"Mangold - Rechtsprechung" - Verbot der Altersdiskriminierung als Bestandteil des Primärrechts
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Konstruierter Fall
Das Urteil ist bis heute umstritten und sorgte schon damals für großes Aufsehen. Nicht zuletzt da es sich hierbei um einen konstruierten Fall handelte, bei dem das Arbeitsgericht die Möglichkeit bekommen sollte, den § 14 Absatz 2 Satz 4 TzBfG zu überprüfen. Der EuGH betonte zwar seine Handlungsfähigkeit nicht durch Anforderung von Gutachten zu allgemeinen Fragen beeinträchtigen dürfe, da der Arbeitsvertrag vorliegend tatsächlich zustande gekommen ist, besteht ein grundsätzliches Bedürfnis zur Klärung.
Worum geht es ?
In der Rechtssache „Mangold“ musste der EuGH über die Vereinbarkeit des § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG mit den Vorgaben des Europarecht entscheiden. Ein Rechtsanwalt, Herr Mangold hatte im Juni 2003 mit dem 56-Jährigen Herrn Helm einen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen, welcher sich auf § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG stützte. Demnach war eine Befristung vom Arbeitsverträgen möglich, auch ohne einen sachlichen Grund hierfür nennen zu müssen, wenn der Arbeitnehmer, bei Abschluss des Vertrages älter als 52-Jahre alt war. Nur wenige Wochen später rief Herr Mangold das Arbeitsgericht München an, um festzustellen, dass die Befristung des Arbeitsvertrages unwirksam ist und deshalb ein unbefristeter Arbeitsvertrag besteht. Es bestanden Zweifel an der Vereinbarkeit des des § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG mit dem Gemeinschaftsrecht. Das Arbeitsgericht entschied deshalb dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Insbesondere bezogen sich die Fragen darauf, wie die Richtlinien 1999/70/EG sowie 2000/78/EG auszulegen sind, ob der § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG mit diesen in Einklang steht und welche Folgen eine Verneinung nach sich ziehen würde.
Auslegung der Richtlinie 1999/70/EG
Zunächst sollte sich der EuGH mit der Auslegung der Richtlinie 1999/70/EG („Befristungsrichtlinie“) befassen. Diese dient der Durchführung einer Rahmenvereinbarung, welche vorsieht, dass unbefristete Arbeitsverträge der Standard sind.
Explizit war der EuGH mit der Frage angerufen worden, ob die Regelung des § 5 Nr. 1 dem § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG entgegensteht. Der EuGH lies dies jedoch offen, da der Anwendungsbereich des § 5 Nr. 1 nur für den Missbrauch von Kettenarbeitsverträgen eröffnet ist. Der vorliegende Arbeitsvertrag stand jedoch nicht mit nachfolgenden Verträgen in Verbindung.
Weiterhin beschäftigte sich der EuGH mit der Auslegung des § 8 Nr. 3 der selben Richtlinie. Grund hierfür war, dass die Altergrenze, ab der Arbeitsverträge mit älteren Personen befristet werden dürfen mehrmals herabgesetzt worden ist. Zunächst mit der Umsetzung der Richtlinie im Jahr 2000 von 68 Jahren auf 58 Jahre. Nur zwei Jahre später, im Zuge der Harz- IV-Gesetzgebung dann weiter auf 52 Jahre. Geprüft worden ist, ob diese Absenkung des Mindestalters gegen das, in § 8 Nr.3 der Richtlinie geregelten Verschlechterungsverbot verstößt. Der § 8 Nr. 3 soll verhindern, dass die Richtlinie nicht als Rechtfertigung für die Senkung des allgemeinen Niveaus des Arbeitnehmerschutzes fungiert. Es musste dargelegt werden, dass nicht die Richtlinie Grund für die für die Befristungsregelung gewesen ist. Der EuGH erläuterte, dass sich der Anwendungsbereich des Verschlechterungsverbots lediglich auf Maßnahmen zur Erreichung des Richtlinienziels erstreckt.
Zwar sei die Senkung auf 58 Jahre mit dem TzBfG erfolgt. Auch dient die Regelung der Umsetzung der Richtlinie. So sei jedoch die eigenständige nationale Zielsetzung der Eingliederung älterer Personen in den Arbeitsmarkt Grund für die Herabsetzung des Mindestalters. Der EuGH verneinte deshalb einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot.
Verstoß gegen Richtlinie 2000/78/EG
Das Arbeitsgericht hatte den EuGH weiterhin die Frage vorgelegt, ob § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG gegen die „Gleichbehandlungsrichtlinie“ verstoße. Diese Richtlinie dient der Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und beruht auf Art. 13 EG.
In Art. 1 wird aufgezählt, aus welchen Gründen Personen weder mittel noch unmittelbar diskriminiert werden dürfen. Auch das Alter wird benannt.
Da der § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG es erlaubt uneingeschränkt befristete Verträge mit Arbeitnehmern, welche das 52. Lebensjahr vollendet haben zu schließen, liegt unstreitig ein Verstoß gegen Art. 1 vor, mithin eine Ungleichbehandlung.
Legitimes Ziel - jedoch weder angemessen noch erforderlich
Gem. Art. 6 ist eine solche Ungleichbehandlung jedoch zulässig, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Ziel notwendig, also angemessen und erforderlich ist.
