arbeitstagen in der Zeit von Februar bis Juli 2013 und von 56 Arbeitstagen in der Zeit von August 2013 bis April 2014 mit durchschnittlich 12 Minuten Umkleide- und Wegezeit je Arbeitstag aus. Aus der von ihm zur Akte gereichten Auflistung ergeben sich indes nur 92 konkret bezeichnete Arbeitstage, hinsichtlich derer der Kläger behauptet, Umkleide- und Wegezeit zusätzlich zur Schichtzeit benötigt zu haben. Die Klage auf Überstundenvergütung ist daher im Umfang von einer Stunde und 36 Minuten (8 x 12 Minuten) unschlüssig.

26

3. Gleichermaßen ohne Erfolg bleibt die Klage für die vom Kläger geltend gemachte Vergütung für jeweils weitere 30 Sekunden in Bezug auf die Desinfektion seiner Hände. Diese ist nach der „Arbeitsanweisung Händehygiene“ unabhängig vom Umkleidevorgang und den damit verbundenen Wegezeiten bereits im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit vorzunehmen.

27

4. Zur Ermittlung der erforderlichen Umkleide- und Wegezeiten ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen, denn der Kläger durfte seine Leistungspflicht nicht frei selbst bestimmen, sondern musste unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. „Erforderlich“ ist daher nur die Zeit, die er für das Umkleiden und den Weg zur und von der Umkleidestelle im Rahmen der objektiven Gegebenheiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigt (BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 168/16 - Rn. 28, BAGE 157, 116; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 47).

28

5. Steht fest, dass Umkleide- und Wegezeiten auf Veranlassung der Beklagten entstanden sind, kann aber der Kläger seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, hat das Gericht die erforderlichen Umkleide- und damit verbundenen Wegezeiten nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO zu schätzen (vgl. BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 168/16 - Rn. 31, BAGE 157, 116; 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 18, BAGE 151, 180).

        

    Koch    

        

    Weber    

        

    Volk    

        

        

        

    Feldmeier    

        

    J. Schubert    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Februar 2016 - 3 Sa 1331/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten.

2

Der Kläger ist bei der nicht tarifgebundenen Beklagten, die insbesondere für Unternehmen der „S-Gruppe“ technische und handwerkliche Serviceleistungen erbringt, beschäftigt. Er wird in der Lebensmittelproduktion eingesetzt und bezieht einen Stundenlohn. Im Arbeitsvertrag vom 6. November 2002 heißt es ua.:

        

„§ 1

        

…       

        

Aufgrund der bei der Produktion von Lebensmitteln geltenden Hygieneverordnung ist jeder Arbeitnehmer verpflichtet, den Dienst täglich mit sauberer und vollständiger Dienstkleidung anzutreten und zu erfüllen. Die Bedienung der Zeiterfassungsanlage, dh. das An- und Abstempeln hat ausschließlich persönlich und zwar immer in einwandfreier Dienstkleidung zu erfolgen.

        

Die Wegezeiten zu bzw. von den Stempeluhren oder Pausenräumen sind leistungsentgeltfrei.

        

…“    

3

Die Arbeitskleidung wird von der Beklagten gestellt. Sie darf nach den für die Tätigkeit des Klägers geltenden Hygienevorschriften nicht mit nach Hause genommen werden und ist im Betrieb an- und abzulegen. Hierzu muss der Kläger nach Betreten des Betriebsgeländes die Arbeitskleidung an einer Ausgabestelle abholen, sich in einem Umkleideraum umziehen und anschließend im Bereich der Pforte an einer ersten Stempeluhr, die dazu dient, die Anwesenheit im Betrieb zu registrieren, abstempeln. Danach hat er sich zum Betriebsgebäude zu begeben und dort an einer zweiten Stempeluhr erneut zu stempeln. Der Vorgang ist nach Schichtende in umgekehrter Folge zu absolvieren.

4

Mit der am 19. Dezember 2014 eingereichten, der Beklagten am 12. Januar 2015 zugestellten Klage begehrt der Kläger Vergütung für die vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 an 737 Arbeitstagen mit dem An- und Ablegen der Arbeitskleidung verbundenen Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten. Er hat geltend gemacht, hierfür arbeitstäglich 36 Minuten benötigt zu haben.

5

Der Kläger hat erstinstanzlich sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.219,57 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 13. Januar 2015 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Vergütungspflichtig sei nur die Zeit nach Betätigen der zweiten Stempeluhr. Ein Anspruch auf Vergütung der für das Umkleiden und das Zurücklegen der Wege erforderlichen Zeit, die arbeitstäglich allenfalls 24 Minuten betrage, sei nach § 1 Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Etwaige Ansprüche seien verwirkt.

