Mietminderung: Möglichkeit einer Mietminderung aufgrund Corona-bedingter behördlicher Schließanordnungen (Lockdown)

originally published: 14/06/2021 13:40, updated: 19/10/2022 17:16
Mietminderung: Möglichkeit einer Mietminderung aufgrund Corona-bedingter behördlicher Schließanordnungen (Lockdown)
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Gewerberaummieter:innen haben die Möglichkeit den Mietzins während des Lockdowns gem. § 313 BGB zu mindern. 

Neues Urteil des BGH´s:

Am 12. Januar 2022 hat sich der Bundesgerichtshof geäußert und bestätigt, dass Gewerberaummietern grundsätzlich ein Anspruch auf Anpassung der Miethöhe während der Zeit des Lockdown zusteht. Die coronabedingten Schließanordnungen führen zu einer Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB. Damit ein solcher Anspruch gegeben ist, darf dem Mieter das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zumutbar sein. Eine pauschale Minderung der Miethöhe um die Hälfte ist nicht zulässig. Nach Ansicht des Gerichts erfordere jeder Fall, in Hinblick auf die Bemessung der Höhe der Mietanpassung eine Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände.

Lesen Sie auch das Urteil sowie eine umfassende Urteilszusammenfassung.

 

Mietminderung: Möglichkeit einer Mietminderung aufgrund Corona-bedingter behördlicher Schließanordnungen (Lockdown)  

 

Die Corona-Pandemie und die damit verbundene staatliche Schließanordnung von Restaurants, Hotels, Einzelhandelsgeschäften, Fitnessstudios, Clubs und vielen anderen Einrichtungen hatte enorme Umsatzeinbußen für die Betreibenden zu Folge. Insbesondere die laufenden Kosten für die ungenutzten Gewerberäume haben einen enormen Rückgang der Umsätze und damit erhebliche finanzielle Schwierigkeiten verursacht. Jetzt haben Hoteliers, Einzelhändler, Gastronomen und andere Gewerbetreibende die Möglichkeit die Miete wegen Corona zu mindern und ihren Anspruch zeitnah vor Gericht durchzusetzen.

Dirk Streifler - Streifler&Kollegen -  Rechtsanwälte Berlin

 

Die Entscheidungen der Rechtsprechung vor der Gesetzesanpassung

 

Bisher verweigerten die Gerichte überwiegend die Ansprüche von Gewerbetreibenden auf Mietminderung und beschäftigten sich zunehmend mit der Frage, ob die Corona-bedingte staatliche Schließanordnung zu einem Mangel an dem Mietobjekt (§ 536 Abs. 1 BGB) führe. Ob eine Corona-bedingte Schließung einen Mangel im mietrechtlichen Sinn darstellt, ist zwar immer einzelfallbezogen zu entscheiden. Die Gerichte haben jedoch einen entsprechenden Anspruch mit unterschiedlichen Begründungen abgelehnt. 

Während das Oberlandgericht Dresden (Urt. v. 24. Februar 2021 – 5 U 1782/20) einen Mangel zwar bejahte, jedoch entschied, dass dieser nicht der Risikosphäre des Vermieters zugeordnet werden könne, verneinten die Oberlandesgerichte Frankfurt (Urt. v. 19. März 2021 – 2 U 143/20), Karlsruhe (Urt. v. 24. Februar 2021 – 7 U 109/20) und München (Beschluss vom 17. Februar 2021 – 32 U 6358/20) einen Mangel, mit der Begründung, die staatlich angeordneten Einschränkungen stünden nicht im Zusammenhang mit dem Zustand, Beschaffenheit oder Lage des Mietobjektes. Zudem hätten die Mieträume - nach Ansicht der Gerichte - auch anderweitig genutzt werden können.

Nach Auffassung der Oberlandesgerichte führe die Pandemie-bedingte Schließanordnung auch nicht zu der Unmöglichkeit (vgl. §§ 326, 275 BGB) der Erbringung der Leistung durch den Vermieter und damit nicht zu Befreiung des Mieters von der Mietzahlung. 

Schließich beschäftige sich die Rechtsprechung mit der Frage, ob aufgrund der staatlich angeordneten Lockdowns eine Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB vorliegt. Hier entschied das Oberlandesgericht Dresden (Az.: 5 U 1782/20) zu Gunsten des Mieters und begründete eine Mietminderung um die Hälfte des vereinbarten Mietzinses damit, dass weder Mieter noch Vermieter die behördlich angeordnete Schließung verantwortet haben, so dass die Belastungen entsprechend auf beide Parteien aufgeteilt werden müssen. Zugleich betonte das OLG Dresden dass die Schwelle der Zumutbarkeit zur Fortsetzung des unveränderten Vertrages, aufgrund der Natur des Vertrages als Dauerschuldverhältnis, niedrig anzusetzen ist, weshalb es insbesondere auf eine Existenzgefährdung nicht ankommt.

Die Gesetzesanpassung

 

Im Dezember 2020 hat die Mehrheit Bundestages eine Gesetzesanpassung beschlossen von der auch Gewerbetreibende profitieren sollen. Mit dem Einschub der Regelung in Artikel 240 § 7 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) soll die Verhandlungssituation von Mieter:innen gestärkt werden. 

Darin heißt es:

Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1)   Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.


Die Chancen auf eine erfolgreiche Mietminderung nach der Gesetzesanpassung

 

Da infolge des Inkrafttretens des Art. 240 § 7 EGBGB nun feststeht, dass die Corona-Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen kann, vergrößern sich die Chancen auf eine Vertragsanpassung entsprechend. Das bedeutet, dass Gewerbetreibende, welche infolge der Corona-Pandemie ihre gewerblichen Räume nur eingeschränkt nutzen können, jetzt einen Anspruch auf eine Vertragsanpassung im Sinne einer Mietminderung gem. § 313 BGB geltend machen sollten. 

Damit schnellstmöglich Rechtssicherheit gewährleistet werden kann, hat der Bundestag zudem in § 44 EGZPO (Eiführungsgesetz zum ZPO) eine Regelung für alle Fälle geschaffen, die eine gerichtliche Entscheidung erfordern. Danach sollen Verfahren, welche die Gewerbemiete betreffen priorisiert und beschleunigt verhandelt werden. 

Die Voraussetzungen des § 313 BGB

 

Notwendige Voraussetzung für eine entsprechende Vertragsanpassung gem. § 313 BGB ist dienicht oder nur erheblich eingeschränkt mögliche Nutzung der Miet- oder Pachträume. Weiterhin notwendig ist, dass die eingeschränkte Nutzung auf Maßnahmen zurückzuführen ist, welche der Eindämmung des Coronavirus dienen und dass diese Einschränkungen erst nach Vertragsschluss eingetreten sind. 

Insbesondere diese ersten drei Voraussetzungen treffen auf die meisten Gewerbetreibenden, die ihre Mieträume während des staatlich angeordneten Lockdowns nicht nutzen konnten, zu. Dennoch kommt es - wie so oft - auf den Einzelfall an. 

So muss der/die Mieter:in weiterhin darlegen und beweisen, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Veränderung vorausgesehen hätten und dass dem/der Mieter:in das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Hier kommt es auf alle Umstände des Einzelfalles an. So muss insbesondere die vertragliche und gesetzliche Risikoverteilung berücksichtigt werden. Damit Ratsuchende eine professionelle Einschätzung ihrer Erfolgsaussichten erhalten und die Chancen zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Vertragsanpassung oder Rückzahlung des Mietzinses maximieren können, sollten sie in jeden Fall die Hilfe eines fähigen Rechtsanwalts in Anspruch nehmen. 

Haben Sie noch Fragen zum Thema „Gewerberaummiete mindern wegen Corona-bedingter Schließanordnung“? Dann nehmen Sie Kontakt zu Streifler&Kollegen auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.

 

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Annotations

(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.

(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.

Oberlandesgericht Dresden


Urteil vom 24.02.2021


Az.: 5 U 1782/20


In dem Rechtsstreit


X. Grundstücksverwaltung GmbH & Co. KG, ...
vertreten durch die Komplementärin X. Grundstücksverwaltung Beteiligungs GmbH
diese vertreten durch den Geschäftsführer ...
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwaltskanzlei ...


gegen


Y. GmbH, ...
vertreten durch die Geschäftsführer ...
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
... Rechtsanwälte PartG mbB, ...


wegen Mietzinsforderung


hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht PD Dr. Dr. K.,
Richterin am Oberlandesgericht K. und
Richter am Oberlandesgericht K.
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2021
für Recht erkannt:

Tenor:


I. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 26.08.2020 (4 O 639/20) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.720,09 € zuzüglich Zinsen daraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.04.2020 und 272,00 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2020 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckten Betrages leistet.

II. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:


Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung der Miete des Monats April 2020 für die auf dem Grundstück ... Straße ... in xxx befindlichen Gebäude und Parkplätze mit einer Nutzfläche von ca. 1.150 m² in Anspruch, die die Beklagte zum Betrieb eines Textileinzelhandels angemietet hat.

Die Parteien schlossen am 13./26.09.2013 einen Mietvertrag über die auf dem Grundstück ... Straße ... in xxx befindlichen Gebäude und Parkplätze. Das Mietverhältnis begann am 01.01.2014 und wurde für die Dauer von 10 Jahren fest abgeschlossen, mit einer Verlängerungsklausel und einer zweimaligen Option der Beklagten als Mieterin zur Verlängerung des Mietverhältnisses jeweils um drei Jahre. Die Vermietung erfolgte "ausschließlich zu gewerblichen Zwecken zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs." Seit dem 01.01.2019 beträgt die monatliche Bruttomiete 7.854,00 € und ist spätestens bis zum 5. des Monats auf das im Vertrag angegebene Bankkonto der Klägerin zu bezahlen. Neben der Miete trägt die Beklagte als Mieterin im Vertrag näher umschriebene Nebenkosten. Eine Nebenkostenvorauszahlung wurde nicht vereinbart. In § 1 Nr. 2 des Mietvertrages wurde geregelt: "Der Vermieter übernimmt keine Gewähr dafür, dass etwaige erforderliche behördliche Genehmigungen für die Nutzung der Mieträume durch den Mieter erteilt werden, soweit die Genehmigungen nicht aus Gründen versagt werden, die ausschließlich auf der Beschaffenheit oder Lage des Mietobjektes beruhen. Der Mieter trägt die Kosten der Erfüllung behördlicher Auflagen, die sich aus seiner Person oder der Nutzungsart der Mieträume ergeben, ausgenommen sind die brandschutztechnischen Bestimmungen sowie die Arbeitsrichtlinien."

Aufgrund des sich verbreitenden SARS-CoV-2-Virus (Corona-Pandemie) erließ das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt am 18.03.2020 auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG die "Allgemeinverfügung Vollzug des Infektionsschutzgesetzes Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie Verbot von Veranstaltungen" (Az. 15-5422/5), nach deren Ziffer 1 in Sachsen grundsätzlich alle Geschäfte geschlossen wurden, soweit sie nicht unter die in der Allgemeinverfügung ausdrücklich benannten Ausnahmen fielen, was für den Textileinzelhandel der Beklagten nicht zutraf. Die Allgemeinverfügung vom 18.03.2020 trat gemäß ihrer Ziffer 9 am 19.03.2020 um 0:00 Uhr in Kraft und wurde ab dem 22.03.2020, 0:00 Uhr von der "Allgemeinverfügung Vollzug des Infektionsschutzgesetzes Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie Verbot von Veranstaltungen" des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 20.03.2020 (Az. 15-5422/5) ersetzt, nach deren Ziffer 2, übereinstimmend mit der Allgemeinverfügung vom 18.03.2020, Geschäfte grundsätzlich geschlossen wurden, soweit nicht die in der Allgemeinverfügung vom 20.03.2020 formulierten Ausnahmen eingriffen, zu denen das Textileinzelhandelsgeschäft der Beklagten nicht zählte. Aufgrund der genannten Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 war das Textileinzelhandelsgeschäft der Beklagten im Mietobjekt vom 19.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 geschlossen.

Nach entsprechender Ankündigung mit Schreiben vom 24.03.2020 bezahlte die Beklagte die Miete für den Monat April 2020 nicht. Die Klägerin mahnte mit dem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.04.2020 bei der Beklagten die Zahlung der Miete für April 2020 erfolglos an. Die folgenden Mietzahlungen, insbesondere für den Monat Mai 2020, erbrachte die Beklagte vollständig.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei auch für den Zeitraum der durch die Allgemeinverfügungen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 18. bzw. 20.03.2020 verursachten Schließung des Textileinzelhandelsgeschäfts im Mietobjekt zur vollständigen Zahlung der vertraglich vereinbarten Miete verpflichtet. Mit der staatlichen Schließungsanordnung habe sich ein typisches unternehmerisches Risiko verwirklicht. Das Verwendungsrisiko trage die Beklagte als Mieterin, was sich auch aus der Regelung in § 1 Nr. 2 des Mietvertrages ergebe. Die Allgemeinverfügungen zielten auf den Betrieb der Beklagten ab, während die von der Klägerin zu gewährleistende Nutzbarkeit der vermieteten Räume für den vertraglich vereinbarten Zweck dessen ungeachtet fortbestehe. Es bestehe deshalb auch kein Rückzahlungsanspruch wegen überzahlter Miete für den Monat März 2020, mit welchem die Beklagte die Aufrechnung gegen den Anspruch auf Zahlung der Miete für den Monat April 2020 erklären könne.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe einen erheblichen Rückgang des Nettoumsatzes für die Monate März und April 2020 erlitten, welcher nicht durch verstärkten Onlinehandel kompensiert worden sei. Staatliche Finanzhilfen habe sie nicht erhalten. Sie habe ihre sämtlichen 3.000 Filialen geschlossen und einen Großteil ihrer Belegschaft in Kurzarbeit "0" geschickt.

Sie hat die Auffassung vertreten, infolge der staatlichen Schließungsanordnung liege ein Mangel des Mietobjektes i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB vor, der zur Minderung der Miete um 100 % führe. Hilfsweise sei von einer Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung i.S.v. § 326 Abs. 1 BGB auszugehen, die die Mietzahlungsverpflichtung der Beklagten entfallen lasse. Höchsthilfsweise wäre jedenfalls der Mietvertrag auf Grundlage der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB wegen der durch die staatliche Schließungsanordnung eingetretenen schwerwiegenden Äquivalenzstörungen anzupassen, womit jedenfalls eine hälftige Teilung der Mietlast angemessen sei.

Für den Fall, dass der Senat von einer Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Miete für den Monat April 2020 ausgeht, rechnet die Beklagte hilfsweise mit ihrem Rückzahlungsanspruch in Bezug auf die von ihr rechtsgrundlos gezahlte Miete für den Zeitraum vom 19. bis zum 31.03.2020 auf.

Wegen des Sachvortrages im Übrigen und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem Urteil vom 26.08.2020 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 7.854,00 € nebst Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten für den Gegenstandswert von 7.854,00 € nebst Zinsen zu bezahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung der von ihr begehrten Miete für den Monat April 2020 aus dem Mietvertrag vom September 2013 gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Die staatliche Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. und 20.03.2020 führe nicht zu einem Mangel des Mietobjektes nach § 536 Abs. 1 BGB und nicht zur Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassungspflicht der Klägerin als Vermieterin. Eine Lagerhaltung sei der Beklagten während der Zeit der Schließungsanordnung möglich gewesen. Zudem hätte ein von der Schließungsanordnung ausgenommenes Geschäft in den Mieträumen betrieben werden können. Es könne offen bleiben, ob die wegen der Corona-Pandemie erfolgte staatliche Schließungsanordnung grundsätzlich zur Anwendbarkeit der Regelung in § 313 Abs. 1 BGB zur Anpassung des Mietvertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage führen könne. Im konkret zu beurteilenden Fall sei eine Anpassung des Mietvertrages jedenfalls nicht angezeigt, weil der Beklagten das Festhalten an dem unveränderten Mietvertrag nicht unzumutbar sei.

Gegen das ihr am 28.08.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.09.2020 Berufung eingelegt und diese - nach entsprechender Fristverlängerung - am 27.11.2020 begründet.

Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht habe in der Sache unzutreffend die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Mangels des Mietobjektes, hilfsweise der Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung durch die Klägerin und höchsthilfsweise der Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB mit der Folge einer hälftigen Mietzahlung verneint. Insoweit wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie behauptet, entgegen der Auffassung des Landgerichtes habe die Beklagte kaum einen Bedarf für die Nutzung der Räume des Mietobjektes als Lagerfläche anstelle der im Vertrag vereinbarten Verkaufsfläche, weil die Belieferung ihres Geschäfts im Mietobjekt über ein an einem anderen Ort befindliches Zentrallager "just in time" erfolge. Zudem sei eine kurzfristige Änderung des Nutzungszweckes des im Mietobjekt betriebenen Geschäfts auf eine nach den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 zugelassene Betätigung nicht möglich gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Chemnitz, Az. 4 O 639/20, vom 26.08.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages.

II.

Die Berufung ist teilweise begründet.

Entgegen der Auffassung der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz im angefochtenen Urteil vom 26.08.2020 sieht der Senat es als erforderlich an, über eine Anpassung des Mietvertrages nach § 313 Abs. 1 BGB eine Reduzierung der Kaltmiete auf die Hälfte für denjenigen Zeitraum vorzunehmen, in dem aufgrund der Allgemeinverfügungen vom 18. und 20.03.2020 die Schließung des Textileinzelhandelsgeschäfts der Beklagten in den angemieteten Räumen angeordnet war. Für den streitgegenständlichen Zeitraum außerhalb der Schließungsanordnung ist dagegen keine Reduzierung der Miete vorzunehmen.

Im Ausgangspunkt hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Bruttokaltmiete von 7.854,00 € aus dem Mietvertrag vom 13./26.09.2013 gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Diesem Anspruch kann die Beklagte nicht entgegenhalten, infolge der staatlichen Schließungsanordnung sei die Gebrauchsüberlassung durch die Klägerin als Vermieterin unmöglich geworden, mit der Folge, dass auch die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Gegenleistung, der Miete, gemäß §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB entfallen sei (dazu 1.). Umgekehrt steht der Reduzierung der Miete wegen der staatlichen Schließungsanordnung nicht die Sperrwirkung der Regelung in Art. 240 § 2 EGBGB entgegen (dazu 2.), die eine Reduzierung der Miete nicht vorsieht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist durch die staatliche Schließungsanordnung kein zur Mietminderung führender Mangel des Mietobjektes nach § 536 Abs. 1 BGB begründet worden. Die Auslegung des Mietvertrages gemäß §§ 133, 157 BGB, insbesondere anhand der gesetzlichen Risikoverteilung, führt nicht zur Annahme eines zur Minderung führenden Mietmangels (dazu 3.). Es liegt jedoch eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages vom 13./26.09.2013 im Sinne einer Störung der großen Geschäftsgrundlage vor, die gemäß § 313 Abs. 1 BGB zu einer dahingehenden Vertragsanpassung führt, dass die Beklagte für den Zeitraum der staatlichen Schließungsanordnung (nur) die Hälfte der vereinbarten Kaltmiete zu zahlen hat (dazu 4.).

Der Klägerin war anstelle des vom Landgericht zuerkannten Betrages von 7.854,00 € für den Monat April 2020 unter Berücksichtigung der Aufrechnung der Beklagten mit dem Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Miete für März 2020 ein Betrag in Höhe von 3.720,09 € zuzusprechen (dazu 4.b). Eine einseitige Auferlegung des nicht vorhersehbaren und von keiner Vertragspartei zu vertretenden Risikos einer durch die Corona-Pandemie verursachten staatlichen Schließungsanordnung auf den Mieter oder den Vermieter scheidet aus. Dafür spricht auch die Einführung von Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB durch den Gesetzgeber. Auch wenn diese Vorschrift erst ab dem 31.12.2020 gilt (und damit während des derzeitigen, in Sachsen seit dem 14.12.2020 bestehenden Lockdowns eingeführt wurde), bringt sie einen bereits zuvor, nämlich schon während des ersten Lockdowns im März/April 2020, gültigen Rechtsgedanken zum Ausdruck. So lässt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass es sich um eine Klarstellung der Rechtslage handeln soll (vgl. BT-Drs. 19/25322 S. 14 f. zum Streitstand, vgl. Brinkmann/Thüsing NZM 2021, 5 und Römermann NJW 2021, 265; Herlitz NJ 2021, 56).

1. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der Anspruch auf Zahlung der Miete als Gegenleistung zur Verpflichtung der Klägerin als Vermieterin zur Überlassung des Gebrauches der Mieträume sei gemäß § 326 Abs. 1 BGB entfallen, weil der Klägerin infolge der staatlichen Schließungsanordnung die Überlassung der Mieträume in der Form unmöglich geworden sei, dass sie der Beklagten erlaube, ohne weiteres den vertragsgemäßen Gebrauch der Sache auszuüben. Mit diesem Einwand macht die Beklagte eine Unmöglichkeit der Vertragserfüllung geltend, die auf der Mangelhaftigkeit bzw. Gebrauchsuntauglichkeit des Mietobjektes beruhen soll. Soweit es aber um die Gebrauchsuntauglichkeit des Mietobjektes geht, werden die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechtes, zu dem diejenigen über die Unmöglichkeit gehören, von den mietrechtlichen Gewährleistungsregelungen nach §§ 536 ff. BGB verdrängt, wenn das Mietobjekt bereits vom Vermieter an den Mieter überlassen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.1997, XII ZR 192/95, NJW 1997, 2813; Urteil vom 04.05.2005, XII ZR 254/01, NJW 2005, 2152, 2154; Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Aufl., Kap. 14 Rn. 233; Blank/Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 535 Rn. 748). Der Beklagten war das Mietobjekt bereits überlassen worden, bevor es zur staatlichen Schließungsanordnung in den Allgemeinverfügungen vom 18. und 20.03.2020 kam.

2. Der Regelung in Art. 240 § 2 EGBGB kann keine dahingehende Sperrwirkung entnommen werden, dass sie Auswirkungen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie auf das Bestehen oder den Umfang der Verpflichtung zur Zahlung der Miete für Räume ausschließen würde, in denen Geschäfte betrieben werden, die von den staatlichen Maßnahmen betroffen sind. Die Annahme einer Sperrwirkung würde voraussetzen, dass mit der Vorschrift des Art. 240 § 2 EGBGB eine (abschließende) Regelung dieser Frage getroffen wurde, was aber nicht zutrifft (ebenso LG Mönchengladbach, Urteil vom 02.11.2020, 12 O 154/20, BeckRS 2020, 30731 Rn. 39; LG München I, Urteil vom 25.01.2021, 31 O 7743/20, BeckRS 2021, 453 Rn. 53 ff.; Zehelein, NZM 2020, 390, 401; Streyl NZM 2020, 817, 823; Brinkmann/Thüsing NZM 2021, 5, 9 f.; Warmuth COVuR 2020, 16, 17; Herlitz, NJ 2021, 56, 58; a.A. LG München II, Urteil vom 06.10.2020, 13 O 2044/20, BeckRS 2020, 34263 Rn. 22; Jung JZ 2020, 715, 723). Unmittelbar geregelt wurde nur eine Beschränkung des Kündigungsrechts wegen Zahlungsverzuges des Mieters. Regelungen zum Bestehen und zur Höhe der Miete enthält die Vorschrift nicht. Eine klarstellende Erklärung, dass damit keine Aussage über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Höhe der Miete in bestehenden Mietverträgen getroffen wird, wurde vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf seiner Homepage veröffentlicht (Text bei Streyl, a.a.O., S. 823). Letztlich spricht auch die seit dem 31.12.2020 geltende Vorschrift des Art. 240 § 7 EGBGB gegen eine Sperrwirkung von Art. 240 § 2 EGBGB.

3. Ein zur Minderung des Mietzinses führender Mietmangel wurde durch die staatlich angeordnete Schließung nicht begründet. Ein Mangel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache (Ist-Beschaffenheit) von dem vertraglich Vereinbarten (Soll-Beschaffenheit). Zu dem vertraglich vereinbarten Zustand der Mietsache gehören über deren physische Beschaffenheit hinaus auch die tatsächlichen Zustände und rechtlichen Verhältnisse, die mit der Mietsache zusammenhängen und ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Dazu gehören auch Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen. Um eine Ausuferung des Fehlerbegriffs zu vermeiden, führen außerhalb der Mietsache selbst liegenden Umstände allerdings nur dann zu einem Mangel der Mietsache, wenn sie deren Gebrauchstauglichkeit unmittelbar beeinträchtigen. Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob eine unmittelbare Beeinträchtigung der Mietsache vorliegt, ist danach in erster Linie der von den Parteien vereinbarte vertragsgemäße Gebrauch, welcher maßgeblich durch den vereinbarten Nutzungszweck bestimmt wird. Aus dem zur Erfüllung des vertragsgemäßen Gebrauchs erforderlichen Zustand der Mietsache ergibt sich deren geschuldeter Zustand (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2009, VIII ZR 300/08, NZM 2009, 855 Rn. 11; Urteil vom 10.10.2012, XII ZR 117/10, NJW 2013, 44 Rn. 30 f.).

Danach sind es allein die Vertragsparteien, die durch die Festlegung des dem Mieter jeweils geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauches bestimmen, welchen Soll-Zustand die vermietete Sache aufweisen muss. Eine ausdrückliche Regelung der Parteien, welche Soll-Beschaffenheit das Mietobjekt in Bezug auf staatliche Schließungsanordnungen aufweisen muss, enthält der Mietvertrag vom 13./26.09.2013 nicht. Sie ist insbesondere nicht in § 1 Nr. 2 des Mietvertrages vom 13./26.09.2013 enthalten. Dort geht es um behördliche Genehmigungen für die Nutzung der Mieträume, zu denen eine aufgrund von § 28 Abs. 1 IfSG ergehende Schließungsanordnung nicht gehört, und um die nicht streitgegenständliche Frage, inwieweit der Mieter die Kosten behördlicher Auflagen trägt. Ist aber keine ausdrückliche Regelung zum "Soll-Zustand" getroffen worden, muss anhand der allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157, 242 BGB) geprüft werden, was der Vermieter schuldet bzw. welchen Standard der Mieter aufgrund des Vertrages vom Vermieter verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2013, XII ZR 80/12, NJW 2014, 685 Rn. 20; Urteil vom 25.11.2020, XII ZR 40/19, BeckRS 2020, 37268 Rn. 12).

Von besonderer Bedeutung im Rahmen dieser Auslegung ist die gesetzlich vorgesehene Risikoverteilung zwischen den Mietvertragsparteien, weil sich an ihr der Grundsatz von Treu und Glauben konkretisiert, der ein maßgebliches Auslegungselement darstellt (vgl. Günter in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 536 BGB Rn. 79). Der Vermieter trägt danach das Risiko der Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB), während der Mieter das Verwendungs-/Ertragsrisiko der Mietsache trägt (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2010, XII ZR 108/08, NZM 2010, 364 Rn. 17), was in § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommt. Gemeint ist damit das unternehmerische Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne zu erzielen (vgl. Günter, a.a.O., Rn. 81). Im Ergebnis bedeutet dies, der Vermieter hat dafür Sorge zu tragen, dass einerseits die Mietsache alle physischen Eigenschaften aufweist, andererseits alle äußeren Umstände gegeben sind, die zum Zeitpunkt der Überlassung der Mietsache sowie während der gesamten Vertragslaufzeit für die uneingeschränkte Tauglichkeit der Mietsache für den festgelegten Nutzungszweck erforderlich sind (vgl. Günter, a.a.O., Rn. 84). Der Senat folgt nicht der von der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz (ebenso etwa LG Zweibrücken, Urteil vom 11.09.2020, HK O 17/20, BeckRS 2020, 24356 Rn. 36 ff.; LG Frankfurt/M., Urteil vom 02.10.2020, 2-15 O 23/20, BeckRS 2020, 26613 Rn. 20; LG Stuttgart, Urteil vom 19.11.2020, 11 O 215/20, BeckRS 2020, 32275 Rn. 16; Sittner NJW 2020, 1169, 1170 f.; a.A. LG München I, Urteil vom 22.09.2020, 3 O 4495/20, BeckRS 2020, 28189; Hellmich COVuR 2020, 189, 190 f.; Sentek/Ludley NZM 2020, 406, 408: Einzelfallfrage) vertretenen Auffassung, die staatliche Schließungsanordnung falle in den vom Mieter zu tragenden Bereich des Verwendungs-/Ertragsrisikos. Das unternehmerische Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne zu erzielen, setzt nämlich voraus, dass der Mieter im Mietobjekt entsprechend dem vertraglich vereinbarten Mietzweck unternehmerisch tätig werden kann und greift deswegen dann nicht ein, wenn ihm - wie hier - genau diese Möglichkeit von vornherein verschlossen ist.

