Versetzung vom Arbeitsort: Arbeitnehmer sind an unbillige Weisungen nicht gebunden
Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18.10.2017 (Az. 10 AZR 330/16) sind unbillige Weisungen des Arbeitgebers für Arbeitnehmer nicht – auch nicht vorübergehend – bindend.
Weisungsrecht: Ausübung unterliegt der vollen richterlichen Kontrolle
Beim Weisungsrecht handelt es sich um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers, das doppelt Relevanz hat: Einerseits ist es notwendige Bedingung, um überhaupt vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausgehen zu können, andererseits konkretisiert der Arbeitgeber mit seinem Weisungsrecht die arbeitsvertraglich häufig nur rahmenmäßig bestimmte Arbeitspflicht. Das Weisungsrecht darf der Arbeitgeber nur nach billigem Ermessen ausüben; die Entscheidung darüber, ob die Ausübung nach billigen Ermessen erfolgte unterliegt dabei der vollen richterlichen Kontrolle. Weisungen, die dieser Kontrolle nicht standhalten, also unbillig sind, sind unwirksam. Der Arbeitnehmer ist dann nicht daran gebunden, ihnen zu folgen und Sanktionen wie Abmahnungen oder die Kündigung hinzunehmen. Nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB besteht keine – auch keine vorläufige – Bindung des Arbeitnehmers an unbillige Weisungen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt, sofern der Arbeitnehmer die Weisung trotz ihrer Unbilligkeit akzeptiert.
Unbillige Weisung: Abmahnungen und Kündigung unrechtmäßig
Im Streitfall sollte ein seit 2001 bei der Deutschen Telekom Immobilien und Service GmbH (DeTeImmobilien) Beschäftigter zum März 2015 von Dortmund nach Berlin versetzt werden, nachdem eine seiner Mitarbeiterinnen sich beim Betriebsratsvorsitzenden per E-Mail über seine unkooperative Arbeitsweise beschwert hatte. Mit anwaltlichem Schreiben hatte der Angestellte seinen Arbeitgeber aufgefordert, die Weisung zurückzunehmen, was dieser jedoch ablehnte. Nachdem der Arbeitnehmer die Arbeit am Standort Berlin nicht aufnahm, mahnte der Arbeitgeber ihn wegen unerlaubten Fernbleibens ab. Das Arbeitsgericht Dortmund hat mit Urteil vom 08.09.2015 (Az. 7 Ca 1224/15) der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben, das Landgericht Hamm mit Urteil vom 17.03.2016 (Az. 17 Sa 1661/15) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Fazit: Versetzung, Abmahnung, Kündigung sind bei unbilliger Weisung nicht bindend
Das BAG stellt in seinem Urteil vom 18.10.2017 (Az. 10 AZR 330/16) Folgendes fest: Die Leistungsbestimmung nach billigen Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zusteht. Hält die Ausübung des Weisungsrechts der richterlichen Kontrolle nach billigem Ermessen nicht stand, ist der Arbeitnehmer nicht – auch nicht vorläufig - an die unbillige Weisung des Arbeitgebers gebunden: Bereits ausgesprochene Kündigungen sind damit vom Arbeitgeber zurückzunehmen, Abmahnungen sind aus der Personalakte zu streichen.
Annotations
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. März 2016 - 17 Sa 1660/15 - wird zurückgewiesen, soweit das Revisionsverfahren nicht durch Beschluss vom 18. Oktober 2017 abgetrennt worden ist.
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Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und hiermit in Zusammenhang stehende Ansprüche auf Entfernung zweier Abmahnungen.
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Der 1962 geborene Kläger war seit dem 1. April 2001 bei der Deutschen Telekom Immobilien und Service GmbH (DeTeImmobillien) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 2. Februar 2001 enthält ua. folgende Bestimmungen:
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„§ 1
Art und Ort der Beschäftigung
1.
Der Arbeitnehmer wird im Aufgabenbereich Service Center Nord in Münster als Immobilienkaufmann vollzeitbeschäftigt.
2.
Die DeTeImmobilien ist berechtigt, dem Arbeitnehmer auch eine andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, gegebenenfalls auch unter Veränderung des Arbeitsortes/Einsatzgebietes oder des Aufgabenbereiches zu übertragen. Der Arbeitnehmer ist zuvor zu hören.