7

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger für arbeitstäglich 27 Minuten 4.665,42 Euro brutto zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Im Rahmen der Beweisaufnahme wurden der Umkleidevorgang einschließlich der zurückzulegenden Wege durch Vertreter des Klägers und der Beklagten auf dem Betriebsgelände nachgestellt, die Wegstrecken von der Kammer des Arbeitsgerichts abgeschritten, der Umkleidevorgang durch die Vorsitzende vollzogen und die jeweils aufgewendeten Zeiten festgestellt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist in dem in der Revisionsinstanz noch anhängigen Umfang begründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger als Vergütung für die an 737 Arbeitstagen im Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 erbrachten Umkleide- und Wegezeiten 4.665,42 Euro brutto nebst Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe.

9

I. Der Kläger hat für jeden Arbeitstag im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 611 BGB Anspruch auf Vergütung der Zeit, die er unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigte, um sich umzukleiden und die damit verbundenen Wege zwischen Ausgabestelle und zweiter Stempeluhr zurückzulegen. Das haben die Vorinstanzen zu Recht erkannt.

10

1. Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an(BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 16 f.; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 17). Zu den „versprochenen Diensten“ iSv. § 611 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung für alle Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste iSd. § 611 Abs. 1 BGB ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient(BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BAGE 143, 107; 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 17; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 18).

11

2. Der Kläger hat mit dem An- und Ablegen der Arbeitskleidung und dem Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege eine Arbeitsleistung erbracht, die als Teil der versprochenen Dienste vergütungspflichtig ist.

12

a) Zur Arbeit gehören auch das Umkleiden und Zurücklegen der hiermit verbundenen innerbetrieblichen Wege, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt, die im Betrieb an- und abgelegt werden muss, und er das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23, BAGE 143, 107). Die Fremdnützigkeit ergibt sich in diesem Fall aus der Weisung des Arbeitgebers, die Arbeitskleidung erst im Betrieb anzulegen und sich dort an einer zwingend vorgegebenen, vom Arbeitsplatz getrennten Umkleidestelle umzuziehen (BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 15; 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23, aaO; 17. November 2015 - 1 ABR 76/13 - Rn. 25, BAGE 153, 225).

13

b) Das Umkleiden und das Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege sind danach Teil der vom Kläger geschuldeten Arbeitsleistung.

14

aa) Dem Kläger wurde von der Beklagten im Rahmen des ihr zustehenden Weisungsrechts abverlangt, eine bestimmte Arbeitskleidung zu tragen. Er war nach § 1 Arbeitsvertrag verpflichtet, seine Tätigkeit mit „sauberer und vollständiger“ Dienstkleidung anzutreten. Nach den Vorgaben der Beklagten durfte er sie erst in den eigens dafür vorgesehenen Räumlichkeiten auf dem Betriebsgelände anlegen und musste sie dort ablegen. Das Tragen der Arbeitskleidung stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der eigentlichen Tätigkeit des Klägers. Es entsprach den bei der Produktion von Lebensmitteln geltenden Hygienevorschriften und diente den Interessen der Beklagten.

15

bb) Die Beklagte hat, indem sie - getrennt vom eigentlichen Arbeitsplatz des Klägers - eine Ausgabestelle für die Arbeitskleidung und Umkleideräume einrichtete, die Arbeit so organisiert, dass sie dort begann und endete. Der Weg von der Ausgabestelle zum eigentlichen Arbeitsplatz ist deshalb nicht dem Arbeitsweg zuzurechnen (vgl. hierzu BAG 28. Juli 1994 - 6 AZR 220/94 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 77, 285; 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23, BAGE 143, 107).

16

3. Die Vergütungspflicht war nicht abbedungen oder abweichend geregelt.

17

a) Grundsätzlich kann durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit getroffen werden (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 18; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 30).

18

b) Tarifliche Regelungen finden auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. § 1 Arbeitsvertrag schließt die Vergütungspflicht für das Umkleiden und Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege nicht aus. Dies ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags, bei dessen Bestimmungen es sich nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB) handelt.

19

aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend vom Wortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Parteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt überprüfbar (BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 26, BAGE 150, 286; 18. November 2015 - 5 AZR 814/14 - Rn. 46; 24. Februar 2016 - 5 AZR 258/14 - Rn. 26).

20

bb) Nach diesen Auslegungsgrundsätzen bezieht sich § 1 Arbeitsvertrag nur auf Leistungsentgelte und nicht auf den dem Kläger zugesagten Stundenlohn.

21

(1) Leistungsentgelte sind nach allgemeinem juristischen Verständnis solche Vergütungen, bei denen die Leistung des Arbeitnehmers gemessen und mit einer Bezugsleistung verglichen wird, also sich die Höhe der Vergütung unmittelbar nach dem Verhältnis beider Leistungen zueinander bestimmt (st. Rspr., vgl. BAG 15. Mai 2001 - 1 ABR 39/00 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 97, 379; Fitting BetrVG 28. Aufl. § 87 Rn. 530; ErfK/Kania 17. Aufl. § 87 BetrVG Rn. 127).

22

(2) Die Regelung in § 1 Arbeitsvertrag „die Wegezeiten zu bzw. von den Stempeluhren oder Pausenräumen sind leistungsentgeltfrei“ erfasst nicht den im Arbeitsvertrag vereinbarten Stundenlohn.

