Blutentnahme: Einwilligungsfähigkeit in Entnahme ohne richterliche Anordnung
published on 05/08/2011 17:27
Blutentnahme: Einwilligungsfähigkeit in Entnahme ohne richterliche Anordnung
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Hierzu müssen nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm jedoch die insoweit relevanten Umstände dargelegt werden, etwa des Vorhandenseins von Ausfallerscheinungen, des vorangegangenen Trinkverhaltens, der Trinkgewohnheiten und ggf. weiterer Umstände, die Anhaltspunkte für die Beurteilung einer Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten des Beschuldigten aufgrund der gegebenen Alkoholisierung darstellen.
Hinweis: Eine richterliche Anordnung der Blutentnahme ist nur erforderlich, wenn der Beschuldigte nicht in die Zwangsmaßnahme eingewilligt hat. Eine Einwilligung ist aber nur wirksam, wenn der Beschuldigte bei ihrer Abgabe auch einwilligungsfähig war. Ist er alkoholisiert, können daran Zweifel bestehen. Dem OLG Hamm reicht dazu eine nur mittelgradige Alkoholisierung nicht aus. Daher hat es bei einer BAK von 1,23 Promille die Einwilligungsfähigkeit bejaht. Vorliegend scheint das OLG die Grenze noch höher ziehen zu wollen. Dann muss der Tatrichter im Urteil aber darlegen, warum er trotz dieser hohen BAK noch von einer Einwilligungsfähigkeit ausgeht. Fehlen dazu Erörterungen, ist das Urteil lückenhaft und damit angreifbar (OLG Hamm, III 3 RVs 104/10).
Die Entscheidung im einzelnen lautet:
Das OLG Hamm hat mit dem Beschluss vom 20.02.2011 (Az: III-3 RVs 104/10, 3 RVs 104/10) entschieden:
Mindestfeststellungen zur inneren Tatseite sind aber auch bei einfach gelagerten Trunkenheitsfahrten zu fordern.
Auch bei alkoholischen Beeinflussungen oberhalb von 2‰ BAK ist es möglich, dass der Beschuldigte den Sinn und die Tragweite der Einwilligung in die Blutprobenentnahme nach § 81 a StPO erkennt. Hierzu bedarf es jedoch einer näheren Darlegung der insoweit relevanten Umstände, etwa des Vorhandenseins von Ausfallerscheinungen, des vorangegangenen Trinkverhaltens, der Trinkgewohnheiten und ggf. weiterer Umstände, die Anhaltspunkte für die Beurteilung einer Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten des Beschuldigten aufgrund der gegebenen Alkoholisierung darstellen.
Gründe:
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 26. August 2010 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,- € verurteilt worden. Ferner wurde seine Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von noch acht Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Zur Sache hat das Amtsgericht Folgendes festgestellt:
„Am 02.05.2010 befuhr der Angeklagte mit einem Pkw der Marke C., amtliches Kennzeichen ..., in fahruntüchtigem Zustand u. a. die M Straße. Die von dem Angeklagten entnommene Blutprobe ergab um 02:50 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 2,46‰. Der Angeklagte hatte zuvor eingewilligt, dass die Blutprobe entnommen wird. Den Führerschein entbehrt der Angeklagte seit dem Tattag.“
Im Rahmen der Beweiswürdigung heißt es:
„Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, der Aussage des Zeugen F, dem BAK-Gutachten des Labors I vom 04.05.2010, Bl. 8 d. A., dem Protokoll zur Blutentnahme Bl. 4 d. A. und der Einwilligungserklärung des Angeklagten Bl. 3 d. A.
Der Angeklagte lässt sich dahingehend ein, an den Tatabend keine Erinnerung zu haben. Er sei zu Fuß nach Hause gegangen und habe am nächsten Tag das Fehlen seines Führerscheins bemerkt. Er habe zuvor mit Freunden zusammen zu Hause etwas getrunken.
Diese Einlassung des Angeklagten sieht das Gericht als bloße Schutzbehauptung an. Die Einlassung wird widerlegt durch die glaubhafte Aussage des Zeugen F. Dieser bestätigte, hinter dem Angeklagten zur Tatzeit hergefahren zu sein.