Die landesweit geltende Schließungsanordnung ist aber auch nicht der Risikosphäre des Vermieters zuzuordnen. Die staatliche Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 verfügt die Schließung des Textileinzelhandelsgeschäfts der Beklagten, die dem in § 1 Nr. 1 des Mietvertrages vom 13./26.09.2013 vereinbarten Mietzweck entsprach. Es fehlt danach nicht an der grundsätzlichen Verwendbarkeit des Mietobjektes für den vereinbarten Mietzweck und geht nicht um die dem Verwendungsrisiko zuzuordnende Frage, ob der Mieter mit einem grundsätzlich zur Ausübung des Mietzweckes geeigneten Mietobjekt in der Lage ist, unternehmerischen Gewinn zu erzielen (in demselben Sinne: Weller/Thomale, BB 2020, 962, 964, die dem Verwendungsrisiko des Mieters das Verwendbarkeitsrisiko des Vermieters entgegensetzen und dieses hier betroffen sehen, weil die Verwendbarkeit der Mietsache für den Mietzweck nicht gegeben ist; ähnlich auch Hellmich, a.a.O.; Sentek/Ludley, a.a.O.). Ohne die staatliche nicht objektbezogene, von der Klägerin nicht zu beeinflussende Anordnung wäre das Mietobjekt uneingeschränkt nutzbar gewesen. Dagegen spricht auch nicht, dass von verschiedenen Oberlandesgerichten, zu denen auch der Senat zählt, in der Vergangenheit erhebliche, über das übliche Maß hinausgehende Behinderungen des Zugangs zu Gaststätten und Ladengeschäften für die Kunden dem Risiko der Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes zugeordnet und demzufolge als Mangel des Mietobjektes angesehen wurden (vgl. Senatsurteil vom 18.12.1998, 5 U 1774/98, NZM 1999, 317, 318; KG, Urteil vom 12.11.2007, 8 U 194/06, NZM 2008, 526, 527; Senatsurteil vom 14.10.2008, 5 U 1030/08, juris Rn. 33; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 11.02.2015, 2 U 174/14, NJW 2015, 2434 [BGH 27.11.2014 - I ZR 124/11] Rn. 24 f.; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 05.07.2017, 2 U 152/16, BeckRS 2017, 121594 Rn. 27 f.). Die Mieträume waren - im Rahmen der Beschränkungen der Corona-Schutzverordnung - frei zugänglich. Lediglich die von der Beklagten gewollte Verwendung war - vom Mietobjekt unabhängig - untersagt. Auch wenn Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen, einen Mangel begründen können und für den Betrieb eines Textileinzelhandelsgeschäfts die Möglichkeit des Zugangs des Publikums eine Voraussetzung ist, wird dem Vermieter damit nicht das Risiko der objekt- und lageunabhängigen Nutzbarkeit der Mieträume übertragen. Ist der Zugang des Publikums zu den angemieteten Räumen eröffnet, fällt es in das Verwendungsrisiko des Mieters, wenn das Publikum dennoch nicht zum Kaufen der Ware in die Räume strömt, sei es, weil es das Sortiment unattraktiv findet, ein das Publikum anziehendes Geschäft nebenan geschlossen hat (vgl. zu einem solchen Fall: Senatsbeschluss vom 08.02.2017, 5 U 1669/16, BeckRS 2017, 106456) oder weil das Publikum die Räume aus Angst vor der Infektion mit dem Covid 19 Virus nicht betritt. Ein Mangel liegt dann nicht vor. Das vom Mieter zu tragende Verwendungsrisiko ist auch betroffen, wenn die Mietsache vom Mieter für den vereinbarten Mietzweck verwendet werden kann, dieser aber in Art und Umfang der Nutzung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird (etwa die Anordnung, ein Hygienekonzept zu erstellen, oder nur eine begrenzte Zahl von Kunden (und nur mit Mund-Nase-Bedeckung) entsprechend der Fläche in das Geschäft hineinzulassen. In diesen Fällen liegt kein Mangel des Mietobjekts vor. Diese Fälle sind auch nicht mit den hier maßgeblichen pandemiebedingten Einschränkungen vergleichbar.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Senat die Auffassung im angefochtenen Urteil nicht teilt, der Annahme eines Mangels des Mietobjekts i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB infolge der staatlichen Schließungsanordnung stehe der Umstand entgegen, dass es sich um ein betriebsbezogenes öffentliches Gebrauchshindernis handele. Öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse stellen einen Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB dar, wenn sie die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufheben oder mindern, was allerdings nur dann gilt, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit und der Lage der Mietsache beruhen (Ortsbezogenheit) und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters (Betriebsbezogenheit) ihre Ursache haben. Außerdem muss der Mieter durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt werden, wovon regelmäßig nur dann auszugehen ist, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjektes durch ein rechtswirksames und unanfechtbares Verbot bereits untersagt hat (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2013, XII ZR 77/12, NZM 2014, 165; Urteil vom 02.11.2016, XII ZR 153/15, NJW 2017, 1104; Senatsbeschluss vom 01.06.2017, 5 U 477/17, ZMR 2017, 880; Günter NZM 2016, 569).

Entgegen der Auffassung des Landgerichtes ist die staatliche Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 nach diesen Kriterien ein Mangel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB, weil sie unmittelbar mit der konkreten Lage des Mietobjektes in einem Bereich in Zusammenhang steht, in dem die pandemiebedingten Schutzmaßnahmen aufgrund von § 28 Abs. 1 IfSG aus staatlicher Sicht erforderlich waren. Die staatliche Schließungsanordnung in den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 differenziert zwischen verschiedenen Geschäftsarten, indem sie von der generellen Anordnung zur Schließung von Geschäften konkrete Ausnahmen formuliert. Dennoch erfolgt der Eingriff nicht betriebsbezogen, sondern ortsbezogen, weil im Rahmen des Pandemiegeschehens Orte vielfältiger menschlicher Begegnung weitgehend beseitigt werden sollen, um dadurch zu ermöglichen, dass eine Übertragung des Covid-19 Virus, welche den Kontakt eines infizierten zu einem nicht infizierten Menschen erfordert, nicht stattfindet. Es geht deshalb nicht um einen Eingriff in die betriebliche Tätigkeit eines Textileinzelhandelsgeschäfts im Unterschied zu etwa dem Betrieb eines Einzelhandels für Lebensmittel, der weiterhin öffnen darf. Vielmehr sollte landesweit der Betrieb grundsätzlich aller Geschäfte ruhen, um auf diesem Wege menschliche Kontakte - sowohl im Geschäft als auch auf dem Weg zum Geschäft und von diesem weg auf der Straße und im öffentlichen Personenverkehr - zu reduzieren. Der Einzelhandel für Lebensmittel wird nur deshalb gemeinsam mit anderen ausdrücklich aufgezählten Geschäften von der Schließung verschont, weil er zur Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung mit den lebenswichtigen Gütern des täglichen Bedarfs erforderlich ist. Die Zielrichtung der Eingriffsmaßnahmen nach § 28 IfSG ist deshalb landesweit ortsbezogen und richtet sich nach der konkreten Betroffenheit des Ortes oder der Region durch das Infektionsgeschehen und der daraus resultierenden Dringlichkeit der Reduzierung von Kontakten der Menschen (vgl. dazu OVG Münster, Beschluss vom 06.07.2020, 13 B 940/20.NE, BeckRS 2020, 14802; Kießling in Kießling, IfSG, 1. Aufl., § 28 Rn. 65). Um einen betriebsbezogenen Eingriff geht es nicht.

Aus der über den zumindest mittelbaren Einfluss der Klägerin hinausgehenden generell und landesweit geltenden Zugangsbeschränkung kann kein Umstand abgeleitet werden, der in den von der Klägerin zu verantwortenden Bereich fällt.

4. Infolge des Auftretens der Corona-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 ist jedoch eine Störung der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB des Mietvertrages vom 13./26.09.2013 eingetreten (dazu a), die eine Anpassung des Vertrages dahin auslöst, dass die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte reduziert wird (dazu b).

a) Der Tatbestand der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB setzt ein tatsächliches Element (dazu aa), ein hypothetisches Element (dazu bb) und ein normatives Element (dazu cc) voraus (vgl. Finkenauer in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 313 Rn. 56).

aa) Die Geschäftsgrundlage wird gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, beim Vertragsschluss aber zutage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen des eigenen Vertragsteils oder durch die gemeinsamen Vorstellungen beider Teile vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille auf diesen Vorstellungen aufbaut (vgl. BGH, Urteil vom 25.09.1997, II ZR 269/96, NJW 1997, 3371, 3372; Urteil vom 24.03.2010, VIII ZR 160/09, NJW 2010, 1663 Rn. 17). Zur Geschäftsgrundlage der Parteien als Vermieterin und Mieterin von Geschäftsräumen zur Nutzung als Textileinzelhandelsgeschäft gehörte danach die Vorstellung, dass es nicht zu einer Pandemie mit weitgehender Stilllegung des öffentlichen Lebens infolge pandemiebedingter Nutzungsuntersagungen und -beeinträchtigungen kommen würde, so dass das Auftreten der Pandemie mit den entsprechenden weitreichenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben eine schwerwiegende Änderung der für die Vertragslaufzeit vorgestellten Umstände bedeutet und damit das tatsächliche Element der Störung der Geschäftsgrundlage verwirklicht. Es liegt eine Systemkrise und damit ein Fall der Störung der großen Geschäftsgrundlage vor, weil durch sie das allgemeine soziale und wirtschaftliche Gefüge nachhaltig erschüttert wird (idS Jung, a.a.O., S. 716, 717; Weller/Lieberknecht/Habrich NJW 2020, 1017, 1021; Häublein/Müller NZM 2020, 481, 486 f.; Wolf/Eckert/Denz/Gerking/Holze/Künnen/Kurth JA 2020, 401, 402). So wird es auch vom Landgericht im angefochtenen Urteil gesehen (ebenso LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020, 5 O 66/20, BeckRS 2020, 19165 Rn. 39 ff.; Streyl, a.a.O., Seite 821; Zehelein, a.a.O., Seite 398). Ohne dass es hierauf entscheidend ankommen würde, spricht für diese Annahme auch der Inhalt des mit Wirkung vom 31.12.2020 neu geschaffenen Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB (vgl. Brinkmann/Thüsing, a.a.O., Seite 8).

bb) Das hypothetische Element ist erfüllt, wenn die vertragschließenden Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten wenn sie die Veränderung der Umstände, welche zur Geschäftsgrundlage gehören, vorhergesehen hätten. Erforderlich ist danach, dass zumindest eine Vertragspartei den Vertrag nicht bzw. nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen hätte, wenn sie das Fehlen oder den Wegfall der Vertragsgrundlage vorhergesehen hätte (vgl. Finkenauer, a.a.O., Rn. 58). Im Rahmen der Störung der großen Geschäftsgrundlage ist das hypothetische Element regelmäßig erfüllt (vgl. Jung, a.a.O., S. 719). Zudem ist zu beachten, dass es sich bei der Änderung der zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstände um sehr wesentliche Rahmenbedingungen für den Betrieb ihres Textileinzelhandelsgeschäftes handelt. Auf konkrete, nicht in die Vertragsverhandlungen eingeflossene Erwägungen, die nach dem Vortrag der Klägerin, sie hätte, wenn die jetzt eingetretene Situation bei Mietvertragsabschluss auch nur annähernd vorhersehbar gewesen wäre, kein Einverständnis der Klägerin mit einer Mietpreisanpassungsklausel in der von der Beklagten geltend gemachten Form, also im Sinne einer Reduzierung auf die Hälfte der Miete, erklärt, kommt es daher nicht an. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und auf verständige, wirtschaftlich denkende Vertragspartner. Diese hätten sich bei dem beide Vertragspartner gleichermaßen betreffenden und gerade nicht zu beeinflussenden Risiko nicht einseitig zu Gunsten eines Vertragspartners entschieden. Das hypothetische Element des § 313 Abs. 1 BGB ist damit erfüllt.

cc) Das normative Element des § 313 Abs. 1 BGB ist erfüllt, wenn die wesentliche Veränderung der zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstände nicht in den Risikobereich einer der Parteien fällt (dazu aaa) und ein Festhalten am Vertrag einer der Parteien nicht zuzumuten ist (dazu bbb).

aaa) Wenn angenommen wird, dass eine der Parteien mit dem Abschluss des Mietvertrags ein Risiko übernommen hat, unter das das Auftreten der Corona-Pandemie und die daraufhin ergangene staatliche Schließungsanordnung fällt, stünde dies einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB regelmäßig entgegen, weil für die Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage grundsätzlich kein Raum ist, soweit es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2010, XII ZR 108/08, NZM 2010, 364 Rn. 15; Finkenauer, a.a.O., Rn. 61). Dies könnte auf den ersten Blick dafür sprechen, die Entscheidung sei bereits im Rahmen der bei der Auslegung des Mietvertrages notwendigen Abgrenzung zwischen dem beim Vermieter liegenden Risiko der Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes einerseits und dem beim Mieter liegenden Verwendungsrisiko andererseits gefallen (vgl. dazu oben II.3.). Diese Annahme greift aber zu kurz, weil die bei der vertraglichen Risikoabgrenzung allein betrachtete staatliche Schließungsanordnung nicht gleichbedeutend mit der in ein Pandemiegeschehen mit weitreichenden Kontakteinschränkungen eingebetteten Änderung der zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstände ist. Es geht hier also nicht um ein "normales" Risiko der Gebrauchstauglichkeit bzw. der Verwendung des Mietobjektes, sondern um weitgehende staatliche Eingriffe in das soziale und wirtschaftliche Leben aufgrund einer Pandemie, die als Systemkrise eine Störung der großen Geschäftsgrundlage ist. Das mit der Störung der großen Geschäftsgrundlage verbundene Risiko kann regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden (idS Weller/Lieberknecht/Habrich, a.a.O., S. 1021; Jung, a.a,O., S. 720; Häublein/Müller, a.a.O., S. 487 f.: Römermann NJW 2021, 265 Rn. 22; Warmuth, a.a.O., S. 19 f.; LG Mönchengladbach, Urteil vom 02.11.2020, a.a.O., Rn. 41). Der staatliche Eingriff zur Kontaktbeschränkung hat dabei auch unmittelbar auf das vorliegend zu beurteilende Mietverhältnis eingewirkt, indem das von der Beklagten entsprechend dem Mietzweck betriebene Textileinzelhandelsgeschäft als möglicher Ort potentiell vielfältiger Kontakte, die zur Übertragung des Covid 19 Virus führen können, geschlossen wurde. Von der vertraglichen Risikozuweisung wird deshalb dieses von den Vertragsparteien nicht vorhergesehene und die Geschäftsgrundlage des Vertrages betreffende Geschehen nicht erfasst (in demselben Sinne etwa Streyl, a.a.O., Seite 822 f.; Zehelein, a.a.O., Seite 398). Auch in diesem Punkt stützt die Neuregelung in Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB die Annahme, dass die pandemiebedingten staatlichen Schließungsmaßnahmen zumindest regelmäßig von der ohne Bezug zur Corona-Pandemie im Mietvertrag vereinbarten Risikozuweisung nicht erfasst werden (i.d.S. auch Römermann NJW 2021, 265, 267 f.). Im Ergebnis steht die vertragliche Risikozuweisung in der hier zu beurteilenden Situation einer Anpassung des Vertrages nach § 313 Abs. 1 BGB selbst dann nicht entgegen, wenn dieses nach der Vertragsauslegung einer der Parteien zuzuordnen wäre.

bbb) Entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil ist das Festhalten am unveränderten Mietvertrag derjenigen Partei, die durch die Änderung der die Geschäftsgrundlage bildenden Umstände belastet ist, hier die Beklagte, nicht zumutbar.

Der Senat teilt die Auffassung der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz nicht, dass von einer Unzumutbarkeit des Festhaltens am bestehenden Vertrag erst dann auszugehen sei, wenn die von der Änderung der Umstände, welche zur Geschäftsgrundlage gehören, belastete Partei dadurch in eine existenzgefährdende Lage gerät. Das beachtet nicht hinreichend, dass es hier um eine Äquivalenzstörung in einem gegenseitigen Vertrag geht, der zudem ein Dauerschuldverhältnis ist. Die notwendige Unzumutbarkeit bezieht sich damit auf die Äquivalenzstörung, also auf das Verhältnis von Überlassung des Mietobjektes einerseits und dafür Zahlen des Nutzungsentgelts (Miete) andererseits (i.d.S. auch Römermann, a.a.O., S. 268; Streyl, a.a.O., S. 824; Brinkmann/Thüsing, a.a.O., S. 10; Finkenauer, a.a.O., Rn. 77). Von besonderer Bedeutung ist dabei der Charakter des Mietvertrages als Dauerschuldverhältnis, bei dem die Miete für die Nutzungsüberlassung in Zeitabschnitten geschuldet ist, wobei der Zeitabschnitt bei den meisten Mietverhältnissen einen Monat beträgt. Dementsprechend erfolgt die Lösung des Äquivalenzproblems zwischen Miete und Gebrauchsüberlassung im Fall des Eingreifens des Gewährleistungsrechts der Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB auch im Sinne einer Reduzierung (Minderung) der Miete (nur) für den betroffenen Zeitabschnitt der Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit. Führt ein vorhandener Mangel in einem bestimmten Zeitraum nicht zur Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit, ist die Miete in diesem Zeitraum und damit in den betroffenen Zeitabschnitten nicht gemindert (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2010, XII ZR 132/09, NJW 2011, 514 Rn. 13 - sommerliche Aufheizung der Mieträume). Ebenso ist es bei der Bestimmung der Wesentlichkeit eines Mietrückstandes - und damit einer Äquivalenzstörung - für die Annahme eines wichtigen Grundes zur Kündigung des Mietvertrages nach § 543 BGB. Auch dabei wird in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a und b BGB nach Zahlungsterminen bestimmt, wann ein Rückstand so erheblich ist, dass aus ihm ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Mietvertrages folgt. In § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3b BGB ist sogar - wohl infolge eines redaktionellen Versehens - der konkrete Zeitabschnitt des Monats genannt, was aber dahin zu verstehen ist, dass der im Mietvertrag vereinbarte Zeitabschnitt gemeint ist (vgl. Alberts in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 543 BGB Rn. 57 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 17.09.2008, XII ZR 61/07, NZM 2009, 30 Rn. 15). Auch im Rahmen der Konturierung des unbestimmten Rechtsbegriffs des nicht unerheblichen Teils der Miete in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a BGB orientiert sich die Rechtsprechung an dem an einem Fälligkeitstermin zu zahlenden Betrag, in der Regel also an der Miete für einen Monat. So ist in § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB für Mietverträge über Wohnraum geregelt, dass ein nicht unerheblicher Rückstand dann vorliegt, wenn der rückständige Teil die Miete für einen Monat (mindestens um ein Cent) übersteigt. Auch im Bereich der Mietverträge über Gewerberäume wird dieser Betrag grundsätzlich bei der Bestimmung des nicht unerheblichen Teils der Miete angewendet (vgl. BGH, Urteil vom 23.07.2008, XII ZR 134/06, NJW 2008, 3210 Rn. 30). Allerdings kann bei diesen Verträgen auch ein Rückstand von weniger als dem an einem Fälligkeitstermin zu zahlenden Betrag, also in der Regel der Miete für einen Monat, ausreichen, wenn besondere Einzelfallumstände hinzutreten, die den Schluss auf die Erheblichkeit dieses Rückstandes zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2015, XII ZR 65/14, NJW 2015, 2419 Rn. 54 ff.). Daraus folgt, dass die Unzumutbarkeit der Festhaltung am bestehenden Vertrag beim Verhältnis von Leistung und Gegenleistung anzusetzen hat, im vorliegend zu beurteilenden Mietvertrag vom 13./26.09.2013 mit monatlicher Zahlungspflicht gemäß dessen § 3 Nr. 1 also beim einzelnen Zahlungsmonat. Im Ausgangspunkt ist danach die Erheblichkeit deswegen zu bejahen, weil - je nach Standpunkt bezüglich der vertraglichen Risikoverteilung - entweder der Mieter nach dem Mietvertrag die volle Miete zahlen müsste, ohne das Mietobjekt dem Mietzweck entsprechend nutzen zu können oder der Vermieter keine bzw. eine geringfügige Miete für ein Mietobjekt erhielte, für dessen - temporäre - Unbenutzbarkeit für den vertraglich vereinbarten Mietzweck er nicht nur keine Ursache gesetzt hat, sondern die er auch nicht vorhersehen konnte. Im konkret zu beurteilenden Fall könnte man deshalb die Erheblichkeit danach allenfalls dann verneinen, wenn lediglich ein Zahlungstermin betroffen wäre und innerhalb dieses Zahlungstermins jedenfalls weit überwiegend die vertragliche Äquivalenz bestand. Denkbar wäre danach, die Unzumutbarkeit der Festhaltung am Mietvertrag dann zu verneinen, wenn die Äquivalenzstörung lediglich ein bis zwei Wochen des Mietmonats beträfe. Die Notwendigkeit der im Verhältnis zu anderen Vertragstypen relativ niedrige Schwelle der Unzumutbarkeit liegt darin begründet, dass es sich bei dem Mietvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt. So ist bei einem klassischen Austauschvertrag wie dem Kaufvertrag die vollständige Leistung und Gegenleistung im Rahmen der Äquivalenzstörung gegenüberzustellen. Allerdings bezieht sich dann auch die Rechtsfolge der Vertragsanpassung auf den gesamten Vertrag, also das vollständige Äquivalenzverhältnis. Im Mietvertrag reicht dagegen eine wesentliche Äquivalenzstörung im regelmäßig monatlichen Zeitabschnitt, sie führt allerdings dann auch nur zu einer Vertragsanpassung für diesen Zeitabschnitt, so dass nicht das Risiko besteht, dass mit niedriger Eingriffsschwelle wesentliche Vertragsgrundlagen ohne entsprechenden Anlass durch richterlichen Eingriff nach § 313 Abs. 1 BGB geändert werden. Der Zeitraum, in dem die staatliche Schließungsanordnung andauerte, von insgesamt mehr als einem Monat, überschreitet damit die Schwelle der Erheblichkeit. Auf die Frage, inwieweit die wirtschaftliche Existenz der belasteten Vertragspartei durch die Störung der Geschäftsgrundlage betroffen wird, kommt es wegen dieser Dauer nicht an.

b) Da eine einvernehmliche Vertragsanpassung im Verhandlungswege der Parteien nach § 313 Abs. 1 BGB noch im Berufungsverfahren nicht zustande kam, ist der Senat verpflichtet, die entsprechende Vertragsanpassung vorzunehmen. Der Anpassungsanspruch aus § 313 Abs. 1 BGB kann gerichtlich geltend gemacht werden (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.2011, V ZR 17/11, NJW 2012, 373 Rn. 34; Zehelein, a.a.O., S. 400). Die Beklagte hat zudem mit ihrem vorprozessualen Schreiben vom 07.05.2020 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin einen außergerichtlichen Vergleich auf der Basis einer hälftigen Reduzierung der Miete für April 2020 angeboten, was als Anpassungsverlangen nach § 313 Abs. 1 BGB gewertet werden kann.

Damit ist eine Absenkung der Kaltmiete um 50 % gerechtfertigt, weil keine der Vertragsparteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen hat. Es ist demzufolge angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen (i.d.S. auch LG Mönchengladbach, a.a.O., Rn. 55; LG Aurich, Urteil vom 09.10.2020, 1 O 430/20; LG Kempten, Urteil vom 07.12.2020, 23 O 753/20, BeckRS 2020, 37736 Rn. 37; AG Oberhausen, Urteil vom 06.10.2020, 37 C 863/20, BeckRS 2020, 35507 Rn. 46; Zehelein, a.a.O., Seite 398 ff.; Streyl, a.a.O., S. 824; Ekkenga/Schirrmacher NZM 2020, 410, 414; i. E. auch Häublein/Müller, a.a.O., S. 491 f.). Dies entspricht der Lösung der Rechtsprechung bei Vertragszweckstörungen in der Vergangenheit (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.1989, VII ZR 60/89, NJW 1990, 572, 573 - Aufteilung der Hotel-Stornokosten bei Reisekündigung wegen höherer Gewalt; ähnlich OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.05.1992, 15 U 297/91, NJW 1992, 3176, 3177 f. - Wegfall der beiderseitigen Leistungspflichten aus einem Vertrag über den Auftritt von Musikern auf einer Faschingsveranstaltung, welche wegen des Golfkriegs ausfiel). Es kann offen bleiben, ob die Zahlung staatlicher Hilfen an einen der Vertragspartner des Mietvertrages zu einer weiteren Anpassung der Höhe der Miete führen würde, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin oder die Beklagte solche staatlichen Hilfen erhalten haben. Es kann auch dahinstehen, ob und ggf. inwieweit Zahlungen auf Betriebskosten anzupassen wären, weil solche nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind. Der Klägerin war eine keine Teilnutzung des Mietobjekts im Sinne eines "Außer-Haus-Verkaufs" bzw. eines entsprechenden Liefer- und Abholservice möglich wie dies etwa bei Gaststätten erlaubt war (vgl. Ziffer 3 der Allgemeinverfügung vom 18.03.2020 und Ziffer 4 der Allgemeinverfügung vom 20.03.2020).

Eine Reduzierung der Kaltmiete auf die Hälfte für den Zeitraum der staatlichen Schließungsanordnung führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin für den Monat April anstelle des vertraglich vereinbarten Betrages von 7.854,00 € nur 5.366,90 € zu zahlen hätte, während sie für den Monat März 2020 6.207,19 € zu zahlen gehabt hätte, also mit ihrer vollständigen Mietzahlung die Miete in Höhe von 1.646,81 € überzahlt hat. In dieser Höhe hat die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung gegen die Forderung der Klägerin auf Zahlung der Miete für April 2020 erklärt, so dass sich im Ergebnis gemäß §§ 387, 389 BGB der Anspruch der Klägerin von 5.366,90 € auf 3.720,09 € reduziert.

Im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war lediglich ein Streitwert in Höhe des nunmehr ausgeurteilten Betragen anzusetzen.

Der Zinsausspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Zi. 10, 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Zi. 1 ZPO wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen.
 
 
 

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 19.03.2021

Az.: 2 U 143/20

 

Leitsätze:

1. Die in den Hessischen Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus im Frühjahr 2020 angeordneten Beschränkungen für Einzelhandelsgeschäfte begründen weder einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel der gemieteten Gewerberäume noch eine Unmöglichkeit der von dem Vermieter geschuldeten Leistung.

2. Durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie kann aber die Geschäftsgrundlage eines Mietvertrages schwerwiegend gestört sein, wenn die Vertragsparteien sie bei Abschluss des Vertrages nicht bedacht haben.

3. Für die Frage, ob und in welcher Weise dieser Umstand zu einer Anpassung des Mietvertrages führt, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

4. Deren Vorliegen ist im Urkundenprozess regelmäßig nicht feststellbar, da nicht alle Umstände mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismittel bewiesen werden können.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urkundenvorbehaltsurteil des Landgerichts Frankfurt a.M. - 10. Zivilkammer - vom 29.10.2020 (Az.: 2-10 O 156/20) wird zurückgewiesen.

Das Urkundenvorbehaltsurteil des Landgerichts Frankfurt a.M. - 10. Zivilkammer - vom 29.10.2020 wird wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass Zinsen aus weiteren 9.847,27 € vom 9.5.2020 [nicht 2018] bis 22.5.2020 zu zahlen sind.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.847,27 € festgesetzt.

Gründe:

I. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO:

Die Klägerin vermietete unter dem 29.11./8.12.2011 der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein 105 qm großes Ladenlokal im Erdgeschoss des Anwesens A-Straße ... in Stadt1 nebst einer Kellerfläche von ca. 8 qm vom 1.5.2012 an für zunächst fünf Jahre mit einem dreimaligen Optionsrecht auf Verlängerung des Mietvertrages um jeweils fünf Jahre zum Betrieb eines Einzelhandels für den Vertrieb von Damenoberkleidung bestimmter Marken und damit zusammenhängender Lizenzprodukte sowie weiterer Untersortimente. Ein hiervon abweichender Zweck bedarf der Zustimmung des Vermieters. In § 3 des Mietvertrages ist unter anderem folgendes geregelt:

"Sollten die Behörden den Betrieb des Einzelhandelsgeschäfts wie in § 1 beschreiben in den Räumen untersagen, unabhängig davon, aus welchen Gründen die Untersagung erfolgt, so sind beide Vertragsparteien berechtigt, vom Vertrag fristlos zurückzutreten."

Gemäß § 5 des Vertrages ist die Beklagte berechtigt, die Mieträume mit Zustimmung der Vermieterin ganz oder teilweise unterzuvermieten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die bei der Akte befindliche Kopie (Blatt 7 ff. der Akte) verwiesen. Das erste Optionsrecht übte die Mieterin aus. Die Miete betrug zuletzt 9.847,27 € monatlich einschließlich Umsatzsteuer.

Ende Dezember 2019 / Anfang 2020 wurde in Deutschland die Verbreitung des neuartigen Coronavirus SARS CoV 2, zunächst in China, nachfolgend auch in Europa, beginnend in Italien, bekannt. Spätestens Ende Februar / Anfang März begann das Virus auch in Deutschland, sich epidemisch zu verbreiten. Aufgrund der Vierten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus der hessischen Landesregierung vom 17.3.2020 war der Beklagten die Nutzung der Mieträumlichkeiten im Zeitraum vom 18.3. bis zum 19.4.2020 zu dem vertraglich vereinbarten Zweck unmöglich. Nach der Sechsten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus der hessischen Landesregierung vom 16.4.2020 war die Nutzung der Mieträume im Zeitraum vom 20.4. bis zum 3.5.2020 nur in äußerst eingeschränktem Maße möglich. Nach der Siebenten Verordnung zur Anpassung der Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus der hessischen Landesregierung vom 21.4.2020 sollte auf das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung innerhalb der betreffenden Betriebe hingewirkt werden. Nach Verlängerung der Beschränkungen bis zum 10.5.2020 wurden die bisherigen Regelungen durch die Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebs von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie der hessischen Landesregierung vom 7.5.2020 ("Corona-Betriebsbeschränkungs-VO") abgelöst. Deren Geltung zunächst bis zum 5.6.2020 wurde nachfolgend bis zum 5.7.2020 verlängert.

Von März 2020 an brach der Umsatz der Beklagten ein. In der Zeit vom 20.4.2020 an war ihr eine Wiederaufnahme des Betriebs nur mit erheblichen Einschränkungen möglich. Mit Schreiben vom 25.3.2020 (Anlage B 14) erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin, wegen der behördlichen Schließungen könne sie keine Umsätze mehr erzielen, Lohn-, Overhead, Marketing- und Warenkosten bestünden unverändert, sie setze daher die Aprilmiete zunächst aus, und bat um eine persönliche Abstimmung. Mit Schreiben vom 16.4.2020 (Anlage B 15) schlug sie eine Herabsetzung der Miete für April 2020 um 50 % und für Mai sowie Juni 2020 um jeweils 25 % vor. Die Klägerin schlug mit Schreiben vom 20.4.2020 (Anlage B 17) lediglich eine Stundung vor und ließ die Beklagte sodann mit Anwaltsschreiben vom 30.4.2020 (Anlage B 18) zur Zahlung der ausstehenden Mieten auffordern. Nach Anhängigkeit der Zahlungsklage zahlte die Beklagte am 22.5.2020 an die Klägerin 12.309,09 € unter Vorbehalt der Rückforderung, nämlich 4.923,64 € hiervon auf die Aprilmiete und 7.385,45 € auf die Maimiete. Auf die Miete für Juni 2020 leistete die Beklagte 7.385,45 €. Die Beklagte erhielt keine staatlichen Hilfs- und Überbrückungsleistungen. Ein Großteil ihrer Mitarbeiter wurde in Kurzarbeit geschickt. Die Klägerin macht mit ihrer im Urkundenverfahren erhobenen Klage die ausstehenden Mieten gegenüber der Beklagten geltend.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Mietzahlungspflicht sei wegen eines Mangels der Mietsache gemindert, jedenfalls sei die geschuldete Miete aufgrund der absolut extremen Ausnahmesituation in der COVID-19-Pandemie wegen Störung der Geschäftsgrundlage des Mietertrages temporär je nach dem Grad der Einschränkungen des Betriebs entsprechend herabzusetzen, und ihr stehe eine entsprechende Einrede zu. Sie behauptet, die Frequentierung der Stadt1er Innenstadt durch Passanten habe allgemein deutlich nachgelassen, dementsprechend hätten sich auch in ihrem Geschäft erheblich weniger Kunden aufgehalten. Ihre Umsätze seien in der Zeit der Schließung und der Beschränkungen stark gefallen.

