Erbrecht: Zum lebzeitigen Eigeninteresse des Erblassers an einer Schenkung
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Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an einer Schenkung kann auch dann vorliegen, wenn der Beschenkte ohne rechtliche Bindung Leistungen - etwa zur Betreuung im weiteren Sinne - übernimmt, tatsächlich erbringt und auch in der Zukunft vornehmen will.
Auf die Beschwerde des Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München -21. Zivilsenat - vom 21. März 2011 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Die Klägerin begehrt vom Beklagten, ihrem Bruder, Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück. Die Eltern der Parteien errichteten am 20. Februar 1986 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Erben einsetzten sowie bestimmten, Erben des Überlebenden von ihnen sollten ihre gemeinschaftlichen Kinder sein. Nach dem Tod des Vaters errichtete die Erblasserin, die Mutter der Parteien, am 18. Januar 2005 ein Testament mit folgendem Inhalt:
"Ich, Regina P. , vermache mein Haus mit Grundstück …
meinem Sohn Klaus P. . …
Meine Tochter Doris P. … hat als Erbvorauszahlung ab
18.12.1984 in bar einen Betrag von 172.300,- DM erhalten, Belege liegen bei.
Meine Tochter bekommt mein Bargeld auf meinem Sparkonto bei der Kreissparkasse. …"
Mit Vertrag vom 28. November 2006 übereignete die Erblasserin dem Beklagten das von ihr bewohnte Hausgrundstück, welches sie von ihren Eltern geerbt hatte. Die Überlassung an den Beklagten, der den Wert der ihm gemachten Zuwendung gemäß §§ 2050 ff. BGB nicht zur Ausgleichung bringen sollte, erfolgte unentgeltlich. § 3 Nr. 7 des Vertrages bestimmt ferner, dass weitere Gegenleistungen, insbesondere die Vereinbarung von Wart- und Pflegeleistungen, von den Vertragsteilen trotz Belehrung durch den Notar nicht gewünscht werden.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück, weil es sich um eine beeinträchtigende Schenkung gemäß § 2287 BGB handele. Der Beklagte hat Hilfswiderklage in Höhe von 42.610,53 € erhoben. Im Falle seiner Verurteilung stehe ihm jedenfalls ein Gegenanspruch auf Zahlung in Höhe des Wertes der hälftigen Schenkungen zu, die die Klägerin nach dem Tod des Vaters in den Jahren 1995 bis 2002 über insgesamt 39.706,06 € erhalten habe. Hinzu komme die Hälfte des Kontovermögens der Erblasserin von 45.515 €, welches an die Klägerin geflossen sei.
Das Landgericht hat der Klage und der Hilfswiderklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die nur vom Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Parteien seien als Erben zu gleichen Teilen bedacht worden. Die Einsetzung der gemeinschaftlichen Kinder sei nicht nur für den Vater, sondern auch für die Mutter der Parteien wechselbezüglich und damit bindend gewesen. Allein der Umstand, dass die Vermögensverhältnisse der Eltern der Parteien unterschiedlich gewesen seien und das Hausgrundstück der Mutter gehört habe, zwinge nicht zur Verneinung der Wechselbezüglichkeit. Der Klägerin stehe auch gemäß § 2287 BGB ein Anspruch auf Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils zu. Die Voraussetzungen für ein lebzeitiges Eigeninteresse der Mutter der Parteien an der Begünstigung des Beklagten lägen nicht vor, da in § 3 Nr. 7 des Vertrages ausdrücklich festgehalten worden sei, dass Wart- und Pflegeleistungen nicht gewünscht seien. Ob die Klägerin selbst Vorempfänge erhalten habe, sei im Rahmen des Anspruchs aus § 2287 BGB unerheblich. Sein Zweck sei es vielmehr, zunächst die Situation zu bereinigen, die durch die beeinträchtigende Schenkung entstanden sei.
Die Stattgabe der Klage ohne Beweisaufnahme verletzt den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise.
Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Wohnhausgrundstück gemäß § 2287 Abs. 1 i.V.m. §§ 818 ff. BGB zustehen könnte. Die Regelung ist auf wechselbezügliche letztwillige Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments, das nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten unwiderruflich geworden ist, entsprechend anzuwenden.