Man sei dann erst auf den Angeklagten aufmerksam geworden, als dieser auf eine bereits geschlossene Tankstelle in M. zufuhr und Motor und Licht abschaltete. Der Angeklagte habe zwar geschwankt, er sei aber ganz ruhig und in der Lage gewesen, dem weiteren Geschehen und Erklärungen zu folgen. Der Angeklagte sei zudem belehrt worden. Nach einem freiwilligen Atemalkoholtest sei der Angeklagte mit zur Wache genommen worden. Dort habe er in die Blutprobenentnahme eingewilligt. Die Aussage des Zeugen F. ist auch glaubhaft. Der Zeuge gibt detailreich und schlüssig die Geschehnisse wieder. Belastungstendenzen sind bei dem Zeugen F. nicht ersichtlich.
Die Aussage des Zeugen wird zudem bekräftigt durch die unterschriebene Einwilligungserklärung Bl. 3 d. A. Aus dem Gutachten zu der abgegebenen Blutprobe ergibt sich letztlich eine Blutalkoholkonzentration von 2,56‰.“
Im Rahmen der rechtlichen Würdigung ist u. a. Folgendes ausgeführt:
„Die Einwilligungserklärung des Angeklagten ist auch wirksam. Da sich der Angeklagte selbst über seinen Verteidiger bereits im Zwischenverfahren dahingehend einließ, dass keinerlei „Ausfallerscheinungen“ bei ihm vorlagen, kommt eine verminderte Schuldfähigkeit und/oder etwaige fehlende Einwilligungsfähigkeit des Angeklagten nicht in Betracht. Zudem bestätigt auch der Zeuge F, dass der Angeklagte den Geschehnissen gut folgen konnte und der Angeklagte sich gut mit den Beamten unterhalten konnte. Dies erfordert denklogisch, dass der Angeklagte sein Gegenüber auch versteht.“
Das Amtsgericht hat die Tat als fahrlässige Trunkenheit im Straßenverkehr beurteilt und den Angeklagten innerhalb des gegebenen Strafrahmens des § 316 Abs. 1 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,- € verurteilt. Wegen der weiteren Ausführungen des Gutachtens wird auf den Inhalt des genannten Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Sprungrevision, die er rechtzeitig eingelegt und nach Zustellung des Urteils durch seinen Verteidiger mit näheren Ausführungen mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts und mit Verfahrensrügen begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.
Die Sprungrevision des Angeklagten ist zulässig und hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Detmold - Strafrichter - zurück zu verweisen.
Bereits auf die materielle Rüge hin hält das Urteil der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr nicht. In den Urteilsgründen fehlen nämlich jegliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite, aus denen sich die Rechtfertigung des Fahrlässigkeitsvorwurfs erschließen könnte.
Die Feststellungen des Amtsgerichts erschöpfen sich vielmehr darin, dass der Angeklagte am Tattage unter Alkoholeinfluss mit seinem Pkw gefahren sei, ohne die innere Tatseite auch nur - und sei es in knapper Form - zu erwähnen. Mindestfeststellungen zur inneren Tatseite sind aber auch bei einfach gelagerten Trunkenheitsfahrten zu fordern. Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Urteilsgründe präzise Feststellungen zur Tatzeit, zum Trinkende sowie zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Einwilligungserklärung in die Blutprobenentnahme vermissen lassen, so dass offen bleibt, welche Blutalkoholkonzentration bei dem Angeklagten zur Tatzeit sowie zum Zeitpunkt der Abgabe der Einwilligungserklärung zugrunde zu legen ist. Nach den Urteilsfeststellungen ergab die dem Angeklagten um 2.50 Uhr am 02.05.2010 entnommene Blutprobe eine BAK von 2,46‰. Da die Tat am 02.05.2010 begangen worden sein soll, kommt mangels näherer Feststellungen zur Tatzeit ein Rückrechnungszeitraum bis zu 2 Stunden und 50 Minuten (02.05.2010, 0.00 Uhr) und damit eine mögliche Tatzeit-BAK von bis zu etwas mehr als 3,21‰ (2,46‰ zzgl. ca. 0,75‰ - vereinfacht gerechnet für 2 Stunden 45 Minuten Rückrechnungszeitraum) in Betracht. Für die Abgabe der Einwilligungserklärung dürfte der Rückrechnungszeitraum etwas kürzer sein.
Bei dieser Sachlage ergeben sich zunächst ganz erhebliche Bedenken gegen die von dem Amtsgericht für gegeben erachtete Einwilligungsfähigkeit des Angeklagten hinsichtlich der ihm entnommenen Blutprobe. Eine Einwilligung müsste der Beschuldigte ausdrücklich und eindeutig aus freiem Entschluss erklärt haben; erforderlich ist, dass der Beschuldigte die Sachlage und sein Weigerungsrecht kennt. In der Regel muss er darüber belehrt werden, denn eine wirksame Einwilligung setzt die Erkenntnis des Eingriffs sowie das Erkennen der Sachlage und damit die Erkenntnisfähigkeit für Art und Bedeutung des Eingriffs voraus.
