Bundesgerichtshof verneint Entschädigungsanspruch für Scheingewinne nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz

published on 16/12/2010 21:03
Bundesgerichtshof verneint Entschädigungsanspruch für Scheingewinne nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz
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BGH-Urteil vom 23.11.2010 - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 23.11.2010 (Aktenzeichen XI ZR 26/10) Ansprüche von Anlegern gegen die Entschädigungseinrichtung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz auf Zahlung von so genannten Scheingewinnen abgelehnt.

Hierzu Pressemitteilung des BGH Nr. 226/2010 vom 23.11.2010:

Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat entschieden, dass ein Kapitalanleger gegen die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen im Falle der Insolvenz eines Wertpapierhandelsunternehmens keinen Anspruch auf Zahlung von Scheingewinnen hat, die das Unternehmen in Kontoauszügen oder Saldenbestätigungen ausgewiesen hatte.

In dem zugrunde liegenden Fall nimmt der Kläger die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz in Anspruch. Der Kläger beteiligte sich im September 1999 mit einem Anlagebetrag von 38.461,54 DM zuzüglich eines 4%-igen Agios in Höhe von 1.538,46 DM an dem Phoenix Managed Account, einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung von insgesamt ca. 30.000 Anlegern verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand die Anlage der Kundengelder in Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken war. Spätestens seit 1998 legte die Phoenix Kapitaldienst GmbH jedoch nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Geldern vertragsgemäß in Termingeschäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet. Auf diese Weise erhielt auch der Kläger in der Folgezeit Auszahlungen über insgesamt 19.304,88 €. Dem Kläger wurden monatliche Kontoauszüge übermittelt, wobei der ihm zuletzt zugegangene Kontoauszug zum 28. Februar 2005 einen Kontostand von 7.571,76 € aufwies, obwohl tatsächlich keine Gewinne erwirtschaftet worden waren. Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen der Phoenix Kapitaldienst GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März 2005 den Entschädigungsfall fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen der Phoenix Kapitaldienst GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten auf der Grundlage des letzten Kontoauszuges und nach Abzug des gesetzlichen Selbstbehalts von 10% eine Entschädigungsleistung von 6.814,58 €.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat der Revision des Klägers nur zu einem geringen Teil stattgegeben und die Klage nur in Höhe der Differenz zwischen der Nettoanlagesumme und den Auszahlungen sowie nach Abzug des Selbstbehalts von 10% für begründet erachtet. Einen darüber hinausgehenden Anspruch hat der XI. Zivilsenat dagegen verneint. Die von der Phoenix Kapitaldienst GmbH erstellten Kontoauszüge und Saldenbestätigungen stellen bereits keine abstrakten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnisse dar, die Grundlage eines Entschädigungsanspruchs sein könnten. Darüber hinaus hat der Senat aber auch einen Entschädigungsanspruch im Hinblick auf die in den Kontoauszügen ausgewiesenen Scheingewinne aus grundsätzlichen Erwägungen verneint. Weder dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 Satz 1 des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes* noch den Gesetzesmaterialien oder der Anlegerentschädigungsrichtlinie 97/9/EG vom 3. März 1997 lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Entschädigungsanspruch auch Scheingewinne umfassen soll.

Urteil vom 23. November 2010 - XI ZR 26/10

KG Berlin - Urteil vom 06. Januar 2010 - 26 U 240/08

LG Berlin - Urteil vom 01. Oktober 2008 - 4 O 297/08

Karlsruhe, den 23. November 2010

*§ 1 Abs. 4 Satz 1 des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes lautet:

Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften im Sinne dieses Gesetzes sind die Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden.



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published on 23/11/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 26/10 Verkündet am: 23. November 2010 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR
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11/10/2012 15:11

Rechtsanwalt für Bankrecht und Kapitalmarktrecht - BSP Rechtsanwälte in Berlin Mitte
SubjectsAnlegerrecht
01/04/2011 23:07

Anwalt für Bankrecht und Kapitalmarktrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
SubjectsAnlegerrecht
01/04/2011 22:52

Anwalt für Bankrecht und Kapitalmarktrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
SubjectsAnlegerrecht
16/05/2010 17:56