Das vom Gesetzgeber benannte Ziel, der Förderung der beruflichen Eingliederung älterer Personenin der Arbeitsmarkt stellt, laut EuGH ein solches legitimes Ziel dar. Das Erreichen dieses Ziels ist jedoch objektiv nicht erforderlich. Die Benachteiligung älterer Arbeitnehmer ist aufgrund der komplexen Arbeitsmarktstrukturen nicht das mildeste Mittel. Der § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG benachteilige diese unabhängig von ihrer persönlichen und der gegenwärtigen Situation des Arbeitsmarktes. So werden nicht nur Personen, die in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden sollen, erfasst sondern auch solche, die trotz bestehenden Arbeitsverhältnis eine neue Beschäftigung suchen. Ältere Arbeitnehmer liefen dadurch Gefahr dauerhaft von befristeten Arbeitsverträgen ausgeschlossen zu werden. Der § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG könne daher nicht durch Art. 6 gerechtfertigt werden und verstößt gegen die Richtlinie 2000/78/EG.
Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG
Zwar war Deutschland infolge einer Fristverlängerung verpflichtet gewesen die Richtlinie bis zum 02.12.2006 umzusetzen. Dass diese Frist noch nicht abgelaufen war sei jedoch unerheblich. Der EuGH verweist auf seine Rechtsprechung zur Vorwirkung von Richtlinien. Demnach sei es den Mitgliedsstaaten nicht gestattet, während der Umsetzungsfrist Vorschriften zu erlassen, welche das in den Richtlinien benannte Ziel ernstlich gefährden. Der § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG gefährde das Ziel der Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, da durch diesen Arbeitnehmer, welche das 52.Lebensjahr vollendet haben von unbefristeten Verträgen pauschal ausgeschlossen werden. Der § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG fördere somit die Ungleichbehandlung.
Verbot der Diskriminierung als Teil des Gemeinschaftsrecht
Das „Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters“ sei zudem nicht direkt in der Richtlinie 2000/78/EG verankert. Es ist ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, mithin des Primärrechts. Der EuGH stütze sich bei dieser These dennoch auf diese Richtlinie. Die verbotenen Formen der Diskriminierung, welche dort aufgelistet werden haben, so der EuGH, ihren Ursprung in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen. Das allgemeine Altersdiskriminierungsverbot sei bereits auf internationaler Ebene, zum Beispiel in der EMRK und ihrem 12. Zusatzprotokoll vom 04.11.2000 zu finden.
Folgen des Urteils
Weil das „Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters“ vom EuGH zum Gemeinschaftsrechts und damit zum Bestandteil des Primärrecht erklärt wurde, dürfen sich Arbeitgeber nicht mehr auf § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG berufen. Primärrecht hat nämlich Anwendungsvorrang gegenüber nationalen Vorschriften. Arbeitsverträge deren Befristung bisher durch § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG gerechtfertigt wurde, sind deshalb unbefristet wirksam.
Darüber hinaus begründete der EuGH die Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG durch die Unvereinbarkeit mit der „Gleichbehandlungsrichtilinie“ 2000/78/EG.
Eine weitere Folge des "Mangold - Rechtsprechung" waren mehrere Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht. In der Rechtssache "Honeywell" hatte das BVerfG darüber zu entscheiden, ob die, vor der Mangold - Rechtsprechung begründeten, befristetet Verträge einer Automobilfirma mit ihren Arbeitnehmern weiterhin rechtmäßig sind.
(Lesen Sie dazu: "Honeywell - Fall" - Feststellung eines Ultra-vires-Akts nur bei schwerer Kompetenzüberschreitung)
Horizontale Richtlinienwirkung
Weil EG-Richtlinien nur Wirkung entfalten dürfen, wenn sie den Staat binden, nicht jedoch wenn sie eine Verpflichtung des Bürgers nach sich ziehen, war die Erklärung der Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG, durch den EuGH, für viele ersteinmal überraschend. Dieser betonte jedoch, dass die Richtlinie, dadurch, dass sie die Vorschrift unanwendbar mache, keine Rechte und Pflichten für den Einzelnen begründe.
Kritik
Das Urteil stieß auf große Kritik. Dem EuGH wurde zunächst vorgeworfen, es überschreite seine Kompetenzen indem es ein Altersdiskriminierungsverbot zum allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts erkläre.
Tatsächlich lässt sich insbesondere in der EMRK, auf welche sich der EuGH stützt kein Hinweis auf einen solchen Grundsatz finden. Auch im 12. Zusatzprotokoll zur EMRK wird man nach einem Verbot der Altersdiskriminierung nur vergeblich suchen. Dies obwohl das Zusatzprotokoll in der Einleitung mehrere spezifische Diskriminierungsverbote benennt. Zudem muss erwähnt werden, dass zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung- selbst wenn man einen Alterdiskriminierungsverbot herleiten sollte- das Protokoll nur in Finnland, Niederlande und Zypern in Kraft war.