Die Klägerin wendet sich gegen das Vorbringen der Beklagten. Ihre tatsächlichen Behauptungen stellt sie in Abrede. Ein Minderungsrecht scheide bereits gemäß § 8 S. 1 des Mietvertrages mangels vorheriger Ankündigung des Einbehalts aus. Einer Herabsetzung der Miete stehe bereits der mit dem Covid-19-Gesetz eingeführte Art. 240 § 2 EGBGB als spezielle Regelung entgegen. Im Übrigen hätte die Beklagte die Mietsache anderweitig kostenadäquat nutzen können. Der kurze Zeitraum einer behördlichen Schließung der Mietsache falle im Hinblick auf die Gesamtdauer des Mietverhältnisses nicht wesentlich ins Gewicht. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte gemäß § 3 des Mietvertrages die Möglichkeit der jederzeitigen Kündigung des Mietverhältnisses gehabt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Mit Schreiben vom 5.3.2021 (Blatt 410 f. der Akte) erklärte die Beklagte unter Berufung auf § 3 des Mietvertrages die Kündigung des Mietverhältnisses.

Das Landgericht hat die Beklagte durch Urkundenvorbehaltsurteil vom 20.10.2020, ihr zugestellt am 4.11.2020, verurteilt, an die Klägerin 9.847,27 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszins jährlich aus 9.847,27 € vom 8.4. bis zum 22.5.2020, aus 4.923,64 € seit dem 23.5.2020 sowie aus weiteren 9.847,27 € vom 9.5.20018 [richtig: 2020] bis zum 22.5.2020 und aus 2.461,82 € seit dem 23.5.2020, aus weiteren 2.461,82 € seit dem 8.6.2020 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.019,83 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszins jährlich seit dem 28.5.2020 zu zahlen. Die weitergehende Klage, insbesondere wegen des Zinsanspruchs, hat es abgewiesen. Der Beklagten hat es die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Zur Begründung der Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei in der Hauptsache begründet. Der Klägerin stehe gegen die Beklagte in dem maßgeblichen Zeitraum ein Anspruch auf Zahlung der Miete in voller Höhe zu. Die Miete sei nicht gemindert, da die Mietsache keinen Mangel aufweise. Die öffentlich-rechtlichen Anordnungen der Schließung bestimmter Betriebe wiesen keinen Bezug zu dem Ladenlokal und damit dem Mietobjekt auf, sondern richteten sich allein gegen bestimmte Betriebsarten. Dies betreffe allein den geschäftlichen Erfolg des Mieters und damit das ihn treffende Verwendungsrisiko. Die Verpflichtung des Vermieters, die Mietsache während der Vertragslaufzeit in dem vertraglich geschuldeten Zustand zur Verfügung zu halten, werde durch eine solche behördliche Maßnahme nicht berührt. Die Behörde habe auch nicht den Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts in den vermieteten Räumlichkeiten untersagt, sondern lediglich pauschal und ohne Bezug auf spezifische Räumlichkeiten die Öffnung bestimmt bezeichneter Geschäfte untersagt. Die Beklagte sei auch nicht berechtigt wegen Änderung der Geschäftsgrundlage des Vertrages die Miete einzubehalten oder zu reduzieren. In den behördlichen Schließungsanordnungen für den Zeitraum vom 18.3. bis zum 19.4.2020 und den nachfolgenden Einschränkungen des Betriebs aufgrund der angeordneten Hygienemaßnahmen liege im Hinblick auf die lange Vertragsdauer noch keine derart schwerwiegende Änderung der Grundlagen des Mietvertrages, dass die Vertragsparteien ihn in Kenntnis dieser Umstände bei Vertragsschluss nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten. Der Beklagten sei ein Festhalten am unveränderten Vertrag nach der vertraglichen Risikoverteilung auch nicht unzumutbar, da sie als Mieterin grundsätzlich das Ertrags- und Verwertungsrisiko an der Mietsache trage. Ein extremer Ausnahmefall, in dem ein unvorhergesehenes Ereignis mit existenziell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt und daher trotz Zurechnung zu dem Risikobereich dieser Partei eine Vertragsanpassung rechtfertigen könne, liege nicht vor. Dass die verfügte Schließung des Ladenlokals für die Beklagte existenziell bedeutsame Folgen haben könnte, sei nicht ersichtlich. Umsatzrückgänge reichten hierfür nicht aus, zumal es sich bei der Beklagten um eine überregional tätige Handelskette handele, die in der Lage sei, staatlich zur Verfügung gestellte Hilfsmittel in Anspruch zu nehmen, Kurzarbeit zu beantragen oder die pandemiebedingten Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb durch ähnliche Maßnahmen abzumildern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts verwiesen.

Gegen diese Verurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer am 9.11.2020 eingelegten und am 18.12.2020 begründeten Berufung. Sie ist der Ansicht, bei der Corona-Krise handele es sich um eine Pandemie, deren Eintritt lediglich bedingt wahrscheinlich und damit nicht hinreichend vorauszusehen gewesen sei. Weder Vermieter noch Mieter von Gewerberäumen hätten Veranlassung gehabt, bei Abschluss des Mietvertrages auf dieser Pandemie beruhende Betriebseinschränkungen zu berücksichtigen. Sie habe als Mieterin nicht allein das Risiko der angeordneten Betriebsbeschränkungen zu tragen. Hierzu verweist sie auf den am 31.12.2020 inkraftgetretenen Art. 240 § 7 S. 1 EGBGB, der auch rückwirkend Geltung habe. Aus dessen Entstehungsgeschichte ergebe sich, dass mit ihm die politische Zielsetzung einer Entlastung des Steuerzahlers habe erreicht und den Vermietern von Gewerbeimmobilien eine anteilige Last des realisierten Risikos habe aufgebürdet werden sollen. Sie wiederholt ihre Ansicht, die Mieträume seien infolge ihrer Unbenutzbarkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch aufgrund der behördlichen Anordnungen mangelhaft. Dies ergebe sich bereits aus der gefestigten Rechtsprechung des Reichsgerichts, welcher das Landgericht München I in einer Entscheidung vom 22.9.2020 (Az. 3 O 4495/20, GE 2020, 1493 ff.) ebenso wie Teile der Literatur gefolgt sei. Infolge der behördlichen Beschränkungen sei ihr die Erfüllung des vertraglichen Mietzwecks nur stark eingeschränkt möglich gewesen. Das Mietobjekt sei für Kunden nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt zugänglich gewesen, so dass dem Mietgegenstand eine erforderliche Eigenschaft gefehlt habe.

Jedenfalls sei durch die Folgen der Pandemie in Gestalt der bundesweiten Schließung aller nicht systemrelevanter Betriebe die Geschäftsgrundlage des Vertrages in relevanter Weise entfallen. Die Regelung in § 3 des Mietvertrages stehe dem nicht entgegen, da sie lediglich objektbezogene Schließungen betreffe und zudem andere Rechtsfolgen wie eine Mietminderung oder eine Vertragsanpassung nicht ausschließe. Zwar trage sie als Mieterin grundsätzlich das Verwendungsrisiko des Mietgegenstandes, nicht aber auch das Risiko, dass dessen Nutzbarkeit völlig entfalle. Bedingt durch die erheblichen Umsatzeinbußen habe es sich für sie um eine existenzbedrohende Ausnahmesituation gehandelt. Die aus der Pandemie resultierenden Folgen stellten eine Größenordnung dar, die mit den üblichen wirtschaftlichen Risiken nicht vergleichbar seien. Die Pandemie habe ein vergleichbares Ausmaß wie Kriegs- oder kriegsähnliche Zustände oder Naturkatastrophen und sei zudem in ihrer zeitlichen Ausdehnung nicht absehbar. Wegen der Unvorhersehbarkeit des Eintritts dieses Risikos habe die grundsätzliche Zuweisung des Verwendungsrisikos an den Mieter weniger Relevanz. Den Interessen beider Parteien könne allein eine nach Billigkeitserwägungen geleitete Anpassung des Vertrages gerecht werden. In Kenntnis der Umstände hätten die Vertragsparteien eine hälftige Verteilung des Risikos vereinbart. Maßgebend sei dabei eine Beurteilung ex ante, nicht ex post. Die Unzumutbarkeit des Festhaltens an dem Vertrag für sie als Mieterin hänge nicht von ihrer Existenzbedrohung ab. Zugleich könne es nicht auf das wirtschaftliche Gesamtgefüge eines Unternehmens ankommen. Maßgeblich sei vielmehr die Ertragssituation am konkreten Standort. Es gehe ausschließlich um das Austauschverhältnis im Rahmen des Mietvertrages. Dabei habe bereits der Verlust eines Tagesumsatzes erhebliche Relevanz für sie. Auch eine mögliche Kompensation des wegfallenden Umsatzes durch E-Commerce sei für den stationären Laden nicht zu berücksichtigen. Zudem sei eine betriebliche Umstrukturierung innerhalb kürzester Zeit realistischerweise kaum möglich. Gegenwärtig sei auch ein geeigneter Untermieter kurzfristig kaum zu finden. Die Nutzungsbeeinträchtigung des Mietobjekts stehe auch in keinem Zusammenhang mit der Gewährung staatlichen Fördergeldes. Kurzarbeit verfolge ausschließlich den Zweck, Arbeitsplätze zu erhalten und die Wirtschaft zu stärken, nicht aber, das Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter zu harmonisieren. Kurzarbeitergeld stelle im Übrigen keine staatliche Hilfe, sondern eine finanzierte Sozialleistung dar. Die Situation eines Vermieters sei demgegenüber eine andere. Etwaige Erhaltungsmaßnahmen, die aus der Miete finanziert werden müssten, fielen - anders als die Mietzahlung für den Mieter - nur unregelmäßig und in großen Zeitabständen an. Ihre Auffassung werde insgesamt durch Teile der Rechtsprechung - zuletzt OLG Dresden, Urteil vom 24.2.2021 (Az. 7 U 1782/20) - und der Literatur bestätigt. Ergänzend bezieht die Beklagte sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 18.12.2020 sowie vom 24.2. und 8.3.2021 (Blatt 238 ff., 272 ff., 400 ff. der Akte) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urkundenvorbehaltsurteils des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 29.10.2020 (Az. 2-10 O 156/20) die Klage abzuweisen,hilfsweise,die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,hilfsweise,die Revision zuzulassen.

Sie beruft sich auf die Begründung des Landgerichts sowie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Klägerin verweist auf die Vereinbarung in § 3 des Mietvertrages, in der die Vertragsparteien die Folgen einer behördlich angeordneten Betriebsuntersagung konkret bedacht hätten und die unmittelbar oder jedenfalls analog anwendbar sei. Daraus ergebe sich, dass sie andere Folgen als die Vertragsbeendigung, insbesondere eine Veränderung oder Anpassung der Vertragsbedingungen nicht gewollte hätten. Diese Wertung sei auch bei einer Anwendung der Regelung des § 313 BGB über eine Störung der Geschäftsgrundlage des Vertrages zu beachten, insbesondere bei der Frage, ob der Mieterin das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne.

Die Klägerin behauptet, der Beklagten sei auch zur Zeit der angeordneten Schließung des Ladengeschäfts angesichts der vielfältigen vertragsgemäßen und erlaubnisfähigen Nutzungsmöglichkeiten des Mietobjekts dessen Nutzung weiterhin möglich gewesen, wenn sie sich auf die veränderten Verhältnisse eingestellt hätte. Hingegen habe sie aus eigenem Entschluss sogar die Öffnungszeiten ihres Geschäfts eingeschränkt. Die tatsächlichen Behauptungen der Beklagten stellt die Klägerin in Abrede, insbesondere zu der Entwicklung ihres Umsatzes und zu angeblichen Liquiditätsproblemen. Die Klägerin ist der Ansicht, die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Frage der Mangelhaftigkeit einer Mietsache sei nicht mehr relevant, da ihr ein anderer Mangelbegriff zugrunde gelegen habe, als dieser durch den Bundesgerichtshof angewendet werde. Auch eine bestimmte Eigenschaft der Mietsache habe sie in dem Mietvertrag nicht zugesichert.

Im Rahmen der Prüfung möglicher Rechtsfolgen aus einer Störung der Geschäftsgrundlage fehle es an einem Vortrag, dass die Mietsache gerade infolge staatlicher Maßnahmen nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar gewesen sei. Hierzu verweist die Klägerin darauf, dass die Beklagte das Mietobjekt auch zur Generierung von E-Commerce-Umsätzen, durch Umstellung auf einen Lieferdienst, durch Gutscheinmodelle oder Rabattaktionen, durch Vorziehen von Inventur- oder Renovierungsarbeiten oder durch Untervermietung weiter hätte sinnvoll nutzen können. Maßgebend sei auch, ob die Kundschaft wegen behördlicher Einschränkungen oder beispielsweise wegen sinkender Konsumbereitschaft ausgeblieben sei. Abzustellen sei ferner darauf, ob die Beklagte öffentliche oder sonstige Zuschüsse erhalten habe, ob Umsatzausfälle teilweise hätten kompensiert oder ob Aufwendungen hätten erspart werden können, weil etwa Kurzarbeit angemeldet worden oder der Wareneinkauf weggefallen sei. Maßgebend für die Beurteilung der Zumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag seien nicht lediglich die Verhältnisse am konkreten Standort, sondern diejenigen des Gesamtunternehmens, das auch Vertragspartei sei. Der Beklagten als überregionaler Handelskette sei ein Festhalten am Vertrag durchaus zumutbar, wenn Nachteile an einem Standort in der Gesamtbetrachtung aller Standorte nicht wesentlich ins Gewicht fielen oder wenn Nachteile an einem Standort durch Vorteile an einem anderen Standort kompensiert werden könnten. Eine Unzumutbarkeit des Weiteren Festhaltens am Vertrag müsse konkret und umfassend dargelegt werden. Sie setze nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Regel eine Existenzbedrohung, nicht lediglich eine erhebliche Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses voraus. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass nicht nur die Beklagte als Mieterin, sondern auch die Klägerin als Vermieterin von der Pandemie betroffen sei. Ein Vermieter habe regelmäßig fortlaufende Finanzierungs- und Erhaltungsmaßnahmekosten zu tragen und sei regelmäßig auf die Einnahmen aus Vermietung zur Deckung des Lebensunterhalts angewiesen. Schließlich könne ein Mieter sich schon im Vorfeld durch Abschluss einer privaten Betriebsausfallversicherung vor dem Risiko einer Betriebsschließung schützen. Als mögliche Rechtsfolge komme nicht nur eine Herabsetzung der Miete, insbesondere eine hälftige Herabsetzung, in Betracht, sondern beispielsweise auch lediglich deren Stundung. Auch die Klägerin beruft sich auf Teile der Rechtsprechung zu dieser Problematik. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 26.2.2021 (Blatt 343 ff. der Akte) verwiesen.

II. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und ebenso begründet worden (§§ 511, 517, 519 f. ZPO). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Die Klage ist im Urkundenprozess zulässig; der mit ihr geltend gemachte Anspruch hat die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand, und sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderliche Tatsachen, soweit sie nicht ohnehin unstreitig sind, können durch Urkunden bewiesen werden (§ 592 S. 1 ZPO; vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 592, Rdnr. 11, m.w.N.). Dies gilt sowohl für die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Mietzinses in Höhe von 9.847,27 € monatlich als auch für den Zeitpunkt der Fälligkeit der Zahlungen.

Die Klage ist im Urkundenprozess in dem erstinstanzlich zuerkannten Umfang begründet. Der Klägerin als Vermieterin steht gegen die Beklagte als Mieterin ein Anspruch auf Zahlung des restlichen vertraglich vereinbarten Mietzinses für die Monate April bis Juni 2020 in Höhe von insgesamt 9.847,27 € zu (§ 535 Abs. 2 BGB). Hierbei handelt es sich um die ausstehenden Teilmieten für April 2020 in Höhe von 4.923,63, für Mai 2020 in Höhe von 2.461,82 € und für Juni 2020 in Höhe von gleichfalls 2.461,82 €.

Der vertraglich geschuldete Mietzins von 9.847,27 € monatlich war in dem genannten Zeitraum von April bis einschließlich Juni 2020 aus keinem rechtlichen Grund herabgesetzt. Der Mietzins war weder gemindert (§ 536 Abs. 1 S. 1, 2 BGB), noch war der Klägerin die von ihr geschuldete Überlassung des Gebrauchs an der Mietsache zu dem vertraglich vereinbarten Mietzweck ganz oder teilweise unmöglich (§ 326 Abs. 1 S. 1, 2, § 275 Abs. 1, 4 BGB), noch kann die Beklagte für diesen Zeitraum wegen einer relevanten Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages Herabsetzung der Miete verlangen § 313 Abs. 1 BGB).

Eine Herabsetzung der nach den mietvertraglichen Vereinbarungen geschuldeten Miete aufgrund der behördlichen Schließungen in der Folge der COVID-19-Pandemie scheidet allerdings nicht schon deshalb aus, weil die Vertragsparteien in § 3 des Mietvertrages mit der Begründung eines Kündigungsrechts eine spezielle ausschließliche Regelung getroffen hätten. In § 3 S. 4 des Mietvertrages ist für den Fall, dass die Behörden den Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes wie zum Mietzweck in § 1 des Mietvertrages beschrieben in den Räumen aus welchem Grund auch immer untersagen, allein ein Kündigungsrecht für beide Vertragsparteien vereinbart. Nach der Bedeutung dieser Regelung handelt es sich bei dem Entstehen eines solchen Kündigungsrechts aber nicht um die ausschließliche für den genannten Fall vorgesehene Rechtsfolge. Die vertragliche Regelung enthält keinerlei Aussage zu etwaigen weiteren Rechtsfolgen der Betriebsuntersagung zu Gunsten oder zu Lasten einer Vertragspartei. Auch stellt sie nicht auf die Gründe für ein Untersagen des von der Beklagten beabsichtigten Betriebs durch die Behörden ab, insbesondere nicht auf die Frage, ob eine der Parteien diese Untersagung zu vertreten hat oder ob die Gründe für sie aus dem Risikobereich einer der Parteien herrühren. Vielmehr sollte ersichtlich in dem Fall einer Betriebsuntersagung durch die Vereinbarung eines von weiteren Voraussetzungen unabhängigen Kündigungsrechts ein längerer Leerstand vermieden werden, der bei Fortdauer des Mietvertrages mit Unzuträglichkeiten nicht nur für die Beklagte, sondern auch für die Klägerin als Vermieterin verbunden sein könnte. Hingegen konnten die Parteien davon ausgehen, dass das in sehr guter Lage in der A-Straße ... als einer Haupteinkaufsstraße von Stadt1 gelegene Mietobjekt für die Klägerin ohne weiteres in vergleichbarer Weise weiterzuvermieten sein würde. Die Regelung über die Kündigungsmöglichkeit schließt mithin nicht aus, dass eine behördliche Schließung des Ladengeschäfts weitere Rechtsfolgen, welche auch die Gründe der Schließung berücksichtigen, nach sich ziehen können.

Demzufolge kann insoweit dahinstehen, ob mit der in der Regelung genannten Betriebsuntersagung auch die ihrer Art nach vorübergehende behördliche Betriebsuntersagung gemeint ist, welche in ihrem Fortbestand von der Entwicklung der COVID-19-Pandemie in der Bevölkerung abhängig ist. Hiergegen könnte allerdings der Regelungszusammenhang der Bestimmung sprechen. § 3 des Mietvertrages regelt nach der Bestimmung des Mietgegenstandes in § 1 und der Bemessung der Laufzeit des Vertrages in § 2 die Nutzungsvoraussetzungen und die vor einer Nutzung auszuführenden Arbeiten des Vermieters. Die Regelung einer behördlichen Nutzungsuntersagung in diesem Zusammenhang könnte demzufolge möglicherweise allein den Fall betreffen, dass die erforderlichen Betriebsvoraussetzungen in dem Mietobjekt von vorneherein nicht erfüllt worden sind, nicht aber eine derartige temporäre Schließung des Geschäftsbetriebs. Allerdings ist die Klägerin in ihrem Vorbringen selbst von der Möglichkeit einer Kündigung des Mietvertrages für die Beklagte ausgegangen.

Einer Minderung des Mietzinses in dem maßgeblichen Zeitraum steht auch nicht die Regelung in § 8 S. 1 des Mietvertrages entgegen, da die Beklagte den Einbehalt der Miete unmittelbar nach Erlass der ersten Verordnung mit Schreiben vom 25.3.2020 frühestmöglich angekündigt hat und ersichtlich war, dass die Gründe hierfür zunächst fortbestehen würden.

Die gesetzliche Regelung in Art. 240 § 2 EGBGB (BGBl. 2020 I, S. 569 ff.) entfaltet keine Sperrwirkung, die eine Anwendbarkeit des Gewährleistungsrechts oder des Allgemeinen Schuldrechts auf den Fall der behördlichen Schließungen des Geschäftsbetriebs ausschlösse (so aber zunächst LG München I, Urteil vom 12.2.2021 - 31 O 11516/20, zit. nach juris; LG München II, Urteil vom 6.10.2020 - 13 O 2044/20, BeckRS 2020, 34263; LG München II, Urteil vom 22.9.2020 - 13 O 1657/20, ZMR 2021, 119 f.; Jung, BB 2021, 329 ff.; Freudenreich, IMR 2020, 460; auch Klimesch/Walther, ZMR 2020, 556 ff.). Nach der zum 1.4.2020 in Kraft getretenen Vorschrift des Art. 240 § 2 EGBGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Grundstücke oder Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1.4. bis zum 30.6.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber als Rechtsfolge der Nichtleistung der Miete für den genannten Zeitraum, soweit sie gerade auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht, allein das Entstehen einer Kündigungsmöglichkeit eines Vermieters ausschließen, nicht aber auch anordnen, dass die Miete im Übrigen stets unvermindert weiterzuzahlen sei.

Dass der Gesetzgeber hiervon ausgegangen wäre, ergibt sich weder aus dieser Regelung selbst noch aus der Regelung in Art. 240 § 1 EGBGB. In dieser gleichfalls zum 1.4.2020 in Kraft getretenen Bestimmung hat der Gesetzgeber zu Gunsten von Verbrauchern, Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen ein Moratorium dergestalt angeordnet, dass unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs im Zusammenhang mit einem Dauerschuldverhältnis, welches vor dem 8.3.2020 geschlossen wurde, bis zum 30.6.2020 verweigert werden konnten. Für Unternehmen ist Voraussetzung, dass es infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind, die Leistung nicht erbringen kann oder ihm die Erbringung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre. In Art. 240 § 1 Abs. 4 Nr. 1 EGBGB hat der Gesetzgeber die Geltung dieser Regelung im Zusammenhang mit Miet- und Pachtverträgen nach § 2 ausdrücklich ausgeschlossen. Dennoch kann hieraus nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber hätte mit dem Unterlassen einer entsprechenden Regelung für Miet- und Pachtverträge festlegen wollen, dass Miet- und Pachtzinsen auch während der COVID-19-Pandemie jedenfalls uneingeschränkt zu zahlen wären. Er musste insoweit auch nicht die Anwendbarkeit der allgemeinen Regelungen des BGB ausdrücklich vorbehalten. Vielmehr ist aus den Umständen der Entstehung dieser Vorschriften erkennbar, dass der Gesetzgeber mit seinen Regelungen bestimmte rechtliche Auswirkungen der zuvor bestehenden Gesetzeslage ausschließen wollte, soweit er dies für geboten und dringlich hielt. Gerade die Kürze der Zeit, welche dem Gesetzgeber für das Fassen solcher Regelungen vom Beginn der Pandemie zur Verfügung stand, zeigt, dass es sich nicht um eine umfassende rechtliche Regelung der einzelnen Rechtsverhältnisse handelt, sondern dass im Übrigen bestehende allgemeine Regelungen, insbesondere wenn sie sich zu Gunsten eines Mieters oder Pächters, der von der COVID-19-Pandemie betroffen ist, auswirken können, weiterhin Anwendung finden können (ebenso OLG Dresden, Urteil vom 24.2.2021 - 5 U 1782/20, zit. nach juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.2.2021 - 7 U 109/20, zit. nach juris; OLG München, Beschluss vom 17.2.2021 - 32 U 6358/20, zit. nach juris; LG Münster, Urteil vom 19.2.2021 - 23 O 18/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 12.2.2021 - 31 O 11516/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 25.1.2021 - 31 O 7743/20, NZM 2021, 194 ff.; LG Mönchengladbach, Urteil vom 2.11.2020 - 12 O 154/20, BeckRS 2020, 30731; LG Mannheim, Urteil vom 23.7.2020 - 23 O 22/20, GE 2020, 1253 f.; Streyl, NZM 2020, 817 ff., 823; Weller/Thomale, BB 2020, 962 ff.; Säcker/Schubert, BB 2020, 2563 ff., 2567 f.; vgl. auch Saxinger, ZMR 2020, 1002 ff., 1005; a.M. LG München II, Urteil vom 6.10.2020 - 13 O 2044/20, BeckRS 2020, 34263; LG München II, Urteil vom 22.9.2020 - 13 O 1657/20, ZMR 2021, 119 f.; Jung, BB 2021, 329 ff.; Freudenreich, IMR 2020, 460; auch Klimesch/Walther, ZMR 2020, 556 ff.).

Dies wird bestätigt durch den Gesetzentwurf vom 24.3.2020, in dem es heißt, dass die "Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete ... im Gegenzug im Grundsatz bestehen" bleibe (BT-Drs. 19/18110, S. 4), sowie durch den Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) vom 25.3.2020, in welchem es heißt: "... Es sei wichtig zu schauen, wer am Ende das Risiko trage, um einen angemessenen Lastenausgleich zu erreichen" (BT-Drs. 19/18158, S. 2), und nochmals ausdrücklich in seinem Bericht vom 15.12.2020 (BT-Drs. 19/25322, S. 14). Eine ausdrückliche Regelung enthält nunmehr der am 31.12.2020 inkraftgetretene Art. 240 § 7 EGBGB (BGBl. 2020 I Nr. 67, S. 3328), der für Folgen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für vermietete Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, eine Regelung für die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB trifft (vgl. OLG München, Beschluss vom 17.2.2021 - 32 U 6358/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 12.2.2021 - 31 O 11516/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 25.1.2021 - 31 O 7743/20, NZM 2021, 194 ff.).

Der von der Beklagten zu zahlende Mietzins war nicht wegen Mangelhaftigkeit der Mietsache gemindert (§ 536 Abs. 1 BGB). Denn die Mietsache wies trotz der behördlichen Beschränkungen, welche der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie dienten, nämlich der oben dargestellten behördlichen Anordnungen der Schließung auch des Betriebs der Beklagten und der nachfolgenden Beschränkungen in der Fortführung des Betriebs, weder einen Mangel auf, noch fehlte ihr eine zugesicherte Eigenschaft. Die Tauglichkeit der Mieträume zu dem in § 1 des Mietvertrages vereinbarten vertragsgemäßen Gebrauch, dem Betrieb eines Einzelhandels für den Vertrieb von Damenoberkleidung sowie damit zusammenhängender Lizenzprodukte und weiterer Untersortimente, war in dem streitgegenständlichen Zeitraum von April bis einschließlich Juni 2020 weder aufgehoben noch gemindert.

Die Mietsache selbst war weiterhin ordnungsgemäß und wies keinen Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB auf. Der Klägerin als Vermieterin war die von ihr vertraglich geschuldete Leistung weiterhin uneingeschränkt möglich. Die Klägerin schuldete der Beklagten die Verschaffung der Möglichkeit des Gebrauchs des Mietobjekts und hatte hierzu dieses in einem dem Verwendungszweck entsprechenden Zustand zu halten (§ 535 Abs. 1 BGB). Der Erfüllung dieser Verpflichtung der Klägerin als Vermieterin standen die behördlich angeordneten Einschränkungen nicht entgegen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die auf den §§ 16, 28 und 32 IfSG basierenden Anordnungen wirksam und rechtmäßig sind. Die behördlich angeordneten Einschränkungen wirkten sich nicht objektbezogen aus, sondern bezogen sich inhaltlich auf den Betrieb der Beklagten als Mieterin. Die Klägerin schuldete allein die Möglichkeit, in den überlassenen Räumen einen Geschäftsbetrieb zu führen, nicht aber in irgendeiner Weise die Überlassung des Betriebs selbst. Insoweit kann dahinstehen, ob etwas anderes bei Vorliegen eines Pachtvertrages gälte, bei welchem der Verpächter nicht nur die Überlassung von Räumen, sondern auch die Möglichkeit der Fruchtziehung schuldet (§ 581 Abs. 1 S. 1 BGB).