Der Beschuldigte muss zudem zum Zeitpunkt der Abgabe der Einwilligung in die Blutentnahme genügend verstandesreif sein, um die Tragweite seiner Einwilligungserklärung zu erkennen. Erforderlich ist, dass der Betroffene nach seiner Verstandesreife den Sinn und die Tragweite der Einwilligung erkennt. Zwar kann die Einwilligungsfähigkeit eines Beschuldigten aufgrund der Stärke des Alkoholeinflusses im Einzelfall zweifelhaft sein. Hierfür genügt aber nicht bereits jede alkoholische Beeinflussung.
Es erscheint durchaus möglich, dass auch bei alkoholischen Beeinflussungen über 2‰ der Betroffene den Sinn und die Tragweite der Einwilligung erkennt. Hierzu bedarf es jedoch einer näheren Darlegung der insoweit relevanten Umstände, etwa des Vorhandenseins von Ausfallerscheinungen, des vorangegangenen Trinkverhaltens, der Trinkgewohnheiten und ggf. weiterer Umstände, die Anhaltspunkte für die Beurteilung einer Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten des Angeklagten aufgrund der gegebenen Alkoholisierung darstellen. Hinreichende Ausführungen hierzu lässt das angefochtene Urteil vermissen.
Soweit der Tatrichter ausgeführt hat, dass der Zeuge F. insoweit bestätigt habe, dass der Angeklagte den Geschehnissen gut habe folgen können und der Angeklagte sich gut mit den Beamten habe unterhalten können, ist dies nicht ausreichend. Insoweit handelt es sich um eine Bewertung des Tatrichters, die nicht erkennen lässt, auf welche konkreten Tatsachen sie gestützt ist. So fehlt es an Darlegungen dazu, woraus sich ergibt, dass der Angeklagte den Geschehnissen gut folgen konnte, sowie auch des Inhalts der stattgefundenen Gespräche, die diese Beurteilung rechtfertigen sollen. Die nicht näher begründete Bewertung ist ohne entsprechende nähere Ausführungen hierzu für das Revisionsgericht nicht nachvollziehbar.
Dies gilt auch, soweit der Tatrichter ausgeführt hat, dass der Angeklagte selbst über seinen Verteidiger habe mitteilen lassen, dass „Ausfallerscheinungen“ bei ihm nicht vorgelegen hätten. Diese Ausführungen, die ebenfalls eine nähere Darlegung der in Bezug genommenen Einlassung vermissen lässt, ist zudem widersprüchlich und nicht nachvollziehbar, weil das Tatgericht zuvor im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt hatte, dass sich der Angeklagte dahingehend eingelassen habe, an den Tatabend keine Erinnerung mehr zu haben.
Darüber hinaus genügt das angefochtene Urteil auch nicht den Anforderungen an die Darstellung der Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten.
Die Grenze, bei der deutliche Beeinträchtigungen der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit i. S. d. § 21 StGB nahe liegen, liegt bei 2‰ Blutalkohol. Bei einer BAK von mehr als 3‰ ist zudem die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten i. S. v. § 20 StGB zu prüfen.
Auch hierzu lässt das angefochtene Urteil, das sich allein mit der Frage der Einwilligungsfähigkeit des Angeklagten im Rahmen der Blutprobenentnahme befasst, jegliche Ausführungen vermissen.
Da das angefochtene Urteil bereits auf die Sachrüge hin mit den Feststellungen insgesamt aufzuheben war und die Revision deshalb vollen Erfolg hatte, kam es auf die erhobene Verfahrensrüge nicht mehr an.
Hinweis: Eine richterliche Anordnung der Blutentnahme ist nur erforderlich, wenn der Beschuldigte nicht in die Zwangsmaßnahme eingewilligt hat. Eine Einwilligung ist aber nur wirksam, wenn der Beschuldigte bei ihrer Abgabe auch einwilligungsfähig war. Ist er alkoholisiert, können daran Zweifel bestehen. Dem OLG Hamm reicht dazu eine nur mittelgradige Alkoholisierung nicht aus. Daher hat es bei einer BAK von 1,23 Promille die Einwilligungsfähigkeit bejaht. Vorliegend scheint das OLG die Grenze noch höher ziehen zu wollen. Dann muss der Tatrichter im Urteil aber darlegen, warum er trotz dieser hohen BAK noch von einer Einwilligungsfähigkeit ausgeht. Fehlen dazu Erörterungen, ist das Urteil lückenhaft und damit angreifbar (OLG Hamm, III 3 RVs 104/10).