23

(a) Bedient sich der Arbeitgeber in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, ist der Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Sinnzusammenhang der Klausel etwas anderes ergibt (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 35 Rn. 30; zur Auslegung von Tarifverträgen BAG 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 13, BAGE 133, 337; 22. Juli 2010 - 6 AZR 78/09 - Rn. 20, BAGE 135, 179; 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 24, BAGE 148, 68; 19. November 2014 - 5 AZR 121/13 - Rn. 18, BAGE 150, 88).

24

(b) Bei der dem Kläger zugesagten Vergütung handelt es sich nicht um ein Leistungsentgelt. Der Stundenlohn ist dem Kläger, unabhängig von der Relation seiner Leistung zu einer Bezugsleistung, als Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu zahlen. Für ein vom juristischen Sprachgebrauch abweichendes Verständnis bietet weder § 1 Arbeitsvertrag noch der Sinnzusammenhang der Klausel Anhaltspunkte.

25

(3) Dem gefundenen Auslegungsergebnis steht nicht entgegen, dass dem Kläger kein Leistungsentgelt, sondern ausschließlich ein Stundenentgelt geschuldet ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen werden der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags vom Verwender als für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen gestellt. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer muss, selbst wenn in seinem Fall nur eine leistungsunabhängige Vergütung vereinbart ist, nicht davon ausgehen, der Rechtsbegriff „leistungsentgeltfrei“ sei erweiternd dahingehend auszulegen, auch nicht leistungsbezogene Vergütungsbestandteile seien erfasst.

26

cc) Angesichts der Eindeutigkeit der Regelung ist für die Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB kein Raum. Die Unklarheitenregelung setzt voraus, dass die Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 39; 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 26, BAGE 150, 286; 9. Dezember 2015 - 7 AZR 68/14 - Rn. 13; 24. Februar 2016 - 5 AZR 258/14 - Rn. 30). Im Übrigen führte diese gesetzliche Auslegungsregel zum selben Ergebnis.

27

4. Die Vorinstanzen haben den zeitlichen Umfang der vergütungspflichtigen Umkleide- und Wegezeit rechtsfehlerfrei unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO ermittelt.

28

a) Vergütungspflichtig ist die Zeit, die für das An- und Ablegen der Arbeitskleidung und das Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege erforderlich ist (vgl. BAG 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 26). Zur Ermittlung der Zeitspanne ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen, denn der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht frei selbst bestimmen, sondern muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. „Erforderlich“ ist nur die Zeit, die der einzelne Arbeitnehmer für das Umkleiden und den Weg zur und von der Umkleidestelle im Rahmen der objektiven Gegebenheiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigt (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 24, BAGE 143, 107; 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 48, BAGE 146, 271; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 47). Bei Ermittlung der erforderlichen Zeit gilt es, die Variablen des Umkleidevorgangs zu berücksichtigen. Hierzu gehören ua. die Fragen, welche Privatkleidung je nach Jahreszeit der Arbeitnehmer zuvor getragen hat und welche Wartezeiten (auf die Ausgabe der Kleidung, auf Aufzüge etc.) notwendigerweise entstehen (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 41, aaO).

29

b) Die unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze vorgenommene Schätzung der erforderlichen Umkleide- und Wegezeit nach § 287 Abs. 2 ZPO hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

30

aa) Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Umkleide- und Wegezeiten angefallen sind, vom Arbeitgeber veranlasst wurden und im geltend gemachten Umfang erforderlich waren (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 25 ff., BAGE 141, 330; 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 15 ff.).

31

bb) Steht fest (§ 286 ZPO), dass Umkleide- und Wegezeiten auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht die erforderlichen Umkleide- und damit verbundenen Wegezeiten nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO schätzen (vgl. BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 194/78 - zu 4 a der Gründe; 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 18, BAGE 151, 180; aA Franzen NZA 2016, 136, 140). § 287 ZPO bietet damit Erleichterungen für das Beweismaß und das Verfahren, hat aber keine Auswirkungen auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Die Norm dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Forderungshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus(vgl. BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 19, 22 mwN, BAGE 143, 165). Zudem reicht bei der Entscheidung über die Höhe einer Forderung - im Unterschied zu den strengen Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO - eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus(vgl. BGH 17. Dezember 2014 - VIII ZR 88/13 - Rn. 45).

32

(1) Nach § 287 Abs. 2 ZPO gelten die Vorschriften des § 287 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten entsprechend. Die Vorschrift erlaubt damit auch die Schätzung des Umfangs von Erfüllungsansprüchen, wenn unter den Parteien die Höhe der Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände entweder mit Schwierigkeiten, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen, verbunden (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 20, BAGE 151, 180) oder unmöglich ist (BGH 29. Juni 1961 - VII ZR 32/60 -; Stein/Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 287 Rn. 29; Wieczorek/Schütze/Ahrens 4. Aufl. § 287 ZPO Rn. 61). Das Tatsachengericht muss unter Würdigung aller Umstände entscheiden, ob nach seiner Überzeugung Umkleide- und Wegezeiten entstanden sind und in welchem Umfang sie erforderlich waren. Es hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen, ob Beweis zu erheben ist oder auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts nach § 287 Abs. 2 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestumfangs benötigter Umkleide- und Wegezeiten möglich ist.