Eine Kompetenzüberschreitung wurde den Richtern des EuGH auch deshalb vorgeworfen, weil sie deutsches Recht für "unanwendbar" erklärten. Diese Erklärung der Unanwendbarkeit des deutschen Rechts führe zu einer unzulässigen "unmittelbaren horizonatlen Drittwirkung" und zwar gegenüber dem Bürger, so die Kritiker.
Dem kann nur zum Teil zugestimmt werden. Zwar ist richtig, dass die Richtlinie 2000/78/EG eine Verbotswirkung entfaltet. Stattdessen treten jedoch nicht die Regelungen der Richtline selbst, sondern andere nationale Vorschriften.
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URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)
22. November 2005(*)
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Paragrafen 2, 5 und 8 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. L 175, S. 43) durchgeführt worden ist, sowie des Artikels 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Mangold und Herrn Helm über den zwischen ihnen abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag (im Folgenden: Vertrag).
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Die Rahmenvereinbarung
Nach ihrem Paragrafen 1 soll die Rahmenvereinbarung
a) durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern;
b) einen Rahmen schaffen, der den Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse verhindert“.
Paragraf 2 Nummer 1 der Rahmenvereinbarung bestimmt:
„Diese Vereinbarung gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder -verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition.“
Paragraf 5 Nummer 1 der Rahmenvereinbarung lautet:
„Um Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zu vermeiden, ergreifen die Mitgliedstaaten nach der gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen oder in dem Mitgliedstaat üblichen Anhörung der Sozialpartner und/oder die Sozialpartner, wenn keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung bestehen, unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:
a) sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;
b) die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinander folgender Arbeitsverträge oder -verhältnisse;
c) die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.“
Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung bestimmt:
„Die Umsetzung dieser Vereinbarung darf nicht als Rechtfertigung für die Senkung des allgemeinen Niveaus des Arbeitnehmerschutzes in dem von dieser Vereinbarung erfassten Bereich dienen.“
Die Richtlinie 2000/78
Die Richtlinie 2000/78 ist auf der Grundlage des Artikels 13 EG erlassen worden. Die erste, die vierte, die achte und die fünfundzwanzigste Begründungserwägung dieser Richtlinie lauten:
„(1) Nach Artikel 6 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union beruht die Europäische Union auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam. Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.
…
(4) Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und der Schutz vor Diskriminierung ist ein allgemeines Menschenrecht; dieses Recht wurde in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im VN-Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, im Internationalen Pakt der VN über bürgerliche und politische Rechte, im Internationalen Pakt der VN über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten anerkannt, die von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden. Das Übereinkommen 111 der Internationalen Arbeitsorganisation untersagt Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf.
…
(8) In den vom Europäischen Rat auf seiner Tagung am 10. und 11. Dezember 1999 in Helsinki vereinbarten beschäftigungspolitischen Leitlinien für 2000 wird die Notwendigkeit unterstrichen, einen Arbeitsmarkt zu schaffen, der die soziale Eingliederung fördert, indem ein ganzes Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen getroffen wird, die darauf abstellen, die Diskriminierung von benachteiligten Gruppen, wie den Menschen mit Behinderung, zu bekämpfen. Ferner wird betont, dass der Unterstützung älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel der Erhöhung ihres Anteils an der Erwerbsbevölkerung besondere Aufmerksamkeit gebührt.
…
(25) Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters stellt ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Ungleichbehandlungen wegen des Alters können unter bestimmten Umständen jedoch gerechtfertigt sein und erfordern daher besondere Bestimmungen, die je nach der Situation der Mitgliedstaaten unterschiedlich sein können. Es ist daher unbedingt zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist.“
Nach ihrem Artikel 1 bezweckt die Richtlinie 2000/78 „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten“.
Artikel 2 der Richtlinie 2000/78 – „Der Begriff ‚Diskriminierung‘“ – bestimmt in den Absätzen 1 und 2 Buchstabe a:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.
(2) Im Sinne des Absatzes 1
a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“.
Artikel 3 der Richtlinie 2000/78 – „Geltungsbereich“ – sieht in Absatz 1 vor:
„Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf
a) die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, einschließlich des beruflichen Aufstiegs;
…
c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;
…“
Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78 lautet:
„Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:
a) die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;
b) die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;
c) die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.“
Nach Artikel 18 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78 mussten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, um dieser Richtlinie spätestens bis zum 2. Dezember 2003 nachzukommen. In Absatz 2 dieses Artikels heißt es jedoch:
„Um besonderen Bedingungen Rechnung zu tragen, können die Mitgliedstaaten erforderlichenfalls eine Zusatzfrist von drei Jahren ab dem 2. Dezember 2003, d. h. insgesamt sechs Jahre, in Anspruch nehmen, um die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung umzusetzen. In diesem Fall setzen sie die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Ein Mitgliedstaat, der die Inanspruchnahme dieser Zusatzfrist beschließt, erstattet der Kommission jährlich Bericht über die von ihm ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung und über die Fortschritte, die bei der Umsetzung der Richtlinie erzielt werden konnten. Die Kommission erstattet dem Rat jährlich Bericht.“
Da die Bundesrepublik Deutschland eine solche Zusatzfrist für die Umsetzung der Richtlinie beantragt hat, läuft die Umsetzungsfrist für diesen Mitgliedstaat erst am 2. Dezember 2006 ab.