Eine Beeinträchtigung der von der Klägerin zu erbringenden Leistung mit der Folge des Vorliegens eines Sachmangels ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte die Mieträume nach § 1 des Mietvertrages nicht allgemein zu gewerblichen Zwecken, sondern zu dem spezifischen Zweck des Betriebs eines Einzelhandels für den Vertrieb insbesondere von Damenoberkleidung angemietet hat. Denn auch ein solcher Betrieb war ihr in den Räumlichkeiten nach deren baulichen Gegebenheiten grundsätzlich unverändert möglich. Dass die Beklagte infolge der behördlichen rechtlichen Einschränkungen in dem Mietobjekt den vertraglich vereinbarten Nutzungszweck zeitweise gar nicht mehr und zeitweise nur noch deutlich eingeschränkt erreichen konnte, reicht insoweit nicht aus und begründet nicht die Mangelhaftigkeit der Mietsache selbst (so aber LG Kempten, Urteil vom 7.12.2020 - 23 O 753/20, BeckRS 2020, 37736; LG München I, Urteil vom 22.9.2020 - 3 O 4495/20, GE 2020, 1493 ff., unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts, RG, JW 1913, 596 Nr. 10; RG, Urteil vom 9.11.1915 - Rep. III 145/15; RG, Urteil vom 15.2.1916 - Rep. III 333/15; RG, Urteil vom 26.10.1017 - Rep. III 212/17; AG Pinneberg, Urteil vom 17.11.2020 - 81 C 18/20, zit. nach juris, das allein auf die Auswirkungen der Beschränkungen auf den vertraglichen Nutzungszweck abstellt; Säcker/Schubert, BB 2020, 2563 ff.; Weller/Thomale, BB 2020, 962 ff.; Krepold, WM 2020, 726 ff.; auch Sentek/Ludley, NZM 2020, 406 ff.). Dabei kann sich ein vereinbarter Nutzungszweck aus einer ausdrücklichen Aufnahme in den Mietvertrag ergeben oder aus sonstigen Umständen, insbesondere der baulichen Beschaffenheit des Mietobjekts, beispielsweise eines Restaurants oder eines Hotels, die erkennbar nur einen bestimmten Nutzungszweck zulässt. Die Vereinbarung eines Nutzungszwecks für das Mietobjekt ist dabei nicht als Zusicherung einer Eigenschaft der Mietsache zu verstehen. Vielmehr präzisiert ein vereinbarter Nutzungszweck lediglich die dem Mieter gestattete Nutzung und begründet bestimmte Anforderungen an das Mietobjekt selbst. Der Beklagten war aber durch die behördlichen Beschränkungen nicht der Gebrauch des Mietobjekts zu dem vereinbarten Nutzungszweck selbst untersagt bzw. nur noch eingeschränkt gestattet, sondern lediglich die Art der Durchführung ihres Geschäftsbetriebs.

Dass die Behörde stattdessen auch die Nutzung der Geschäftsräume selbst hätte untersagen können, ist dabei unerheblich, da dies nicht erfolgt ist und zudem anderen rechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen unterlegen wäre.

Behördliche Schließungsanordnungen sowie Einschränkungen des Geschäftsbetriebs als Umweltbeziehungen des Mietobjekts rechtlicher Art können einen Mangel der Mietsache nur dann begründen, wenn sie die körperliche Beschaffenheit der Mietsache, ihren Zustand oder ihre Lage betreffen oder Einfluss auf diese haben und damit einen unmittelbaren Bezug zu dem von der Klägerin als Vermieterin geschuldeten Leistungserfolg aufweisen, so dass sie das die Klägerin als Vermieterin treffende Verwendbarkeitsrisiko des Mietobjekts betreffen. Das frühere weite Verständnis eines Mietmangels, welches das Reichsgericht vertrat (vgl. RG, Urteil vom 3.1.1919 - Rep. III 271/18, RGZ 94, 267 ff.; RG, Urteil vom 26.10.1917 - Rep. III 212/17, RGZ 91, 54 ff.; RG, Urteil vom 20.2.1917 - Rep. III 384/16, RGZ 89, 203 ff., 205 f.; RG, Urteil vom 15.2.1016 - Rep. III 333/15, RGZ 88, 96 ff.; RG, Urteil vom 9.11.1915 - Rep. III 145/15, RGZ 87, 277 ff., 279 ff.; RG, Urteil vom 15.3.1912 - Rep. III 289/11, RGZ 79, 92 ff., 95), ist für die heutige Rechtslage nicht mehr zutreffend. Zwar sind die den Entscheidungen zugrundeliegenden Fallkonstellationen, die im wesentlichen behördliche Anordnungen zum Gegenstand hatten, die auf Folgen des Zweiten Weltkrieges für die Bevölkerung beruhten, der Situation einer Pandemie als Naturkatastrophe in ihren Auswirkungen in gewisser Weise vergleichbar. Die Rechtsprechung hat aber in späteren Jahrzehnten den Umfang der Pflichten des Vermieters weiter konkretisiert und als weitere Möglichkeit der rechtlichen Würdigung einer solchen Fallgestaltung insbesondere das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage entwickelt, welche inzwischen in § 313 BGB kodifiziert wurde und die eine spezifischere rechtliche Beurteilung einer solchen Situation ermöglicht.

Andere Auswirkungen behördlicher Einschränkungen des Geschäftsbetriebs ohne unmittelbaren Bezug zum Mietobjekt betreffen lediglich eine erfolgreiche Nutzung des Objekts durch die Beklagte als Mieterin und damit das sie treffende Verwendungsrisiko (vgl. § 537 BGB). Dabei ist nicht darauf abzustellen, ob die Ursache für die behördlichen Anordnungen aus dem Risikobereich einer der Vertragsparteien herrührt, was bei der als Naturkatastrophe einzustufenden COVID-19-Pandemie nicht der Fall ist, oder ob eine der Parteien mit ihr gerechnet hat oder sie vorhersehbar war (vgl. Säcker/Schubert, BB 2020, 2563 ff., 2566 f.), sondern welche Auswirkungen die behördlichen Maßnahmen auf das Mietobjekt der Klägerin und den Geschäftsbetrieb der Beklagten haben. Durch die behördlichen Schließungen und Einschränkungen im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie wurde zwar faktisch der Zugang zu den Mieträumen für potentielle Kunden verhindert oder beschränkt. Betroffen war aber nicht die räumliche Lage und Erreichbarkeit des Mietobjekts, also seine körperliche Beschaffenheit selbst. Auch die Überlassung des Mietobjekts an sich war nicht untersagt. Vielmehr war durch die behördlichen Anordnungen lediglich die Art der Nutzung des Mietobjekts und des dort stattfindenden Publikumsverkehrs eingeschränkt und geregelt (ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.2.2021 - 7 U 109/20, zit. nach juris; OLG München, Beschluss vom 17.2.2021 - 32 U 6358/20, zit. nach juris; LG Münster, Urteil vom 19.2.2021 - 23 O 18/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 12.2.2021 - 31 O 11516/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 25.1.2021 - 31 O 7743/20, NZM 2021, 194 ff.; LG Zweibrücken, Urteil vom 12.11.2020 - HK O 17/20, BB 2020, 2450 ff.; LG Wiesbaden, Urteil vom 5.11.2020 - 9 O 852/20, MDR 2021, 28; LG Mönchengladbach, Urteil vom 2.11.2020 - 12 O 154/20, BeckRS 2020, 30731; LG Oldenburg, Urteil vom 26.10.2020 - 8 O 1268/20, MietRB 2020, 361 f.; LG München II, Urteil vom 6.10.2020 - 13 O 2044/20, BeckRS 2020, 34263; LG Frankfurt a.M., Urteil vom 2.10.2020 - 2-15 O 23/20, BeckRS 2020, 26613; LG München II, Urteil vom 22.9.2020 - 13 O 1657/20, ZMR 2021, 119 f.; LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 7.8.2020 - 2-05 O 160/20, BeckRS 2020, 20149; LG Heidelberg, Urteil vom 30.7.2020 - 5 O 66/20, GE 2020, 1184 ff.; LG Mannheim, Urteil vom 23.7.2020 - 23 O 22/20, GE 2020, 1253 f.; Volkmann/Semmelmayer, DB 2021, 499 ff.; Häublein/Müller, NZM 2020, 481 ff., 483 ff., unter Vergleich mit dem österreichischem Recht; Streyl, NZM 2020, 817 ff., 818 ff.; Sittner, NJW 2020, 1169 ff.; Heilmann, NZM 2020, 497; Leo/Götz, NZM 2020, 402 ff., 403; Zehelein, NZM 2020, 390 ff.; Saxinger, ZMR 2020, 1002 ff., 1005; auch Illies, IMR 2020, 223 ff.; a.M. OLG Dresden, Urteil vom 24.2.2021 - 5 U 1782/20, zit. nach juris, das eine Zuordnung zu dem Verwendungsrisiko des Mieters ablehnt, aber dennoch zugleich einen Mangel verneint, da die Zugangsbeschränkungen auch nicht in den von der Vermieterin zu verantwortenden Bereich fielen; LG München I, Urteil vom 22.9.2020 - 3 O 4495/20, GE 2020, 1493 ff., unter Bezugnahme auf RG, JW 1913, 596 Nr. 10; RG, Urteil vom 9.11.1915 - Rep. III 145/15; RG, Urteil vom 15.2.1916 - Rep. III 333/15; RG, Urteil vom 26.10.1017 - Rep. III 212/17; AG Pinneberg, Urteil vom 17.11.2020 - 81 C 18/20, zit. nach juris, unter Abstellen allein auf die Auswirkung auf den vertraglichen Nutzungszweck; Säcker/Schubert, BB 2020, 2563 ff., 2567 f.; Weller/Thomale, BB 2020, 962 ff.; Krepold, WM 2020, 726 ff.; auch Sentek/Ludley, NZM 2020, 406 ff.).

Eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit des Mietobjekts als objektbezogene Einschränkung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die Höhe des vereinbarten Mietzinses in der Regel wesentlich auch nach dem vereinbarten Nutzungszweck richtet und der übliche Mietzins beispielsweise für ein als Verkaufsfläche nutzbares Objekt wesentlich höher ist als derjenige für Lagerraum (vgl. hierzu Krepold, WM 2020, 726 ff.). Dabei ist der objektive Mietwert für zu Zwecken der Gewinnerzielung nutzbare Räume tatsächlich höher als beispielsweise für Nebenräume, insbesondere Lagerräume, deren Nutzung die auf Gewinnerzielung gerichtete Geschäftstätigkeit lediglich unterstützt. In ähnlicher Weise hängt die Höhe der angemessenen Miete von der Qualität der Lage des Objekts und von den hieraus resultierenden Gewinnmöglichkeiten ab (vgl. Säcker/Schubert, BB 2020, 2563 ff., 2567; Häublein/Müller, NZM 2020, 481 ff., 487). Die Bewertung des Gebrauchs eines Mietobjekts, zu welchem der Mieter durch den Mietvertrag berechtigt ist, hat aber keinen unmittelbaren Einfluss auf die Frage, ob ein Mangel des Mietobjekts vorliegt; vielmehr reicht die Beeinträchtigung der Verfolgung des vereinbarten Mietzwecks wie dargelegt gerade nicht für die Annahme eines Mangels der Mietsache aus.

Nicht entscheidend bei der Würdigung der Folgen der behördlichen Anordnungen als objekt- oder als betriebsbezogen ist, dass die Beklagte das von ihr angemietete Objekt zunächst infolge der behördlichen Schließung gar nicht mehr nutzen konnte, während in der dem Urteil des BGH vom 13.7.2011 (Az. XII ZR 189/09, NJW 2011, 3151 ff.) zugrundeliegenden Fallgestaltung die Mieterin trotz des angeordneten Rauchverbots die angemieteten Gaststättenräume grundsätzlich weiternutzen und ihren Geschäftsbetrieb weiterführen konnte (anders aber LG München I, Urteil vom 22.9.2020 - 3 O 4495/20, GE 2020, 1493 ff.; Krepold, WM 2020, 726 ff.; Säcker/Schubert, BB 2020, 2563 ff., 2567). Die Frage des Maßes der Einschränkung der Nutzbarkeit des Mietobjekts ist zu unterscheiden von der hier allein maßgeblichen Frage, ob die von dem Vermieter geschuldete Leistung betroffen ist mit der Folge der Zuordnung des Risikos zum Risikobereich des Vermieters oder ob nur der Geschäftsbetrieb des Mieters tangiert ist mit der Folge der Zuordnung des Risikos zu dem von ihm zu tragenden Verwendungsrisiko. Dabei diente zwar das Rauchverbot nach seiner Zielrichtung dem Schutz von Gästen, Kunden sowie Personal und betraf den Geschäftsbetrieb des Mieters selbst nur mittelbar. Gerade insoweit sind die behördlichen Einschränkungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie aber der Anordnung eines Rauchverbots in Gaststätten vergleichbar. Denn auch die behördlichen Schließungen und Beschränkungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sind nicht eigentlich gegen den Geschäftsbetrieb, insbesondere in den bestimmten Mieträumen, gerichtet, sondern dienen ausschließlich dem Zweck der Eindämmung der weiteren Ausbreitung des Virus SARS-CoV 2 und damit dem Gesundheitsschutz (vgl. LG München I, Urteil vom 25.1.2021 - 31 O 7743/20, NZM 2021, 194 ff.). Die Einschränkungen stellen keine bloß mittelbare Folge der Krise dar; es geht vielmehr um die Abwehr erheblicher Gesundheitsgefahren, die ihre Ursache in einem pandemischen Infektionsgeschehen haben, welches nur durch weitgehende Kontaktbeschränkungen eingedämmt werden kann (vgl. Streyl, NZM 2020, 817 ff., 823). Diese führen zu Betriebsuntersagungen und -erschwerungen, die sich nicht gegen die konkrete Betriebsführung oder den konkreten Nutzungszweck der Mietsache richten, sondern allein darauf beruhen, dass die Geschäftstätigkeit zu Publikumsverkehr mit einer unkontrollierbaren Vielfalt von Personen führt. Die Kontakte führen aufgrund der leichten Übertragbarkeit des Virus zur Gefahr schwerer und schwerster Erkrankungen mit der Folge auch zahlreicher Todesfälle. Durch die Kontakteinschränkungen sollen die Infektionszahlen vermindert werden, damit letztlich das Gesundheitssystem des Staates nicht durch eine zu hohe Zahl Erkrankter überlastet wird.

Die behördlichen Beschränkungen sind auch nicht insoweit als objektbezogen anzusehen, als sie das Maß des zulässigen Geschäftsbetriebs gerade von der Größe einer Geschäftsfläche abhängig machen. Zwar ist insoweit die Beschaffenheit des Mietobjekts, insbesondere seine Größe ein entscheidendes Kriterium für das Maß der Beschränkung. Dieser Bezugspunkt ändert aber nicht die Art der behördlichen Beschränkung als gegen den Geschäftsbetrieb des Mieters und nicht gegen das Mietobjekt selbst und seine Gebrauchsfähigkeit an sich gerichtet.

Die Beklagte ist nicht deshalb von ihrer Pflicht zur Zahlung des Mietzinses befreit, weil der Klägerin ihre vertraglich geschuldete Leistung der Überlassung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand und der Erhaltung der Mietsache in diesem Zustand in den Monaten April bis einschließlich Juni 2020 ganz oder teilweise unmöglich gewesen wäre (§ 326 Abs. 1, § 275 Abs. 1 BGB). Diese Regelungen sind nach Überlassung der Mietsache an die Beklagte nicht mehr anwendbar und werden von den speziellen Regelungen des Gewährleistungsrechts (§§ 536 ff. BGB) verdrängt (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 24.2.2021 - 5 U 1782/20, zit. nach juris; LG Münster, Urteil vom 19.2.2021 - 23 O 18/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 12.2.2021 - 31 O 11516/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 25.1.2021 - 31 O 7743/20, NZM 2021, 194 ff.; a.M. Leo/Götz, NZM 2020, 402 ff., 404 f.). Im Übrigen war es der Klägerin entsprechend den oben genannten Gründen nicht unmöglich, der Beklagten den Gebrauch der Mietsache zu gewähren und sie während der Mietdauer in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.2.2021 - 7 U 109/20, zit. nach juris; OLG München, Beschluss vom 17.2.2021 - 32 U 6358/20, zit. nach juris; LG Münster, Urteil vom 19.2.2021 - 23 O 18/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 25.1.2021 - 31 O 7743/20, NZM 2021, 194 ff.; LG Wiesbaden, Urteil vom 5.11.2020 - 9 O 852/20, MDR 2021, 28; LG Mönchengladbach, Urteil vom 2.11.2020 - 12 O 154/20, BeckRS 2020, 30731; LG Heidelberg, Urteil vom 30.7.2020 - 5 O 66/20, GE 2020, 1184 ff.; Insoweit auch LG Kempten, Urteil vom 7.12.2020 - 23 O 753/20, BeckRS 2020, 37736; Häublein/Müller, NZM 2020, 481 ff., 486; Butenberg, NZM 2020, 499 f.; a.M. noch RG, Urteil vom 3.1.1919 - III 271/18, RGZ 94, 267 ff.; RG, Urteil vom 26.10.1917 - Rep. III 212/17, RGZ 91, 54 ff.; RG, Urteil vom 20.2.1917 - Rep. III 384/16, RGZ 89, 203 ff., 205 f.; RG, Urteil vom 15.2.1016 - Rep. III 333/15, RGZ 88, 96 ff.; RG, Urteil vom 9.11.1915 - Rep. III 145/15, RGZ 87, 277 ff., 279 ff.; RG, Urteil vom 15.3.1912 - Rep. III 289/11, RGZ 79, 92 ff., 95; ferner Leo/Götz, NZM 2020, 402 ff., 404 f.).

Im Urkundenverfahren kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages Herabsetzung des Mietzinses verlangen könnte (§ 313 Abs. 1 BGB). Diese Einwendung der Beklagten ist als im Urkundenprozess unstatthaft zurückzuweisen, da der ihr obliegende Beweis für die von ihr hierzu vorgetragenen Tatsachen nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten und mit solchen Beweismitteln nicht vollständig geführt werden kann (§ 598 ZPO).

Allerdings ist die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages der Parteien durch die Folgen der Naturkatastrophe der COVID-19-Pandemie schwerwiegend gestört. Das Ausbleiben einer solchen Pandemie weltweiten Ausmaßes, welche grundsätzlich die gesamte Bevölkerung ernsthaft bedroht, war gemeinsame Vorstellung beider Parteien bei Vertragsschluss, die nicht Vertragsinhalt geworden ist, auf der sich aber der Geschäftswille beider aufbaute (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 1.2.2012 - VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718 ff.). Beide Parteien sind jedenfalls davon ausgegangen, dass während der Vertragslaufzeit Folgen einer solchen Pandemie, insbesondere behördliche Einschränkungen, die den in den Mieträumen geführten Geschäftsbetrieb in dieser Weise beschränken und zeitweise sogar unmöglich machen, nicht eintreten. Dabei kann auch insoweit dahinstehen, ob die behördlichen Schließungsanordnungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie von § 3 S. 4 des Mietvertrages erfasst sind und ein Kündigungsrecht beider Vertragsparteien zur Folge haben, zumal in dieser vertraglichen Regelung ausdrücklich bestimmt ist, dass jegliche Gründe der Untersagung des Betriebs durch die Behörden relevant sind. Auch in diesem Fall läge aber eine bewusste Regelung der Folgen einer solchen Pandemie durch die Vertragsparteien, welche eine Anwendung des Rechtsinstituts der Störung der Geschäftsgrundlage des Vertrages ausschlösse, nicht vor. Denn auch dann bliebe es dabei, dass beide Vertragsparteien bei Vertragsschluss die Möglichkeit des Entstehens einer solchen Pandemie in ihre Vereinbarungen nicht miteinbezogen haben.

Die Pandemie mit ihren immensen Folgen für die gesamte Gesellschaft, den Handel und andere Geschäftstätigkeiten bis hin zu den bekannten globalen Folgen, war zwar theoretisch vorhersehbar, wie sie auch von der Bundesregierung im Jahre 2012 tatsächlich vorausgesehen wurde (vgl. Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012, BT-Drs. 17/12051, S. 5 f., 55 ff.). Sie wurde aber von den Parteien - wie von der übrigen Gesellschaft nahezu einhellig - jedenfalls in ihren weitreichenden Folgen für den Betrieb zahlreicher Geschäfte und hinsichtlich sonstiger Kontaktbeschränkungen für die Bevölkerung - nicht konkret und ernsthaft vorhergesehen. Ein solches Geschehen bewegte sich vielmehr trotz einzelner Beispiele in anderen Ländern oder in der Geschichte regelmäßig außerhalb des gewöhnlichen Vorstellungsvermögens der Bevölkerung einschließlich der Parteien von Gewerbemietverträgen.

Durch den Eintritt der Pandemie und die ganz erheblichen pandemiebedingten Beschränkungen, die auch den Betrieb der Beklagten getroffen haben, hat sich die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages, dass eine derartige Pandemie mit ihren Folgen für den Geschäftsbetrieb der Beklagten nicht eintritt, schwerwiegend verändert im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB. Der Geschäftsbetrieb der Beklagten, der einen Einzelhandel mit Damenoberkleidung sowie weiteren Produkten und Untersortimenten umfasst, war in dem streitgegenständlichen Zeitraum von April bis einschließlich Juni 2020 durch die behördlichen Schließungen in dem Zeitraum vom 18.3. bis zum 19.4.2020 und die nachfolgenden weiteren Einschränkungen, aber auch durch das pandemiebedingt geänderte Verhalten potentieller Kunden, die in der maßgebenden Zeit von ansonsten getätigten Käufen bei der Beklagten abgesehen haben, schwerwiegend betroffen (ebenso für die jeweils zu entscheidenden Fallgestaltungen insbesondere OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.2.2021 - 7 U 109/20, zit. nach juris; OLG Dresden, Urteil vom 24.2.2021 - 5 U 1782/20, zit. nach juris; OLG München, Beschluss vom 17.2.2021 - 32 U 6358/20, zit. nach juris; LG Münster, Urteil vom 19.2.2021 - 23 O 18/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 12.2.2021 - 31 O 11516/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 25.1.2021 - 31 O 7743/20, NZM 2021, 194 ff.; LG Mönchengladbach, Urteil vom 2.11.2020 - 12 O 154/20, BeckRS 2020, 30731; Jung, BB 2021, 329 ff.; Brinkmann/Thüsing, NZM 2021, 5 ff.; Streyl, NZM 2020, 817 ff., 818 ff.; Häublein/Müller, NZM 2020, 481 ff., 483 ff.; Ekkenga/Schirrmacher, NZM 2020, 410 ff.; Zehelein, NZM 2020, 390 ff.; auch Saxinger, ZMR 2020, 1002 ff., 1005; Krepold, WM 2020, 726 ff., 733 ff.) .

Diese Wertung entspricht der gesetzlichen Regelung in Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB. Hiernach wird in dem Fall, dass vermietete Gewerberäume infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind, vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Dies gilt nach der gesetzlichen Regelung unabhängig davon, ob die Vertragsparteien im Mietvertrag einen bestimmten Nutzungszweck des Mietobjekts vertraglich vereinbart haben oder es sich allgemein um gewerblich zu nutzende Räume handelt. Demzufolge kann dahinstehen, ob diese Vorschrift, die erst zum 31.12.2020 inkraftgetreten ist, auch Rückwirkung auf vorangegangene Zeiträume haben soll (so LG Münster, Urteil vom 19.2.2021 - 23 O 18/20, zit. nach juris; vgl. hierzu auch LG München, Urteil vom 12.2.2021 - 31 O 11516/20, zit. nach juris; Römermann, NJW 2021, 265 ff.) und ob eine solche Rückwirkung wirksam wäre. Ebenso muss nicht entschieden werden, ob die Regelung auch im Übrigen zulässig ist. Sie beschränkt sich auf die Anordnung einer Vermutung für den Eintritt tatsächlicher Umstände, die eine erhebliche Störung der Geschäftsgrundlage zur Folge haben (vgl. auch Brinkmann/Thüsing, NZM 2021, 5 ff.; Elzer, ZMR 2021, 102 ff.; Römermann, NJW 2021, 265 ff.). Das Bestehen oder Nichtbestehen von Tatsachen selbst, um die es sich bei der Geschäftsgrundlage eines Vertrages handelt, könnte eine gesetzliche Vorschrift hingegen nicht bestimmen.

Davon, dass die Parteien den Vertrag mit anderem Inhalt geschlossen, insbesondere für den Fall einer solchen Pandemie eine zeitweise Herabsetzung der Miete oder jedenfalls ihre zeitweise Stundung vereinbart hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, kann ausgegangen werden. Die Folgen einer solchen Pandemie greifen ganz erheblich in den Geschäftsbetrieb der Beklagten ein und beseitigen die Nutzbarkeit der Mieträume für sie zeitweise nahezu vollständig, so dass in Kenntnis dieser Umstände auch die Klägerin einer besonderen Regelung für diesen Fall voraussichtlich zugestimmt hätte. Dem steht nicht entgegen, dass nicht eindeutig bestimmbar ist, welche von verschiedenen möglichen Regelungen die Parteien getroffen hätten.

Die Beklagte kann aber nicht aufgrund der erheblichen Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages eine Anpassung dieses Vertrages verlangen. Im Urkundenprozess kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (§ 313 Abs. 1 BGB). Denn der Beweis für die Richtigkeit der von der Beklagten hierzu vorgetragenen tatsächlichen Umstände, welche für diese Beurteilung maßgeblich sind, kann nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten und mit solchen Beweismitteln nicht vollständig geführt werden (§ 595 Abs. 2, 3 ZPO).

Allerdings kommt ein solches Recht der Beklagten, Anpassung des Vertrages zu verlangen, nach den vorgetragenen Umständen grundsätzlich in Betracht. Dem steht nicht schon entgegen, dass die infolge der COVID-19-Pandemie eingetretenen Einschränkungen ihres in den Mieträumen ausgeübten Geschäftsbetriebs wie oben dargelegt in ihren eigenen Risikobereich in Gestalt des Verwendungsrisikos für das Mietobjekt fallen. Diese Wertung folgt daraus, dass die Beschränkungen wie oben begründet keinen Mangel der Mietsache darstellen, der in den Risikobereich der Klägerin als Vermieterin fiele (so aber LG München I, Urteil vom 22.9.2020 - 3 O 4495/20, GE 2020, 1493 ff., vgl. oben). Nach der gesetzlichen Risikoverteilung, die durch den Vertrag nicht verändert wurde, trifft die Beklagte als Mieterin das Verwendungsrisiko an der Mietsache (§ 537 Abs. 1 S. 1 BGB). Entsprechend der obigen Argumentation zu der Frage des Vorliegens eines Sachmangels der Mietsache betreffen sowohl die Schließung des Betriebs als auch die nachfolgenden Betriebsbeschränkungen das Verwendungsrisiko der Beklagten als Mieterin. Dies gilt erst recht für die weiteren Folgen der COVID-19-Pandemie, soweit diese auch das Verhalten der potentiellen Kunden der Beklagten an sich beeinflusst und zu einer allgemeinen Zurückhaltung beim Aufsuchen von Einzelhandelsgeschäften einschließlich des Landeslokals der Beklagten geführt haben.

Das Pandemierisiko ist nicht deshalb auch nicht der Beklagten als Mieterin und damit keiner der Vertragsparteien zugeordnet (so aber anscheinend OLG Dresden, Urteil vom 24.2.2021 - 5 U 1782/20, Rdnrn. 30 ff., zit. nach juris; vgl. auch OLG München, Beschluss vom 17.2.2021 - 32 U 6358/20, zit. nach juris; LG Kempten, Urteil vom 7.12.2020 - 23 O 753/20, BeckRS 2020, 37736; vgl. auch Hübner, ZfIR 2020, 729 ff.), weil ihr unternehmerisches Risiko voraussetzte, dass sie im Mietobjekt entsprechend dem vertraglich vereinbarten Mietzweck überhaupt unternehmerisch tätig werden könne, was im Falle einer Schließungsanordnung nicht der Fall sei. Die Folge jeder gesetzlichen oder vertraglichen Regelung ist, dass eine der Parteien das betreffende Risiko trifft. Eine Regelung, dass ein bestimmtes Risiko keine von beiden Vertragsparteien träfe, ist nicht denkbar. Der Umstand, dass die Pandemiefolgen einschließlich der behördlichen Beschränkungen im Mängelgewährleistungsrecht nicht als Mangel der Mietsache gewertet werden, hat zwangsläufig zur Folge, dass das Risiko der Beklagten als Mieterin im Rahmen ihres Verwendungsrisikos zugewiesen ist. Denn in diesem Fall bleibt - vor Anwendung der Regelung über eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) - die Hauptleistungspflicht des Mieters, die vereinbarte Miete zu entrichten (§ 535 Abs. 2 BGB) uneingeschränkt in voller Höhe bestehen (vgl. Saxinger, ZMR 2020, 1002 ff., 1005; Hübner, ZfIR 2020, 273 ff., 275).

Die Wertung des OLG Dresden erscheint aber auch im weiteren Verlauf nicht konsistent. Es nimmt einerseits an, dass die behördlichen Schließungen einen Mangel der Mietsache nicht begründen, bejaht aber ohne weitere Begründung insoweit eine Äquivalenzstörung in dem gegenseitigen Vertrag der damaligen Parteien und trifft die Annahme, das Verhältnis von Überlassung des Mietobjekts einerseits und des Zahlens des Nutzungsentgelts (Miete) andererseits sei gestört. Damit nimmt es über die gesetzliche Regelung des Mängelgewährleistungsrechts hinaus eine Bewertung der - mangelfreien - Leistung des Vermieters aus der subjektiven Sicht des Mieters vor und nimmt damit die Wertung, die erst die Rechtsfolgen der Störung der Geschäftsgrundlage begründen würde, bereits vorweg und begründet sodann hiermit das Erfordernis, eine Neubewertung der gegenseitigen Leistungen überhaupt vorzunehmen. Das Abstellen auf die Wesentlichkeit eines Mietrückstandes nach der Regelung des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a und b BGB von mehr als einem Monat als Beleg für die angenommene Relevanz des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung für die Frage der Zumutbarkeit des Festhaltens am bestehenden Vertrag im Rahmen der Störung der Geschäftsgrundlage erscheint gleichfalls als nicht allein sachgerecht. Der Regelungszweck des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a und b BGB, der die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung eines Mietverhältnisses im Falle des - stets Verschulden voraussetzenden (§ 286 Abs. 4 BGB) - Verzugs des Mieters mit der Mietzahlung bestimmt, unterscheidet sich von den Voraussetzungen einer Anpassung eines Vertrages gemäß § 313 Abs. 1 BGB. Die gesetzliche Möglichkeit einer Kündigung des Mietvertrages als Dauerschuldverhältnis soll den Vermieter vor weiteren Zahlungsausfällen bewahren und ihm die Möglichkeit eröffnen, seine eigene Leistungspflicht mangels weiteren Erhalts der Gegenleistung zu beenden.

Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage ist allerdings grundsätzlich insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen (vgl. BGH. Urteil vom 23.10.2019 - XII ZR 125/18, NJW 2020, 331 ff.; Urteil vom 16.2.2000 - XII ZR 279/97; NJW 2000, 1714 ff., 1716, m.w.N.; so auch OLG Dresden, Urteil vom 24.2.2021 -5 U 1782/20, Rdnr. 40, zit. nach juris). Eine solche vertragliche Risikoverteilung schließt für den Betroffenen regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (vgl. BGH, a.a.O.). Auch wenn das Risiko der Folgen der COVID-19-Pandemie nach der gesetzlichen Regelung der Beklagten als Mieterin zugewiesen ist, kann aber in Ausnahmefällen dennoch eine Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage geboten sein. Dabei kann aber nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsabschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse eine Vertragsanpassung rechtfertigen. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (so BGH, Urteil vom 1.2.2012 - VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718 ff.; BGH, Urteil vom 11.10.1994 - XI ZR 189/93, NJW 1995, 47 ff.; BGH, Urteil vom 5.1.1995 - IX ZR 85/94, NJW 1995, 592 ff.). Erforderlich ist, dass eine Anpassung des Vertrages zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht (mehr) zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnisses unabweislich erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 1.2.2012 - VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718, Rdnr. 30).

Vor diesem Hintergrund ist eine Anpassung des Vertrages durch Herabsetzung der von der Beklagten geschuldeten Miete um 50 % für die Zeit einer behördlichen Schließung des Geschäftsbetriebs der Beklagten nicht schon allein deshalb vorzunehmen, weil keine der Vertragsparteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage in Gestalt der COVID-19-Pandemie als Systemkrise mit ihren Folgen, insbesondere den - unstreitigen - weitgehenden staatlichen Eingriffen in das soziale und wirtschaftliche Leben, gesetzt oder sie vorhergesehen hat (so aber OLG Dresden, Urteil vom 24.2.2021 - 5 U 1782/20, Rdnr. 44, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 25.1.2021 - 31 O 7743/20, NZM 2021, 194 ff.; LG Mönchengladbach, Urteil vom 2.11.2020 - 12 O 154/20, BeckRS 2020, 30731; Römermann, NJW 2021, 265 ff., 268; Streyl, NZM 2020, 817 ff., 824; Ekkenga/Schirrmacher, NZM 2020, 410 ff.; Zehelein, NZM 2020, 390 ff.; vgl. auch Säcker/Schubert, BB 2020, 25634 ff., 2569 f.; Häublein/Müller, NZM 2020, 481 ff.; Weller/Thomale, BB 2020, 962 ff., 966). Hierbei würde es sich zwar um eine für die Praxis gut handhabbare Lösung der Problematik handeln, weil die Umstände des Einzelfalls nur in geringerem Maße zu berücksichtigen wären. Die Begründung entspräche aber nicht den gesetzlichen Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift fordert wie oben ausgeführt, dass der Beklagten als Mieterin "unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann." Hierbei handelt es sich mithin um eine in die Zukunft gerichtete Bewertung der Situation der Vertragsparteien. Die alleinige Betrachtung der COVID-19-Pandemie als Ursache der Einschränkungen des Geschäftsbetriebs und die Wertung, dass diese - unabhängig von der genannten gesetzlichen Wertung - von keiner der Parteien verursacht oder sonst zu verantworten ist und auch von keiner der Parteien vorausgesehen wurde, erscheint dabei als unzureichend; sie ist nicht in die Zukunft gerichtet, sondern rückwärtsgewandt und verengt die gebotene Abwägung. Der Umstand des Eintretens einer von keiner Partei verursachten und vorausgesehenen Pandemie ist im Rahmen der "Umstände des Einzelfalls" mit zu berücksichtigen und hat im Hinblick auf die ganz erhebliche Bedeutung dieser als Naturkatastrophe einzustufenden COVID-19-Pandemie auch ein besonderes Gewicht. Dennoch sind für die Frage der Zumutbarkeit des Festhaltens einer Vertragspartei am unveränderten Vertrag auch die weiteren konkreten Umstände des Sachverhalts heranzuziehen (ebenso OLG Karlsruhe Urteil vom 24.2.2021 - 7 U 109/20, zit. nach juris; OLG München, Beschluss vom 17.2.2021 - 32 U 6359/20, zit. nach juris; LG Münster, Urteil vom 19.2.2021 - 23 O 18/20, zit. nach juris; Häublein/Müller, NZM 2020, 481 ff., 488 f.).

Etwas anderes ergibt sich nicht zwingend aus anderen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, insbesondere dem Urteil vom 23.11.1989 (Az. VII ZR 60/89, NJW 1990, 572 f.). Hiernach waren Stornokosten, welche einem Reiseveranstalter wegen der Kündigung einer Reise in der Folge des Reaktorunfalls in Tschernobyl vom 25./26.4.1986 und damit wegen höherer Gewalt entstanden, in Anlehnung an die Risikoverteilung in § 651 j Abs. 2 S. 2 BGB nach Treu und Glauben je zur Hälfte von dem Reiseveranstalter und dem Reisenden zu tragen. In vergleichbarer Weise hat das OLG Karlsruhe in seinem Urteil vom 15.5.1992 (Az. 15 U 297/91, NJW 1992, 3176 ff.) entschieden, dass es gegen Treu und Glauben verstieße, den aus der Verwirklichung des beide Parteien treffenden Risikos des Ausfalls von Faschingsveranstaltungen nach Ausbruch des Golfkrieses Anfang des Jahres 1991 entstandenen beiderseitigen Verlust einseitig einer Partei aufzuerlegen. Beide diesen Entscheidungen jeweils zugrundeliegende Sachverhalte sind mit der jetzigen Fallgestaltung nur sehr eingeschränkt vergleichbar, da die betreffenden Verträge gerade nicht mehr durchgeführt wurden, während die Klägerin ihre Leistung der Gewährung des Gebrauchs an der Mietsache weiter erbringt. Ferner waren seinerzeit die jeweiligen wirtschaftlichen Folgen für die Parteien verhältnismäßig überschaubar und nicht geeignet, eine Vertragspartei in ihrer wirtschaftlichen Situation in vergleichbar schwerer Weise zu beeinträchtigen.

Die für die Beurteilung zu berücksichtigenden konkreten Umstände des Falles liegen bereits in den tatsächlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Vertragsparteien einschließlich ihrer Intensität und Dauer (vgl. zur Dauer Römermann, NJW 2021, 265 ff., 268). Diese Auswirkungen beschränken sich nicht auf die angeordneten behördlichen Maßnahmen, auf die allein allerdings Art. 240 § 7 EGBGB abstellt. Denn sie beruhen nicht nur auf den jeweiligen behördlichen Entscheidungen, sondern sie stellen vielmehr ihrerseits eine Reaktion auf die Pandemie dar, die ein Tätigkeitwerden der zuständigen Stellen erzwingt. Denn der Staat hat die ureigene Aufgabe und Pflicht, zum Schutz der Bevölkerung und des Staates Strategien zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie zu entwickeln und durch entsprechende Anordnungen umzusetzen. Die von den Parteien nicht vorausgesehene Pandemie wirkt sich aber darüber hinaus auch in einer erheblichen Veränderung des Verhaltens der Bevölkerung aus, die zum Schutz der eigenen Gesundheit geboten ist, aber lediglich auf behördlichen oder wissenschaftlichen Verhaltensempfehlungen veranlasst ist (vgl. Streyl, NZM 2020, 817 ff., 822; für eine Differenzierung LG München I, Urteil vom 12.2.2021 - 31 O 11516/20, zit. nach juris; LG München II, Urteil vom 28.1.2021 - 1 O 2773/20, zit. nach juris; Saxinger, ZMR 2020, 1002 ff., 1007). Eine Unterscheidung zwischen freiwilligem und erzwungenem Verhalten der Bevölkerung erscheint vor diesem Hintergrund als wenig relevant.

In zeitlicher Hinsicht beginnt die Situation, welche möglicherweise eine Unzumutbarkeit des Festhaltens am bestehenden Vertrag begründet, jedenfalls bereits mit Wirkung der behördlichen Beschränkungen, auch wenn ein Unternehmen üblicherweise kurzfristige Umsatzausfälle grundsätzlich verkraften muss. Denn von Beginn an war deutlich, dass die COVID-19-Pandemie, die zunächst mangels medizinischer Möglichkeiten außer durch Kontaktbeschränkungen selbst nicht einzuschränken war, über längere Zeit hin zu derartigen erheblichen Beeinträchtigungen führen würde. Das zeitliche Verhältnis zwischen dem streitgegenständlichen Zeitraum der Beeinträchtigungen und der Gesamtlaufzeit des Mietvertrages stellt allerdings an sich regelmäßig kein taugliches Kriterium für die Unzumutbarkeit des Festhaltens am bestehenden Vertrag dar.

In die Abwägung miteinzubeziehen sind sodann bereits die konkreten Bedingungen des Vertrages und deren Auswirkungen auf die Situation der Vertragsparteien wie die Laufzeit des Vertrages, die Miethöhe, etwaige Kündigungsmöglichkeiten sowie die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten für den Mieter, das Mietobjekt in der maßgebenden Zeit in geänderter Weise zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs weiterzunutzen. Dabei dürfen allerdings hinsichtlich einer geänderten Nutzung keine zu hohen Anforderungen an den Mieter gestellt werden. Eine anderweitige Nutzung des Mietobjekts einschließlich einer Untervermietung kann nur dann gefordert werden, wenn dies auch kurzfristig sinnvoll umsetzbar ist und wenn der mit einer solchen Maßnahme zu bewältigende Zeitraum eine solche andere Nutzung sinnvoll gestattet. Entsprechendes gilt für die Möglichkeit einer betrieblichen Umstrukturierung, das Finden anderer Vertriebswerte oder für etwaige Marketingmaßnahmen.

Ferner können die konkreten wirtschaftlichen Folgen der Einschränkungen für den Mieter von Bedeutung sein, also insbesondere das Maß seiner Liquidität oder Kreditfähigkeit, auch bezogen auf die Dauer und das Maß der Einschränkungen, sowie die etwaige Möglichkeit, Nachholeffekte zu nutzen. Dabei ist allerdings der Umstand, dass die Beklagte selbst während der bestehenden Einschränkungen für ihren Geschäftsbetrieb dessen Öffnungszeiten einschränkte, nicht zu ihren Lasten zu werten, da dies eine unternehmerische Entscheidung in der besonderen Situation war, die nicht ohne weiteres zu beanstanden ist. Hingegen kann auch zu berücksichtigen sein, ob der Mieter mehrere Filialen eines Geschäfts betreibt oder Teil eines Konzernverbundes ist, wenn dies in sachgerechter Weise zur Beurteilung der Zumutbarkeit für den Mieter beiträgt und nicht in sachwidriger Weise ermöglicht, die Verhältnisse anderer Filialen oder Unternehmen in die Beurteilung einzubeziehen (vgl. LG München I, Urteil vom 12.2.2021 - 31 O 11516/20, zit. nach juris; vgl. auch Drasdo, NJW-Spezial 2021, 33 f.). Für die Bewertung relevant ist auch die Frage, ob der Mieter über eine einstandspflichtige Betriebsausfallversicherung verfügt, ob er öffentliche Förderungen erhalten oder einen verhältnismäßig kurzfristig zu realisierenden Anspruch hierauf hat und gegebenenfalls in welcher Höhe (vgl. LG München I, Urteil vom 12.2.2021 - 31 O 11516/20, zit. nach juris; Häublein/Müller, NZM 2020, 481 ff., 488 ff.; Zehelein, NZM 2020, 390 ff., 401; a.M. Römermann, NJW 2021, 265 ff., 268). Die Beklagte behauptet, keine Förderung erhalten zu haben und aufgrund der Größe ihres Unternehmens auch nicht erhalten zu können. Für das Corona-Soforthilfe-Programm des Bundes waren nur kleine Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten antragsberechtigt. Für die nachfolgende Überbrückungshilfe I, ein Bundesprogramm zur Erstattung der betrieblichen Fixkosten bei Corona-bedingten Umsatzausfällen, waren allein kleine und mittlere Unternehmen zugelassen, die von den drei Kriterien 43 Mio. Euro Bilanzsumme, 50 Mio. Euro Umsatzerlös oder 249 Beschäftigte im Jahresdurchschnitt höchstens eines überschritten. Hierunter fällt die Beklagte nicht. Die Klägerin hat eine konkrete mögliche öffentliche Fördermaßnahme, welche die Beklagte hätte in Anspruch nehmen können, auch nicht genannt. Bei der Beurteilung sind ferner etwaige weitere den Mieter entlastende Maßnahmen wie Kurzarbeit zu berücksichtigen, wobei zu beachten ist, dass es sich hierbei nicht um eine öffentliche Förderung handelt, sondern um eine durch Beiträge finanzierte Entgeltersatzleistung aus der Arbeitslosenversicherung.

Bei der Betrachtung etwaiger öffentlicher Förderungen ist allerdings auch der Aspekt zu berücksichtigen, dass jede Verlagerung des Pandemierisikos auf den Vermieter im Ergebnis wiederum die öffentliche Hand entlastet (vgl. hierzu Römermann, NJW 2021, 265 ff., 268). Bei der COVID-19-Pandemie handelt es sich um eine ganz außergewöhnliche allgemeine gesellschaftliche bzw. wirtschaftliche Notlage des gesamten Staates. In dieser Lage werden durch die zum Schutz der Bevölkerung ergriffenen Maßnahmen einzelne Unternehmen und Personen ganz besonders belastet, ohne dass sie oder ihre Tätigkeit dies spezifisch herausgefordert hätten. Wirtschaftlich betrachtet beruht es vielmehr auf Zufall, welcher Geschäftsbetrieb durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie betroffen ist und in welchem Maße. Es wäre grundsätzlich Aufgabe der Allgemeinheit, diese spezifischen Lasten einzelner auszugleichen und damit die Lasten in der Gesamtbevölkerung soweit wirtschaftlich möglich anteilig zu tragen. Das Zivilrecht ist weder dazu berufen noch in der Lage einen gesamtgesellschaftlichen Lastenausgleich herzustellen, sondern regelt grundsätzlich nur die Beziehung einzelner zueinander (vgl. Streyl, NZM 2020, 817 ff., 822, m.w.N.). Dementsprechend ist es auch nicht ursprüngliche Aufgabe der Vermieter, spezifisch einen Teil der gesamtgesellschaftlichen Lasten der Pandemie zu tragen.

In gleicher Weise stellt sich die Frage, warum der Vermieter an den Folgen der Pandemie für den Mieter teilhaben soll, nicht aber auch andere Vertragspartner eines Mieters, bei deren Geschäftsbeziehungen zu dem Mieter sich die Folgen der Pandemie auch, möglicherweise in anderer Weise, auswirken können. So können auch Leistungen anderer Vertragspartner, beispielsweise zum Betrieb des Mietobjekts oder bezogen auf den erfolgten Einkauf von Saisonware, die wegen der behördlichen Schließungen nicht hinreichend verkauft werden kann, ihren subjektiven Wert für den Mieter verlieren oder in ihm wesentlich herabgesetzt sein. Auch die Beklagte hat vorgetragen, die vertraglich vereinbarte Miete unter anderem deshalb nicht aufbringen zu können, weil sie laufend andere Vertragspartner wegen deren fortdauernder Leistungen zu bedienen habe. Lohn-, Overhead, Marketing- und Warenkosten bestünden unverändert. Dieser zu beachtende Aspekt der Risikozuweisung möglicherweise auch an Dritte hindert aber eine Anpassung des unmittelbar durch die Folgen der Pandemie betroffenen Vertrages zu Gunsten des Mieters nicht. Diese Erwägungen sind lediglich in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen.

Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit eines Festhaltens am unveränderten Vertrag sind vorrangig die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Mieterin zu berücksichtigen, auch, aber nicht in gleicher Weise entscheidend erscheint dabei eine Bewertung, ob und inwiefern ein Mieter eine negative wirtschaftliche Situation selbst zu vertreten hat. Nicht von Bedeutung ist, welche vorbeugenden Maßnahmen der Mieter hätte ergreifen können, wenn er die Pandemie vorausgesehen hätte, die er aber nicht hätte ergreifen müssen beispielsweise gesetzlich nicht geforderte Rücklagen zu bilden (zweifelhaft daher die Entscheidung des LG München I, Urteil vom 25.1.2021 - 31 O 7743/20, NZM 2021, 194 ff., die zu Lasten der Mieterin eine hypothetische Rücklage angerechnet hat, kritische Anm. von Discher/Adler, ZfIR 2021, 126 ff.; Drasdo, NJW-Spezial 2021, 97 f.; ebenso OLG München, Beschluss vom 17.2.2021 - 32 U 6358/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 12.2.2021 - 31 O 11516/20, zit. nach juris) oder eine Betriebsausfallversicherung abzuschließen, wenn dies nicht vertraglich vereinbart ist. Eine Pflicht zur vorsorglichen finanziellen Absicherung folgt auch nicht aus der Erwägung, dass ein Zahlungsschuldner grundsätzlich verschuldensunabhängig für seine eigene Zahlungsfähigkeit und deren Erhaltung haftet. Dabei ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass der Mieter vorsorgliche Absicherungen auch im Rahmen von anderen, mit Dritten begründeten Vertragsverhältnissen bilden müsste, um einer vergleichbaren Problematik auch gegenüber seinen anderen Vertragspartnern vorzubeugen.

Bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten als Mieterin erscheint es als für die mögliche Annahme einer Unzumutbarkeit des Festhaltens am bestehenden Vertrag nicht zwingend erforderlich, dass sie in ihrer wirtschaftlichen Existenz tatsächlich gefährdet ist (ebenso OLG München, Beschluss vom 17.2.2021 - 32 U 6358/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 12.2.2021 - 31 O 11516/20, zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 25.1.2021 - 31 O 7743/20, NZM 2021, 194 ff.; Streyl, NZM 2020, 817 ff., 824; Römermann, NJW 2021, 265 ff.; vgl. auch BGH, Urteil vom 23.10.2019 - XII ZR 125/18, NJW 2020, 331 ff.; BGH, Urteil vom 13.12.1995 - XII ZR 185/93, ZMR 1996, 309 ff., in welchem der BGH jedenfalls für eine vorzeitige Beendigung eines Mietvertrages "eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existentiell bedeutsamen Folgen für eine Partei" als "extremen Ausnahmefall" fordert; OLG Karlsruhe Urteil vom 24.2.2021 - 7 U 109/20, zit. nach juris; vgl. auch Hübner, ZfIR 2020, 729 ff., der eine Regelung des Gesetzgebers zur Risikoverteilung fordert; anders aber anscheinend Saxinger, ZMR 2020, 1002 ff., 1007).

Zu berücksichtigen sind zudem auch die Verhältnisse der Klägerin als Vermieterin. Insoweit kann in Betracht kommen, dass auch ein Vermieter die regelmäßigen Mieteinnahmen zur Erfüllung der eigenen Verbindlichkeiten benötigt, beispielsweise Verbindlichkeiten aus einem zur Finanzierung des Anwesens abgeschlossenen Darlehensvertrages. Dabei ist allerdings zu beachten, dass ein Vermieter infolge des Begehrens des Mieters nach Herabsetzung der Miete unter Umständen gezwungen wäre, seine eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse diesem gegenüber offenzulegen.

Das Erfordernis der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Folgen für Mieter- und Vermieterseite wird bestätigt durch die Regelung in Art. 240 § 1 EGBGB, in welcher die Beachtung vergleichbare Kriterien gefordert ist. In den Absätzen 1 und 2 stellt die Regelung unter anderem darauf ab, ob einem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre. Absatz 3 stellt in vergleichbarer Weise auf die Belange des Gläubigers ab, nämlich ob die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts durch den Schuldner für ihn seinerseits unzumutbar ist, da die Nichterbringung der Leistung die wirtschaftliche Grundlage seines Erwerbsbetriebs gefährden würde.

Bei der rechtlichen Würdigung ist zu beachten, dass trotz der COVID-19-Pandemie das bestehende Mietverhältnis grundsätzlich auch weiterhin entsprechend der vereinbarten Laufzeit weitergeführt werden kann. Beeinträchtigt ist es allein durch die infolge der temporären Einschränkungen für den Geschäftsbetrieb eintretenden Nachteile, deren Fortdauer allerdings aufgrund der besonderen Schwierigkeit der Pandemielage und der Weiterentwicklung des Virus SARS CoV 2 auch weiterhin nicht abgeschätzt werden kann. Heranzuziehende, vom Bundesgerichtshof entschiedene Fallgestaltungen, in welchen er die Anpassung eines Mietvertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage bejahte, betrafen demgegenüber Sachverhalte, in denen wegen einer wesentlichen Änderung der vertragswichtigen Umstände durch behördliche Maßnahmen die Durchführung des Vertrages von vorneherein insgesamt infrage gestellt war (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.1995 -- XII ZR 185/93, ZMR 1996, 309 ff.; BGH, Urteil vom 7.7.1971 - VIII ZR 10/70, WM 1971, 1300 ff.; Urteil vom 11.2.1958 - VIII ZR 12/57, NJW 1958, 785). Teilweise hatte der Mieter erhebliche eigene Investitionen in die Mietsache zu leisten. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung sowie weiterer einschlägiger Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 16.2.2000 - XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714 ff.; Urteil vom 23.10.2019 - XII ZR 125/18, NJW 2000, 331 ff.) setzt eine Anpassung des Mietvertrages zwar nicht notwendig eine drohende Existenzgefährdung des Mieters voraus, aber doch ganz erhebliche konkrete Gründe, die für ihn unter den Bedingungen der Pandemie ein Festhalten am bestehenden Vertrag als unzumutbar erscheinen lassen.

Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Berücksichtigung der Gesamtumstände zur Prüfung der Voraussetzungen einer Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage zur Folge hat, dass sie für die Praxis nur schwer handhabbar ist und die Parteien häufig veranlassen wird, eine gerichtliche Entscheidung anzustreben. Ein solches Vorgehen wird trotz des Vorrang- und Beschleunigungsgebots in dem zum 31.12.2020 in Kraft getretenen § 44 EGZPO - anders als dies im Falle eines Ausgleichs der Lasten eines Mieters durch die öffentliche Hand sein könnte - regelmäßig erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Dies gilt erst recht, wenn für die Entscheidung des Gerichts eine Beweisaufnahme erforderlich ist oder die Parteien mehrere Gerichtsinstanzen in Anspruch nehmen, was in der besonderen Situation der COVID-19-Pandemie zu einer zusätzlichen Belastung insbesondere der Mieterseite führen wird. Dennoch ändern diese Erwägungen nichts an den bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen einer Vertragsanpassung.

In einem Urkundenverfahren können die Einwände der Beklagten, die eine schematische Lösung nicht zulassen, demzufolge wegen der gesetzlichen Einschränkung der zulässigen Beweismittel (§ 595 Abs. 2, 3 ZPO) nicht berücksichtigt werden. Denn hierfür wäre eine Klärung des wechselseitigen Vorbringens zu den Gesamtumständen, welche die konkrete Situation der Beklagten sowie auch die der Klägerin betreffen, erforderlich, da diese jeweils bestritten sind und nicht mit den im Urkundenverfahren zulässigen Beweismitteln bewiesen werden können. Eine Berücksichtigung muss im Nachverfahren erfolgen.

Der Zinsanspruch steht der Klägerin in dem geforderten Umfang vom jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt an aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zu (§ 280 Abs. 1, 2, § 286 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1, 2 BGB).

Die Berichtigung des Tenors erfolgt wegen offenbarer Unrichtigkeit (§ 319 ZPO).

Der Beklagten war die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten, da sie dem Anspruch widersprochen hat (§ 599 Abs. 1 ZPO).

Die Beklagte hat die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nrn. 1, 2 ZPO).

Sachverhalt

I.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Mietzins für Gewerberäume im April 2020 in Anspruch.

Die Beklagte betreibt in von den Klägern gemieteten Geschäftsräumen in der N.-Straße in W. eine Filiale eines Marktes. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf die Darstellung im landgerichtlichen Urteil (LGU 2/3) verwiesen.

Die streitgegenständliche Filiale war vom 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 wegen § 4 Abs. 1 Nr. 12 der Coronaverordnung vom 17.03.2020 geschlossen. Die Beklagte kündigte am 24.03.2020 an, die Miete für April 2020 nicht zu bezahlen. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger wurde sie am 01.04.2020 aufgefordert, die Miete fristgerecht zu überweisen. Die Aufforderung blieb erfolglos, die Kläger haben Klage auf Zahlung der Miete für den Monat April 2020 sowie auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten erhoben. Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung hilfsweise die Aufrechnung mit einem Teil der Miete vom März 2020 erklärt, nachdem die streitgegenständliche Filiale ab dem 20.04.2020 wieder eröffnet werden konnte.

Die Kläger sind der Auffassung, die behördlich angeordnete Schließung der Filiale lasse ihren Anspruch auf Zahlung des Mietzinses für den Gewerberaum nicht entfallen. Es handele sich hierbei nicht um einen Mangel der Mietsache. Da eine Mindestmiete vereinbart worden sei, werde diese unabhängig davon geschuldet, ob in dem Ladengeschäft Umsätze generiert würden oder nicht. Dieses Risiko trage die Beklagte im Verhältnis zu den Klägern allein. Die Gebrauchsüberlassung der Mieträume an die Beklagte sei nicht unmöglich. Für eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB fehle es an einer von der Beklagten darzulegenden Existenzgefährdung.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des weiteren Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Beklagte zur Zahlung von 5.081,98 € zuzüglich Zinsen sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 697,82 € zuzüglich Zinsen verurteilt. Es hat das Vorliegen eines Sachmangels verneint. Die behördliche Anordnung hebe die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nicht auf und mindere diese auch nicht. Hoheitliche Maßnahmen, die zu einer Gebrauchsbeschränkung führten, begründeten nur dann einen Mangel, wenn sie unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache im Zusammenhang stünden. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts sei wegen des heute in Rechtsprechung und herrschender Lehre vorausgesetzten Objektbezugs der Nutzungsbeeinträchtigung nicht übertragbar. Weiter ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Leistung der Kläger nicht nach § 275 BGB unmöglich geworden sei, da die Kläger die ihnen als Vermieter obliegende Hauptleistungspflicht erfüllen könnten. Das Verwendungsrisiko trage allein die Beklagte. Ob § 313 Abs. 1 BGB vorliegend anwendbar ist und die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, hat das Landgericht offengelassen, nachdem es eine Unzumutbarkeit für die Beklagte, sich am Vertrag festzuhalten zu lassen, nicht hat feststellen können. Eine Existenzgefährdung oder unzumutbare wirtschaftliche Beeinträchtigung habe die Beklagte nicht dargelegt. Sie habe unberücksichtigt gelassen, dass sie über das staatliche Kurzarbeitergeld Mitarbeiterkosten erspart habe und die Möglichkeit, den Onlinehandel auszuweiten oder dies zumindest zu versuchen, um Umsatzeinbußen auszugleichen, außer Betracht gelassen. Weiter hat das Landgericht unter Berücksichtigung von § 10 des Mietvertrags, der bei erheblicher Veränderung der Charakteristik der Verkehrssituation, der Einzelhandelssituation oder der Straßenführung in Bezug auf die Erreichbarkeit des Mietobjekts lediglich ein Kündigungsrecht der Beklagten mit einer Frist von sechs Monaten zum Monatsende vorgesehen habe, eine Unzumutbarkeit verneint.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landgerichts München I vom 22.09.2020 (Az. 3 O 4495/20) geht die Beklagte von einem Mangel der Mietsache aus, der zu einer Minderung der Miete um bis zu 100 % führe. Die Räumlichkeiten seien zur Nutzung als Verkaufsräume, nicht als Lagerräume gemietet worden. Die Benutzbarkeit des Mietobjekts zum vereinbarten Zweck des Verkaufs fehle, weshalb ein zur Minderung berechtigender Mangel vorliege. Der Anteil der Lagerflächen betrage lediglich 5,87 % der Mietflächen. Im Übrigen sei den Klägern durch die Schließungsanordnung in der Coronaverordnung die ihnen obliegende Leistung unmöglich geworden. Zumindest sei wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage der Vertrag nach § 313 BGB anzupassen. Mit der behördlichen Schließungsanordnung sei die Geschäftsgrundlage entfallen, ohne dass das sich verwirklichende Risiko einer Partei zugeordnet werden könne, weshalb eine hälftige Teilung der Miete während der Schließungszeit angemessen sei. Insoweit sei hinsichtlich der Schließungszeit im März eine Aufrechnung mit der vollständig unbezahlten Aprilmiete erfolgt. Die Ausführungen des Landgerichts zur Unzumutbarkeit hält die Beklagte für überflüssig. Das Kriterium der Existenzbedrohung des Gewerberaummieters sei nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Wenn das Landgericht dieses jedoch für wichtig gehalten hätte, hätte das Landgericht den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Ein Ausweichen auf den Onlinehandel sei vor dem Hintergrund der Preisstruktur der Beklagten nicht erfolgversprechend gewesen, eine Änderung des Nutzungszwecks scheide schon wegen der erforderlichen behördlichen Genehmigungen, die in kurzer Zeit nicht zu beschaffen seien, aus. Auf den Bezug staatlicher Hilfen in Form von Kurzarbeitergeld komme es nicht an, da hierdurch zwar Kosten gesenkt, jedoch nicht die Kosten der Beklagten gedeckt werden könnten. Einer Vorlage der Gesamtkostenkalkulation der Beklagten bedürfe es insoweit nicht. Im Übrigen habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass auch die wirtschaftliche Situation der Klägerseite in die Abwägung der Zumutbarkeit hätte einfließen müssen, diese habe das Landgericht nicht aufgeklärt. Nach Auffassung der Beklagten wären die Mieten für die Zeiten der Schließung jedenfalls hälftig zu teilen gewesen, weshalb die Klage dann in Höhe von 2.756,83 € abzuweisen gewesen wäre.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Heidelberg, Az. 5 O 66/20, vom 30.07.2020, zugestellt am 06.08.2020, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil als richtig. Weiter machen sie geltend, dass den Klägern, die in demselben Gebäude, in dem die Beklagte Ankermieterin sei, Praxisräumlichkeiten betrieben, eine Herabsetzung der Miete wirtschaftlich nicht zuzumuten sei, nachdem sie zwar nicht von Schließungen betroffen gewesen seien, jedoch erhöhten Aufwand in die Praxisräumlichkeiten im Zusammenhang mit der Coronapandemie hätten. Auch seien ihre Umsätze zurückgegangen, im Gegensatz zu der Beklagten profitierten sie nicht von staatlichen Hilfen wie Kurzarbeitergeld.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 10.02.2021 (II 48) verwiesen.