Anwalt für Bankrecht und Kapitalmarktrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
SubjectsAnlegerrecht
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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 26/10 Verkündet am:
23. November 2010
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Scheingewinne, die von einem der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen
zugeordneten Institut in Kontoauszügen oder Saldenbestätigungen
ausgewiesen werden, sind nicht entschädigungsfähig ("Phoenix").
BGH, Urteil vom 23. November 2010 - XI ZR 26/10 - KG Berlin
LG Berlin
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, die
Richterin Mayen und die Richter Dr. Grüneberg, Maihold und Pamp

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 6. Januar 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Zahlungsklage in Höhe von 324,18 € nebst Zinsen zurückgewiesen hat. Das Urteil wird insgesamt wie folgt neu gefasst: Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 4 des Landgerichts Berlin vom 1. Oktober 2008 wie folgt abgeändert : Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 324,18 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Juli 2008 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehenden Rechtsmittel des Klägers werden zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 95% und die Beklagte zu 5%.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungsund Anlegerentschädigungsgesetz (im Folgenden: EAEG) in Anspruch.
2
Der Kläger beteiligte sich im September 1999 mit einem Anlagebetrag von 38.461,54 DM zuzüglich eines 4%-igen Agios in Höhe von 1.538,46 DM an dem Phoenix Managed Account (im Folgenden: Beteiligung), einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH (im Folgenden: P. GmbH) im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung der Anleger verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand nach Nummer 1.4 der in den Geschäftsbesorgungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Anlage der Kundengelder in "Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften" war. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sahen ferner in Nummer 5.2 vor, dass der Kunde zum Ende eines jeden Monats eine Übersicht über die Entwicklung und den Wert seiner Beteiligung erhalten sollte, und bestimmten in Nummer 5.3, dass der Kunde auf Verlangen ein Doppel der Übersicht zum Zwecke des Einverständnisses an die P. GmbH zurückzusenden hatte.
3
Die P. GmbH war bis Ende 1997 auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt tätig. Ab dem 1. Januar 1998 wurde sie als Wertpapierhandelsbank eingestuft und der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel unterstellt. Spätestens seit jenem Jahr legte die P. GmbH nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Be- triebskosten verwendet. Auf diese Weise erhielt auch der Kläger in den Jahren 2000 bis 2004 Auszahlungen über insgesamt 19.304,88 €.
4
Dem Kläger wurden ab Oktober 1999 monatliche Kontoauszüge übermittelt. Unter anderem wiesen die mit Schreiben vom 19. Oktober 2004 übersandte "Saldenbestätigung" zum 31. August 2004 einen Kontostand von 9.799,01 € und der - dem Kläger zuletzt zugegangene - Kontoauszug zum 28. Februar 2005 einen Kontostand von 7.571,76 € auf, obwohl tatsächlich keine Gewinne erwirtschaftet worden waren und der Wert der Beteiligung des Klägers - was zwischen den Parteien unstreitig ist - zum 30. September 2004 auf Null gesunken war. Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen der P. GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März 2005 den Entschädigungsfall fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen der P. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
5
Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten auf der Grundlage des letzten Kontoauszuges und nach Abzug des Selbstbehalts von 10% eine Entschädigungsleistung von 6.814,58 € nebst Zinsen. Er macht geltend, dem Kontoauszug komme die Wirkung eines abstrakten Schuldanerkenntnisses zu. Hilfsweise stützt er die Klageforderung auf die Saldenbestätigung zum 31. August 2004, wobei er insoweit eine im September 2004 erfolgte Auszahlung von 2.500 € in Abzug bringt. Weiter hilfsweise begehrt er so gestellt zu werden, als wenn er die Beteiligung nicht gezeichnet hätte, und beansprucht Zahlung der Differenz zwischen der Beteiligungssumme einschließlich Agio abzüglich Ausschüttungen, mithin 1.146,80 €, hilfsweise hierzu den Differenzbetrag der Beteiligungssumme ohne Agio abzüglich Ausschüttungen, mithin 360,20 €.
6
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision ist zu einem geringen Teil begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Zahlungsklage des Klägers in Höhe von 324,18 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist. Insoweit ist der Klage stattzugeben.

I.

