Erbrecht: Erbausschlagung wegen befürchteter Nachlass-Überschuldung kann nicht angefochten werden
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Das musste sich ein Erbe vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf sagen lassen. Weil er damals keine genauen Informationen über den Umfang der Erbschaft hatte, hatte er zunächst sicherheitshalber das Erbe ausgeschlagen. Als sich dies später als Fehler herausstellte, wollte er seine Ausschlagung anfechten und die Erbschaft doch antreten.
Dem schob das OLG jedoch einen Riegel vor. In seiner Entscheidung wies es den Erben darauf hin, dass er sich bei einer Unklarheit über die Höhe des Nachlasses vorab genau informieren müsse. Er müsse genau erforschen, um welche Größenordnung es sich bei dem Nachlass tatsächlich handele. Erst dann könne er entscheiden, ob er die Erbschaft ausschlage. Unterlasse er eine solche Prüfung, sei die Ausschlagungserklärung offenbar nur anhand von Spekulationen getroffen worden. Eine „Fehlspekulation“ könne jedoch nicht angefochten werden (OLG Düsseldorf, I-3 Wx 21/11).
Die Entscheidung im einzelnen lautet:
OLG Düsseldorf: Beschluss vom 31.01.2011 (Az: I-3 Wx 21/11, 3 Wx 21/11)
Schlägt ein Erbe auf der Grundlage ungenauer zeitferner Informationen die Erbschaft aus, weil er „befürchtet, dass da nur Schulden sind“, so kann er, wenn sich später die Werthaltigkeit des Nachlasses herausstellt, seine Ausschlagungserklärung nicht wegen Irrtums anfechten.
Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.
Gründe:
Der am ... 1969 verstorbene Vater der Beteiligten zu 3 war mit der Erblasserin verheiratet. Er hatte mit dieser unter dem 30. Dezember 1957 vor dem Notar Dr. S. in M. einen Erbvertrag geschlossen, in dem die Ehegatten sich wechselseitig zu alleinigen Erben bestimmten und darüber hinaus vereinbarten, dass die Beteiligte zu 3 den Überlebenden beerben sollte.
Die Erblasserin hinterließ ein privatschriftliches Testament, wonach sie die Beteiligte zu 4 zu 1/2 und die Beteiligten zu 1 und 2 zu je 1/4 beerben.
Mit notarieller Erklärung vom 17. Juni 2008 haben die Beteiligte zu 3 und ihre beiden Kinder die Erbschaft nach ihrer verstorbenen Stiefmutter, der Erblasserin, ausgeschlagen, weil der Nachlass überschuldet zu sein scheine.
Durch notarielle Erklärung vom 25. Juni 2009 hat die Beteiligte zu 3 ihre Ausschlagung angefochten, da sie eine Gerichtskostenrechnung erhalten habe, wonach ein Wert von 75.663,- Euro zugrunde gelegt worden sei, und sie demnach irrtümlich von einer Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei.
Das Amtsgericht - Nachlassgericht - hat unter dem 06. Dezember 2010 den Antrag der Beteiligten zu 3 auf Erteilung eines Erbscheins des Inhalts, dass sie die Erblasserin allein beerbe, zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt,
durch die notarielle Erklärung vom 17. Juni 2008 habe die Beteiligte zu 3 gegenüber dem Nachlassgericht wirksam die Erbschaft nach ihrer verstorbenen Stiefmutter ausgeschlagen.
Die am 25. Juni 2009 nach §§ 1954, 1955, 1945 BGB form- und fristgerecht erklärte Anfechtung der Ausschlagung greife nicht durch, da ein Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 BGB nicht dargetan sei. Die Beteiligte zu 3 mache geltend, sie habe bei der Ausschlagung irrtümlich die Überschuldung des Nachlasses angenommen. Die Überschuldung des Nachlasses sei eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB. Ein Irrtum hierüber könne zur Anfechtung der Ausschlagung dann berechtigen, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung des Nachlasses auf unrichtigen Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hinsichtlich des Bestandes an Aktiva und Passiva beruhe. In ihrem Schreiben vom 07. Oktober 2010 habe die Beteiligte zu 3 ausgeführt, das sie gewisse Vorstellungen über das Vermögen ihres vorverstorbenen Vaters und das Vermögen der Erblasserin gehabt habe. Danach sei ihre Stiefmutter auf öffentliche Unterstützung angewiesen gewesen; ihr vorverstorbener Vater sei schwer krank und berufsunfähig gewesen; das Elternhaus habe veräußert werden müssen. Sie, die Beteiligte zu 3, habe daher den Nachlass für überschuldet gehalten und die Erbschaft deshalb ausgeschlagen.
Die Entscheidung zur Ausschlagung sei demnach nicht aufgrund einer Bewertung der Beteiligten zu 3 bekannter und zugänglicher Fakten entstanden. Die Ausschlagung beruhe somit nicht auf konkreten Tatsachen, die Beteiligte zu 3 habe sich vielmehr ohne Überprüfung von der Annahme leiten lassen, der Nachlass sei überschuldet. Hiernach liege ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum nicht vor und sei das Gesuch der Beteiligten zu 3 um Ausstellung eines sie als Alleinerbin nach ihrer Stiefmutter ausweisenden Erbscheins zurückzuweisen.