33

(2) Die Vorinstanzen haben die Voraussetzungen einer Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu Recht bejaht.

34

(a) Eine Schätzung hat zu unterbleiben, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre. Die für eine Schätzung unabdingbaren Anknüpfungstatsachen muss derjenige, der den Erfüllungsanspruch geltend macht, darlegen und beweisen (vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 19, BAGE 151, 180; BGH 17. Dezember 2014 - VIII ZR 88/13 - Rn. 46 mwN).

35

(b) Der Umkleidevorgang, den der Kläger auf Weisung der Beklagten jeweils vor Beginn und nach Ende des Arbeitstags vollziehen musste und die mit diesem verbundenen innerbetrieblichen Wege, als die für eine Schätzung unerlässlichen Anknüpfungstatsachen, sind vorliegend festgestellt und stehen außer Streit. Die Parteien streiten allein über die hierfür arbeitstäglich erforderliche Zeit, die sich nachträglich nicht weiter belegen lässt.

36

(3) Die von den Tatsacheninstanzen vorgenommene Schätzung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

37

(a) Eine vom Tatsachengericht gemäß § 287 Abs. 2 ZPO nach freier Überzeugung vorzunehmende Schätzung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung. Ob das Tatsachengericht das Mindestmaß der erforderlichen Umkleide- und Wegezeiten zutreffend geschätzt hat, ist nur auf Ermessensüberschreitung dahingehend zu überprüfen, ob das Tatsachengericht wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder der Schätzung unrichtige oder unbewiesene Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hat und damit die Schätzung mangels konkreter Anhaltspunkte völlig „in der Luft hängt“, also willkürlich ist (vgl. BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 25 mwN, BAGE 143, 165; 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 24, BAGE 151, 180).

38

(b) Die von den Vorinstanzen vorgenommene Schätzung der arbeitstäglichen Umkleide- und Wegezeiten auf 27 Minuten ist frei von Rechtsfehlern. Die Revision zeigt keine Umstände auf, die die Schätzung als willkürlich gegriffen erscheinen ließe. Die Beklagte behauptet nicht, die auf den festgestellten und zudem unstreitigen Anknüpfungstatsachen sowie dem Ergebnis der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme beruhende Schätzung sei rechtsfehlerhaft oder lasse Variablen des Umkleidevorgangs außer Acht.

39

5. Gegen die Berechnung der Anspruchshöhe, der die festgestellte Zahl der Arbeitstage, der Stundenlohn des Klägers und die durch Schätzung als erforderlich ermittelten Umkleide- und Wegezeiten zugrunde liegen, hat die Revision keine Angriffe erhoben.

40

II. Der Anspruch des Klägers ist nicht verwirkt.

41

1. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen (Zeitmoment). Es müssen vielmehr besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Der Berechtigte muss unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Durch die Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz. Weiterhin muss - als Zumutbarkeitsmoment - das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem in Anspruch Genommenen die Erfüllung des Anspruchs oder die Einlassung auf die Klage nicht mehr zuzumuten ist (BAG 25. April 2006 - 3 AZR 372/05 - Rn. 20, BAGE 118, 51; 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 43; 25. September 2013 - 5 AZR 936/12 - Rn. 15; 24. August 2016 - 5 AZR 129/16 - Rn. 60).

42

2. Eine Verwirkung scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil sich aus dem Vorbringen der Beklagten und dem unstreitigen Sachverhalt keine Tatsachen ergeben, die geeignet wären, die Annahme zu rechtfertigen, der Beklagten sei es aufgrund eigener Dispositionen „unzumutbar“ geworden (vgl. BAG 25. September 2013 - 5 AZR 936/12 - Rn. 28; 24. August 2016 - 5 AZR 129/16 - Rn. 60), die Ansprüche des Klägers zu erfüllen.

43

III. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB.

44

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber     

        

    Volk     

        

        

        

    A. Christen     

        

    Pollert    

                 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 8. August 2013 - 18 TaBV 3/13 - aufgehoben.

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. März 2013 - 4 BV 213/12 - abgeändert.

Die Anträge werden abgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeit.

2

Die tarifgebundene Arbeitgeberin betreibt öffentlichen Personennahverkehr in Stuttgart und Umgebung mit Straßenbahnen und Bussen. Am Verfahren beteiligt ist der bei ihr errichtete Betriebsrat.