Ohne Erfolg greift der Beklagte hierbei die Feststellungen des Berufungsgerichts an, dass die Erbeinsetzung der Parteien durch die Erblasserin wechselbezüglich zu ihrer Erbeinsetzung durch ihren Ehemann i.S. von § 2270 Abs. 1 BGB ist. Zwar kann der Umstand, dass ein Ehegatte über ein wesentlich größeres Vermögen verfügt als der andere, bei der Auslegung dazu führen, dass die Schlusserbeneinsetzung durch den vermögenden Ehegatten nicht wechselbezüglich zu der Erbeinsetzung durch den vorverstorbenen vermögenslosen Ehegatten ist, weil der vermögende Ehegatte an der eigenen Erbeinsetzung durch seinen vermögenslosen Ehegatten häufig kein Interesse hat, sondern seine Freiheit behalten will, wen er als Schlusserben einsetzt.
Der Beklagte hat hierzu geltend gemacht, die Erblasserin sei Alleineigentümerin des Hausgrundstücks gewesen, während sonstiges wesentliches Kapitalvermögen der Eltern nicht vorhanden gewesen sei. Das Berufungsgericht hat die unterschiedlichen Vermögensverhältnisse der Eheleute aber durchaus gesehen. Ferner hat es erkannt, dass unterschiedliche Vermögensverhältnisse nicht ohne Weiteres dazu führen, dass die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung durch den vermögenden Ehegatten mit der eigenen Erbeinsetzung durch den vermögenslosen Ehegatten verneint werden müsste. Soweit sich das Berufungsgericht auf dieser Grundlage die Überzeugung gebildet hat, dass trotz unterschiedlicher Vermögensverhältnisse Wechselbezüglichkeit bestehe, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat hiergegen nichts Durchgreifendes vorgebracht.
Unter Verstoß gegen den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) hat das Berufungsgericht sodann allerdings ohne Beweisaufnahme angenommen, dass die Voraussetzungen für ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin an der Begünstigung des Beklagten nicht vorgelegen haben.
Gemäß § 2287 Abs. 1 BGB kann der Vertragserbe (bzw. bei einem gemeinschaftlichen Testament der Schlusserbe), nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat. Da die Benachteiligungsabsicht mit der Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, meist untrennbar verbunden ist, wäre sie - von Ausnahmefällen abgesehen - in einer solchen Lage praktisch immer gegeben. Dennoch greift die Vorschrift nicht zwangsläufig bei jeder Schenkung ein. Erforderlich ist vielmehr, dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat. Ein solcher Missbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte. Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Ein derartiges Interesse kommt etwa dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht oder wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will. Beweispflichtig für die Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe (Senatsurteil vom 23. September 1981).
Das Berufungsgericht hat hierzu lediglich ausgeführt, das Fehlen eines lebzeitigen Eigeninteresses ergebe sich aus der Regelung in § 3 Nr. 7 des Überlassungsvertrages, wonach Wart- und Pflegeleistungen nicht gewünscht seien. Hierbei verkennt es aber, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an einer Schenkung auch dann vorliegen kann, wenn der Beschenkte ohne rechtliche Bindung Leistungen - etwa zur Betreuung im weiteren Sinne - übernimmt, tatsächlich erbringt und auch in der Zukunft vornehmen will. Im Falle der Übernahme einer rechtlichen Verpflichtung zu Gegenleistungen handelt es sich hingegen bereits nicht mehr um eine Schenkung i.S. des § 2287 Abs. 1 BGB.