Aus den Gründen

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie erweist sich jedoch als unbegründet.

Die Voraussetzungen einer Mietminderung liegen nicht vor (1.). Die Leistung der Kläger als Vermieter ist diesen auch nicht unmöglich geworden (2.). Eine Anpassung des Vertrags nach § 313 BGB findet vorliegend ebenfalls nicht statt (3.).

1. Zutreffend hat das Landgericht die Voraussetzungen einer Mietminderung nach § 536 Abs.1 BGB verneint.

Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (so genannte Umweltfehler), wie etwa Emissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (BGH, Urteil vom 19.12.2012, VIII ZR 152/12, bei juris Rn. 8). Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Mietobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Mieters. Denn der Vermieter von Gewerberäumen ist gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grundsätzlich der Mieter. Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstands nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Mieters kommt (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2011, XII ZR 189/09, bei juris Rn. 9 zu einem Pachtverhältnis). Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt im Gegensatz zu der von der Beklagten und dem Landgericht München I im Urteil vom 22.09.2020 (3 O 4495/20) herangezogenen Rechtsprechung des Reichsgerichts für die Annahme eines Mangels einen Objektbezug der Nutzungsbeeinträchtigung voraus. Einen solchen hält auch der Senat als Voraussetzung der Annahme eines Mangels des Mietobjekts für erforderlich.

Durch die behördliche Nutzungseinschränkung ist das streitgegenständliche Mietobjekt daher nicht als mangelhaft im Sinne des § 536 BGB anzusehen. Es fehlt am Objektbezug der behördlichen Schließungsanordnung, die eine Vielzahl an Gewerben, die nicht der Deckung mit Gütern des täglichen Bedarfs dienten, betrafen.

2. Zutreffend hat das Landgericht auch einen Fall der Unmöglichkeit der Leistung der Kläger, mit der Folge, dass die Gegenleistungspflicht der Beklagten entfallen würde, verneint.

Wie oben ausgeführt, ist der Vermieter von Gewerberäumen lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko trägt grundsätzlich der Mieter (BGH, Urteil vom 13.07.2011, XII ZR 189/09, bei juris Rn. 9). Vorliegend erfolgte die Vermietung zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs. Als solche war die Mietsache im vorliegenden Fall auch während der angeordneten Schließung brauchbar. Dass es wegen der angeordneten Schließung tatsächlich nicht zu einem entsprechenden Gebrauch kam, fällt in das Verwendungsrisiko der Beklagten.

3. Zutreffend hat das Landgericht auch gesehen, dass vorliegend eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommt.

Nach Art. 240 § 7 EGBGB sind hier sowohl das allgemeine Schuldrecht als auch die Gewährleistungsrechte aus dem Mietvertragsrecht anwendbar und werden durch die gesetzliche Vermutung, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, ergänzt. Der Gesetzgeber geht dabei davon aus, dass vorrangig Gewährleistungsrechte und die Frage der Unmöglichkeit der Vertragserfüllung zu prüfen sind (BT-Drucks. 19/25322 S. 14/ 15). Beide führen im vorliegenden Fall nicht zu einer Reduzierung der Mietschuld der Beklagten für April 2020 (dazu oben 1. und 2.). Erst danach kann auf die Frage des Vorliegens einer Störung der Geschäftsgrundlage eingegangen werden. Dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, wird nun „grundsätzlich“ vermutet, wobei Unsicherheiten beseitigt und die außergerichtliche Verhandlungsposition des Gewerberaummieters gestärkt werden sollte (BT-Drucks. 19/25322 S. 14/ 15). Art. 240 § 7 EGBGB schafft eine tatsächliche Vermutung, dass sich ein Umstand im Sinn des § 313 Abs. 1 BGB, der Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach dem Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Die Vermutung ist widerleglich und gilt nur für dieses reale Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB (BT-Drucks. 19/25322 S. 20). Das normative Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB, dass dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, wird von der Vermutungsregelung nicht erfasst (BT-Drucks. 19/25322 S. 21).

Dabei stellt der Gesetzgeber darauf ab, dass im Rahmen der Zumutbarkeit zu prüfen sein wird, wie erheblich die Umsätze zurückgegangen sind und auch, ob der Mieter öffentliche oder sonstige Zuschüsse erhalten hat, mit denen er die Umsatzausfälle infolge staatlicher Beschränkung jedenfalls teilweise kompensieren kann, und ob er Aufwendungen erspart hat (z.B. wegen Kurzarbeitergeld oder weggefallenem Wareneinkauf). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls § 313 BGB gewährt keine Überkompensation (BT-Drucks. 19/25322 S. 21).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend nicht festzustellen, dass es der Beklagten unter Abwägung aller Umstände nicht zuzumuten wäre, an der vertraglich vereinbarten Mietzahlungspflicht festgehalten zu werden. Darauf, ob die gesetzliche Regelung, was die Kläger in Abrede stellen, auch auf Sachverhalte in der Vergangenheit, nämlich die Miete für April 2020 anwendbar ist, kommt es daher hier nicht an.

a. Nach § 313 Abs. 1 BGB kann die Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Wie oben ausgeführt (1.), trägt im Verhältnis zum Vermieter der Mieter grundsätzlich das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Eine Anpassung des Vertrags kann die Beklagte nur dann verlangen, wenn ihr das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. § 313 BGB greift nach der Rechtsprechung erst dann ein, wenn dies zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnis unabweislich erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 22.12.2004, VIII ZR 41/04, bei juris Rn. 17). Die Unzumutbarkeit ist aus dem Vergleich von Schuldneraufwand und Leistungserfolg zu bestimmen. Dabei sind nicht nur die Interessen des Schuldners, sondern auch die des Gläubigers mit dem Ziel, die beiderseitigen – widerstreitenden – Interessen auszugleichen, zu berücksichtigen. Dem Schuldner sind Aufwendungen, welche die dem Schuldverhältnis immanente Opfergrenze überschreiten, nicht mehr zumutbar. Diese Opfergrenze wird insbesondere überschritten, wenn die Inanspruchnahme des Schuldners zur Vernichtung seiner Existenz führen würde; unter Umständen genügt auch bereits eine schwere Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15.04.1959, V ZR 3/58, bei juris Rn. 44). Eine Angleichung ist geboten, wenn das Festhalten am Vertrag zu einem untragbaren, mit Recht und Gesetz schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde (BGH, Urteil vom 20.12.2004, VIII ZR 41/04, bei juris Rn. 25).

Dass ein solches schlechthin nicht mehr hinnehmbares Ergebnis anzunehmen wäre, insbesondere die Beklagte in ihrer Existenz gefährdet wäre, wenn sie die Miete für April 2020 bezahlen müsste, ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Sie hat zwar einen Umsatzverlust bezogen auf den Gesamtkonzern dargelegt. Wie die streitgegenständliche Filiale wirtschaftlich dasteht, ist dem Vortrag der Beklagten aber nicht zu entnehmen. Es ist im Zusammenhang mit der Existenzgefährdung durchaus zu sehen, dass es sich bei der Beklagten um einen großen Konzern handelt, der wirtschaftlich leistungsfähiger sein kann als die Filialen für sich betrachtet. Für die Frage der Störung des Äquivalenzverhältnisses bezogen auf den streitgegenständlichen Mietvertrag dürfen jedoch auch Leistung und Gegenleistung bezogen auf diese Filiale und damit der konkrete Einzelfall nicht aus dem Blickfeld geraten, da auch die Interessen der (unterschiedlichen) Vermieter Berücksichtigung finden müssen.

Hier hat die Beklagte eine Aufstellung der Nettoumsätze aller Filialen in Deutschland von Januar 2018 bis April 2020 einschließlich vorgelegt. Unterstellt man, dass diese auch die Umsatzentwicklung in der streitgegenständlichen Filiale wiederspiegeln, ist ein Umsatzeinbruch in den Monaten März und April 2020 zu sehen. Dass dieser allerdings allein auf den Schließungen und nicht auch auf bereits seit Anfang März zu beobachtender Zurückhaltung der Käufer, also einer unstreitig in das Risiko der Beklagten fallenden Änderung des Konsumverhaltens, beruht, ist diesen Zahlen nicht zu entnehmen. Obwohl das Landgericht bereits in der mündlichen Verhandlung (I 75) darauf hingewiesen hatte, dass eine Existenzgefährdung nicht dargelegt sei, und auch das Urteil auf die fehlende Darlegung einer zur Unzumutbarkeit führenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung gestützt hatte (LGU 14/ 15), hat sich die Beklagte damit weder in erster Instanz noch in der Berufungsbegründung dezidiert auseinandergesetzt.

Zutreffend hat das Landgericht gesehen, dass nicht isoliert die Umsatzeinbußen in den von der Schließung betroffenen Monaten betrachtet werden können, und dass auch staatliche Hilfen, wie das Kurzarbeitergeld, in die Abwägung einzubeziehen sind. Auch wenn diese die Kosten nicht insgesamt ausgeglichen haben, ist für die Frage der wirtschaftlich unzumutbaren Beeinträchtigung zu berücksichtigen, ob von anderer Seite eine Partei wirtschaftliche Unterstützung erhalten hat. Ebenso kann nicht unberücksichtigt bleiben, ob mit nicht verkauften, aber noch verkäuflichen Warenvorräten, Vermögenswerte noch vorhanden sind. Diese binden zwar Liquidität der Beklagten, können aber im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtung nicht außer Betracht bleiben.

Vorliegend ist dem Vortrag der Beklagten auch in der Berufung weder bezogen auf die streitgegenständliche Filiale noch bezogen auf den Gesamtkonzern zu entnehmen, in welchem Umfang als Folge der Schließung im Frühjahr 2020 die Umsätze und Gewinne und damit im Ergebnis auch das Vermögen der Beklagten so beeinträchtigt wurden, dass ihr ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden könnte. Weder legt die Beklagte offen, wieviel staatliche Leistungen, insbesondere Kurzarbeitergeld, sie erhalten hat, und welche Aufwendungen sie durch die Kurzarbeit erspart hat, noch welche Warenwerte an verkäuflichen Waren, die die Anschaffungskosten im weiteren Verlauf senken, weiter vorhanden sind. Die Bezugnahme auf die erneuten im Dezember 2020 behördlich verordneten und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch andauernden Schließungen vermag den Vortrag zu den Beeinträchtigungen im Frühjahr nicht zu ersetzen. Die Einbußen, die die Beklagte durch die erneute Schließung ab Mitte Dezember 2020 erleidet, können auch nicht in die Abwägung der Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag für die Monatsmiete im April 2020 einbezogen werden. Insoweit handelt es sich um einen neuen Sachverhalt. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist allein die Miete für April 2020 und nicht die Frage, ob und in welcher Form eine Vertragsanpassung für Zeiträume ab Mai 2020 verlangt werden könnte.

b. Soweit sich die Beklagte auf Stimmen in der Literatur beruft, die unter Berücksichtigung des Umstandes, dass keine der Parteien die Pandemie und die damit verbundenen Geschäftsschließungen und weiteren Folgen habe vorhersehen können, eine hälftige Teilung des Risikos und damit eine hälftige Teilung der Miete annehmen, weshalb es einer Darlegung der Umsatzausfälle nicht bedürfe, überzeugt dies nicht. Zu prüfen ist die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit in jedem Einzelfall. Dieser entzieht sich, wie die unterschiedlichen Stimmen in der Literatur zeigen (vgl. bspw. Häublein/Müller, Wer trägt das Pandemierisiko in der Geschäftsraummiete, NZM 2020, 481, 488 ff), einer pauschalierten Darstellung. Es kann in dem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte im Gegensatz zu den Klägern von staatlichen Transferleistungen wie dem Kurzarbeitergeld profitiert. Zudem zeigt sich unter Berücksichtigung des Umstands, dass im April nach der Schließung nur 10 Öffnungstage zur Verfügung standen, dass hier die Vormonate deutlich übersteigende Tagesumsätze erzielt wurden, so dass ein gewisser Nachholeffekt in diesem Bereich nicht auszuschließen ist. Eine pauschalierte Herabsetzung um die Hälfte lässt außer Betracht, dass möglicherweise, Vortrag der Beklagten hierzu fehlt, ein Teil der Umsätze nach Beendigung des Lockdown auch nach April 2020 nachgeholt werden konnte, da anders als in der Gastronomie oder der Veranstaltungsbranche zunächst nicht verkaufte Ware, soweit es sich nicht um Osterartikel gehandelt hat, grundsätzlich zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden kann.

c. Somit fehlt es bereits an einer Darlegung der Unzumutbarkeit der Zahlung der Miete für den Monat April 2020, weshalb die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben kann.

Auf die Frage, inwieweit die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger durch die behördlich angeordneten Schließungen betroffen sind und ob diesen eine Vertragsanpassung zuzumuten wäre, kommt es derzeit nicht an, da bereits nicht festgestellt werden konnte, dass die Beklagte in so unzumutbarer Weise betroffen sein könnte, dass eine Vertragsanpassung im Sinne einer Herabsetzung der Miete geboten wäre.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit wurde gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO angeordnet.

Vor dem Hintergrund der in Literatur und Rechtsprechung streitigen Fragen zum Vorliegen eines Mangels des Mietobjekts durch die angeordneten Schließungen, der Unmöglichkeit der Leistung der Vermieter, die zu einer Minderung der Miete bzw. zu einem Wegfall der Mietzahlungspflicht der Beklagten führen würden, ohne dass es auf die in ihrer Erforderlichkeit ebenfalls umstrittene Darstellung der Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertragsverhältnis ankäme, hat der Senat zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Oberlandesgericht München


Beschluss vom 17.02.2021

Az.: 32 U 6358/20


In dem Rechtsstreit
...
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte


gegen


...
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte


wegen Forderung


erlässt das Oberlandesgericht München - 32. Zivilsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 17.02.2021 folgenden Beschluss

Tenor

Der Senat hat die Sach- und Rechtslage vorläufig beraten und weist zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung auf Folgendes hin:

Nach Auffassung des Senates führte die pandemiebedingte Betriebsuntersagung in dem Zeitraum vom 18.03.2020 bis zum 27.04.2020 nicht zu einem Mangel der Mietsache iSv § 536 Abs. 1 BGB. Es lag auch kein Fall der Unmöglichkeit iSv § 275 BGB vor. Ein Anspruch nach § 313 Abs. 1 BGB auf Anpassung des Mietvertrages durch eine Herabsetzung oder Stundung der Miete ist in Ausnahmefällen trotz der grundsätzlich vorrangigen gesetzlichen Sonderregeln möglich. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag sind sämtliche Umstände des Einzelfalles zu beachten. Danach besteht im vorliegenden Fall für die Beklagte kein Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages.

Entscheidungsgründe

1. Die in Ziffer 4. der Allgemeinverfügung vom 16.03.2020 (BayMBl. 2020, 143) enthaltene Untersagung der Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels, zu denen auch die gegenständliche Filiale der Beklagten rechnet, ab dem 18.03.2020 führte nicht zu einem Mangel der Mietsache iSv § 536 Abs. 1 BGB.

a) Nach der Rechtsprechung des BGH ist unter einem Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache von dem vertraglich Geschuldeten zu verstehen, wobei sowohl tatsächliche Umstände als auch rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die Mietsache in Betracht kommen. Außer reinen Beschaffenheitsfehlern der Mietsache können unter anderem auch behördliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen ihre Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch in einer Weise aufheben oder mindern, dass sie einen Mangel im Sinne von § 536 BGB begründen. Letztere stellen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings nur dann einen Mangel dar, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben (BGH, Urteil vom 20. November 2013 - XII ZR 77/12 -, Rn. 20, juris).

Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Pachtverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Pachtobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel iSv § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Pachtobjekts in Zusammenhang steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Pächters. Denn der Vermieter von Gewerberäumen ist gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich verpflichtet, den Pachtgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Pächter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko bezüglich der Pachtsache trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grundsätzlich der Mieter. Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Pachtobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Pächters aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstandes nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Pächters. Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Pächters kommt (BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR 189/09 -, Rn. 9, juris).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen, von denen abzuweichen der Senat keinen Anlass sieht, begründete die behördliche Untersagung der Öffnung der gegenständlichen Filiale keinen Mangel der Mietsache iSv § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Untersagungsanordnung führt zu einem behördlichen Gebrauchshindernis. Das Gebrauchshindernis beruht aber nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts (vgl. Häublein/Müller, NZM 2020, 482, 485; Both in: Zehelein, Miete in Zeiten von Corona, 2020, S. 63 ff; Streyl, NZM 2020, 817, 819). Die Untersagung betrifft "das Öffnen" bestimmter Arten von Geschäften. Die Allgemeinverfügung knüpft das Verbot nicht an die Substanz einer oder bestimmter Mietsache oder deren Zustand. Da die Allgemeinverfügung für ganz Bayern galt, spielt auch die Lage des Mietobjektes keine Rolle.

Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Vereinbarung des Mietzwecks "zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäftes mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs". Zu der vertraglich geschuldeten "Sollbeschaffenheit" gehört gerade die Eignung der Mietsache zu dem vertraglich geschuldeten Verwendungszweck (Kraemer in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap. III Rn. 2785). Der Vermieter hat auch für die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse einzustehen, die für die Benutzbarkeit der Mietsache maßgeblich sind. Der Umfang der mit der Vereinbarung eines Mietzweckes übernommenen Leistungspflicht des Vermieters ist durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont aus Sicht eines Mieters gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Ohne besondere Umstände, die hier nicht vorgetragen wurden, gehören nur rechtliche Umstände, die die körperliche Beschaffenheit, den Zustand oder die Lage der Mietsache betreffen oder Einfluss auf sie haben, zum Leistungserfolg des Vermieters (Streyl NZM 2020, 817). Ein redlicher Mieter darf das Leistungsversprechen seines Vermieters im Zweifel nicht dahin verstehen, dieser wolle ihm die vereinbarte Nutzung unter allen erdenklichen Umständen gewährleisten (Häublein/Müller NZM 2020, 481, 484). So konnte auch die Beklagte im vorliegenden Fall die Vereinbarung des Mietzwecks nicht dahin verstehen, die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe damit eine unbedingte Einstandspflicht für den Fall einer pandemiebedingten Öffnungsuntersagung übernehmen wollen.

2. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Miete für April 2020 ist auch nicht nach §§ 326 Abs. 1, 275 BGB entfallen.

Nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BGB entfällt bei einem gegenseitigen Vertrag der Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht. Der Anspruch auf Leistung ist nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Wenn der Klägerin durch die Öffnungsuntersagung die Überlassung zur Nutzung als Verkaufsräume nachträglich unmöglich geworden ist, würde für den entsprechenden Zeitraum der Anspruch der Beklagten als Mieterin ausgeschlossen sein. Zugleich würde nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BGB entfallen. Die Leistung der Klägerin als Vermieterin könnte auch nicht nachgeholt werden (Kropek WM 2020, 726, 732).

Es kann offen bleiben, ob und in welchen Fällen das allgemeine Leistungsstörungsrecht neben den mietrechtlichen Gewährleistungsregeln anwendbar bleibt. Denn jedenfalls dann, wenn kein Mangel iSv § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt, werden die allgemeinen Regeln nicht verdrängt (vgl. Staudinger/V.Emmerich (2019) vor § 536 BGB Rn. 5 ff.). Im übrigen ist die Frage der Anwendbarkeit der §§ 275, 326 BGB schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil kein Fall der Unmöglichkeit iSv § 275 BGB vorliegt.

Denn das Leistungshindernis, das zur Unmöglichkeit führen soll, muss gerade die geschuldete Leistung betreffen. Jeder Anwendung des § 275 BGB muss daher eine Bestimmung der geschuldeten Leistung vorausgehen (MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 BGB Rn. 34). Wie schon ausgeführt kann ein Mieter nach §§ 133, 157 BGB die Vereinbarung eines bestimmten Mietzweckes nicht dahin verstehen, dass der Vermieter das Beschaffungsrisiko für die Aufrechterhaltung einer allgemeinen Gesetzeslage übernimmt, bei der nicht aus Gründen, die in keinem Zusammenhang mit der Beschaffenheit des Mietsache stehen, der Betrieb des konkreten Geschäfts des Mieters untersagt wird. Das Leistungshindernis besteht hier in der konkreten Öffnungsuntersagung. Der Mietvertrag begründet keine Pflicht des Vermieters, eine pandemiebedingte Öffnungsuntersagung zu verhindern oder zu beseitigen, um dem Mieter den Betrieb des als Mietzweck vereinbarten Geschäftes zu ermöglichen. Der Vermieter übernimmt nur das Risiko für die Änderung der gesetzlichen Bedingungen, die die Beschaffenheit der Mietsache betreffen (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1975 - VIII ZR 160/74 -, juris). Damit hat die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten auch in dem Zeitraum vom 18.03.2020 bis zum 27.04.2020, in dem die Beklagte ihre Filiale nicht öffnen durfte, erfüllt.

3. Aufgrund der vorläufigen Beratung neigt der Senat der Ansicht zu, dass eine Anpassung eines Mietvertrags im Hinblick auf die pandemiebedingten Einschränkungen des Geschäftsbetriebs auf Grundlage von § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich möglich ist.

a) Der Senat geht davon aus, dass in der Regel die gemeinsame Vorstellung der Vertragsparteien, dass es während der Vertragslaufzeit nicht zu einer Pandemie kommen wird, die sich ganz erheblich und weltweit auf den Handel und die sonstige Geschäftstätigkeit auswirkt und dass ein geregelter Geschäftsbetrieb überhaupt möglich ist, die Geschäftsgrundlage geworden ist (Streyl, NZM 2020, 817, 821; Häublein/Müller, NZM 2020, 482, 486).

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH wird die Geschäftsgrundlage gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, beim Vertragsabschluss aber zutage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen des einen Vertragsteils oder durch die gemeinsamen Vorstellungen beider Teile vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille auf diesen Vorstellungen aufbaut (BGH, Urteil vom 01. Februar 2012 - VIII ZR 307/10 -, Rn. 26, juris). Unter der "großen Geschäftsgrundlage" versteht man die Erwartung, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern, dass die Sozialexistenz nicht erschüttert werde (MüKoBGB/Finkenauer, 8. Aufl. 2019, § 313 BGB Rn. 17).

Die Betriebsuntersagungen anlässlich der Corona-Pandemie betreffen die große Geschäftsgrundlage. Soweit sich aus dem konkreten Fall nichts Anderes ergibt, geht der Senat davon aus, dass beide Vertragsparteien bei Vertragsschluss die Vorstellung haben, der vom Mieter beabsichtigte Geschäftsbetrieb, der im Mietvertrag selbst durch Vereinbarung eines Mietzwecks mehr oder weniger konkret zum Gegenstand des Vertrages wird, sei generell möglich und werde nicht unabhängig vom Mietobjekt und unabhängig vom Mieter untersagt (vgl. BeckOGK/Martens, 1.1.2021, § 313 BGB Rn. 229; Brinkmann/Thüsing, NZM 2021,1, 7).

b) Die Anwendung des § 313 Abs. 1 BGB ist nicht durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Gesetz vom 27. März 2020, BGBl S. 569) ausgeschlossen.

Grundsätzlich ist es Aufgabe des Gesetzgebers die Folgen von durch Katastrophen verursachter allgemeiner Not durch Gesetz zu regeln (Palandt/Grüneberg, 80. Aufl., § 313 BGB Rn. 5). Soweit gesetzliche Sonderregeln vorhanden sind, schließen diese in ihrem Regelungsbereich die Anwendbarkeit von § 313 Abs. 1 BGB (BeckOGK/Martens, 1.1.2021, § 313 BGB Rn. 166). Ob eine Spezialregelung abschließend ist, unterliegt der richterlichen Wertung (MüKoBGB/Finkenauer, 8. Aufl. 2019, § 313 BGB Rn. 139).

Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass die Regierung im Hinblick auf die Schließung u.a. von vielen Einzelhandelsgeschäften auch für große Unternehmen verschiedene wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen plant (BT-Drs. 19/18110 S. 1). Es sei zu erwarten, dass sich auch bei Unternehmen, die zur Überwindung des pandemiebedingten finanziellen Engpasses auf staatliche Hilfen angewiesen sind, die Einnahmeverluste auf durchschnittlich mehr als zwei Monatsmieten belaufen werden (BT-Drs. 19/18110 S. 2). Dieses Problem wollte der Gesetzgeber dadurch lösen, dass das Recht der Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen eingeschränkt wird. Wörtlich heißt es in des Gesetzesbegründung: "Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Mietschulden auf den Auswirkungen der COVID19-Pandemie beruhen. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen." (BT-Drs. 19/18119 S. 4). Die Regelung stelle eine zeitlich begrenzte Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten den Schuldner auch dann nicht von den Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung befreit, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht (BT-Drs. 19/18110 S. 35). Wohl im Rahmen der politischen Entscheidungsfindung wurde von einer Aufhebung der Pflicht zur Mietzahlung abgesehen (vgl. Klimesch/Walther ZMR 2020, 556).

In der Literatur wird daraus sowohl der Schluss gezogen, dass die Regelung abschließend ist (Klimesch/Walther ZMR 2021, 177 und ZMR 2020, 556), als auch der Schluss, dass eine Sperrwirkung Art. 240 § 2 EGBGB nicht entnommen werden kann (Streyl NZM 2020, 817, 823). Nach Auffassung des Senates kommt es zur Entscheidung dieser Frage darauf an, ob darauf abzustellen ist, ob überhaupt verschiedene Gesetze zur Abmilderung der Folgen der Geschäftsschließungen erlassen wurden, oder ob darauf abzustellen ist, ob gerade eine Regelung über die Anpassung der Miethöhe geschaffen bzw. ausdrücklich abgelehnt wurde. Der Senat neigt derzeit zu der Ansicht, dass das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht die Anwendbarkeit der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht vollständig ausschließt. Aus der systematischen Verortung der Vorschriften im EGBGB, ihrem Zweck und ihrem inneren Aufbau folgt, dass der Gesetzgeber die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch Art. 240 EGBGB nicht abschließend regeln, sondern nur spezifische Probleme einer schnellen vorübergehenden Lösung zuführen und die Stellung der Schuldner verbessern wollte (BeckOGK/Martens, 1.1.2021, § 313 BGB Rn. 236 f).

Für einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers spricht schon die Stellungnahme des BMJV vom 02.07.2020 (abrufbar unter: https://www.bmjv.de/DE/Themen/FokusThemen/Corona/Miete/Corona_Miete_node.html). Es wird darin klargestellt, dass Artikel 240 § 2 EGBGB keine abschließende Regelung zu den miet- und pachtrechtlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ist. Vor allem spricht für eine Anwendbarkeit der am 01.01.2021 in Kraft getretene Artikel 240 § 7 EGBGB, der mit Artikel 10 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht (Gesetz vom 22. Dezember 2020, BGBl S. 3328) im EGBGB eingefügt wurde. Nach Artikel 240 § 7 EGBGB wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, wenn vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind. Nach dem Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) vom 16.12.2020 (BT-Drs. 19/25322) stellt Artikel 240 § 7 EGBGB klar, dass die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage in § 313 BGB in der besonderen Situation der COVID-19-Pandemie grundsätzlich anwendbar sind.

c) Die gesetzliche Risikoverteilung zwischen den Parteien eines Mietvertrages über gewerblich genutzte Räume steht einer Anwendung des § 313 BGB nicht entgegen.

Für die Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage ist grundsätzlich kein Raum, soweit es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 - XII ZR 125/18 -, BGHZ 223, 290-305, Rn. 37; BGH, Urteil vom 17. März 2010 - XII ZR 108/08 -, Rn. 15, juris). Die gesetzliche Risikoverteilung weist das Mängelrisiko grundsätzlich dem Vermieter zu (BGH, Urteil vom 23. Juni 2010 - VIII ZR 256/09 -, Rn. 22, juris). Eine Heranziehung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist im Anwendungsbereich der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften nach den §§ 536 ff. BGB grundsätzlich ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 21. Februar 2008 - III ZR 200/07 -, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 11. Dezember 1991 - XII ZR 63/90 -, Rn. 19, juris; Bub in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap. II Rn. 2025). Die diesen Bestimmungen zugrunde liegende gesetzliche Risikoverteilung darf nicht über die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage verändert werden (Staudinger/V.Emmerich (2019) vor § 536 BGB Rn. 18).

Wie bereits ausgeführt stellt eine pandemiebedingte Öffnungsuntersagung keinen Mangel dar, da die darin liegende Gebrauchsbeschränkung nicht unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Pachtobjekts in Zusammenhang steht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR 189/09, NJW 2011, 3151). Daraus folgt aber nicht zwingend, dass das Risiko deswegen gesetzlich ausschließlich dem Mieter zugewiesen ist. Zwar trägt das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache bei der Gewerberaummiete grundsätzlich der Mieter (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 - XII ZR 125/18 -, BGHZ 223, 290-305, Rn. 32) und es fallen andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, in den Risikobereich des Mieters (BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR 189/09, NJW 2011, 3151; BGH, Urteil vom 17. März 2010 - XII ZR 108/08 -, Rn. 17, ZMR 2010, 598). Dies betrifft vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Es fällt in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfasst auch das Risiko einer Veränderung der Mieterstruktur im Umfeld des Mietobjekts (BGH, Urteil vom 17. März 2010 - XII ZR 108/08 -, Rn. 17, ZMR 2010, 598).

Der Senat neigt zu der Ansicht, dass das Risiko, überhaupt ein Geschäft in der Mietsache mit dem mietvertraglich vereinbarten Mietzweck betreiben zu können, nicht ausschließlich in den Risikobereich des Mieters fällt. Denn die Öffnungsuntersagung, die dem Mieter in begrenztem Zeitraum die Möglichkeit nimmt, Gewinne zu erzielen, hängt in keiner Weise mit unternehmerischen Entscheidungen des Mieters zusammen, wie er im Rahmen des vereinbarten Mietzwecks am Markt Erfolg haben möchte. Der Senat geht davon aus, dass es die gemeinsame Vorstellung der Mietvertragsparteien war, dass überhaupt die Öffnung von Ladengeschäften möglich ist (vgl. Häublein/Müller, NZM 2020, 482, 487). Das vom Mieter zu tragende Verwendungsrisiko umfasst nicht auch das Risiko von Änderungen der großen Geschäftsgrundlage.