3

Die Dienste des im Personennahverkehr eingesetzten Fahrpersonals beginnen und enden fahrplanbedingt nicht nur auf den Betriebshöfen der Arbeitgeberin, sondern auch an Haltestellen im Streckennetz. Für die Wege zu den Übernahme-/Ablösestellen stellt die Arbeitgeberin eine Transportmöglichkeit mit einem Personalwagen zur Verfügung, dessen Benutzung dem Fahrpersonal freigestellt ist. Dieses nutzt überwiegend den direkten Weg zwischen der Wohnung und der Übernahme-/Ablösestelle.

4

Bei der Dienstplangestaltung für die Jahre 2011/2012 kam es zwischen den Beteiligten zu Meinungsverschiedenheiten über die dienstplanmäßige Berücksichtigung der Wegezeiten des Fahrpersonals zu den außerhalb der Betriebshöfe im Streckennetz stehenden Fahrzeugen.

5

Der Betrieb der Arbeitgeberin wird ua. vom Bezirkstarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe Baden-Württemberg (BzTV-N BW) vom 23. November 2005 erfasst. Die als „Besondere Bestimmungen für Arbeitnehmer im Fahrdienst“ bezeichnete Anlage 3 vom 13. November 2001 idF vom 3. November 2015 lautet:

        

§ 2   

        

(1)     

Die Dienstschicht umfasst die reine Arbeitszeit (einschließlich der in § 4 Abs. 1 Satz 1 genannten Zeiten), die Pausen und die Wendezeiten. …

        

§ 4     

        

(1)     

Für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie - bei Abrechnung und Einzahlung - für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle wird die notwendige Zeit in die Arbeitszeit eingerechnet. Gleiches gilt für die sich aus dem Dienst- und Fahrplan ergebenden Wendezeiten. Betrieblich können abweichende Regelungen vereinbart werden.

        

…       

        
        

§ 7     

        

Arbeitsplatz ist das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz.“

6

Die Beteiligten haben in der Betriebsvereinbarung Nr. 1/2003 eine pauschale Einrechnung von insgesamt 10 Minuten pro Schicht für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie für den Weg zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle vereinbart.

7

In der Betriebsvereinbarung Nr. 1/2011 zur „Neuregelung der Dienstkleiderordnung im Fahrdienst und im Verkehrsaufsichtsdienst - Dienstkleiderordnung (DKLO) - vom 14. Januar 2011 (BV 2011) ist bestimmt:

        

Präambel

        

Das Erscheinungsbild der SSB wird wesentlich durch Verhalten und Auftreten ihrer Mitarbeiter/innen geprägt. Die von der SSB gewollte Kundenorientierung und Außenwirkung verlangt daher von bestimmten Mitarbeitergruppen, dass sie als SSB-Mitarbeiter erkennbar sind und vorbildlich und einheitlich auftreten. Solche Mitarbeiter/innen werden daher verpflichtet, im Dienst die zur Verfügung gestellte Dienstkleidung zu tragen. …

        

§ 1 Personenkreis

        

Diese Dienstkleiderordnung gilt für die Ausstattung

        

a)    

aller Fahrer im Linienverkehr,

        

…       

        
        

§ 2 Beschaffung

        

(1)     

Die Dienstkleidung wird von der SSB AG beschafft und den Mitarbeitern unentgeltlich zur ausschließlichen dienstlichen Nutzung zur Verfügung gestellt.

                 

…       

        

§ 5 Tragepflicht

        

(1)     

Die Mitarbeiter sind verpflichtet, ihren Dienst in korrekter Dienstkleidung und dazu passenden, für die jeweilige Tätigkeit geeignetem Schuhwerk anzutreten und auszuüben. …“

8

Die Gestaltung der Dienstkleidung ist in einem „Katalog Dienstkleidung“ festgelegt. An der Mehrzahl der Übernahme-/Ablösestellen besteht keine Umkleidemöglichkeit für das Fahrpersonal.

9

Nach § 16 Nr. 1 der „Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Bussen“ (DA Busse) hat das Fahrpersonal während der Fahrt die dort bestimmten Gegenstände mitzuführen. Zu diesen gehören ua. der Verbundfahrplan und der Wegweiser der Stadt Stuttgart, Formulare für Fundsachenmeldungen und Anträge auf Fahrgeldrückerstattung sowie das Wechselgeld und einen Wechsler. Die vorgenannten Gegenstände können in einem von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Rucksack mit Firmenlogo oder in einer Tasche ohne Logo transportiert werden. Die Einnahmen sind ua. nach Dienstende oder vor der Aufnahme des nächsten Dienstes abzurechnen, wenn die Summe der Verkaufserlöse die Wertgrenze von 500,00 Euro erreicht hat.

10

Die Arbeitgeberin hat gemeint, bei den Wegezeiten von der und zur Übernahme-/Ablösungsstelle handele es sich nicht um bei der Dienstplangestaltung zu berücksichtigende Arbeitszeit.