Nationales Recht
§ 1 des Beschäftigungsförderungsgesetzes in der durch das Gesetz vom 25. September 1996 (BGBl. 1996 I S. 1476) geänderten Fassung (im Folgenden: BeschFG 1996) sah vor:
„(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages zulässig.
(2) Die Befristung des Arbeitsvertrages ist ohne die in Absatz 1 genannten Einschränkungen zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 60. Lebensjahr vollendet hat.
(3) Die Befristung nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag oder zu einem vorhergehenden befristeten Arbeitsvertrag nach Absatz 1 mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als vier Monaten liegt.
(4) Die Zulässigkeit der Befristung des Arbeitsvertrages aus anderen Gründen bleibt unberührt.
…“
Nach § 1 Absatz 6 BeschFG 1996 galt diese Regelung bis zum 31. Dezember 2000.
Die Richtlinie 1999/70 zur Durchführung der Rahmenvereinbarung wurde mit dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestimmungen vom 21. Dezember 2000 (BGBl. 2000 I S. 1966, im Folgenden: TzBfG) in die deutsche Rechtsordnung umgesetzt. Dieses Gesetz ist am 1. Januar 2001 in Kraft getreten.
§ 1 TzBfG – „Zielsetzung“ – lautet:
„Ziel des Gesetzes ist, Teilzeitarbeit zu fördern, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge festzulegen und die Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten Arbeitnehmern zu verhindern.“
§ 14 TzBfG, der befristete Arbeitsverträge regelt, bestimmt:
„(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn
1. der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2. die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3. der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4. die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5. die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6. in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7. der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8. die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
(3) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die Befristung ist nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt.
(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.“
§ 14 Absatz 3 TzBfG wurde durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. 2002 I S. 14607, im Folgenden: Gesetz von 2002) geändert. Die neugefasste Vorschrift, die am 1. Januar 2003 in Kraft trat, lautet:
„Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die Befristung ist nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt. Bis zum 31. Dezember 2006 ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des 58. Lebensjahres das 52. Lebensjahr tritt“.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Am 26. Juni 2003 schloss der damals 56‑jährige Herr Mangold mit Wirkung zum 1. Juli 2003 den Arbeitsvertrag mit Herrn Helm, der als Rechtsanwalt tätig ist.
§ 5 des Vertrages lautet:
„1. Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01.07.2003 und ist befristet bis 28.02.2004.
2. Die Befristung wird auf die gesetzliche Bestimmung über die erleichterte Befristung mit älteren Arbeitnehmern in § 14 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Satz 1 TzBfG … gestützt, weil der Arbeitnehmer älter als 52 Lebensjahre ist.
3. Die Parteien sind sich einig, dass der unter der vorgenannten Ziffer bezeichnete Befristungsgrund der einzige Befristungsgrund ist, auf den die Befristungsabrede gestützt wird. Vom Gesetzgeber und der Rechtsprechung grundsätzlich für zulässig angesehene andere Befristungsgründe werden ausdrücklich ausgeschlossen und sind nicht Gegenstand hiesiger Befristungsabrede.“
Herr Mangold ist der Ansicht, dass die Befristungsabrede des § 5, obwohl auf § 14 Absatz 3 TzBfG beruhend, unvereinbar mit der Rahmenvereinbarung und der Richtlinie 2000/78 sei.
Herr Helm macht geltend, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung den Mitgliedstaaten vorschreibe, zur Verhinderung des Missbrauchs durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverhältnisse Maßnahmen vorzusehen, nämlich insbesondere sachliche Gründe für die Verlängerung dieser Verträge zu verlangen oder eine maximal zulässige Dauer oder maximale Anzahl der Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge oder -verhältnisse festzulegen.
§ 14 Absatz 3 Satz 4 TzBfG sehe eine solche Beschränkung bei älteren Arbeitnehmern zwar nicht ausdrücklich vor, doch liege ein sachlicher Grund für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags im Sinne des Paragrafen 5 Nummer 1 Buchstabe a der Rahmenvereinbarung darin, dass es für diese Arbeitnehmer angesichts der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt schwer sei, Arbeit zu finden.
Das Arbeitsgericht München zweifelt an der Vereinbarkeit von § 14 Absatz 3 Satz 1 TzBfG mit dem Gemeinschaftsrecht.
Erstens verstößt diese Bestimmung nach Ansicht des Arbeitsgerichts gegen das Verschlechterungsverbot des Paragrafen 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung, weil mit ihr im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 1999/70 das Alter der vom Schutz gegen sachgrundlose Befristung der Arbeitsverträge ausgenommenen Personen von 60 auf 58 Jahre gesenkt und damit das allgemeine Schutzniveau für diese Gruppe von Arbeitnehmern herabgesetzt worden sei. Diese Bestimmung verstoße außerdem gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung, mit dem der Missbrauch durch solche Verträge verhindert werden solle, da er keinerlei Beschränkungen für deren Abschluss mit einer großen, allein nach dem Lebensalter definierten Gruppe von Arbeitnehmern enthalte.
Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht, ob eine Regelung wie § 14 Absatz 3 TzBfG mit Artikel 6 der Richtlinie 2000/78 vereinbar ist, da der Schutz älterer Menschen im Arbeitsleben durch die Herabsetzung des Alters für die sachgrundlose Befristung der Arbeitsverträge von 58 auf 52 Jahre durch das Gesetz von 2002 nicht sichergestellt werde. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht gewahrt.
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, am 26. Juni 2003, sei die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2000/78 in innerstaatliches Recht zwar noch nicht abgelaufen gewesen. Nach Randnummer 45 des Urteils vom 18. Dezember 1997 in der Rechtssache C‑129/96 (Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, I‑7411) dürfe aber ein Mitgliedstaat, an den eine Richtlinie gerichtet sei, während der Umsetzungsfrist keine Vorschriften erlassen, die geeignet seien, die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich in Frage zu stellen.
Im Ausgangsverfahren sei die Änderung des § 14 Absatz 3 TzBfG durch das Gesetz von 2002 am 1. Januar 2003 in Kraft getreten, also nach Veröffentlichung der Richtlinie 2000/78 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, jedoch vor Ablauf der in Artikel 18 der Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsfrist.
Drittens wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob der nationale Richter in einem Rechtsstreit zwischen Privaten die dem Gemeinschaftsrecht entgegenstehende Regelung des nationalen Rechts unangewendet zu lassen habe. Insoweit sei gemäß dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts der Schluss zu ziehen, dass § 14 Absatz 3 TzBfG insgesamt nicht anwendbar sei und deshalb die Grundnorm des § 14 Absatz 1 TzBfG anzuwenden sei, die das Vorliegen eines sachlichen Grundes für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags verlange.
Das Arbeitsgericht München hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. a) Ist Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung dahin gehend auszulegen, dass er im Rahmen der Umsetzung in das innerstaatliche Recht eine Verschlechterung durch Senkung des Alters von 60 auf 58 Jahre verbietet?
b) Ist Paragraf 5 Nummer 1 der Rahmenvereinbarung dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die – wie die hier streitige – keine Einschränkungen im Sinne der drei Alternativen der Nummer 1 enthält, entgegensteht?
2. Ist Artikel 6 der Richtlinie 2000/78 dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die – wie die hier streitige – die Befristung von Arbeitsverträgen mit Arbeitnehmern ab 52 Jahren – im Unterschied zum Grundsatz der Erforderlichkeit eines sachlichen Grundes – ohne das Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässt, entgegensteht?
3. Falls eine der drei Fragen bejahend beantwortet wird: Hat der nationale Richter die dem EG-Recht entgegenstehende nationale Regelung unangewendet zu lassen, und gilt dann der allgemeine Grundsatz des innerstaatlichen Rechts, nach dem Befristungen nur mit sachlichem Grund zulässig sind?
Zur Zulässigkeit der Vorlage
In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens mit der Begründung in Frage gestellt, der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens sei fiktiv oder künstlich. Herr Helm habe nämlich schon früher öffentlich dieselbe These zur Rechtswidrigkeit des § 14 Absatz 3 TzBfG vertreten wie Herr Mangold.
Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats, dem eine Frage nach der Auslegung des EG-Vertrags oder abgeleiteter Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane gestellt wird, den Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG ersuchen kann, über diese Frage zu befinden, wenn es eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält (vgl. u. a. Urteil vom 21. März 2002 in der Rechtssache C‑451/99, Cura Anlagen, Slg. 2002, I‑3193, Randnr. 22).
Im Rahmen dieses Vorlageverfahrens besitzt das vorlegende Gericht, das allein über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts verfügt, die besten Voraussetzungen, um unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtssache die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils zu beurteilen (vgl. u. a. Urteile vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C‑83/91, Meilicke, Slg. 1992, I‑4871, Randnr. 23, vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache C‑146/93, McLachlan, Slg. 1994, I‑3229, Randnr. 20, vom 9. Februar 1995 in der Rechtssache C‑412/93, Leclerc-Siplec, Slg. 1995, I‑179, Randnr. 10, und vom 30. September 2003 in der Rechtssache C‑167/01, Inspire Art, Slg. 2003, I‑10155, Randnr. 43).
Betreffen daher die vom nationalen Gericht vorgelegten Fragen die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (vgl. Urteile vom 8. November 1990 in der Rechtssache C‑231/89, Gmurzynska-Bscher, Slg. 1990, I‑4003, Randnr. 20, Leclerc‑Siplec, Randnr. 11, vom 23. Februar 1995 in den Rechtssachen C‑358/93 und C‑416/93, Bordessa u. a., Slg. 1995, I‑361, Randnr. 10, und Inspire Art, Randnr. 44).
Dem Gerichtshof obliegt es jedoch, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er vom nationalen Gericht angerufen wird. Denn der Geist der Zusammenarbeit, in dem das Vorabentscheidungsverfahren durchzuführen ist, verlangt auch, dass das nationale Gericht seinerseits auf die dem Gerichtshof übertragene Aufgabe Rücksicht nimmt, die darin besteht, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber darin, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben (Urteile vom 3. Februar 1983 in der Rechtssache 149/82, Robards, Slg. 1983, 171, Randnr. 19, Meilicke, Randnr. 25, und Inspire Art, Randnr. 45).