Die Entscheidung im einzelnen lautet:
Das OLG Hamm hat mit dem Beschluss vom 20.02.2011 (Az: III-3 RVs 104/10, 3 RVs 104/10) entschieden:
Mindestfeststellungen zur inneren Tatseite sind aber auch bei einfach gelagerten Trunkenheitsfahrten zu fordern.
Auch bei alkoholischen Beeinflussungen oberhalb von 2‰ BAK ist es möglich, dass der Beschuldigte den Sinn und die Tragweite der Einwilligung in die Blutprobenentnahme nach § 81 a StPO erkennt. Hierzu bedarf es jedoch einer näheren Darlegung der insoweit relevanten Umstände, etwa des Vorhandenseins von Ausfallerscheinungen, des vorangegangenen Trinkverhaltens, der Trinkgewohnheiten und ggf. weiterer Umstände, die Anhaltspunkte für die Beurteilung einer Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten des Beschuldigten aufgrund der gegebenen Alkoholisierung darstellen.
Gründe:
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 26. August 2010 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,- € verurteilt worden. Ferner wurde seine Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von noch acht Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Zur Sache hat das Amtsgericht Folgendes festgestellt:
„Am 02.05.2010 befuhr der Angeklagte mit einem Pkw der Marke C., amtliches Kennzeichen ..., in fahruntüchtigem Zustand u. a. die M Straße. Die von dem Angeklagten entnommene Blutprobe ergab um 02:50 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 2,46‰. Der Angeklagte hatte zuvor eingewilligt, dass die Blutprobe entnommen wird. Den Führerschein entbehrt der Angeklagte seit dem Tattag.“
Im Rahmen der Beweiswürdigung heißt es:
„Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, der Aussage des Zeugen F, dem BAK-Gutachten des Labors I vom 04.05.2010, Bl. 8 d. A., dem Protokoll zur Blutentnahme Bl. 4 d. A. und der Einwilligungserklärung des Angeklagten Bl. 3 d. A.
Der Angeklagte lässt sich dahingehend ein, an den Tatabend keine Erinnerung zu haben. Er sei zu Fuß nach Hause gegangen und habe am nächsten Tag das Fehlen seines Führerscheins bemerkt. Er habe zuvor mit Freunden zusammen zu Hause etwas getrunken.
Diese Einlassung des Angeklagten sieht das Gericht als bloße Schutzbehauptung an. Die Einlassung wird widerlegt durch die glaubhafte Aussage des Zeugen F. Dieser bestätigte, hinter dem Angeklagten zur Tatzeit hergefahren zu sein.
Man sei dann erst auf den Angeklagten aufmerksam geworden, als dieser auf eine bereits geschlossene Tankstelle in M. zufuhr und Motor und Licht abschaltete. Der Angeklagte habe zwar geschwankt, er sei aber ganz ruhig und in der Lage gewesen, dem weiteren Geschehen und Erklärungen zu folgen. Der Angeklagte sei zudem belehrt worden. Nach einem freiwilligen Atemalkoholtest sei der Angeklagte mit zur Wache genommen worden. Dort habe er in die Blutprobenentnahme eingewilligt. Die Aussage des Zeugen F. ist auch glaubhaft. Der Zeuge gibt detailreich und schlüssig die Geschehnisse wieder. Belastungstendenzen sind bei dem Zeugen F. nicht ersichtlich.
Die Aussage des Zeugen wird zudem bekräftigt durch die unterschriebene Einwilligungserklärung Bl. 3 d. A. Aus dem Gutachten zu der abgegebenen Blutprobe ergibt sich letztlich eine Blutalkoholkonzentration von 2,56‰.“
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„Die Einwilligungserklärung des Angeklagten ist auch wirksam. Da sich der Angeklagte selbst über seinen Verteidiger bereits im Zwischenverfahren dahingehend einließ, dass keinerlei „Ausfallerscheinungen“ bei ihm vorlagen, kommt eine verminderte Schuldfähigkeit und/oder etwaige fehlende Einwilligungsfähigkeit des Angeklagten nicht in Betracht. Zudem bestätigt auch der Zeuge F, dass der Angeklagte den Geschehnissen gut folgen konnte und der Angeklagte sich gut mit den Beamten unterhalten konnte. Dies erfordert denklogisch, dass der Angeklagte sein Gegenüber auch versteht.“
Das Amtsgericht hat die Tat als fahrlässige Trunkenheit im Straßenverkehr beurteilt und den Angeklagten innerhalb des gegebenen Strafrahmens des § 316 Abs. 1 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,- € verurteilt. Wegen der weiteren Ausführungen des Gutachtens wird auf den Inhalt des genannten Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Sprungrevision, die er rechtzeitig eingelegt und nach Zustellung des Urteils durch seinen Verteidiger mit näheren Ausführungen mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts und mit Verfahrensrügen begründet hat.