11

Die Arbeitgeberin hat beantragt

        

festzustellen, dass folgende Wegezeiten des Fahrpersonals keine Arbeitszeiten im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne sind und somit nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegen:

        

a)    

die Zeiten für den Weg vor Beginn der jeweiligen Schicht zum Fahrzeug, das außerhalb einer Betriebshöfe der Arbeitgeberin im Streckennetz steht,

        

b)    

die Zeiten für den Weg nach Ende einer Schicht, die nicht auf einem der Betriebshöfe der Arbeitgeberin endet, vom Fahrzeug zu einem Betriebshof der Arbeitgeberin oder anderswohin,

        

soweit es sich nicht um Zeiten für Wege zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle iSd. § 4 Abs. 1 Anlage 3 idF. vom 3. November 2011 des BzTV-N BW handelt.

12

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

13

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt dieser seinen Abweisungsantrag weiter.

14

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats gegen die stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die negativen Feststellungsanträge der Arbeitgeberin sind unbegründet.

15

I. Die Anträge sind in der gebotenen Auslegung zulässig.

16

1. Die Arbeitgeberin möchte die Feststellung erreichen, dass es sich - mit Ausnahme der Wege zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle - bei den Zeiten für die Wege, die von den Arbeitnehmern zu Schichtbeginn zum Fahrzeug und nach Schichtende vom Fahrzeug zurückgelegt werden, nicht um solche handelt, die als betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Dienstplangestaltung des Fahrpersonals zu berücksichtigen sind. Diese Feststellung will die Arbeitgeberin in Bezug auf den Antrag zu a) auch für solche Wege erreichen, die von den Arbeitnehmern nach Anlegen ihrer Dienstkleidung im Betriebshof zu den Fahrzeugen zurückgelegt werden. Dies folgt - anders als bei dem Antrag zu b) - nicht bereits aus seinem Wortlaut, sondern aus dem zur Begründung ihres Antrags gehaltenen Vorbringen. Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, die in den Dienstplänen zu verteilende Arbeitszeit beginne erst, wenn das Fahrpersonal in Dienstkleidung an der Übernahme-/Ablösestelle erscheint. Mit diesem Inhalt sind beide Anträge auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet.

17

2. Die Anträge sind hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

18

Dies gilt auch in Hinblick auf die vom Arbeitsgericht angeregte Einschränkung in Bezug auf „Wege zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle“. Das Vorliegen solcher Sachverhalte steht mit der notwendigen Eindeutigkeit fest. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Anlage 3 BzTV-N BW wird bei der Abrechnung und Einzahlung der Fahrgeldeinnahmen die notwendige Zeit für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle in die Arbeitszeit eingerechnet. Abrechnungsstelle ist in örtlicher Hinsicht der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Einnahmen abliefert und die Abrechnung vornimmt. Nach der Tarifbestimmung sind dies nur Wege, die er zwischen der Ablösungsstelle und einer Einrichtung der Arbeitgeberin (Betriebshof) zurücklegt und die zur Abrechnung und Einzahlung führen sollen. Die Abrechnungsstelle kann allerdings nicht beliebig aufgesucht werden, sondern nur aufgrund einer Anordnung der Arbeitgeberin (BAG 12. August 1993 - 6 AZR 553/92 - zu II 1 a und c der Gründe, BAGE 74, 85). Diese hat ihr Direktionsrecht in der Dienstanweisung 01/2011 onkretisiert.

19

3. Für die Klärung der aufgeworfenen Fragen nach dem Inhalt der betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG besteht ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO.

20

a) Das besondere Feststellungsinteresse für die Anträge der Arbeitgeberin folgt aus den unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten über die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu verteilende betriebliche Arbeitszeit und ihrer Berücksichtigung in den Dienstplänen. Dieser Streit wird durch die Anträge einer Klärung zugeführt.

21

b) Das Feststellungsinteresse für die Anträge ist nicht deshalb entfallen, weil die Betriebsparteien entsprechend der Vorgaben in § 4 Abs. 1 Satz 3 Anlage 3 BzTV-N BW eine Regelung über die Dauer der notwendigen Vorbereitungs- und Abschlussdienste getroffen haben. Zu diesen gehören die Wegezeiten nicht.

22

II. Die Anträge sind unbegründet. Sie erfassen Sachverhaltsgestaltungen, in denen die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG Umkleide- und Wegezeiten sowie das Mitführen von Arbeitsmitteln umfasst.

23

1. Die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung in den Betriebsräumen des Arbeitgebers können ebenso zur verteilungsfähigen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gehören, wie die Zeiten, die der Arbeitnehmer braucht, um in Dienstkleidung von dem Ort seines Kleidungswechsels zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen.

24

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Beteiligungsrecht nach dieser Bestimmung dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen. Das Mitbestimmungsrecht betrifft die Lage der täglichen „Arbeitszeit“ iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dies ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich zu erbringen hat. Es geht um die Festlegung des Zeitraums, während dessen der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen und dieser sie ihm ggf. mit der Folge des § 293 BGB anbieten kann. Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist deshalb die Zeit, in welcher der Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten (BAG 14. November 2006 - 1 ABR 5/06 - Rn. 27, BAGE 120, 162).