8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (Kammergericht , Urteil vom 6. Januar 2010 - 26 U 240/08, juris) im Wesentlichen ausgeführt:
9
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Entschädigungsanspruch aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zu. Es bestehe keine Verbindlichkeit der P. GmbH aus einem Wertpapiergeschäft im Sinne des § 1 Abs. 4 EAEG in der - hier anzuwendenden - seit dem 1. Juli 2002 geltenden Fassung. In der Übersendung der ein Guthaben ausweisenden Kontoauszüge liege kein abstraktes Schuldanerkenntnis der P. GmbH. Zudem könne ein aus einem abstrakten Schuldanerkenntnis abgeleiteter Zahlungsanspruch des Klägers gegen die P. GmbH auch keinen Anspruch gegen die Beklagte begründen, weil es sich dabei gerade nicht um eine Verbindlichkeit aus einem Wertpapiergeschäft handele. Soweit dem Kläger gegen die P. GmbH wegen der vertragswidrigen Nichtausführung von Wertpapiergeschäften bzw. der vertragswidrigen Verwendung des Anlagebetrages ein Schadensersatzanspruch zustehe, falle dieser ebenfalls nicht unter § 1 Abs. 4 EAEG. Als entschädigungsberechtigter Hauptanspruch könne lediglich ein Anspruch auf Auszahlung tatsächlich vorhandener Guthaben oder Herausgabe von für den Anleger verwahrter Wertpapiere angesehen werden; der Wert der Beteiligung des Klägers sei jedoch bei Eintritt des Entschädigungsfalles auf Null gesunken. Dagegen würden Schadensersatz-, Rückabwicklungs - oder Bereicherungsansprüche, die nur im Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis stünden, von § 1 Abs. 4 EAEG nicht erfasst. Schließlich könne der Kläger auch nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre die P. GmbH bis zur Feststellung des Entschädigungsfalles ihren vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen; in diesem Fall wären die monatlichen Verwaltungsgebühren von 0,5% in Abzug zu bringen, die sich bei der Laufzeit der Anlage von mehr als fünf Jahren auf über 30% des Anlagebetrages summiert hätten.

II.