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Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Detmold - Strafrichter - zurück zu verweisen.
Bereits auf die materielle Rüge hin hält das Urteil der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr nicht. In den Urteilsgründen fehlen nämlich jegliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite, aus denen sich die Rechtfertigung des Fahrlässigkeitsvorwurfs erschließen könnte.
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Bei dieser Sachlage ergeben sich zunächst ganz erhebliche Bedenken gegen die von dem Amtsgericht für gegeben erachtete Einwilligungsfähigkeit des Angeklagten hinsichtlich der ihm entnommenen Blutprobe. Eine Einwilligung müsste der Beschuldigte ausdrücklich und eindeutig aus freiem Entschluss erklärt haben; erforderlich ist, dass der Beschuldigte die Sachlage und sein Weigerungsrecht kennt. In der Regel muss er darüber belehrt werden, denn eine wirksame Einwilligung setzt die Erkenntnis des Eingriffs sowie das Erkennen der Sachlage und damit die Erkenntnisfähigkeit für Art und Bedeutung des Eingriffs voraus.
Der Beschuldigte muss zudem zum Zeitpunkt der Abgabe der Einwilligung in die Blutentnahme genügend verstandesreif sein, um die Tragweite seiner Einwilligungserklärung zu erkennen. Erforderlich ist, dass der Betroffene nach seiner Verstandesreife den Sinn und die Tragweite der Einwilligung erkennt. Zwar kann die Einwilligungsfähigkeit eines Beschuldigten aufgrund der Stärke des Alkoholeinflusses im Einzelfall zweifelhaft sein. Hierfür genügt aber nicht bereits jede alkoholische Beeinflussung.
Es erscheint durchaus möglich, dass auch bei alkoholischen Beeinflussungen über 2‰ der Betroffene den Sinn und die Tragweite der Einwilligung erkennt. Hierzu bedarf es jedoch einer näheren Darlegung der insoweit relevanten Umstände, etwa des Vorhandenseins von Ausfallerscheinungen, des vorangegangenen Trinkverhaltens, der Trinkgewohnheiten und ggf. weiterer Umstände, die Anhaltspunkte für die Beurteilung einer Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten des Angeklagten aufgrund der gegebenen Alkoholisierung darstellen. Hinreichende Ausführungen hierzu lässt das angefochtene Urteil vermissen.
Soweit der Tatrichter ausgeführt hat, dass der Zeuge F. insoweit bestätigt habe, dass der Angeklagte den Geschehnissen gut habe folgen können und der Angeklagte sich gut mit den Beamten habe unterhalten können, ist dies nicht ausreichend. Insoweit handelt es sich um eine Bewertung des Tatrichters, die nicht erkennen lässt, auf welche konkreten Tatsachen sie gestützt ist. So fehlt es an Darlegungen dazu, woraus sich ergibt, dass der Angeklagte den Geschehnissen gut folgen konnte, sowie auch des Inhalts der stattgefundenen Gespräche, die diese Beurteilung rechtfertigen sollen. Die nicht näher begründete Bewertung ist ohne entsprechende nähere Ausführungen hierzu für das Revisionsgericht nicht nachvollziehbar.
Dies gilt auch, soweit der Tatrichter ausgeführt hat, dass der Angeklagte selbst über seinen Verteidiger habe mitteilen lassen, dass „Ausfallerscheinungen“ bei ihm nicht vorgelegen hätten. Diese Ausführungen, die ebenfalls eine nähere Darlegung der in Bezug genommenen Einlassung vermissen lässt, ist zudem widersprüchlich und nicht nachvollziehbar, weil das Tatgericht zuvor im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt hatte, dass sich der Angeklagte dahingehend eingelassen habe, an den Tatabend keine Erinnerung mehr zu haben.
Darüber hinaus genügt das angefochtene Urteil auch nicht den Anforderungen an die Darstellung der Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten.
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