3.
Die Beteiligung des Betriebsrates bleibt hiervon unberührt.
§ 2
Anzuwendende Regelungen (Tarifbindung)
Das Arbeitsverhältnis unterliegt den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.“
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§ 4 des Manteltarifvertrags vom 14. Oktober 1998 (MTV Immobilien 1998), geschlossen von der DeTeImmobilien und der Deutschen Postgewerkschaft, bestimmt:
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„Versetzung
Soll ein Arbeitnehmer vorübergehend oder auf Dauer versetzt werden, so sind die Betriebsinteressen mit den Arbeitnehmerinteressen abzuwägen. Ergibt sich nach Abwägung der betrieblichen Interessen die Möglichkeit einer Auswahlentscheidung, so sind soziale Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Der Arbeitnehmer ist vor seiner Versetzung zu hören. Die Beteiligung des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz bleibt hiervon unberührt.“
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Das Arbeitsverhältnis wurde ab einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt mit der Beklagten fortgesetzt.
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Mit Änderungsvertrag vom 21. Dezember 2009 änderten die Parteien § 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags dahingehend, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2010 „in Dortmund im Team C als Assistent K“ beschäftigt wurde. Mit Änderungsvertrag vom 10. März 2010 wurde § 1 Abs. 1 rückwirkend zum 1. Januar 2010 erneut geändert und vereinbart: „Der Arbeitnehmer wird in Dortmund als Assistent K im Bereich RE3123 vollzeitbeschäftigt.“ Die übrigen Vertragsbestimmungen sollten jeweils unberührt bleiben. Der letzte Änderungsvertrag vom 25. November 2010 enthält ua. folgende Regelungen:
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„§ 1
Änderung des Arbeitsvertrages
1.
§ 1 Abs. 1 Ihres Arbeitsvertrages (Art und Ort der Beschäftigung) erhält folgende Fassung:
Der Arbeitnehmer wird in Dortmund als Immobilienkaufmann im Bereich C and P im Team RE3330 vollbeschäftigt.
…
§ 2
Schlussbestimmungen
1.
Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages bleiben unberührt.“
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Der Kläger war auf dieser Grundlage zu einer Bruttovergütung von 4.165,00 Euro im Team RE3330 tätig, welches für Betriebskostenabrechnungen zuständig ist, die zentralisiert am Standort Dortmund durchgeführt werden. Das Team ist dem Betrieb Real Estate Management (REM) zugerechnet, welcher vorrangig Verwaltungsaufgaben für das Facility Management ausführt.
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Unter dem 24. April 2013 sprach die Beklagte eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung wegen „Arbeitszeitbetrugs“ aus. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage war in beiden Instanzen erfolgreich (Landesarbeitsgericht Hamm 3. Juli 2014 - 15 Sa 169/14 -). Der Kläger wurde nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses beschäftigt.
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Unter dem 18. März 2014 sandte eine Mitarbeiterin aus dem Team RE3330 eine E-Mail an den Betriebsratsvorsitzenden, worin es heißt: „Wir, das Team RE3330, lehnen eine Zusammenarbeit mit Herrn N in Zukunft ab!“ Die Mitarbeiterin beschrieb den Kläger als unkollegial und unkooperativ; er habe teamübergreifende Aufgaben ignoriert oder fehlerhaft ausgeführt und die Regelungen zur Vertrauensgleitzeit stark missbraucht. Am 25. März 2014 fand ein Gespräch zwischen dem Team RE3330 und dem Betriebsratsvorsitzenden statt, das ohne Ergebnis blieb. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob sämtliche Teammitglieder an dem Treffen teilnahmen.
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Mit E-Mail vom 6. Oktober 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde ab dem 1. November 2014 zunächst für sechs Monate in ihrem „Archiv-Projekt“ am Standort Berlin eingesetzt. Sie erinnerte zudem an die bereits erörterte Alternative, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufzulösen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erhob Einwände gegen die Versetzungsankündigung und wies ua. auf die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung hin. Die Beklagte erklärte daraufhin, sie schiebe die Versetzung für die Dauer des Prozessarbeitsverhältnisses auf. In einem Gespräch am 28. Januar 2015 konnten einvernehmliche Lösungen nicht erzielt werden.