Dem steht auch die Rechtsprechung des BGH nicht entgegen. Der BGH hat entschieden, dass eine Risikoverteilung zu Lasten des Mieters für den Betroffenen regelmäßig die Möglichkeit ausschließt, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen. Etwas anderes könne allenfalls in extremen Ausnahmefällen gelten, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existentiell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 - XII ZR 125/18 -, BGHZ 223, 290-305, Rn. 37; BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 -, Rn. 42, juris). Das Risiko, dass ein behördliches Gebrauchshindernis einen Geschäftsbetrieb im Rahmen des Mietzwecks an sich verhindert und zwar unabhängig von dem konkreten Betrieb des Mieters und unabhängig von der Beschaffenheit und dem Zustand und der Lage des Mietobjekts, ist keiner der Mietvertragsparteien einseitig zugewiesen. Daher kommt es für die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 313 Abs. 1 BGB nicht darauf an, ob das Festhalten an dem Vertrag den Mieter in eine die wirtschaftliche Existenz bedrohliche Lage bringt.

4. Auch die konkrete vertragliche Risikoverteilung steht einer Anwendung des § 313 Abs. 1 BGB nicht entgegen.

Die Parteien können sich in ihrem Vertrag über die Zuweisung von Risiken einigen (MüKoBGB/Finkenauer, 8. Aufl. 2019, § 313 BGB Rn. 61), insbesondere können die Parteien die gesetzliche Risikoverteilung vertraglich ändern (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 - XII ZR 125/18 -, BGHZ 223, 290-305, Rn. 32; BGH, Urteil vom 17. März 2010 - XII ZR 108/08 -, Rn. 18, juris). Die Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) scheidet aus, wenn bereits der Vertrag nach seinem gegebenenfalls durch (ergänzende) Auslegung zu ermittelnden Inhalt Regelungen über das Fehlen, den Wegfall oder die Veränderung bestimmter Umstände enthält (BGH, Urteil vom 12. 7. 2013 - V ZR 122/12, NJW 2013, 3779 Rn. 18).

Aus dem als K 1 vorgelegten Mietvertrag ergibt sich - soweit erkenntlich - keine vom Gesetz abweichende Risikoverteilung. Die Parteien haben keine Regelungen getroffen, aus denen eine Risikoverteilung im Falle nachträglicher genereller Schließungsanordnungen entnommen werden kann. Auch aus der Mietstruktur oder aus dem Datum des Vertragsschlusses lassen sich keine Hinweise auf eine besondere vertragliche Regelung der Risikoverteilung entnehmen.

5. Nach Auffassung des Senates haben sich durch die pandemiebedingten Betriebsuntersagungen Umstände im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB, die zur Grundlage des Mietvertrags geworden sind, schwerwiegend geändert. Die Parteien hätten den Vertrag mit einem anderen Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten.

a) Nicht jede geringfügige Änderung oder Abweichung von den Parteivorstellungen kann die Stabilität des geschlossenen Vertrages in Frage stellen. Nur erhebliche Grundlagenstörungen rechtfertigen einen Eingriff in die vertraglichen Vereinbarungen. Grundsätzlich muss für jeden Vertrag und für jede konkrete Situation gesondert bestimmt werden, ob eine erhebliche Grundlagenstörung vorliegt (BeckOGK/Martens, 1.1.2021, § 313 BGB Rn. 108). Bei vorübergehender Störung eines Dauerschuldverhältnisses ist auf ihre voraussichtliche Dauer abzustellen (MüKoBGB/Finkenauer, 8. Aufl. 2019, § 313 BGB Rn. 58; Brinkmann/Thüsing, NZM 2021,1, 8).

Der Umstand, dass der Mieter durch eine Betriebsuntersagung, die unabhängig von seinem konkreten Betrieb generell den Betrieb eines Geschäftes dieser Art untersagt, stellt nach Auffassung des Senates eine schwerwiegende Änderung iSv § 313 Abs. 1 BGB dar. In dem Zeitraum der verordneten Schließung kann ein Umsatz durch den Verkauf von Waren in den Geschäftsräumen nicht erzielt werden. Die Räume sind allenfalls teilweise als Lagerräume zu nutzen. Zugleich dienen sie in bestimmten Einzelfällen der Werbung mit der Marke. In der Regel rechtfertigt dieser verbleibende Nutzen in keiner Weise den vereinbarten Mietzins. Bei einer Dauer der Schließung von 5 Wochen ist diese Änderung der Umstände schwerwiegend. Allenfalls bei einer Betriebsuntersagung von einigen Tagen wäre bezogen auf den gegenständlichen Mietzins für einen Monat die Veränderung der Umstände nicht schwerwiegend. Es ist auch davon auszugehen, dass Betriebsferien von zwei Wochen allgemein einkalkuliert werden, und auch ihr erzwungenes Datum ändert nichts daran, dass ein Unternehmer solche kurzen Betriebsunterbrechungen ohne dauerhafte Nachteile bewältigen kann (vgl. BeckOGK/Martens, 1.1.2021, § 313 BGB Rn. 248).

Auch die tatsächliche Vermutung in Artikel 240 § 7 Abs. 1 EGBGB spricht für die Annahme einer schwerwiegenden Änderung. Nach Artikel 240 § 7 Abs. 1 EGBGB wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, wenn vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind. Der Sachvortrag der Klageseite ist nicht geeignet, die Vermutung zu widerlegen.

b) Der Senat geht davon aus, dass die Vertragsparteien den Vertrag mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Veränderung der Umstände durch die pandemiebedingten Betriebsuntersagungen vorhergesehen hätten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Vertragsparteien pandemiebedingte Betriebsuntersagungen vorhergesehen haben. Es ist anzunehmen, dass der streitgegenständliche Mietvertrag von der Beklagten jedenfalls nicht ohne eine Möglichkeit der Mietanpassung geschlossen worden wäre, wenn sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhergesehen hätte, dass der Betrieb des Geschäftes für längere Zeiträume allgemein untersagt werden würde (vgl. Brinkmann/Thüsing, NZM 2021,1, 8).

6. Ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages setzt weiter voraus, dass das Festhalten an dem Vertrag für eine Seite unzumutbar ist.

Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage berechtigt gemäß § 313 Abs. 1 BGB noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Es muss hinzukommen, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Durch diese Formulierung kommt zum Ausdruck, dass nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsabschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse eine Vertragsanpassung oder eine Kündigung (§ 313 Abs. 3 BGB) rechtfertigt. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (BGH, Urteil vom 01. Februar 2012 - VIII ZR 307/10 -, Rn. 30, juris).

Die Prüfung dieser Voraussetzung erfordert eine umfassende Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 - VIII ZR 234/18 -, Rn. 23, juris), insbesondere auch der Vorteile, die der betroffenen Partei neben den Nachteilen aus den eingetretenen Veränderungen erwachsen sind (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1994 - XI ZR 189/93 -, Rn. 22, juris). Dabei ist auch zu erwägen, dass der Gesetzgeber verschiedene Maßnahmen ergriffen hat, um die wirtschaftlichen Folgen der pandemiebedingten Betriebsschließungen für die betroffenen Unternehmen abzufedern. Er hat dabei Kriterien dafür aufgestellt, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen Hilfsleistungen erhält. Wenn der Senat auch der Auffassung ist, dass § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich anwendbar ist, darf die Anwendung aber nicht dazu führen, dass gesetzgeberische Wertungen umgangen werden. Die Anwendung muss daher auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben, bei denen ein Festhalten an der vereinbarten Regelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbaren Ergebnis führen würde (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1994 - XI ZR 189/93 -, Rn. 22, juris).

Der Senat ist deshalb auch nicht der Auffassung, dass eine Herabsetzung der Miete nach einem objektiven Schema erfolgen kann wie bspw. der hälftigen Herabsetzung unter vorheriger Anrechnung von tatsächlich erfolgten oder nur möglichen Hilfsleistungen. Denn dann würde die Vertragsanpassung lediglich an die Stelle der Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB treten, bei der es auf die Unzumutbarkeit der Zahlung der vollständigen Miete für den Mieter nicht ankommt. Ein Abstellen auf den konkreten Fall bedeutet nicht nur, dass die tatsächlichen oder möglichen Hilfeleistungen für den Mieter in eine feststehende Formel eingefügt werden. Vielmehr erfordert eine Betrachtung aller konkreter Umstände des Einzelfalles auch gerade die Beachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters und auch des Vermieters. Dabei kann es eine Rolle spielen, wie viele Jahre der Mietvertrag schon besteht und wie der Umsatz und Gewinn der letzten Jahre war, so dass eine Möglichkeit bestand, Rücklagen zu bilden. Da die wirtschaftliche Situation des Mieters zu berücksichtigen ist, kann es bei einem Konzern sogar auf die Konzernmutter ankommen. Es verbietet sich allerdings jede schematische Betrachtungsweise.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Feststellung, die Zahlung der vollen Miete im Monat April 2020 sei für den Mieter unzumutbar gewesen, nicht zwingend zu einem Anspruch auf Herabsetzung der Miete führen muss, der der Klage des Vermieters auf Mietzahlung als Einrede entgegenhalten werden kann (Bub in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap. II Rn. 2098). Vielmehr kann der Anspruch auch auf eine Stundung der Miete gerichtet sein. Dann wäre der Einwand des Mieters nur entscheidungserheblich, wenn eine Anpassung des Mietvertrages in Form einer Stundung der Miete über den Termin der letzten mündlichen Verhandlung hinaus erforderlich ist.

7. Gemessen an diesen Grundsätzen liegen nach den von dem Senat nach § 529 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigenden Umständen die Voraussetzungen einer Herabsetzung der Miete nach § 313 Abs. 1 BGB nicht vor.

Die Beklagte trägt vor, sie habe in der gegenständlichen Filiale aufgrund der angeordneten Schließung vom 18.03.2020 bis zum 27.04.2020 gemessen am Nettoumsatz Einbußen im Verhältnis zu den beiden Vorjahren im Umfang von durchschnittlich 47,68 % für den März und von durchschnittlich 78,56 % für den April 2020 erlitten. Dies habe zu einer erheblichen Liquiditätslücke geführt, so dass eine Zahlung der Aprilmiete nicht möglich gewesen sei. Auch eine Kompensation durch das Online-Geschäft sei nicht möglich gewesen. Die Belegschaft sei in Kurzarbeit geschickt worden. Eine staatliche Finanzierungsunterstützung habe nicht erreicht werden können.

Auf Grundlage dieses Vortrags wäre ein Anspruch auf Herabsetzung der Miete für März oder April 2020 nur möglich, wenn der Anspruch - wie es teilweise in der Literatur vertreten wird - allein vom Rückgang des Umsatzes ohne Ansehen der wirtschaftlichen Situation des Mieters abhinge und auch allein das Äquivalenzverhältnis des konkreten Vertrages zu beurteilen wäre. Nach Auffassung des Senates ist die Anwendbarkeit unter Berücksichtigung der Wertungen des Gesetzgebers aber auf die Ausnahmefälle beschränkt, in denen die Mietzahlung für den Mieter aus wirtschaftlichen Gründen untragbar ist.

Für das Corona-Soforthilfe-Programm des Bundes waren nur kleine Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten antragsberechtigt. Daran schloss mit der Überbrückungshilfe I ein Bundesprogramm zur Erstattung der betrieblichen Fixkosten bei Corona-bedingten Umsatzausfällen an. Damit sollten auch gerade Unterstützung für die Mietkosten geleistet werden. Antragsberechtigt waren kleine und mittlere Unternehmen, die von den drei Kriterien 43 Mio. Euro Bilanzsumme, 50 Mio. Euro Umsatzerlös oder 249 Beschäftigte im Jahresdurchschnitt höchstens eines überschritten, Ziffer 2.1.b der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen - Phase 1 (Überbrückungshilfe I) vom 07.07.2020, BayMBl. Nr. 397. Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien überschreitet die Beklagte alle drei Kriterien.

Möglich waren damit nur Leistungen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, der der Stabilisierung von Unternehmen der Realwirtschaft durch Überwindung von Liquiditätsengpässen und durch Schaffung der Rahmenbedingungen für eine Stärkung der Kapitalbasis von Unternehmen dient, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt hätte, § 16 Abs. 1 WStFG. Die Beklagte hat unstreitig Leistungen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds nicht erhalten. Sie hat dabei nicht vorgetragen, ob sie überhaupt solche Leistungen beantragt hat.

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte Anspruch auf Leistungen nach dem WStFG hatte. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber grundsätzlich den Rahmen für Unterstützungsleistungen auch für Unternehmen wie die Beklagte mit rund 2600 Filialen in Deutschland und 26.000 Mitarbeitern geschaffen hat, deren Konzernmutter auch Supermärkte und Baumärkte betreibt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Miete für April 2020 zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbaren Ergebnis führen würde. Die Beklagte trägt nicht vor, dass ein Ausnahmefall vorliegt, der es aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Situation der Beklagten erforderlich macht, trotz eines grundsätzlich vorhandenen Rahmens für Hilfeleistungen im Einzelfall die Miete anzupassen oder zu stunden.

8. Die Parteien können zu dem Hinweis binnen 2 Wochen ab Zustellung Stellung nehmen.

*

(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht.

(2) Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

(3) Verlangt der Gläubiger nach § 285 Herausgabe des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des Ersatzanspruchs, so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet. Diese mindert sich jedoch nach Maßgabe des § 441 Abs. 3 insoweit, als der Wert des Ersatzes oder des Ersatzanspruchs hinter dem Wert der geschuldeten Leistung zurückbleibt.

(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.

(5) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger zurücktreten; auf den Rücktritt findet § 323 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist.

*

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Oberlandesgericht Dresden


Urteil vom 24.02.2021


Az.: 5 U 1782/20


In dem Rechtsstreit


X. Grundstücksverwaltung GmbH & Co. KG, ...
vertreten durch die Komplementärin X. Grundstücksverwaltung Beteiligungs GmbH
diese vertreten durch den Geschäftsführer ...
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwaltskanzlei ...


gegen


Y. GmbH, ...
vertreten durch die Geschäftsführer ...
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
... Rechtsanwälte PartG mbB, ...


wegen Mietzinsforderung


hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht PD Dr. Dr. K.,
Richterin am Oberlandesgericht K. und
Richter am Oberlandesgericht K.
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2021
für Recht erkannt:

Tenor:


I. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 26.08.2020 (4 O 639/20) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.720,09 € zuzüglich Zinsen daraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.04.2020 und 272,00 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2020 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckten Betrages leistet.

II. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:


Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung der Miete des Monats April 2020 für die auf dem Grundstück ... Straße ... in xxx befindlichen Gebäude und Parkplätze mit einer Nutzfläche von ca. 1.150 m² in Anspruch, die die Beklagte zum Betrieb eines Textileinzelhandels angemietet hat.

Die Parteien schlossen am 13./26.09.2013 einen Mietvertrag über die auf dem Grundstück ... Straße ... in xxx befindlichen Gebäude und Parkplätze. Das Mietverhältnis begann am 01.01.2014 und wurde für die Dauer von 10 Jahren fest abgeschlossen, mit einer Verlängerungsklausel und einer zweimaligen Option der Beklagten als Mieterin zur Verlängerung des Mietverhältnisses jeweils um drei Jahre. Die Vermietung erfolgte "ausschließlich zu gewerblichen Zwecken zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs." Seit dem 01.01.2019 beträgt die monatliche Bruttomiete 7.854,00 € und ist spätestens bis zum 5. des Monats auf das im Vertrag angegebene Bankkonto der Klägerin zu bezahlen. Neben der Miete trägt die Beklagte als Mieterin im Vertrag näher umschriebene Nebenkosten. Eine Nebenkostenvorauszahlung wurde nicht vereinbart. In § 1 Nr. 2 des Mietvertrages wurde geregelt: "Der Vermieter übernimmt keine Gewähr dafür, dass etwaige erforderliche behördliche Genehmigungen für die Nutzung der Mieträume durch den Mieter erteilt werden, soweit die Genehmigungen nicht aus Gründen versagt werden, die ausschließlich auf der Beschaffenheit oder Lage des Mietobjektes beruhen. Der Mieter trägt die Kosten der Erfüllung behördlicher Auflagen, die sich aus seiner Person oder der Nutzungsart der Mieträume ergeben, ausgenommen sind die brandschutztechnischen Bestimmungen sowie die Arbeitsrichtlinien."

Aufgrund des sich verbreitenden SARS-CoV-2-Virus (Corona-Pandemie) erließ das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt am 18.03.2020 auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG die "Allgemeinverfügung Vollzug des Infektionsschutzgesetzes Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie Verbot von Veranstaltungen" (Az. 15-5422/5), nach deren Ziffer 1 in Sachsen grundsätzlich alle Geschäfte geschlossen wurden, soweit sie nicht unter die in der Allgemeinverfügung ausdrücklich benannten Ausnahmen fielen, was für den Textileinzelhandel der Beklagten nicht zutraf. Die Allgemeinverfügung vom 18.03.2020 trat gemäß ihrer Ziffer 9 am 19.03.2020 um 0:00 Uhr in Kraft und wurde ab dem 22.03.2020, 0:00 Uhr von der "Allgemeinverfügung Vollzug des Infektionsschutzgesetzes Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie Verbot von Veranstaltungen" des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 20.03.2020 (Az. 15-5422/5) ersetzt, nach deren Ziffer 2, übereinstimmend mit der Allgemeinverfügung vom 18.03.2020, Geschäfte grundsätzlich geschlossen wurden, soweit nicht die in der Allgemeinverfügung vom 20.03.2020 formulierten Ausnahmen eingriffen, zu denen das Textileinzelhandelsgeschäft der Beklagten nicht zählte. Aufgrund der genannten Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 war das Textileinzelhandelsgeschäft der Beklagten im Mietobjekt vom 19.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 geschlossen.

Nach entsprechender Ankündigung mit Schreiben vom 24.03.2020 bezahlte die Beklagte die Miete für den Monat April 2020 nicht. Die Klägerin mahnte mit dem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.04.2020 bei der Beklagten die Zahlung der Miete für April 2020 erfolglos an. Die folgenden Mietzahlungen, insbesondere für den Monat Mai 2020, erbrachte die Beklagte vollständig.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei auch für den Zeitraum der durch die Allgemeinverfügungen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 18. bzw. 20.03.2020 verursachten Schließung des Textileinzelhandelsgeschäfts im Mietobjekt zur vollständigen Zahlung der vertraglich vereinbarten Miete verpflichtet. Mit der staatlichen Schließungsanordnung habe sich ein typisches unternehmerisches Risiko verwirklicht. Das Verwendungsrisiko trage die Beklagte als Mieterin, was sich auch aus der Regelung in § 1 Nr. 2 des Mietvertrages ergebe. Die Allgemeinverfügungen zielten auf den Betrieb der Beklagten ab, während die von der Klägerin zu gewährleistende Nutzbarkeit der vermieteten Räume für den vertraglich vereinbarten Zweck dessen ungeachtet fortbestehe. Es bestehe deshalb auch kein Rückzahlungsanspruch wegen überzahlter Miete für den Monat März 2020, mit welchem die Beklagte die Aufrechnung gegen den Anspruch auf Zahlung der Miete für den Monat April 2020 erklären könne.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe einen erheblichen Rückgang des Nettoumsatzes für die Monate März und April 2020 erlitten, welcher nicht durch verstärkten Onlinehandel kompensiert worden sei. Staatliche Finanzhilfen habe sie nicht erhalten. Sie habe ihre sämtlichen 3.000 Filialen geschlossen und einen Großteil ihrer Belegschaft in Kurzarbeit "0" geschickt.

Sie hat die Auffassung vertreten, infolge der staatlichen Schließungsanordnung liege ein Mangel des Mietobjektes i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB vor, der zur Minderung der Miete um 100 % führe. Hilfsweise sei von einer Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung i.S.v. § 326 Abs. 1 BGB auszugehen, die die Mietzahlungsverpflichtung der Beklagten entfallen lasse. Höchsthilfsweise wäre jedenfalls der Mietvertrag auf Grundlage der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB wegen der durch die staatliche Schließungsanordnung eingetretenen schwerwiegenden Äquivalenzstörungen anzupassen, womit jedenfalls eine hälftige Teilung der Mietlast angemessen sei.

Für den Fall, dass der Senat von einer Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Miete für den Monat April 2020 ausgeht, rechnet die Beklagte hilfsweise mit ihrem Rückzahlungsanspruch in Bezug auf die von ihr rechtsgrundlos gezahlte Miete für den Zeitraum vom 19. bis zum 31.03.2020 auf.

Wegen des Sachvortrages im Übrigen und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem Urteil vom 26.08.2020 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 7.854,00 € nebst Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten für den Gegenstandswert von 7.854,00 € nebst Zinsen zu bezahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung der von ihr begehrten Miete für den Monat April 2020 aus dem Mietvertrag vom September 2013 gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Die staatliche Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. und 20.03.2020 führe nicht zu einem Mangel des Mietobjektes nach § 536 Abs. 1 BGB und nicht zur Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassungspflicht der Klägerin als Vermieterin. Eine Lagerhaltung sei der Beklagten während der Zeit der Schließungsanordnung möglich gewesen. Zudem hätte ein von der Schließungsanordnung ausgenommenes Geschäft in den Mieträumen betrieben werden können. Es könne offen bleiben, ob die wegen der Corona-Pandemie erfolgte staatliche Schließungsanordnung grundsätzlich zur Anwendbarkeit der Regelung in § 313 Abs. 1 BGB zur Anpassung des Mietvertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage führen könne. Im konkret zu beurteilenden Fall sei eine Anpassung des Mietvertrages jedenfalls nicht angezeigt, weil der Beklagten das Festhalten an dem unveränderten Mietvertrag nicht unzumutbar sei.

Gegen das ihr am 28.08.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.09.2020 Berufung eingelegt und diese - nach entsprechender Fristverlängerung - am 27.11.2020 begründet.

Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht habe in der Sache unzutreffend die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Mangels des Mietobjektes, hilfsweise der Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung durch die Klägerin und höchsthilfsweise der Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB mit der Folge einer hälftigen Mietzahlung verneint. Insoweit wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie behauptet, entgegen der Auffassung des Landgerichtes habe die Beklagte kaum einen Bedarf für die Nutzung der Räume des Mietobjektes als Lagerfläche anstelle der im Vertrag vereinbarten Verkaufsfläche, weil die Belieferung ihres Geschäfts im Mietobjekt über ein an einem anderen Ort befindliches Zentrallager "just in time" erfolge. Zudem sei eine kurzfristige Änderung des Nutzungszweckes des im Mietobjekt betriebenen Geschäfts auf eine nach den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 zugelassene Betätigung nicht möglich gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Chemnitz, Az. 4 O 639/20, vom 26.08.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages.

II.

Die Berufung ist teilweise begründet.

Entgegen der Auffassung der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz im angefochtenen Urteil vom 26.08.2020 sieht der Senat es als erforderlich an, über eine Anpassung des Mietvertrages nach § 313 Abs. 1 BGB eine Reduzierung der Kaltmiete auf die Hälfte für denjenigen Zeitraum vorzunehmen, in dem aufgrund der Allgemeinverfügungen vom 18. und 20.03.2020 die Schließung des Textileinzelhandelsgeschäfts der Beklagten in den angemieteten Räumen angeordnet war. Für den streitgegenständlichen Zeitraum außerhalb der Schließungsanordnung ist dagegen keine Reduzierung der Miete vorzunehmen.

Im Ausgangspunkt hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Bruttokaltmiete von 7.854,00 € aus dem Mietvertrag vom 13./26.09.2013 gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Diesem Anspruch kann die Beklagte nicht entgegenhalten, infolge der staatlichen Schließungsanordnung sei die Gebrauchsüberlassung durch die Klägerin als Vermieterin unmöglich geworden, mit der Folge, dass auch die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Gegenleistung, der Miete, gemäß §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB entfallen sei (dazu 1.). Umgekehrt steht der Reduzierung der Miete wegen der staatlichen Schließungsanordnung nicht die Sperrwirkung der Regelung in Art. 240 § 2 EGBGB entgegen (dazu 2.), die eine Reduzierung der Miete nicht vorsieht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist durch die staatliche Schließungsanordnung kein zur Mietminderung führender Mangel des Mietobjektes nach § 536 Abs. 1 BGB begründet worden. Die Auslegung des Mietvertrages gemäß §§ 133, 157 BGB, insbesondere anhand der gesetzlichen Risikoverteilung, führt nicht zur Annahme eines zur Minderung führenden Mietmangels (dazu 3.). Es liegt jedoch eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages vom 13./26.09.2013 im Sinne einer Störung der großen Geschäftsgrundlage vor, die gemäß § 313 Abs. 1 BGB zu einer dahingehenden Vertragsanpassung führt, dass die Beklagte für den Zeitraum der staatlichen Schließungsanordnung (nur) die Hälfte der vereinbarten Kaltmiete zu zahlen hat (dazu 4.).

Der Klägerin war anstelle des vom Landgericht zuerkannten Betrages von 7.854,00 € für den Monat April 2020 unter Berücksichtigung der Aufrechnung der Beklagten mit dem Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Miete für März 2020 ein Betrag in Höhe von 3.720,09 € zuzusprechen (dazu 4.b). Eine einseitige Auferlegung des nicht vorhersehbaren und von keiner Vertragspartei zu vertretenden Risikos einer durch die Corona-Pandemie verursachten staatlichen Schließungsanordnung auf den Mieter oder den Vermieter scheidet aus. Dafür spricht auch die Einführung von Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB durch den Gesetzgeber. Auch wenn diese Vorschrift erst ab dem 31.12.2020 gilt (und damit während des derzeitigen, in Sachsen seit dem 14.12.2020 bestehenden Lockdowns eingeführt wurde), bringt sie einen bereits zuvor, nämlich schon während des ersten Lockdowns im März/April 2020, gültigen Rechtsgedanken zum Ausdruck. So lässt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass es sich um eine Klarstellung der Rechtslage handeln soll (vgl. BT-Drs. 19/25322 S. 14 f. zum Streitstand, vgl. Brinkmann/Thüsing NZM 2021, 5 und Römermann NJW 2021, 265; Herlitz NJ 2021, 56).

1. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der Anspruch auf Zahlung der Miete als Gegenleistung zur Verpflichtung der Klägerin als Vermieterin zur Überlassung des Gebrauches der Mieträume sei gemäß § 326 Abs. 1 BGB entfallen, weil der Klägerin infolge der staatlichen Schließungsanordnung die Überlassung der Mieträume in der Form unmöglich geworden sei, dass sie der Beklagten erlaube, ohne weiteres den vertragsgemäßen Gebrauch der Sache auszuüben. Mit diesem Einwand macht die Beklagte eine Unmöglichkeit der Vertragserfüllung geltend, die auf der Mangelhaftigkeit bzw. Gebrauchsuntauglichkeit des Mietobjektes beruhen soll. Soweit es aber um die Gebrauchsuntauglichkeit des Mietobjektes geht, werden die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechtes, zu dem diejenigen über die Unmöglichkeit gehören, von den mietrechtlichen Gewährleistungsregelungen nach §§ 536 ff. BGB verdrängt, wenn das Mietobjekt bereits vom Vermieter an den Mieter überlassen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.1997, XII ZR 192/95, NJW 1997, 2813; Urteil vom 04.05.2005, XII ZR 254/01, NJW 2005, 2152, 2154; Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Aufl., Kap. 14 Rn. 233; Blank/Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 535 Rn. 748). Der Beklagten war das Mietobjekt bereits überlassen worden, bevor es zur staatlichen Schließungsanordnung in den Allgemeinverfügungen vom 18. und 20.03.2020 kam.

2. Der Regelung in Art. 240 § 2 EGBGB kann keine dahingehende Sperrwirkung entnommen werden, dass sie Auswirkungen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie auf das Bestehen oder den Umfang der Verpflichtung zur Zahlung der Miete für Räume ausschließen würde, in denen Geschäfte betrieben werden, die von den staatlichen Maßnahmen betroffen sind. Die Annahme einer Sperrwirkung würde voraussetzen, dass mit der Vorschrift des Art. 240 § 2 EGBGB eine (abschließende) Regelung dieser Frage getroffen wurde, was aber nicht zutrifft (ebenso LG Mönchengladbach, Urteil vom 02.11.2020, 12 O 154/20, BeckRS 2020, 30731 Rn. 39; LG München I, Urteil vom 25.01.2021, 31 O 7743/20, BeckRS 2021, 453 Rn. 53 ff.; Zehelein, NZM 2020, 390, 401; Streyl NZM 2020, 817, 823; Brinkmann/Thüsing NZM 2021, 5, 9 f.; Warmuth COVuR 2020, 16, 17; Herlitz, NJ 2021, 56, 58; a.A. LG München II, Urteil vom 06.10.2020, 13 O 2044/20, BeckRS 2020, 34263 Rn. 22; Jung JZ 2020, 715, 723). Unmittelbar geregelt wurde nur eine Beschränkung des Kündigungsrechts wegen Zahlungsverzuges des Mieters. Regelungen zum Bestehen und zur Höhe der Miete enthält die Vorschrift nicht. Eine klarstellende Erklärung, dass damit keine Aussage über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Höhe der Miete in bestehenden Mietverträgen getroffen wird, wurde vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf seiner Homepage veröffentlicht (Text bei Streyl, a.a.O., S. 823). Letztlich spricht auch die seit dem 31.12.2020 geltende Vorschrift des Art. 240 § 7 EGBGB gegen eine Sperrwirkung von Art. 240 § 2 EGBGB.

3. Ein zur Minderung des Mietzinses führender Mietmangel wurde durch die staatlich angeordnete Schließung nicht begründet. Ein Mangel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache (Ist-Beschaffenheit) von dem vertraglich Vereinbarten (Soll-Beschaffenheit). Zu dem vertraglich vereinbarten Zustand der Mietsache gehören über deren physische Beschaffenheit hinaus auch die tatsächlichen Zustände und rechtlichen Verhältnisse, die mit der Mietsache zusammenhängen und ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Dazu gehören auch Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen. Um eine Ausuferung des Fehlerbegriffs zu vermeiden, führen außerhalb der Mietsache selbst liegenden Umstände allerdings nur dann zu einem Mangel der Mietsache, wenn sie deren Gebrauchstauglichkeit unmittelbar beeinträchtigen. Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob eine unmittelbare Beeinträchtigung der Mietsache vorliegt, ist danach in erster Linie der von den Parteien vereinbarte vertragsgemäße Gebrauch, welcher maßgeblich durch den vereinbarten Nutzungszweck bestimmt wird. Aus dem zur Erfüllung des vertragsgemäßen Gebrauchs erforderlichen Zustand der Mietsache ergibt sich deren geschuldeter Zustand (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2009, VIII ZR 300/08, NZM 2009, 855 Rn. 11; Urteil vom 10.10.2012, XII ZR 117/10, NJW 2013, 44 Rn. 30 f.).