In Anbetracht dieser Aufgabe hat sich der Gerichtshof nicht für befugt gehalten, über eine vor einem nationalen Gericht aufgeworfene Vorabentscheidungsfrage zu befinden, wenn offensichtlich ist, dass die Auslegung des Gemeinschaftsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht.
Im vorliegenden Fall lässt sich jedoch nicht in Abrede stellen, dass die vom vorlegenden Gericht beantragte Auslegung des Gemeinschaftsrechts tatsächlich einem durch die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits bedingten objektiven Bedürfnis entspricht. Es ist nämlich unstreitig, dass der Vertrag tatsächlich durchgeführt worden ist und seine Anwendung eine Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufwirft. Dass sich die Parteien des Ausgangsrechtsstreits über die Auslegung des § 14 Absatz 3 TzBfG möglicherweise einig sind, ändert nichts daran, dass dieser Rechtsstreit tatsächlich besteht.
Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher zulässig.
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage, Buchstabe b
Mit der ersten Frage, Buchstabe b, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die wie die im Ausgangsverfahren streitige keine der in dieser Bestimmung für den Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge vorgesehenen Beschränkungen enthält.
Dazu ist festzustellen, dass Paragraf 5 Nummer 1 der Rahmenvereinbarung zum Ziel hat, „Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zu vermeiden“.
Die Parteien des Ausgangsverfahrens haben jedoch, wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, nur diesen einen Arbeitsvertrag miteinander geschlossen.
Unter diesen Umständen ist die Auslegung von Paragraf 5 Nummer 1 der Rahmenvereinbarung für die Entscheidung des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits offensichtlich nicht erheblich, so dass die erste Frage, Buchstabe b, nicht zu beantworten ist.
Zur ersten Frage, Buchstabe a
Mit seiner ersten Frage, Buchstabe a, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, mit der im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 1999/70 das Alter, ab dem uneingeschränkt befristete Arbeitsverträge geschlossen werden können, von 60 auf 58 Jahre gesenkt worden ist.
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der im Ausgangsverfahren streitige Vertrag am 26. Juni 2003 geschlossen worden ist, d. h. unter der Geltung des TzBfG in der Fassung des Gesetzes von 2002, mit dem das Alter, ab dem befristete Arbeitsverträge geschlossen werden können, von 58 auf 52 Jahre herabgesetzt wurde. Unstreitig ist Herr Mangold im Alter von 56 Jahren von Herrn Helm eingestellt worden.
Das nationale Gericht ist jedoch der Ansicht, dass die Auslegung von Paragraf 8 Nummer 3 für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des § 14 Absatz 3 TzBfG in seiner ursprünglichen Fassung gleichwohl nützlich wäre, da eine Unvereinbarkeit der letztgenannten Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht auch die Ungültigkeit ihrer Änderung durch das Gesetz von 2002 nach sich ziehen würde.
Es ist jedenfalls festzustellen, dass der deutsche Gesetzgeber bereits im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 1999/70 in innerstaatliches Recht das Alter, von dem an befristete Arbeitsverträge geschlossen werden können, von 60 auf 58 Jahre gesenkt hatte.
Nach Ansicht von Herrn Mangold verstößt diese, wie auch die durch das Gesetz von 2002 bewirkte Verschlechterung gegen Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung.
Die deutsche Regierung vertritt dagegen die Auffassung, dass die Herabsetzung des Alters dadurch ausgeglichen worden sei, dass den befristet eingestellten Arbeitnehmern neue soziale Garantien gewährt worden seien, wie z. B. ein allgemeines Diskriminierungsverbot und die Erstreckung der für derartige Verträge vorgesehenen Einschränkungen auf kleine Unternehmen und auf kurzfristige Arbeitsverhältnisse.
Insoweit ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung, dass deren Umsetzung für die Mitgliedstaaten nicht als Grund für die Senkung des allgemeinen Niveaus des Arbeitnehmerschutzes in dem von der Vereinbarung erfassten Bereich dienen kann.
Mit dem in Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung ohne weitere Erläuterung verwendeten Ausdruck „Umsetzung“ kann nicht nur die ursprüngliche Umsetzung der Richtlinie 1999/70 und insbesondere ihres die Rahmenvereinbarung enthaltenden Anhangs gemeint sein; er muss vielmehr alle nationalen Maßnahmen erfassen, die die Erreichung des mit der Richtlinie verfolgten Zieles gewährleisten sollen, einschließlich derjenigen, mit denen nach der eigentlichen Umsetzung die bereits erlassenen nationalen Rechtsvorschriften ergänzt oder geändert werden.
Hingegen ist eine Verminderung des den Arbeitnehmern im Hinblick auf befristete Arbeitsverträge garantierten Schutzes nicht als solche durch die Rahmenvereinbarung verboten, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Umsetzung dieser Rahmenvereinbarung steht.
Sowohl aus der Vorlageentscheidung als auch aus den Erklärungen der deutschen Regierung in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass – wie auch der Generalanwalt in den Nummern 75 bis 77 seiner Schlussanträge ausgeführt hat –die schrittweise Herabsetzung des Alters, ab dem der Abschluss befristeter Verträge uneingeschränkt möglich ist, nicht durch das Erfordernis der Umsetzung der Rahmenvereinbarung, sondern durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, die Beschäftigung älterer Menschen in Deutschland zu fördern.