Hier hat der Beklagte im Einzelnen und unter Beweisantritt vorgetragen, dass er für die Erblasserin in den Jahren 1986 bis 2009 zahlreiche Leistungen erbracht habe, die er selbst mit einem Wert von 93.887,08 € bemisst. Hierbei geht es um den Winterdienst, Gartenpflege mit Rasenmähen, Heckenschnitt etc. sowie die monatliche Fahrt zum Großeinkauf im Zeitraum von 1986 bis Februar 2009, das wöchentliche Besorgen des Haushalts (Putzen, Staubsaugen, Betten abziehen) nach der Erkrankung der Erblasserin ab 2003, wöchentliche Einkäufe und Botengänge für die Erblasserin ab 2004 sowie die Übernahme sämtlicher Fahrdienste. Über den Umfang dieser von der Klägerin bestrittenen Leistungen des Beklagten und den hierzu mit der Erblasserin getroffenen Übereinkünften muss Beweis erhoben werden. Ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin kann insbesondere auch dann in Betracht kommen, wenn der Beschenkte sich um Haus, Garten, Einkäufe, Reinigung etc. kümmert, zumal die Erblasserin gerade ein Interesse daran hatte, dass sie in dem Haus wohnen bleiben kann und es als Familienbesitz erhalten wird.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse nicht zwingend für den gesamten Schenkungsgegenstand angenommen werden muss, sondern auch lediglich einen Teil der Schenkung zu rechtfertigen und insoweit einen Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsmacht auszuschließen vermag. Die sich dann stellende Frage, ob der Vertrags- bzw. Schlusserbe Übereignung des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung des Betrages verlangen kann, bis zu dem er die Schenkung hinnehmen muss, oder ob er nur Zahlung des Betrages beanspruchen kann, der dem Teilwert der Schenkung entspricht, ist entsprechend den Grundsätzen zu beantworten, die für die gemischte Schenkung entwickelt wurden (Senatsurteil vom 12. Juni 1980). Das geschenkte Grundstück kann hiernach nur bei entsprechender Zug-um-Zug-Leistung herausverlangt werden, wenn die Schenkung überwiegend nicht anzuerkennen ist, wenn also derjenige Wertanteil der Schenkung, der hinzunehmen ist, geringer wiegt als der nach § 2287 BGB auszugleichende überschießende Anteil. Hierbei ist allerdings keine rein rechnerische Gegenüberstellung des Wertes der vom Beklagten erbrachten Leistungen mit dem Wert des Grundstücks vorzunehmen. Vielmehr hat auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Leistungen noch in Zukunft erfolgen sollten und der Erblasser sich ihm erbrachte oder zu erbringende Leistungen "etwas kosten lassen darf", eine umfassende Gesamtabwägung zu erfolgen.
Sollte hiernach ein Anspruch der Klägerin in Betracht kommen, so ist dieser unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sie selbst Vorempfänge erhalten hat, die im Falle einer Nachlassauseinandersetzung nach §§ 2050 ff. BGB berücksichtigt werden müssten. Der Anspruch aus § 2287 BGB stellt einen rein persönlichen Anspruch des Vertrags- bzw. Schlusserben dar und fällt nicht in den Nachlass. Der Anspruch aus § 2287 BGB darf deshalb nicht in die Auseinandersetzung des Nachlasses hineingezogen werden. Insbesondere kann der Beschenkte die Herausgabe des Geschenks nicht mit der Begründung verweigern, dass der Vertrags bzw. Schlusserbe selbst Vorempfänge erhalten habe und nach § 2050 BGB ausgleichspflichtig sei. Derartige Ausgleichspflichten sind erst im Rahmen der Erbauseinandersetzung vorzunehmen und nicht vorweg beim Anspruch aus § 2287 BGB.
Das Berufungsgericht wird auch zu prüfen haben, ob eine etwaige Änderung des landgerichtlichen Urteils Auswirkungen auf die erhobene Hilfswiederklage haben kann.
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BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 212.750 €
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerin begehrt vom Beklagten, ihrem Bruder, Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück. Die Eltern der Parteien errichteten am 20. Februar 1986 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Erben einsetzten sowie bestimmten , Erben des Überlebenden von ihnen sollten ihre gemeinschaftlichen Kinder sein. Nach dem Tod des Vaters errichtete die Erblasserin, die Mutter der Parteien, am 18. Januar 2005 ein Testament mit folgendem Inhalt: "Ich, Regina P. , vermache mein Haus mit Grundstück … meinem Sohn Klaus P. . … Meine Tochter Doris P. … hat als Erbvorauszahlung ab 18.12.1984 in bar einen Betrag von 172.300,- DMerhalten, Belege liegen bei. Meine Tochter bekommt mein Bargeld auf meinem Sparkonto bei der Kreissparkasse. …"
- 2
- Mit Vertrag vom 28. November 2006 übereignete die Erblasserin dem Beklagten das von ihr bewohnte Hausgrundstück, welches sie von ihren Eltern geerbt hatte. Die Überlassung an den Beklagten, der den Wert der ihm gemachten Zuwendung gemäß §§ 2050 ff. BGB nicht zur Ausgleichung bringen sollte, erfolgte unentgeltlich. § 3 Nr. 7 des Vertrages bestimmt ferner, dass weitere Gegenleistungen, insbesondere die Vereinbarung von Wart- und Pflegeleistungen, von den Vertragsteilen trotz Belehrung durch den Notar nicht gewünscht werden.