Danach sind es allein die Vertragsparteien, die durch die Festlegung des dem Mieter jeweils geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauches bestimmen, welchen Soll-Zustand die vermietete Sache aufweisen muss. Eine ausdrückliche Regelung der Parteien, welche Soll-Beschaffenheit das Mietobjekt in Bezug auf staatliche Schließungsanordnungen aufweisen muss, enthält der Mietvertrag vom 13./26.09.2013 nicht. Sie ist insbesondere nicht in § 1 Nr. 2 des Mietvertrages vom 13./26.09.2013 enthalten. Dort geht es um behördliche Genehmigungen für die Nutzung der Mieträume, zu denen eine aufgrund von § 28 Abs. 1 IfSG ergehende Schließungsanordnung nicht gehört, und um die nicht streitgegenständliche Frage, inwieweit der Mieter die Kosten behördlicher Auflagen trägt. Ist aber keine ausdrückliche Regelung zum "Soll-Zustand" getroffen worden, muss anhand der allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157, 242 BGB) geprüft werden, was der Vermieter schuldet bzw. welchen Standard der Mieter aufgrund des Vertrages vom Vermieter verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2013, XII ZR 80/12, NJW 2014, 685 Rn. 20; Urteil vom 25.11.2020, XII ZR 40/19, BeckRS 2020, 37268 Rn. 12).

Von besonderer Bedeutung im Rahmen dieser Auslegung ist die gesetzlich vorgesehene Risikoverteilung zwischen den Mietvertragsparteien, weil sich an ihr der Grundsatz von Treu und Glauben konkretisiert, der ein maßgebliches Auslegungselement darstellt (vgl. Günter in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 536 BGB Rn. 79). Der Vermieter trägt danach das Risiko der Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB), während der Mieter das Verwendungs-/Ertragsrisiko der Mietsache trägt (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2010, XII ZR 108/08, NZM 2010, 364 Rn. 17), was in § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommt. Gemeint ist damit das unternehmerische Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne zu erzielen (vgl. Günter, a.a.O., Rn. 81). Im Ergebnis bedeutet dies, der Vermieter hat dafür Sorge zu tragen, dass einerseits die Mietsache alle physischen Eigenschaften aufweist, andererseits alle äußeren Umstände gegeben sind, die zum Zeitpunkt der Überlassung der Mietsache sowie während der gesamten Vertragslaufzeit für die uneingeschränkte Tauglichkeit der Mietsache für den festgelegten Nutzungszweck erforderlich sind (vgl. Günter, a.a.O., Rn. 84). Der Senat folgt nicht der von der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz (ebenso etwa LG Zweibrücken, Urteil vom 11.09.2020, HK O 17/20, BeckRS 2020, 24356 Rn. 36 ff.; LG Frankfurt/M., Urteil vom 02.10.2020, 2-15 O 23/20, BeckRS 2020, 26613 Rn. 20; LG Stuttgart, Urteil vom 19.11.2020, 11 O 215/20, BeckRS 2020, 32275 Rn. 16; Sittner NJW 2020, 1169, 1170 f.; a.A. LG München I, Urteil vom 22.09.2020, 3 O 4495/20, BeckRS 2020, 28189; Hellmich COVuR 2020, 189, 190 f.; Sentek/Ludley NZM 2020, 406, 408: Einzelfallfrage) vertretenen Auffassung, die staatliche Schließungsanordnung falle in den vom Mieter zu tragenden Bereich des Verwendungs-/Ertragsrisikos. Das unternehmerische Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne zu erzielen, setzt nämlich voraus, dass der Mieter im Mietobjekt entsprechend dem vertraglich vereinbarten Mietzweck unternehmerisch tätig werden kann und greift deswegen dann nicht ein, wenn ihm - wie hier - genau diese Möglichkeit von vornherein verschlossen ist.

Die landesweit geltende Schließungsanordnung ist aber auch nicht der Risikosphäre des Vermieters zuzuordnen. Die staatliche Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 verfügt die Schließung des Textileinzelhandelsgeschäfts der Beklagten, die dem in § 1 Nr. 1 des Mietvertrages vom 13./26.09.2013 vereinbarten Mietzweck entsprach. Es fehlt danach nicht an der grundsätzlichen Verwendbarkeit des Mietobjektes für den vereinbarten Mietzweck und geht nicht um die dem Verwendungsrisiko zuzuordnende Frage, ob der Mieter mit einem grundsätzlich zur Ausübung des Mietzweckes geeigneten Mietobjekt in der Lage ist, unternehmerischen Gewinn zu erzielen (in demselben Sinne: Weller/Thomale, BB 2020, 962, 964, die dem Verwendungsrisiko des Mieters das Verwendbarkeitsrisiko des Vermieters entgegensetzen und dieses hier betroffen sehen, weil die Verwendbarkeit der Mietsache für den Mietzweck nicht gegeben ist; ähnlich auch Hellmich, a.a.O.; Sentek/Ludley, a.a.O.). Ohne die staatliche nicht objektbezogene, von der Klägerin nicht zu beeinflussende Anordnung wäre das Mietobjekt uneingeschränkt nutzbar gewesen. Dagegen spricht auch nicht, dass von verschiedenen Oberlandesgerichten, zu denen auch der Senat zählt, in der Vergangenheit erhebliche, über das übliche Maß hinausgehende Behinderungen des Zugangs zu Gaststätten und Ladengeschäften für die Kunden dem Risiko der Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes zugeordnet und demzufolge als Mangel des Mietobjektes angesehen wurden (vgl. Senatsurteil vom 18.12.1998, 5 U 1774/98, NZM 1999, 317, 318; KG, Urteil vom 12.11.2007, 8 U 194/06, NZM 2008, 526, 527; Senatsurteil vom 14.10.2008, 5 U 1030/08, juris Rn. 33; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 11.02.2015, 2 U 174/14, NJW 2015, 2434 [BGH 27.11.2014 - I ZR 124/11] Rn. 24 f.; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 05.07.2017, 2 U 152/16, BeckRS 2017, 121594 Rn. 27 f.). Die Mieträume waren - im Rahmen der Beschränkungen der Corona-Schutzverordnung - frei zugänglich. Lediglich die von der Beklagten gewollte Verwendung war - vom Mietobjekt unabhängig - untersagt. Auch wenn Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen, einen Mangel begründen können und für den Betrieb eines Textileinzelhandelsgeschäfts die Möglichkeit des Zugangs des Publikums eine Voraussetzung ist, wird dem Vermieter damit nicht das Risiko der objekt- und lageunabhängigen Nutzbarkeit der Mieträume übertragen. Ist der Zugang des Publikums zu den angemieteten Räumen eröffnet, fällt es in das Verwendungsrisiko des Mieters, wenn das Publikum dennoch nicht zum Kaufen der Ware in die Räume strömt, sei es, weil es das Sortiment unattraktiv findet, ein das Publikum anziehendes Geschäft nebenan geschlossen hat (vgl. zu einem solchen Fall: Senatsbeschluss vom 08.02.2017, 5 U 1669/16, BeckRS 2017, 106456) oder weil das Publikum die Räume aus Angst vor der Infektion mit dem Covid 19 Virus nicht betritt. Ein Mangel liegt dann nicht vor. Das vom Mieter zu tragende Verwendungsrisiko ist auch betroffen, wenn die Mietsache vom Mieter für den vereinbarten Mietzweck verwendet werden kann, dieser aber in Art und Umfang der Nutzung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird (etwa die Anordnung, ein Hygienekonzept zu erstellen, oder nur eine begrenzte Zahl von Kunden (und nur mit Mund-Nase-Bedeckung) entsprechend der Fläche in das Geschäft hineinzulassen. In diesen Fällen liegt kein Mangel des Mietobjekts vor. Diese Fälle sind auch nicht mit den hier maßgeblichen pandemiebedingten Einschränkungen vergleichbar.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Senat die Auffassung im angefochtenen Urteil nicht teilt, der Annahme eines Mangels des Mietobjekts i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB infolge der staatlichen Schließungsanordnung stehe der Umstand entgegen, dass es sich um ein betriebsbezogenes öffentliches Gebrauchshindernis handele. Öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse stellen einen Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB dar, wenn sie die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufheben oder mindern, was allerdings nur dann gilt, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit und der Lage der Mietsache beruhen (Ortsbezogenheit) und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters (Betriebsbezogenheit) ihre Ursache haben. Außerdem muss der Mieter durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt werden, wovon regelmäßig nur dann auszugehen ist, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjektes durch ein rechtswirksames und unanfechtbares Verbot bereits untersagt hat (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2013, XII ZR 77/12, NZM 2014, 165; Urteil vom 02.11.2016, XII ZR 153/15, NJW 2017, 1104; Senatsbeschluss vom 01.06.2017, 5 U 477/17, ZMR 2017, 880; Günter NZM 2016, 569).

Entgegen der Auffassung des Landgerichtes ist die staatliche Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 nach diesen Kriterien ein Mangel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB, weil sie unmittelbar mit der konkreten Lage des Mietobjektes in einem Bereich in Zusammenhang steht, in dem die pandemiebedingten Schutzmaßnahmen aufgrund von § 28 Abs. 1 IfSG aus staatlicher Sicht erforderlich waren. Die staatliche Schließungsanordnung in den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 differenziert zwischen verschiedenen Geschäftsarten, indem sie von der generellen Anordnung zur Schließung von Geschäften konkrete Ausnahmen formuliert. Dennoch erfolgt der Eingriff nicht betriebsbezogen, sondern ortsbezogen, weil im Rahmen des Pandemiegeschehens Orte vielfältiger menschlicher Begegnung weitgehend beseitigt werden sollen, um dadurch zu ermöglichen, dass eine Übertragung des Covid-19 Virus, welche den Kontakt eines infizierten zu einem nicht infizierten Menschen erfordert, nicht stattfindet. Es geht deshalb nicht um einen Eingriff in die betriebliche Tätigkeit eines Textileinzelhandelsgeschäfts im Unterschied zu etwa dem Betrieb eines Einzelhandels für Lebensmittel, der weiterhin öffnen darf. Vielmehr sollte landesweit der Betrieb grundsätzlich aller Geschäfte ruhen, um auf diesem Wege menschliche Kontakte - sowohl im Geschäft als auch auf dem Weg zum Geschäft und von diesem weg auf der Straße und im öffentlichen Personenverkehr - zu reduzieren. Der Einzelhandel für Lebensmittel wird nur deshalb gemeinsam mit anderen ausdrücklich aufgezählten Geschäften von der Schließung verschont, weil er zur Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung mit den lebenswichtigen Gütern des täglichen Bedarfs erforderlich ist. Die Zielrichtung der Eingriffsmaßnahmen nach § 28 IfSG ist deshalb landesweit ortsbezogen und richtet sich nach der konkreten Betroffenheit des Ortes oder der Region durch das Infektionsgeschehen und der daraus resultierenden Dringlichkeit der Reduzierung von Kontakten der Menschen (vgl. dazu OVG Münster, Beschluss vom 06.07.2020, 13 B 940/20.NE, BeckRS 2020, 14802; Kießling in Kießling, IfSG, 1. Aufl., § 28 Rn. 65). Um einen betriebsbezogenen Eingriff geht es nicht.

Aus der über den zumindest mittelbaren Einfluss der Klägerin hinausgehenden generell und landesweit geltenden Zugangsbeschränkung kann kein Umstand abgeleitet werden, der in den von der Klägerin zu verantwortenden Bereich fällt.

4. Infolge des Auftretens der Corona-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 ist jedoch eine Störung der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB des Mietvertrages vom 13./26.09.2013 eingetreten (dazu a), die eine Anpassung des Vertrages dahin auslöst, dass die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte reduziert wird (dazu b).

a) Der Tatbestand der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB setzt ein tatsächliches Element (dazu aa), ein hypothetisches Element (dazu bb) und ein normatives Element (dazu cc) voraus (vgl. Finkenauer in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 313 Rn. 56).

aa) Die Geschäftsgrundlage wird gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, beim Vertragsschluss aber zutage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen des eigenen Vertragsteils oder durch die gemeinsamen Vorstellungen beider Teile vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille auf diesen Vorstellungen aufbaut (vgl. BGH, Urteil vom 25.09.1997, II ZR 269/96, NJW 1997, 3371, 3372; Urteil vom 24.03.2010, VIII ZR 160/09, NJW 2010, 1663 Rn. 17). Zur Geschäftsgrundlage der Parteien als Vermieterin und Mieterin von Geschäftsräumen zur Nutzung als Textileinzelhandelsgeschäft gehörte danach die Vorstellung, dass es nicht zu einer Pandemie mit weitgehender Stilllegung des öffentlichen Lebens infolge pandemiebedingter Nutzungsuntersagungen und -beeinträchtigungen kommen würde, so dass das Auftreten der Pandemie mit den entsprechenden weitreichenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben eine schwerwiegende Änderung der für die Vertragslaufzeit vorgestellten Umstände bedeutet und damit das tatsächliche Element der Störung der Geschäftsgrundlage verwirklicht. Es liegt eine Systemkrise und damit ein Fall der Störung der großen Geschäftsgrundlage vor, weil durch sie das allgemeine soziale und wirtschaftliche Gefüge nachhaltig erschüttert wird (idS Jung, a.a.O., S. 716, 717; Weller/Lieberknecht/Habrich NJW 2020, 1017, 1021; Häublein/Müller NZM 2020, 481, 486 f.; Wolf/Eckert/Denz/Gerking/Holze/Künnen/Kurth JA 2020, 401, 402). So wird es auch vom Landgericht im angefochtenen Urteil gesehen (ebenso LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020, 5 O 66/20, BeckRS 2020, 19165 Rn. 39 ff.; Streyl, a.a.O., Seite 821; Zehelein, a.a.O., Seite 398). Ohne dass es hierauf entscheidend ankommen würde, spricht für diese Annahme auch der Inhalt des mit Wirkung vom 31.12.2020 neu geschaffenen Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB (vgl. Brinkmann/Thüsing, a.a.O., Seite 8).

bb) Das hypothetische Element ist erfüllt, wenn die vertragschließenden Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten wenn sie die Veränderung der Umstände, welche zur Geschäftsgrundlage gehören, vorhergesehen hätten. Erforderlich ist danach, dass zumindest eine Vertragspartei den Vertrag nicht bzw. nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen hätte, wenn sie das Fehlen oder den Wegfall der Vertragsgrundlage vorhergesehen hätte (vgl. Finkenauer, a.a.O., Rn. 58). Im Rahmen der Störung der großen Geschäftsgrundlage ist das hypothetische Element regelmäßig erfüllt (vgl. Jung, a.a.O., S. 719). Zudem ist zu beachten, dass es sich bei der Änderung der zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstände um sehr wesentliche Rahmenbedingungen für den Betrieb ihres Textileinzelhandelsgeschäftes handelt. Auf konkrete, nicht in die Vertragsverhandlungen eingeflossene Erwägungen, die nach dem Vortrag der Klägerin, sie hätte, wenn die jetzt eingetretene Situation bei Mietvertragsabschluss auch nur annähernd vorhersehbar gewesen wäre, kein Einverständnis der Klägerin mit einer Mietpreisanpassungsklausel in der von der Beklagten geltend gemachten Form, also im Sinne einer Reduzierung auf die Hälfte der Miete, erklärt, kommt es daher nicht an. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und auf verständige, wirtschaftlich denkende Vertragspartner. Diese hätten sich bei dem beide Vertragspartner gleichermaßen betreffenden und gerade nicht zu beeinflussenden Risiko nicht einseitig zu Gunsten eines Vertragspartners entschieden. Das hypothetische Element des § 313 Abs. 1 BGB ist damit erfüllt.

cc) Das normative Element des § 313 Abs. 1 BGB ist erfüllt, wenn die wesentliche Veränderung der zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstände nicht in den Risikobereich einer der Parteien fällt (dazu aaa) und ein Festhalten am Vertrag einer der Parteien nicht zuzumuten ist (dazu bbb).

aaa) Wenn angenommen wird, dass eine der Parteien mit dem Abschluss des Mietvertrags ein Risiko übernommen hat, unter das das Auftreten der Corona-Pandemie und die daraufhin ergangene staatliche Schließungsanordnung fällt, stünde dies einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB regelmäßig entgegen, weil für die Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage grundsätzlich kein Raum ist, soweit es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2010, XII ZR 108/08, NZM 2010, 364 Rn. 15; Finkenauer, a.a.O., Rn. 61). Dies könnte auf den ersten Blick dafür sprechen, die Entscheidung sei bereits im Rahmen der bei der Auslegung des Mietvertrages notwendigen Abgrenzung zwischen dem beim Vermieter liegenden Risiko der Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes einerseits und dem beim Mieter liegenden Verwendungsrisiko andererseits gefallen (vgl. dazu oben II.3.). Diese Annahme greift aber zu kurz, weil die bei der vertraglichen Risikoabgrenzung allein betrachtete staatliche Schließungsanordnung nicht gleichbedeutend mit der in ein Pandemiegeschehen mit weitreichenden Kontakteinschränkungen eingebetteten Änderung der zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstände ist. Es geht hier also nicht um ein "normales" Risiko der Gebrauchstauglichkeit bzw. der Verwendung des Mietobjektes, sondern um weitgehende staatliche Eingriffe in das soziale und wirtschaftliche Leben aufgrund einer Pandemie, die als Systemkrise eine Störung der großen Geschäftsgrundlage ist. Das mit der Störung der großen Geschäftsgrundlage verbundene Risiko kann regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden (idS Weller/Lieberknecht/Habrich, a.a.O., S. 1021; Jung, a.a,O., S. 720; Häublein/Müller, a.a.O., S. 487 f.: Römermann NJW 2021, 265 Rn. 22; Warmuth, a.a.O., S. 19 f.; LG Mönchengladbach, Urteil vom 02.11.2020, a.a.O., Rn. 41). Der staatliche Eingriff zur Kontaktbeschränkung hat dabei auch unmittelbar auf das vorliegend zu beurteilende Mietverhältnis eingewirkt, indem das von der Beklagten entsprechend dem Mietzweck betriebene Textileinzelhandelsgeschäft als möglicher Ort potentiell vielfältiger Kontakte, die zur Übertragung des Covid 19 Virus führen können, geschlossen wurde. Von der vertraglichen Risikozuweisung wird deshalb dieses von den Vertragsparteien nicht vorhergesehene und die Geschäftsgrundlage des Vertrages betreffende Geschehen nicht erfasst (in demselben Sinne etwa Streyl, a.a.O., Seite 822 f.; Zehelein, a.a.O., Seite 398). Auch in diesem Punkt stützt die Neuregelung in Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB die Annahme, dass die pandemiebedingten staatlichen Schließungsmaßnahmen zumindest regelmäßig von der ohne Bezug zur Corona-Pandemie im Mietvertrag vereinbarten Risikozuweisung nicht erfasst werden (i.d.S. auch Römermann NJW 2021, 265, 267 f.). Im Ergebnis steht die vertragliche Risikozuweisung in der hier zu beurteilenden Situation einer Anpassung des Vertrages nach § 313 Abs. 1 BGB selbst dann nicht entgegen, wenn dieses nach der Vertragsauslegung einer der Parteien zuzuordnen wäre.

bbb) Entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil ist das Festhalten am unveränderten Mietvertrag derjenigen Partei, die durch die Änderung der die Geschäftsgrundlage bildenden Umstände belastet ist, hier die Beklagte, nicht zumutbar.

Der Senat teilt die Auffassung der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz nicht, dass von einer Unzumutbarkeit des Festhaltens am bestehenden Vertrag erst dann auszugehen sei, wenn die von der Änderung der Umstände, welche zur Geschäftsgrundlage gehören, belastete Partei dadurch in eine existenzgefährdende Lage gerät. Das beachtet nicht hinreichend, dass es hier um eine Äquivalenzstörung in einem gegenseitigen Vertrag geht, der zudem ein Dauerschuldverhältnis ist. Die notwendige Unzumutbarkeit bezieht sich damit auf die Äquivalenzstörung, also auf das Verhältnis von Überlassung des Mietobjektes einerseits und dafür Zahlen des Nutzungsentgelts (Miete) andererseits (i.d.S. auch Römermann, a.a.O., S. 268; Streyl, a.a.O., S. 824; Brinkmann/Thüsing, a.a.O., S. 10; Finkenauer, a.a.O., Rn. 77). Von besonderer Bedeutung ist dabei der Charakter des Mietvertrages als Dauerschuldverhältnis, bei dem die Miete für die Nutzungsüberlassung in Zeitabschnitten geschuldet ist, wobei der Zeitabschnitt bei den meisten Mietverhältnissen einen Monat beträgt. Dementsprechend erfolgt die Lösung des Äquivalenzproblems zwischen Miete und Gebrauchsüberlassung im Fall des Eingreifens des Gewährleistungsrechts der Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB auch im Sinne einer Reduzierung (Minderung) der Miete (nur) für den betroffenen Zeitabschnitt der Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit. Führt ein vorhandener Mangel in einem bestimmten Zeitraum nicht zur Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit, ist die Miete in diesem Zeitraum und damit in den betroffenen Zeitabschnitten nicht gemindert (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2010, XII ZR 132/09, NJW 2011, 514 Rn. 13 - sommerliche Aufheizung der Mieträume). Ebenso ist es bei der Bestimmung der Wesentlichkeit eines Mietrückstandes - und damit einer Äquivalenzstörung - für die Annahme eines wichtigen Grundes zur Kündigung des Mietvertrages nach § 543 BGB. Auch dabei wird in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a und b BGB nach Zahlungsterminen bestimmt, wann ein Rückstand so erheblich ist, dass aus ihm ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Mietvertrages folgt. In § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3b BGB ist sogar - wohl infolge eines redaktionellen Versehens - der konkrete Zeitabschnitt des Monats genannt, was aber dahin zu verstehen ist, dass der im Mietvertrag vereinbarte Zeitabschnitt gemeint ist (vgl. Alberts in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 543 BGB Rn. 57 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 17.09.2008, XII ZR 61/07, NZM 2009, 30 Rn. 15). Auch im Rahmen der Konturierung des unbestimmten Rechtsbegriffs des nicht unerheblichen Teils der Miete in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a BGB orientiert sich die Rechtsprechung an dem an einem Fälligkeitstermin zu zahlenden Betrag, in der Regel also an der Miete für einen Monat. So ist in § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB für Mietverträge über Wohnraum geregelt, dass ein nicht unerheblicher Rückstand dann vorliegt, wenn der rückständige Teil die Miete für einen Monat (mindestens um ein Cent) übersteigt. Auch im Bereich der Mietverträge über Gewerberäume wird dieser Betrag grundsätzlich bei der Bestimmung des nicht unerheblichen Teils der Miete angewendet (vgl. BGH, Urteil vom 23.07.2008, XII ZR 134/06, NJW 2008, 3210 Rn. 30). Allerdings kann bei diesen Verträgen auch ein Rückstand von weniger als dem an einem Fälligkeitstermin zu zahlenden Betrag, also in der Regel der Miete für einen Monat, ausreichen, wenn besondere Einzelfallumstände hinzutreten, die den Schluss auf die Erheblichkeit dieses Rückstandes zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2015, XII ZR 65/14, NJW 2015, 2419 Rn. 54 ff.). Daraus folgt, dass die Unzumutbarkeit der Festhaltung am bestehenden Vertrag beim Verhältnis von Leistung und Gegenleistung anzusetzen hat, im vorliegend zu beurteilenden Mietvertrag vom 13./26.09.2013 mit monatlicher Zahlungspflicht gemäß dessen § 3 Nr. 1 also beim einzelnen Zahlungsmonat. Im Ausgangspunkt ist danach die Erheblichkeit deswegen zu bejahen, weil - je nach Standpunkt bezüglich der vertraglichen Risikoverteilung - entweder der Mieter nach dem Mietvertrag die volle Miete zahlen müsste, ohne das Mietobjekt dem Mietzweck entsprechend nutzen zu können oder der Vermieter keine bzw. eine geringfügige Miete für ein Mietobjekt erhielte, für dessen - temporäre - Unbenutzbarkeit für den vertraglich vereinbarten Mietzweck er nicht nur keine Ursache gesetzt hat, sondern die er auch nicht vorhersehen konnte. Im konkret zu beurteilenden Fall könnte man deshalb die Erheblichkeit danach allenfalls dann verneinen, wenn lediglich ein Zahlungstermin betroffen wäre und innerhalb dieses Zahlungstermins jedenfalls weit überwiegend die vertragliche Äquivalenz bestand. Denkbar wäre danach, die Unzumutbarkeit der Festhaltung am Mietvertrag dann zu verneinen, wenn die Äquivalenzstörung lediglich ein bis zwei Wochen des Mietmonats beträfe. Die Notwendigkeit der im Verhältnis zu anderen Vertragstypen relativ niedrige Schwelle der Unzumutbarkeit liegt darin begründet, dass es sich bei dem Mietvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt. So ist bei einem klassischen Austauschvertrag wie dem Kaufvertrag die vollständige Leistung und Gegenleistung im Rahmen der Äquivalenzstörung gegenüberzustellen. Allerdings bezieht sich dann auch die Rechtsfolge der Vertragsanpassung auf den gesamten Vertrag, also das vollständige Äquivalenzverhältnis. Im Mietvertrag reicht dagegen eine wesentliche Äquivalenzstörung im regelmäßig monatlichen Zeitabschnitt, sie führt allerdings dann auch nur zu einer Vertragsanpassung für diesen Zeitabschnitt, so dass nicht das Risiko besteht, dass mit niedriger Eingriffsschwelle wesentliche Vertragsgrundlagen ohne entsprechenden Anlass durch richterlichen Eingriff nach § 313 Abs. 1 BGB geändert werden. Der Zeitraum, in dem die staatliche Schließungsanordnung andauerte, von insgesamt mehr als einem Monat, überschreitet damit die Schwelle der Erheblichkeit. Auf die Frage, inwieweit die wirtschaftliche Existenz der belasteten Vertragspartei durch die Störung der Geschäftsgrundlage betroffen wird, kommt es wegen dieser Dauer nicht an.

b) Da eine einvernehmliche Vertragsanpassung im Verhandlungswege der Parteien nach § 313 Abs. 1 BGB noch im Berufungsverfahren nicht zustande kam, ist der Senat verpflichtet, die entsprechende Vertragsanpassung vorzunehmen. Der Anpassungsanspruch aus § 313 Abs. 1 BGB kann gerichtlich geltend gemacht werden (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.2011, V ZR 17/11, NJW 2012, 373 Rn. 34; Zehelein, a.a.O., S. 400). Die Beklagte hat zudem mit ihrem vorprozessualen Schreiben vom 07.05.2020 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin einen außergerichtlichen Vergleich auf der Basis einer hälftigen Reduzierung der Miete für April 2020 angeboten, was als Anpassungsverlangen nach § 313 Abs. 1 BGB gewertet werden kann.

Damit ist eine Absenkung der Kaltmiete um 50 % gerechtfertigt, weil keine der Vertragsparteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen hat. Es ist demzufolge angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen (i.d.S. auch LG Mönchengladbach, a.a.O., Rn. 55; LG Aurich, Urteil vom 09.10.2020, 1 O 430/20; LG Kempten, Urteil vom 07.12.2020, 23 O 753/20, BeckRS 2020, 37736 Rn. 37; AG Oberhausen, Urteil vom 06.10.2020, 37 C 863/20, BeckRS 2020, 35507 Rn. 46; Zehelein, a.a.O., Seite 398 ff.; Streyl, a.a.O., S. 824; Ekkenga/Schirrmacher NZM 2020, 410, 414; i. E. auch Häublein/Müller, a.a.O., S. 491 f.). Dies entspricht der Lösung der Rechtsprechung bei Vertragszweckstörungen in der Vergangenheit (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.1989, VII ZR 60/89, NJW 1990, 572, 573 - Aufteilung der Hotel-Stornokosten bei Reisekündigung wegen höherer Gewalt; ähnlich OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.05.1992, 15 U 297/91, NJW 1992, 3176, 3177 f. - Wegfall der beiderseitigen Leistungspflichten aus einem Vertrag über den Auftritt von Musikern auf einer Faschingsveranstaltung, welche wegen des Golfkriegs ausfiel). Es kann offen bleiben, ob die Zahlung staatlicher Hilfen an einen der Vertragspartner des Mietvertrages zu einer weiteren Anpassung der Höhe der Miete führen würde, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin oder die Beklagte solche staatlichen Hilfen erhalten haben. Es kann auch dahinstehen, ob und ggf. inwieweit Zahlungen auf Betriebskosten anzupassen wären, weil solche nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind. Der Klägerin war eine keine Teilnutzung des Mietobjekts im Sinne eines "Außer-Haus-Verkaufs" bzw. eines entsprechenden Liefer- und Abholservice möglich wie dies etwa bei Gaststätten erlaubt war (vgl. Ziffer 3 der Allgemeinverfügung vom 18.03.2020 und Ziffer 4 der Allgemeinverfügung vom 20.03.2020).

Eine Reduzierung der Kaltmiete auf die Hälfte für den Zeitraum der staatlichen Schließungsanordnung führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin für den Monat April anstelle des vertraglich vereinbarten Betrages von 7.854,00 € nur 5.366,90 € zu zahlen hätte, während sie für den Monat März 2020 6.207,19 € zu zahlen gehabt hätte, also mit ihrer vollständigen Mietzahlung die Miete in Höhe von 1.646,81 € überzahlt hat. In dieser Höhe hat die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung gegen die Forderung der Klägerin auf Zahlung der Miete für April 2020 erklärt, so dass sich im Ergebnis gemäß §§ 387, 389 BGB der Anspruch der Klägerin von 5.366,90 € auf 3.720,09 € reduziert.

Im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war lediglich ein Streitwert in Höhe des nunmehr ausgeurteilten Betragen anzusetzen.

Der Zinsausspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Zi. 10, 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Zi. 1 ZPO wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen.
 
 
 

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.