Auf die erste Frage, Buchstabe a, ist daher zu antworten, dass Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegensteht, mit der aus Gründen der Beschäftigungsförderung und unabhängig von der Umsetzung der Rahmenvereinbarung das Alter gesenkt wurde, ab dem uneingeschränkt befristete Arbeitsverträge geschlossen werden können.
Zur zweiten und zur dritten Frage
Mit der zweiten und der dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, nach der der Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, uneingeschränkt zulässig ist, sofern nicht zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Für den Fall, dass dies bejaht wird, fragt das Gericht, welche Folgen der nationale Richter aus dieser Auslegung zu ziehen hat.
Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 2000/78 nach ihrem Artikel 1 die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf aus den dort genannten Gründen, darunter wegen des Alters, bezweckt.
§ 14 Absatz 3 TzBfG begründet dadurch, dass die Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, uneingeschränkt befristete Arbeitsverträge schließen können, eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung.
Eben zu Ungleichbehandlungen wegen des Alters bestimmt Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78, dass die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass solche Ungleichbehandlungen „keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind“. Nach Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe a können solche Ungleichbehandlungen u. a. „die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, … um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen“, sowie nach den Buchstaben b und c in einigen besonderen Fällen die Festlegung von altersbezogenen Anforderungen betreffen.
Wie sich aus den dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht übermittelten Akten ergibt, bezwecken diese Rechtsvorschriften klar, die berufliche Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer zu fördern, weil diese erhebliche Schwierigkeiten haben, wieder einen Arbeitsplatz zu finden.
Die Legitimität eines solchen im Allgemeininteresse liegenden Zieles steht außer Zweifel, wie die Kommission im Übrigen selbst eingeräumt hat.
Folglich ist ein derartiges Ziel – wie in Artikel 6 Absatz 1 erster Unterabsatz der Richtlinie 2000/78 vorgesehen – grundsätzlich als eine „objektive und angemessene“ Rechtfertigung einer von den Mitgliedstaaten vorgesehenen Ungleichbehandlung wegen des Alters anzusehen.
Weiter ist nach dem Wortlaut dieser Bestimmung zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel zur Erreichung dieses legitimen Zieles „angemessen und erforderlich“ sind.
Insoweit verfügen die Mitgliedstaaten unbestreitbar über einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik.
Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, läuft die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften wie der im Ausgangsverfahren streitigen jedoch darauf hinaus, dass allen Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, unterschiedslos – gleichgültig, ob und wie lange sie vor Abschluss des Arbeitsvertrags arbeitslos waren – bis zum Erreichen des Alters, ab dem sie ihre Rentenansprüche geltend machen können, befristete, unbegrenzt häufig verlängerbare Arbeitsverträge angeboten werden können. Diese große, ausschließlich nach dem Lebensalter definierte Gruppe von Arbeitnehmern läuft damit während eines erheblichen Teils ihres Berufslebens Gefahr, von festen Beschäftigungsverhältnissen ausgeschlossen zu sein, die doch, wie sich aus der Rahmenvereinbarung ergibt, einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes darstellen.
Solche Rechtsvorschriften gehen insofern, als sie das Alter des betroffenen Arbeitnehmers als einziges Kriterium für die Befristung des Arbeitsvertrags festlegen, ohne dass nachgewiesen wäre, dass die Festlegung einer Altersgrenze als solche unabhängig von anderen Erwägungen im Zusammenhang mit der Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes und der persönlichen Situation des Betroffenen zur Erreichung des Zieles der beruflichen Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer objektiv erforderlich ist, über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist. Die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bedeutet nämlich, dass bei Ausnahmen von einem Individualrecht die Erfordernisse des Gleichbehandlungsgrundsatzes so weit wie möglich mit denen des angestrebten Zieles in Einklang gebracht werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2002 in der Rechtssache C‑476/99, Lommers, Slg. 2002, I‑2891, Randnr. 39). Derartige nationale Rechtsvorschriften können daher nicht nach Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt werden.
Dass die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78 zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages noch nicht abgelaufen war, steht dieser Feststellung nicht entgegen.
Erstens hat nämlich der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten während der Frist für die Umsetzung einer Richtlinie keine Vorschriften erlassen dürfen, die geeignet sind, die Erreichung des in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich in Frage zu stellen (Urteil Inter-Environnement Wallonie, Randnr. 45).
In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die fragliche, nach Inkrafttreten der betreffenden Richtlinie erlassene Regelung des nationalen Rechts deren Umsetzung bezweckt oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2003 in der Rechtssache C‑14/02, ATRAL, Slg. 2003, I‑4431, Randnrn. 58 und 59).
Im Ausgangsverfahren ist die Herabsetzung des Alters, ab dem befristete Arbeitsverträge geschlossen werden können, von 58 auf 52 Jahre durch Artikel 14 Absatz 3 TzBfG im Dezember 2002 erfolgt, und diese Maßnahme soll bis zum 31. Dezember 2006 gelten.
Der Umstand, dass die Geltung dieser Vorschrift am 31. Dezember 2006 endet, d. h. nur wenige Wochen nach Ablauf der vom betreffenden Mitgliedstaat einzuhaltenden Umsetzungsfrist, ist als solcher nicht entscheidend.