- 3
- Die Klägerin verlangt vom Beklagten Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück, weil es sich um eine beeinträchtigende Schenkung gemäß § 2287 BGB handele. Der Beklagte hat Hilfswiderklage in Höhe von 42.610,53 € erhoben. Im Falle seiner Verurteilung stehe ihm jedenfalls ein Gegenanspruch auf Zahlung in Höhe des Wertes der hälftigen Schenkungen zu, die die Klägerin nach dem Tod des Vaters in den Jahren 1995 bis 2002 über insgesamt 39.706,06 € erhalten habe. Hinzu komme die Hälfte des Kontovermögens der Erblasserin von 45.515 €, welches an die Klägerin geflossen sei.
- 4
- Das Landgericht hat der Klage und der Hilfswiderklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die nur vom Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen.
- 5
- II. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Parteien seien als Erben zu gleichen Teilen bedacht worden. Die Einsetzung der gemeinschaftlichen Kinder sei nicht nur für den Vater, sondern auch für die Mutter der Parteien wechselbezüglich und damit bindend gewesen. Allein der Umstand, dass die Vermögensverhältnisse der Eltern der Parteien unterschiedlich gewesen seien und das Hausgrundstück der Mutter gehört habe, zwinge nicht zur Verneinung der Wechselbezüglichkeit. Der Klägerin stehe auch gemäß § 2287 BGB ein Anspruch auf Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils zu. Die Voraussetzungen für ein lebzeitiges Eigeninteresse der Mutter der Parteien an der Begünstigung des Beklagten lägen nicht vor, da in § 3 Nr. 7 des Vertrages ausdrücklich festgehalten worden sei, dass Wart- und Pflegeleistungen nicht gewünscht seien. Ob die Klägerin selbst Vorempfänge erhalten habe, sei im Rahmen des Anspruchs aus § 2287 BGB unerheblich. Sein Zweck sei es vielmehr, zunächst die Situation zu bereinigen, die durch die beeinträchtigende Schenkung entstanden sei.
- 6
- III. Die Stattgabe der Klage ohne Beweisaufnahme verletzt den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise.
- 7
- 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Wohnhausgrundstück gemäß § 2287 Abs. 1 i.V.m. §§ 818 ff. BGB zustehen könnte. Die Regelung ist auf wechselbezügliche letztwillige Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments, das nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten unwiderruflich geworden ist, entsprechend anzuwenden (Senatsurteil vom 26. November 1975 - IV ZR 138/74, BGHZ 66, 8, 15).
- 8
- Ohne Erfolg greift der Beklagte hierbei die Feststellungen des Berufungsgerichts an, dass die Erbeinsetzung der Parteien durch die Erblasserin wechselbezüglich zu ihrer Erbeinsetzung durch ihren Ehemann i.S. von § 2270 Abs. 1 BGB ist. Zwar kann der Umstand, dass ein Ehegatte über ein wesentlich größeres Vermögen verfügt als der andere, bei der Auslegung dazu führen, dass die Schlusserbeneinsetzung durch den vermögenden Ehegatten nicht wechselbezüglich zu der Erbeinsetzung durch den vorverstorbenen vermögenslosen Ehegatten ist, weil der vermögende Ehegatte an der eigenen Erbeinsetzung durch seinen vermögenslosen Ehegatten häufig kein Interesse hat, sondern seine Freiheit behalten will, wen er als Schlusserben einsetzt (RGZ 116, 148, 150; OLG Celle FamRZ 2003, 887, 888; OLG Brandenburg FamRZ 1999, 1541, 1543; BayObLG ZEV 1994, 362, 364; FamRZ 1984, 1154, 1155; OLG Hamm ZEV 1995, 146, 147; OLG Saarbrücken FamRZ 1990, 1285,
1286).
- 9
- Der Beklagte hat hierzu geltend gemacht, die Erblasserin sei Alleineigentümerin des Hausgrundstücks gewesen, während sonstiges wesentliches Kapitalvermögen der Eltern nicht vorhanden gewesen sei. Das Berufungsgericht hat die unterschiedlichen Vermögensverhältnisse der Eheleute aber durchaus gesehen. Ferner hat es erkannt, dass unterschiedliche Vermögensverhältnisse nicht ohne Weiteres dazu führen, dass die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung durch den vermögenden Ehegatten mit der eigenen Erbeinsetzung durch den vermögenslosen Ehegatten verneint werden müsste (vgl. OLG Hamm aaO; BayObLG aaO). Soweit sich das Berufungsgericht auf dieser Grundlage die Überzeugung gebildet hat, dass trotz unterschiedlicher Vermögensverhältnisse Wechselbezüglichkeit bestehe, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat hiergegen nichts Durchgreifendes vorgebracht.