10
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen Entschädigungsanspruch des Klägers aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG in Höhe von 324,18 € nebst Zinsen verneint.
11
1. Die P. GmbH, ein unter anderem mit Finanzkommissionsgeschäften befasstes Kreditinstitut (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG), war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein der beklagten Entschädigungseinrichtung zugeordnetes Institut (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EAEG). Den Ein- tritt des Entschädigungsfalles hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gemäß § 1 Abs. 5, § 5 Abs. 1 EAEG festgestellt.
12
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bestand auch eine Verbindlichkeit der P. GmbH gegenüber dem Kläger aus Wertpapiergeschäften.
13
a) Zwischen dem Kläger und der P. GmbH ist, wie auch die Revisionserwiderung nicht in Zweifel zieht, ein Geschäftsbesorgungsvertrag über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (hier: Derivate, § 1 Abs. 11 Sätze 1 und 4 KWG) im eigenen Namen für fremde Rechnung geschlossen worden. Dabei handelt es sich um Finanzkommissionsgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG (ebenso BVerwGE 116, 198, 200 ff. = WM 2002, 1919, 1921 f. zu dem gleichlautenden § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG) und somit um Wertpapiergeschäfte nach § 1 Abs. 3 EAEG.
14
b) Es bestand auch eine Verbindlichkeit der P. GmbH gegenüber dem Kläger aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag.
15
aa) Maßgebend ist insoweit § 1 Abs. 4 EAEG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010). Der gesetzliche Entschädigungsanspruch nach § 3 EAEG entsteht erst im Entschädigungsfall und nicht bereits im Zeitpunkt der Kapitalanlage. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 1 EAEG setzt der Anspruch auf Entschädigung den Entschädigungsfall voraus. Gemäß § 4 Abs. 3 EAEG ist für die Berechnung der Höhe des Entschädigungsanspruchs der Zeitpunkt des Eintritts des Entschädigungsfalles zugrunde zu legen. Für die Prüfung der Voraussetzungen des Entschädigungsfalles und des Umfangs des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs kommt es daher - wovon auch das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist - auf die Sach- und Rechtslage bei Eintritt des Entschädigungsfalles an. Die Anwendung des § 1 Abs. 4 EAEG aF würde vorliegend allerdings zu keinem abweichenden Ergebnis führen (siehe unten zu II 2 b bb (1) (c)).
16
bb) Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Soweit nach § 1 Abs. 4 Satz 2 EAEG hierzu auch Ansprüche von Anlegern auf Herausgabe von Instrumenten gehören, dessen Eigentümer diese sind und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten oder verwahrt werden, ist diese Vorschrift vorliegend nicht einschlägig, weil die P. GmbH keine solchen Instrumente, d.h. Finanzinstrumente im Sinne des § 1 Abs. 11 KWG, für den Kläger gehalten oder verwahrt hat. Insbesondere ist die Beteiligung des Klägers selbst kein solches Finanzinstrument.
17
(1) Entgegen der Revision schuldete die P. GmbH dem Kläger aus Wertpapiergeschäften nicht 7.571,76 €. Der von der P. GmbH übersandte Kontoauszug vom 28. Februar 2005, der einen entsprechenden Betrag auswies, begründete keinen Anspruch des Klägers gegen die P. GmbH aus einem abstrakten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis.
18
(a) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der von der Revision angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der sich die Gutschrift auf einem Girokonto als abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis einer Bank gegenüber dem Kunden darstellt (BGH, Urteile vom 25. Januar 1988 - II ZR 320/87, BGHZ 103, 143, 146, vom 11. Oktober 1988 - XI ZR 67/88, BGHZ 105, 263, 269, vom 16. April 1991 - XI ZR 68/90, WM 1991, 1152 und vom 21. Januar 1999 - I ZR 158/96, WM 1999, 864, 866). Der Kunde erwirbt mit der Gutschrift danach einen unmittelbaren Anspruch auf Auszahlung des Betra- ges. Ein zwischen dem Kläger und der P. GmbH geschlossener Girovertrag fehlt hier jedoch. Auf andere Rechtsbeziehungen lassen sich die vorgenannten Grundsätze, die insbesondere dem Bedürfnis erhöhter Rechtssicherheit im bargeldlosen Zahlungsverkehr dienen, nicht ohne weiteres übertragen (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2004 - XI ZR 361/03, BGHZ 161, 273, 278 f. mwN).
19
(b) Ein Anspruch des Klägers aus einem abstrakten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis der P. GmbH lässt sich auch nicht mit Hilfe anderer Erwägungen bejahen. Ein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis im Sinne der §§ 780, 781 BGB liegt vor, wenn der Versprechende oder Anerkennende eine selbständige, von den zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen losgelöste Verpflichtung übernimmt (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Dezember 2004 - XI ZR 361/03, BGHZ 161, 273, 279 mwN). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist ausgehend vom Wortlaut der Erklärung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere ihres Anlasses und ihres Zwecks sowie der Interessenlage beider Seiten, durch Auslegung zu ermitteln (BGH, aaO).
20
Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht ein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis zu Recht verneint. Der Kläger konnte die Übersendung des ein Guthaben von 7.571,76 € ausweisenden Kontoauszugs vom 28. Februar 2005 nicht als Übernahme einer selbständigen Zahlungsverpflichtung durch die P. GmbH verstehen. Der Kontoauszug lässt bereits nach seinem Inhalt nicht hinreichend erkennen, dass die P. GmbH darin erklären wollte, den genannten Betrag dem Kläger auf jeden Fall auch ohne nachvollziehbare Abrechnung der zugrunde liegenden Wertpapiergeschäfte zu schulden. Vielmehr erschöpft sich die Aussagekraft des Kontoauszugs in der schlichten Information über den aktuellen Saldo und stellt eine bloße Wissenserklä- rung dar, mit welcher der Kunde von den Buchungen auf seinem Konto unterrichtet wird.
21
Eine weitergehende Rechtswirkung des Auszugs hätte auch der beiderseitigen Interessenlage nicht entsprochen. Für die P. GmbH bestand keine Veranlassung , über den sich aus dem Beteiligungsvertrag ergebenden Gewinnbeteiligungsanspruch hinaus eine selbständige Zahlungsverpflichtung zu übernehmen. Die Interessen des Klägers waren durch die ihm zustehenden Informationsrechte nach Nummer 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und den Anspruch auf Ergebnisbeteiligung nach Nummer 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie die gegebenenfalls hinzutretenden Ansprüche auf Auskunft und Rechenschaftslegung nach § 384 Abs. 2 Halbsatz 2 Fall 1 HGB bzw. § 675 Abs. 1, § 666 BGB sowie auf Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten gemäß § 384 Abs. 2 Halbsatz 2 Fall 2 HGB bzw. § 675 Abs. 1, § 667 Fall 2 BGB gewahrt. Entgegen der Revision ergibt sich aus der Regelung in Nummer 5.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach auf Verlangen der P. GmbH vom Kunden ein Doppel der Kontoübersicht zum Zwecke des Einverständnisses zu unterschreiben und an die P. GmbH zurückzusenden war, nichts anderes; eine solche Einverständniserklärung zielte - insbesondere auch im Zusammenspiel mit dem Kündigungsrecht der P. GmbH nach Nummer 12.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ungeachtet der Frage der rechtlichen Wirksamkeit - offensichtlich nur auf eine Entlastung der P. GmbH im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrages.
22
(c) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht einen Entschädigungsanspruch des Klägers auf der Grundlage des Kontoauszugs vom 28. Februar 2005 auch deshalb zu Recht verneint, weil dieser - unstreitig - Scheingewinne ausgewiesen hat und es sich bei dem vermeintlichen Anspruch des Klägers auf Auszahlung solcher Gewinne bzw. aus einem auf einer solchen Grundlage ab- gegebenen abstrakten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis nicht um eine Verbindlichkeit der P. GmbH aus Wertpapiergeschäften im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG handelt.
23
Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften , wie bereits erwähnt, Verpflichtungen eines Instituts auf Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Scheingewinne werden davon schon dem Wortlaut nach nicht erfasst.
24
Diese Einschränkung des Schutzbereichs entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Nach der Gesetzesbegründung zur bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung des § 1 Abs. 4 EAEG sollen in den Schutzbereich der Norm nur solche Verpflichtungen aus Wertpapiergeschäften fallen, die zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten gehören, nicht dagegen beispielsweise Schadensersatzansprüche aus Beratungsfehlern (BT-Drucks. 13/10188, S. 16). Mit der Neufassung des § 1 Abs. 4 EAEG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010) sollten nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen redaktionelle Unklarheiten des Normtextes beseitigt werden (vgl. BT-Drucks. 14/8017, S. 69 f.), die den Schutzbereich der Vorschrift unberührt gelassen, insbesondere nicht erweitert haben. Wenngleich die Unterscheidung zwischen Hauptleistungspflichten und Schadensersatzansprüchen aus Beratungsfehlern im Hinblick darauf zweifelhaft ist, dass auch die Beratungsleistung eine vertragliche Hauptleistungspflicht darstellen kann, ist das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel klar. Geschützt werden nur solche Ansprüche des Anlegers, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richten. Dazu gehören auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten, durch die - wie etwa im Falle der Unterschlagung oder Untreue - die Ansprüche des Kunden auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren vereitelt werden (vgl. Dreymann/Schnatmeyer, Das Einlagensicherungsund Anlegerentschädigungsgesetz, 2000, S. 67 f.; Fischer in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, 3. Aufl., § 23a Rn. 5; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 25 Rn. 109). Der Ersatz (tatsächlich) entgangenen Gewinns oder der Ausgleich von Verlusten, die aufgrund einer fehlerhaften Anlagestrategie entstanden sind, unterfallen daher nicht dem Schutz des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes. Erst recht wird der vermeintliche Anspruch auf die Auszahlung von Scheingewinnen nicht geschützt.
25
Eine solche Eingrenzung des Schutzbereichs ist auch europarechtskonform. § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG beruht auf Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger (ABl. EG 1997 Nr. L 84 S. 22). Dieser bestimmt , dass dem Anleger Gelder zurückzuzahlen sind, die ihm geschuldet werden oder gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Weiterhin gewährleistet diese Norm, dass dem Anleger die Finanzinstrumente zurückgegeben werden, die diesem gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten, verwahrt oder verwaltet werden. Einen Anspruch des Anlegers auf Auszahlung von Scheingewinnen will die Richtlinie - wie auch ihr Erwägungsgrund 8 unterstreicht - nicht gewähren. Die von der Revision angeregte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht angezeigt.