25

b) Nach der Senatsrechtsprechung gehören Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das ist bei einer besonders auffälligen Dienstkleidung der Fall. An der Offenlegung seines Arbeitgebers gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse (vgl. BAG 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 32, BAGE 140, 223). Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und - ohne besonders auffällig zu sein - auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann (BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 15). An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 33, BAGE 146, 271). Zur Arbeitszeit zählt auch das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle. Bei diesen Zeiten handelt es sich um innerbetriebliche Wegezeiten, die der Arbeitnehmer aufgrund der Anordnung des Arbeitgebers über das Anlegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung zurücklegen muss (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BAGE 143, 107).

26

2. Danach erweist sich zwar die vom Betriebsrat vertretene Ansicht als unzutreffend, wonach die Wege von der und zur Übernahme-/Ablösestelle bereits dann betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darstellen, wenn das Fahrpersonal diese in Dienstkleidung zurücklegt. Jedoch handelt es sich um betriebliche Arbeitszeit, wenn Arbeitnehmer sich im Betriebshof umkleiden und anschließend den Weg zur Übernahme-/Ablösestelle in ihrer Dienstkleidung zurücklegen. Dies gilt gleichermaßen, wenn sie nach Schichtende zum Betriebshof zurückkehren, um dort ihre Dienstkleidung abzulegen.

27

a) Die im Fahrdienst beschäftigten Arbeitnehmer sind nach § 1 Buchst. a, § 5 Abs. 1 BV 2011 zum Tragen der unternehmenseinheitlichen Dienstkleidung verpflichtet. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit.

28

b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts handelt es bei den tragepflichtigen Kleidungsstücken des Fahrpersonals um eine besonders auffällige Dienstkleidung.

29

aa) Bei der Beurteilung, ob eine Dienstkleidung als besonders auffällig anzusehen ist, steht dem Beschwerdegericht ein Beurteilungsspielraum zu. Dessen Würdigung ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob das Gericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl. BAG 13. Mai 2014 - 1 ABR 50/12 - Rn. 19).

30

bb) Diesem eingeschränkten rechtsbeschwerderechtlichen Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat die besondere Auffälligkeit der vom Fahrpersonal zu tragenden Dienstkleidung verneint. Nach der hierzu gegebenen Begründung hat es darauf abgestellt, dass die Dienstkleidung weder in markanten Farben gehalten noch der Firmenname der Arbeitgeberin in größerer, auch aus einer gewissen Entfernung deutlich erkennbarer Schrift oder auffälliger Färbung gestaltet ist.

31

cc) Danach hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an eine besonders auffällige Dienstkleidung verkannt. Um eine solche handelt es sich, wenn die Arbeitnehmer im öffentlichen Raum aufgrund der Ausgestaltung ihrer Kleidungsstücke als Angehörige ihres Arbeitgebers ohne Weiteres erkannt werden können. Hierfür ist ohne Bedeutung, ob die Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gehalten ist. Die Möglichkeit einer Zuordnung zu einem bestimmten Arbeitgeber besteht auch bei einer unauffälligen Farbgestaltung der Dienstkleidung, wenn auf dieser ein Emblem oder Schriftzüge angebracht sind, die aufgrund ihrer Bekanntheit in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Rechtsträger oder einer Unternehmensgruppe in Verbindung gebracht werden (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 35, BAGE 146, 271). Hierfür kommt es - unabhängig von der Größe der Schriftzüge oder Logos - nur auf deren Erkennbarkeit an.

32

(4) Einer hierauf gestützten Zurückverweisung bedarf es indes nicht. Der Senat kann über die besondere Auffälligkeit der Dienstkleidung selbst befinden. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann das Fahrpersonal der Arbeitgeberin aufgrund der darauf angebrachten Schriftzüge von Dritten dem Unternehmen der Arbeitgeberin zugeordnet werden. Das entspricht dem Zweck ihrer Ausgestaltung. Die Dienstkleidung dient nach der Präambel der BV 2011 der Herstellung eines einheitlichen Erscheinungsbilds des Fahrpersonals und dessen Erkennbarkeit in der Öffentlichkeit.

33

c) Die Zuordnung der Umkleide- und Wegezeiten zur betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist von der Entscheidung des Fahrpersonals abhängig, an welchem Ort sie die Dienstkleidung an- und ablegen.

34

aa) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats handelt es sich nicht um betriebliche Arbeitszeit, wenn die als Fahrpersonal beschäftigten Arbeitnehmer unmittelbar von ihrer Wohnung zur Übernahme-/Ablösestelle fahren oder nach Dienstende dorthin zurückkehren. Die Arbeitgeberin gestattet dem Fahrpersonal, seine Dienstkleidung bereits zu Hause anzulegen und auf den Wegen von und zur Übernahme-/Ablösestelle zu tragen. Entscheiden sich die Arbeitnehmer, die Kleidungsstücke nicht im Betrieb an- und abzulegen, ist das Tragen der Dienstkleidung auf dem Weg von und zur Arbeit nicht ausschließlich fremdnützig.