Zum einen ergibt sich nämlich schon aus dem Wortlaut von Artikel 18 Absatz 2 der Richtlinie 2000/78, dass ein Mitgliedstaat, der – wie im vorliegenden Fall die Bundesrepublik Deutschland – eine Zusatzfrist von drei Jahren ab dem 2. Dezember 2003 für die Umsetzung dieser Richtlinie in Anspruch zu nehmen beschließt, „der Kommission jährlich Bericht über die von ihm ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen des Alters … und über die Fortschritte, die bei der Umsetzung der Richtlinie erzielt werden konnten“, erstattet.
Diese Bestimmung impliziert also, dass der Mitgliedstaat, der ausnahmsweise in den Genuss einer längeren Umsetzungsfrist kommt, schrittweise konkrete Maßnahmen ergreift, um seine Regelung schon dem in der Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnis anzunähern. Dieser Verpflichtung würde jedoch jegliche praktische Wirksamkeit genommen, wenn es dem Mitgliedstaat gestattet wäre, während der Frist zur Umsetzung der Richtlinie Maßnahmen zu erlassen, die mit deren Zielen unvereinbar sind.
Zum anderen wird am 31. Dezember 2006, wie der Generalanwalt in Nummer 96 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ein beachtlicher Teil der Arbeitnehmer, auf die die im Ausgangsverfahren streitige Regelung anwendbar ist – darunter Herr Mangold −, das 58. Lebensjahr bereits vollendet haben und somit weiter unter die Sonderregelung des § 14 Absatz 3 TzBfG fallen, so dass für diese Personengruppe die Gefahr des Ausschlusses von der Garantie eines festen Beschäftigungsverhältnisses in Form eines unbefristeten Arbeitsvertrags bereits definitiv eingetreten ist, unabhängig davon, dass die Altersgrenze von 52 Jahren nur bis Ende 2006 gilt.
Zweitens ist zu beachten, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf nicht in der Richtlinie 2000/78 selbst verankert ist. Nach ihrem Artikel 1 bezweckt diese Richtlinie nämlich lediglich „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung“, wobei das grundsätzliche Verbot dieser Formen der Diskriminierung, wie sich aus der ersten und der vierten Begründungserwägung der Richtlinie ergibt, seinen Ursprung in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen und den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten hat.
Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ist somit als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen. Fällt eine nationale Regelung in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts, was bei dem durch das Gesetz von 2002 geänderten § 14 Absatz 3 TzBfG als Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 1999/70 der Fall ist (vgl. hierzu auch Randnrn. 51 und 64 des vorliegenden Urteils), hat der Gerichtshof, wenn er im Vorabentscheidungsverfahren angerufen wird, dem vorlegenden Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die es benötigt, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit diesem Grundsatz beurteilen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C‑442/00, Rodríguez Caballero, Slg. 2002, I‑11915, Randnrn. 30 bis 32).
Folglich kann die Wahrung des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung, insbesondere im Hinblick auf das Alter, als solche nicht vom Ablauf der Frist abhängen, die den Mitgliedstaaten zur Umsetzung einer Richtlinie eingeräumt worden ist, die die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen des Alters bezweckt, vor allem was die Bereitstellung geeigneter Rechtsbehelfe, die Beweislast, die Viktimisierung, den sozialen Dialog sowie die positiven und anderen spezifischen Maßnahmen zur Umsetzung einer solchen Richtlinie angeht.
Es obliegt daher dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters anhängig ist, im Rahmen seiner Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt, zu gewährleisten und die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu garantieren, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. März 1978 in der Rechtssache 106/77, Simmenthal, Slg. 1978, 629, Randnr. 21, und vom 5. März 1998 in der Rechtssache C‑347/96, Solred, Slg. 1998, I‑937, Randnr. 30).
Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht und insbesondere Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen, nach der der Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, uneingeschränkt zulässig ist, sofern nicht zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, entgegenstehen.
Es obliegt dem nationalen Gericht, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Verbotes der Diskriminierung wegen des Alters zu gewährleisten, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht abgelaufen ist.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
1. Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999, die mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge durchgeführt worden ist, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegensteht, mit der aus Gründen der Beschäftigungsförderung und unabhängig von der Umsetzung der Rahmenvereinbarung das Alter gesenkt wurde, ab dem uneingeschränkt befristete Arbeitsverträge geschlossen werden können.
2. Das Gemeinschaftsrecht und insbesondere Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen, nach der der Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, uneingeschränkt zulässig ist, sofern nicht zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, entgegenstehen.
Es obliegt dem nationalen Gericht, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Verbotes der Diskriminierung wegen des Alters zu gewährleisten, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht abgelaufen ist.
Rechtsanwalt
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Annotations
(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht, - 2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern, - 3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird, - 4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt, - 5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt, - 6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen, - 7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder - 8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.
(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.
(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
Ziel des Gesetzes ist, Teilzeitarbeit zu fördern, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge festzulegen und die Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten Arbeitnehmern zu verhindern.
(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht, - 2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern, - 3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird, - 4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt, - 5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt, - 6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen, - 7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder - 8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.
(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.
(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.