- 10
- 2. Unter Verstoß gegen den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art.103 Abs. 1 GG) hat das Berufungsgericht sodann allerdings ohne Beweisaufnahme angenommen, dass die Voraussetzungen für ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin an der Begünstigung des Beklagten nicht vorgelegen haben.
- 11
- a) Gemäß § 2287 Abs. 1 BGB kann der Vertragserbe (bzw. bei einem gemeinschaftlichen Testament der Schlusserbe), nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertrags - bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat. Da die Benachteiligungsabsicht mit der Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, meist untrennbar verbunden ist, wäre sie - von Ausnahmefällen abgesehen - in einer solchen Lage praktisch immer gegeben (vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 1972 - IV ZR 125/70, BGHZ 59, 343, 350). Dennoch greift die Vorschrift nicht zwangsläufig bei jeder Schenkung ein. Erforderlich ist vielmehr, dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat. Ein solcher Missbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte (Senat aaO; ferner Senatsurteile vom 23. April 1986 - IVa ZR 97/85, FamRZ 1986, 980 unter III 3; vom 23. September 1981 - IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274, 282; vom 26. November 1975 aaO). Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint (Senatsurteil vom 12. Juni 1980 - IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264, 266). Ein derartiges Interesse kommt etwa dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht (Senatsurteile vom 27. Januar 1982 - IVa ZR 240/80, BGHZ 83, 44, 46; vom 23. September 1981 - IVa ZR 185/80, NJW 1982, 43 unter 3; vom 26. November 1975 aaO 16) oder wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will (Senatsurteile vom 27. Januar 1982 und vom 26. November 1975 je aaO). Beweispflichtig für die Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe (Senatsurteil vom 23. September 1981 aaO).
- 12
- b) Das Berufungsgericht hat hierzu lediglich ausgeführt, das Fehlen eines lebzeitigen Eigeninteresses ergebe sich aus der Regelung in § 3 Nr. 7 des Überlassungsvertrages, wonach Wart- und Pflegeleistungen nicht gewünscht seien. Hierbei verkennt es aber, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an einer Schenkung auch dann vorliegen kann, wenn der Beschenkte ohne rechtliche Bindung Leistungen - etwa zur Betreuung im weiteren Sinne - übernimmt, tatsächlich erbringt und auch in der Zukunft vornehmen will. Im Falle der Übernahme einer rechtlichen Verpflichtung zu Gegenleistungen handelt es sich hingegen bereits nicht mehr um eine Schenkung i.S. des § 2287 Abs. 1 BGB (vgl. Musielak in MünchKomm, BGB 5. Aufl. § 2287 Rn. 12, 18).
- 13
- Hier hat der Beklagte im Einzelnen und unter Beweisantritt vorgetragen , dass er für die Erblasserin in den Jahren 1986 bis 2009 zahlreiche Leistungen erbracht habe, die er selbst mit einem Wert von 93.887,08 € bemisst. Hierbei geht es um den Winterdienst, Gartenpflege mit Rasenmähen, Heckenschnitt etc. sowie die monatliche Fahrt zum Großeinkauf im Zeitraum von 1986 bis Februar 2009, das wöchentliche Besorgen des Haushalts (Putzen, Staubsaugen, Betten abziehen) nach der Erkrankung der Erblasserin ab 2003, wöchentliche Einkäufe und Botengänge für die Erblasserin ab 2004 sowie die Übernahme sämtlicher Fahrdienste. Über den Umfang dieser von der Klägerin bestrittenen Leistungen des Beklagten und den hierzu mit der Erblasserin getroffenen Übereinkünften muss Beweis erhoben werden. Ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin kann insbesondere auch dann in Betracht kommen , wenn der Beschenkte sich um Haus, Garten, Einkäufe, Reinigung etc. kümmert, zumal die Erblasserin gerade ein Interesse daran hatte, dass sie in dem Haus wohnen bleiben kann und es als Familienbesitz erhalten wird.