26
(2) Aus den vorstehenden Gründen kann der Kläger seinen Entschädigungsanspruch auch nicht auf den Kontoauszug vom 31. August 2004 stützen.
27
(3) Dem Kläger steht aber gegen die P. GmbH ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihm eingezahlten Gelder zu.
28
(a) Wie oben unter II 2 b bb (1) (c) dargelegt worden ist, schützt § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG Ansprüche des Anlegers, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richten. Hierzu gehört auch der Anspruch auf Rückzahlung der Gelder, die der Anleger dem Institut im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften überlassen und die dieses vertragswidrig verwendet hat. Der Rückzahlungsanspruch hat seine Grundlage in § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB. Er stellt für die P. GmbH eine Verbindlichkeit aus Wertpapiergeschäften im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG dar, wie sich bereits dem Wortlaut dieser Vorschrift entnehmen lässt. Denn bei den vertragswidrig verwendeten Anlagegeldern handelt es sich um Gelder, die dem Anleger gehören und für dessen Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz bezweckt - wie dargelegt - gerade auch den Schutz des Anlegers vor solchen Vertragsverletzungen eines Instituts, die den Anspruch des Kunden auf Rückzahlung der eingezahlten, aber vertragswidrig verwendeten Gelder vereiteln.
29
(b) Entgegen der Revisionserwiderung kann die Beklagte den Kläger nicht auf den Wert seiner Beteiligung verweisen. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn die Beteiligung herauszugeben wäre. Dazu müsste sie ein Instrument im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 2 EAEG sein. Der Begriff des Instruments entspricht demjenigen des Finanzinstruments in § 1 Abs. 11 KWG. Um ein solches handelt es sich bei der Beteiligung des Klägers nicht. Vielmehr sammelte die P. GmbH die Kundengelder auf einem Treuhandkonto und trat bei der Abwicklung der Finanzkommissionsgeschäfte - soweit solche getätigt wurden - im Außenverhältnis zum Broker im eigenen Namen auf.
30
(c) Der Rückzahlungsanspruch des Klägers beträgt 324,18 €. Als Anlagegelder im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG kann nur der gezahlte Nettobetrag von 38.461,54 DM (= 19.665,08 €) angesehen werden, weil nur diese Summe von der P. GmbH für die Wertpapiergeschäfte verwendet werden sollte. Das Agio sollte dagegen den Verwaltungsaufwand der P. GmbH abdecken und kann vom Kläger allenfalls als Schadensersatz wegen von vornherein beabsichtigter Nichtdurchführung der Vermögensanlage herausverlangt werden. Dieser Anspruch wird vom Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz indes nicht geschützt. Unter Berücksichtigung der Auszahlungen (19.304,88 €) beträgt der Rückzahlungsanspruch des Klägers gegen die P. GmbH 360,20 €, so dass sich der Entschädigungsanspruch gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EAEG auf 324,18 € beläuft.
31
Soweit die P. GmbH einen (geringen) Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften angelegt hat, kommt zwar eine Einbeziehung des sich daraus ergebenden - dem Kläger anteilig zuzurechnenden - Saldos aus tatsächlich erzielten Gewinnen und Verlusten bei der Berechnung des Rückzahlungsanspruchs in Betracht. Insoweit fehlt es aber vorliegend an einem substantiierten Vorbringen der Parteien, obwohl hierzu in den Tatsacheninstanzen im Hinblick darauf Anlass bestanden hat, dass der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch höchst hilfsweise auch auf die Differenz zwischen dem gezahlten Nettobetrag und den ihm zugeflossenen Auszahlungen gestützt hat.
32
(d) Es kann offen bleiben, ob - wie die Revisionserwiderung meint - die Beklagte dem Entschädigungsanspruch die nach dem Vertrag geschuldeten Verwaltungsgebühren entgegenhalten kann. Nach § 4 Abs. 1 EAEG sind bei Höhe und Umfang des Entschädigungsanspruchs des Anlegers zwar etwaige Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts zu berücksichtigen.
Weder die P. GmbH noch die Beklagte haben aber den vermeintlichen Vergütungsanspruch substantiiert dargelegt, obwohl dies - wie im vorstehenden Absatz dargelegt - in den Tatsacheninstanzen angezeigt gewesen wäre. Aufgrund dessen kann auch dahinstehen, ob dem Kläger gegen einen solchen Anspruch wegen der von Anfang an beabsichtigten Nichtdurchführung der Kommissionsgeschäfte eine rechtsvernichtende oder rechtshindernde Einrede zustehen würde.

III.

33
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit das Berufungsgericht auch einen Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 324,18 € nebst Zinsen verneint hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage erweist sich im Umfang der Aufhebung als begründet, so dass unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zur Zahlung von 324,18 € nebst Zinsen zu verurteilen und die weitergehende Klage abzuweisen ist.
Wiechers Mayen Grüneberg Maihold Pamp
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 01.10.2008 - 4 O 297/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 06.01.2010 - 26 U 240/08 -