Hiergegen beschwert sich die Beteiligte zu 3 und macht geltend, sie habe ihre Befürchtung hinsichtlich der Überschuldung des Nachlasses auf konkrete Tatsachen - soweit ihr bekannt - gestützt. Wegen einer gewissen Entfernung zur Erblasserin seien diese Informationen allerdings, wie sich erst später herausgestellt habe, nur schemenhaft gewesen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte dem Senat vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Das gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1; 63 Abs. 1 FamFG als Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 3 hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Nachlassgericht hat der Beteiligten zu 3 die Erteilung des Erbscheins zu Recht versagt, weil diese die Erbschaft nach ihrer verstorbenen Stiefmutter mit notarieller Erklärung vom 17. Juni 2008 gegenüber dem Nachlassgericht wirksam ausgeschlagen hat und die am 25. Juni 2009 erklärte Anfechtung der Ausschlagung mangels eines Irrtums über das Vorhandensein einer Überschuldung (§ 119 Abs. 2 BGB) nicht greift.
Objektiv erhebliche und ursächliche Fehlvorstellungen über verkehrswesentliche Eigenschaften des Nachlasses begründen die Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft nach § 119 Abs. 2 BGB.
Die Überschuldung des Nachlasses ist eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses. Fehlvorstellungen darüber, dass die Verbindlichkeiten den Wert des Nachlasses übersteigen, sind aber nur relevant, wenn sie auf unrichtigen Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses beruhen.
Hält demnach der Ausschlagende die nicht überschuldete Erbschaft für überschuldet, besteht, sofern der Irrtum kausal war, ein Anfechtungsgrund. Der Irrtum muss nach § BGB § 119 BGB subjektiv und, anders als nach § 2078 BGB, auch objektiv erheblich gewesen sein.
Ergibt die Auslegung der Ausschlagungserklärung, dass dem Erben die etwaige Höhe seines erbrechtlichen Erwerbs gleichgültig war, so kann er nicht wegen irrtümlich angenommener Überschuldung anfechten.
Dies vorausgeschickt, hat das Nachlassgericht die Wirksamkeit der Anfechtung der Erbausschlagung zu Recht mangels Irrtums (§ 119 Abs. 2 BGB) nicht als durchgreifend angesehen.
Die Beteiligte zu 3 hatte zum Zeitpunkt der Abgabe ihrer notariellen Erklärung der Erbschaftsausschlagung am 17. Juni 2008 die Vorstellung: „Der Nachlass scheint überschuldet zu sei.“ Diese Befürchtung leitete sie aus Informationen ab, dass ihr Vater krebskrank und nicht mehr voll erwerbstätig, ihre Stiefmutter auf öffentliche Unterstützung angewiesen gewesen sei und das Elternhaus 1989/1990 habe verkauft werfen müssen, weil die Erblasserin es sich ihren damaligen Erklärungen zufolge nicht mehr habe leisten können.
Die Beteiligte zu 3 hätte mit Blick auf diese ungenauen zeitfernen Informationen Anlass gehabt, sich zu informieren, um welche Größenordnung es sich bei dem Nachlass tatsächlich handelte, um sodann zu entscheiden, ob sie die Erbschaft annehmen oder ausschlagen sollte.
Dass sie dies nicht getan hat, lässt in Verbindung mit ihrer zur Begründung der Anfechtung gegebenen Erklärung, sie habe „befürchtet, dass da nur Schulden sind“, nur den Schluss zu, dass die Beteiligte zu 3 ihre Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, anhand von Spekulationen darüber getroffen hat, ob der Antritt der Erbschaft sich wohl „lohne”. Sie hat die Erbschaft für womöglich („befürchtet”) überschuldet und damit für wirtschaftlich uninteressant, möglicherweise wertlos gehalten. Nicht indes folgt hieraus, dass die Beteiligte zu 3 aufgrund der Bewertung ihr bekannter bzw. zugänglicher aktueller Fakten zu dem Entschluss gelangt ist, die Erbschaft sei überschuldet, und es sei deshalb tunlich, dieselbe auszuschlagen. Ihre Einschätzung, der Nachlass sei womöglich („befürchtet, dass da nur Schulden sind“) überschuldet, schließt auch die Variante eines nicht überschuldeten jedoch nicht besonders lukrativen Nachlasses ein.
Hiernach kann - weitere Aufklärungsansätze ( §§ 26, 27 FamFG) sind insoweit nicht erkennbar - nicht als festgestellt gelten, dass die Beteiligte zu 3 sich bei ihrer mit Hilfe eines Notars abgegebenen Erklärung der Ausschlagung des Nachlasses von der - irrtümlichen - Annahme einer Überschuldung hat leiten lassen. Die Feststellungslast trifft die Beteiligte zu 3 als Antragstellerin weil sie mit der Anfechtung der Ausschlagung die günstige Folge einer Erbenstellung erstrebt.
Im Übrigen wird auf die in den wesentlichen Punkten zutreffende Darstellung des Amtsgerichts im angefochten Beschluss Bezug genommen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 84 FamFG.
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Annotations
(1) Ist die Annahme oder die Ausschlagung anfechtbar, so kann die Anfechtung nur binnen sechs Wochen erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der Anfechtbarkeit wegen Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört, in den übrigen Fällen mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210, 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.
(4) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Annahme oder der Ausschlagung 30 Jahre verstrichen sind.
Die Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Für die Erklärung gelten die Vorschriften des § 1945.
(1) Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht; die Erklärung ist zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben.
(2) Die Niederschrift des Nachlassgerichts wird nach den Vorschriften des Beurkundungsgesetzes errichtet.
(3) Ein Bevollmächtigter bedarf einer öffentlich beglaubigten Vollmacht. Die Vollmacht muss der Erklärung beigefügt oder innerhalb der Ausschlagungsfrist nachgebracht werden.
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
(1) Eine letztwillige Verfügung kann angefochten werden, soweit der Erblasser über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte und anzunehmen ist, dass er die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage nicht abgegeben haben würde.
(2) Das Gleiche gilt, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist.
(3) Die Vorschrift des § 122 findet keine Anwendung.
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.