35

bb) Hingegen liegt eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit vor, wenn die als Fahrpersonal eingesetzten Arbeitnehmer eine dafür vorgesehene und geeignete Umkleidemöglichkeit im Betrieb für das Anlegen der Dienstkleidung nutzen und sich anschließend zur Übernahme-/Ablösestelle begeben. Dies gilt entsprechend nach Beendigung ihrer Fahrtätigkeit. Nutzen sie eine betriebliche Umkleidemöglichkeit zum An-/Ablegen ihrer Dienstkleidung, handelt es sich bei den dafür notwendigen Wege- und Umkleidezeiten um betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

36

d) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG eingeschränkt oder ausgeschlossen.

37

aa) Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Angelegenheiten (BAG GS 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 a der Gründe, BAGE 69, 134). § 87 Abs. 1 BetrVG beschränkt wegen der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und im Hinblick auf den Teilhabegedanken die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei der Vertragsgestaltung und der Ausübung seines Direktionsrechts(Wiese GK-BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 56). Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht dabei auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr besteht, wenn eine den Arbeitgeber bindende Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag bereits vorliegt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung den berechtigten Interessen und Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer hinreichend Rechnung getragen worden ist (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 38, BAGE 146, 271).

38

bb) Die Tarifvertragsparteien haben in dem für das Fahrpersonal einschlägigen BzTV-N BW keine abschließende Regelung über die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG getroffen.

39

Nach § 2 Abs. 1 Anlage 3 BzTV-N BW umfasst die Dienstschicht die reine Arbeitszeit, die Pausen und die Wendezeiten. In § 2 Abs. 1 ArbZG wird die Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen definiert. Zur Arbeit iSd. genannten Vorschrift gehört auch das Umkleiden für die Arbeit und die innerbetrieblichen Wegezeiten, wenn - wie vorliegend - das Tragen einer besonders auffälligen Dienstkleidung vorgeschrieben ist und betrieblichen Belangen dient. Für ein vom gesetzlichen Arbeitszeitbegriff abweichendes Verständnis der Tarifvertragsparteien hätte es eines hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Regelungswillens bedurft, für den jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Ebenso wird das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht durch § 7 Anlage 3 BzTV-N BW, wonach Arbeitsplatz das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz ist, ausgeschlossen oder eingeschränkt. Die Vorschrift enthält schon nach ihrem Wortlaut keine Regelung über die betriebliche Arbeitszeit. Entscheiden sich die Angehörigen des Fahrpersonals, ihre Dienstkleidung erst an einem von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Ort an- und abzulegen, handelt es sich bei diesem Ort zudem um einen angewiesenen Aufenthaltsplatz iSd. § 7 Anlage 3 BzTV-N BW. Die Arbeitgeberin kann ihr Fahrpersonal nicht anweisen, die auffällige Dienstkleidung auch auf dem Weg von und nach der Übernahme-/Ablösestelle zu tragen.

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3. Die Anträge der Arbeitgeberin sind auch unbegründet, weil ihre im Fahrdienst mit Bussen eingesetzten Arbeitnehmer berechtigt sind, die von ihnen mitzuführenden Arbeitsmittel an einem der Betriebshöfe der Arbeitgeberin abzugeben und wieder in Empfang zu nehmen. Dementsprechend stellt auch die erforderliche Zeit für das Zurücklegen dieser Wege betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar.

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a) Die Entgegennahme und Abgabe von arbeitsnotwendigen Betriebsmitteln stellt Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar, wenn diese Tätigkeiten einem fremden Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllen. In diesem Fall handelt es sich auch um Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG. Arbeitnehmer sind regelmäßig nicht verpflichtet, Arbeitsmittel, die sie in der dienstfreien Zeit nicht nutzen, nach Beendigung ihrer Arbeitszeit für den Arbeitgeber zu verwahren. Eine solche Tätigkeit dient nicht ihrem eigenen Bedürfnis (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 57 und 60, BAGE 146, 271).

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b) Bei den nach § 16 Nr. 1 DA Busse mitzuführenden Gegenständen handelt es sich um notwendige Arbeitsmittel. Deren Empfang und Abgabe stellen Arbeitszeit dar. Die Arbeitgeberin erlaubt dem Fahrpersonal zwar die Verwahrung dieser Arbeitsmittel außerhalb des Dienstes. Entscheiden sich die Arbeitnehmer jedoch zu deren Rückgabe nach Dienstende, sind die Abgabe und die erneute Entgegennahme dieser Arbeitsmittel bei Dienstbeginn ausschließlich fremdnützig und damit Arbeitszeit. Dies gilt gleichermaßen für die Wege nach Dienstende zur Abgabestelle und bei Dienstbeginn von dort bis zum Fahrzeug.

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    Koch    

        

        

        

    Rath    

        

    N. Schuster