- 14
- c) Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse nicht zwingend für den gesamten Schenkungsgegenstand angenommen werden muss, sondern auch lediglich einen Teil der Schenkung zu rechtfertigen und insoweit einen Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsmacht auszuschließen vermag. Die sich dann stellende Frage, ob der Vertrags- bzw. Schlusserbe Übereignung des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung des Betrages verlangen kann, bis zu dem er die Schenkung hinnehmen muss, oder ob er nur Zahlung des Betrages beanspruchen kann, der dem Teilwert der Schenkung entspricht , ist entsprechend den Grundsätzen zu beantworten, die für die gemischte Schenkung entwickelt wurden (Senatsurteil vom 12. Juni 1980 aaO 271 f.). Das geschenkte Grundstück kann hiernach nur bei entsprechender Zug-um-Zug-Leistung herausverlangt werden, wenn die Schenkung überwiegend nicht anzuerkennen ist, wenn also derjenige Wertanteil der Schenkung, der hinzunehmen ist, geringer wiegt als der nach § 2287 BGB auszugleichende überschießende Anteil. Hierbei ist allerdings keine rein rechnerische Gegenüberstellung des Wertes der vom Beklagten erbrachten Leistungen mit dem Wert des Grundstücks vorzunehmen. Vielmehr hat auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Leistungen noch in Zukunft erfolgen sollten und der Erblasser sich ihm erbrachte oder zu erbringende Leistungen "etwas kosten lassen darf", eine umfassende Gesamtabwägung zu erfolgen (OLG Oldenburg FamRZ 1992, 1226, 1227; Palandt/Weidlich, BGB 70. Aufl. § 2325 Rn. 9).
- 15
- 3. Sollte hiernach ein Anspruch der Klägerin in Betracht kommen, so ist dieser unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sie selbst Vorempfänge erhalten hat, die im Falle einer Nachlassauseinandersetzung nach §§ 2050 ff. BGB berücksichtigt werden müssten. Der Anspruch aus § 2287 BGB stellt einen rein persönlichen Anspruch des Vertrags - bzw. Schlusserben dar und fällt nicht in den Nachlass (vgl. Senatsurteile vom 4. März 1992 - IV ZR 309/90, FamRZ 1992, 665 unter 3 d; vom 21. Juni 1989 - IVa ZR 302/87, NJW 1989, 2389 unter 4; vom 28. September 1983 - IVa ZR 168/82, BGHZ 88, 269, 271; vom 3. Juli 1980 - IVa ZR 38/80, BGHZ 78, 1, 3). Der Anspruch aus § 2287 BGB darf deshalb nicht in die Auseinandersetzung des Nachlasses hineingezogen werden. Insbesondere kann der Beschenkte die Herausgabe des Geschenks nicht mit der Begründung verweigern, dass der Vertrags- bzw. Schlusserbe selbst Vorempfänge erhalten habe und nach § 2050 BGB ausgleichspflichtig sei. Derartige Ausgleichspflichten sind erst im Rahmen der Erbauseinandersetzung vorzunehmen und nicht vorweg beim Anspruch aus § 2287 BGB.
- 16
- IV. Das Berufungsgericht wird auch zu prüfen haben, ob eine etwaige Änderung des landgerichtlichen Urteils Auswirkungen auf die erhobene Hilfswiederklage haben kann.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 09.09.2010- 3 O 764/10 -
OLG München, Entscheidung vom 21.03.2011 - 21 U 4730/10 -
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.
(2) Die Verjährungsfrist des Anspruchs beginnt mit dem Erbfall.
(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.
(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.
(3) Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts findet Absatz 1 keine Anwendung.
(1) Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.
(2) Die Verjährungsfrist des Anspruchs beginnt mit dem Erbfall.
(1) Abkömmlinge, die als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen, sind verpflichtet, dasjenige, was sie von dem Erblasser bei dessen Lebzeiten als Ausstattung erhalten haben, bei der Auseinandersetzung untereinander zur Ausgleichung zu bringen, soweit nicht der Erblasser bei der Zuwendung ein anderes angeordnet hat.
(2) Zuschüsse, die zu dem Zwecke gegeben worden sind, als Einkünfte verwendet zu werden, sowie Aufwendungen für die Vorbildung zu einem Beruf sind insoweit zur Ausgleichung zu bringen, als sie das den Vermögensverhältnissen des Erblassers entsprechende Maß überstiegen haben.
(3) Andere Zuwendungen unter Lebenden sind zur Ausgleichung zu bringen, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung angeordnet hat.
(1) Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.
(2) Die Verjährungsfrist des Anspruchs beginnt mit dem Erbfall.