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Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde befristet für die Zeit vom 16. März 2015 bis zum 30. September 2015 im Team RE3113, Team D, am Standort Berlin eingesetzt. Immobilienkaufleute dieses Teams wurden im Projekt „Digitalisierung des Liegenschaftsarchivs“ beschäftigt und durch Mitarbeiter des Teams RE3440 unterstützt. Daneben bestand ein Projekt „Optimierung der Mietvertragsakten im Archiv“, bei welchem ebenfalls Immobilienkaufleute tätig wurden. Die Beklagte sagte dem Kläger eine Kostenerstattung im Rahmen der doppelten Haushaltsführung für maximal 24 Monate zu und forderte ihn auf, Schlüssel und Zutrittskarten für das Gebäude in Dortmund spätestens bis zum 6. März 2015 zurückzugeben. Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. März 2015 forderte der Kläger die Beklagte auf, die Weisung zurückzunehmen, was diese mit Schreiben vom 12. März 2015 ablehnte.
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Die Beklagte hörte den Betriebsrat REM mit Sitz in Frankfurt am Main zu der Versetzung an. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur Versetzung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG unter Hinweis auf Beschäftigungsmöglichkeiten in einem anderen Team in Dortmund. Ein daraufhin eingeleitetes Zustimmungsersetzungsverfahren (Arbeitsgericht Frankfurt am Main - 10 BV 229/15 -) wurde zwischenzeitlich für erledigt erklärt. Unter dem 11. März 2015 wurde dem Betriebsrat die vorläufige Umsetzung der Versetzungsmaßnahme gemäß § 100 BetrVG angezeigt, der Kläger wurde entsprechend unterrichtet. Der Betriebsrat gab zu der vorläufigen Maßnahme keine Stellungnahme ab.
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Der Kläger nahm die Arbeit am Standort Berlin nicht auf, worauf ihn die Beklagte mit Schreiben vom 26. März 2015 wegen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit abmahnte. Er wies die Abmahnung mit anwaltlichem Schreiben vom 1. April 2015 zurück. Unter dem 22. April 2015 erging eine zweite Abmahnung.
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Mit Schreiben vom 28. Mai 2015, zugegangen am selben Tag, sprach die Beklagte die fristlose Kündigung, hilfsweise fristgemäße Kündigung zum 31. Dezember 2015 aus. Das Arbeitsgericht Dortmund hat mit Urteil vom 8. September 2015 der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 17. März 2016 (- 17 Sa 1661/15 -) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die zugelassene Revision ist beim Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts (- 2 AZR 329/16 -) anhängig.
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Die Beklagte meldete den Kläger bei der Sozialversicherung ab und nahm ab April 2015 keine Gehaltszahlungen mehr vor. Der Kläger erhielt ab dem 21. April 2015 Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit. Mit Schreiben vom 15. April 2015 forderte ihn die Beklagte unter Fristsetzung zur Rückzahlung der für die Zeit vom 16. März 2015 bis zum 31. März 2015 geleisteten Vergütung iHv. 1.113,66 Euro auf.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Weisung vom 23. Februar 2015 sei unwirksam und er habe sie nicht befolgen müssen. Die Abmahnungen seien deshalb unwirksam. Maßgeblich hinsichtlich des Arbeitsorts sei ausschließlich der Änderungsvertrag vom 25. November 2010. Unabhängig hiervon sei aber auch aus dem Arbeitsvertrag vom 2. Februar 2001 kein Weisungsrecht der Beklagten herzuleiten; vorübergehende Versetzungen erfasse die Versetzungsklausel nicht. Bei einem weiter gehenden Verständnis wäre die Bestimmung intransparent, jedenfalls aber unangemessen benachteiligend, da sie die Arbeitnehmerinteressen nicht hinreichend berücksichtige. Die Weisung sei auch aufgrund von Verfahrensverstößen unwirksam, denn er sei nicht ausreichend entsprechend der Bestimmungen seines Arbeitsvertrags, des MTV Immobilien 1998 und der „Gesamtbetriebsvereinbarung über Mitarbeitergespräche bei S PFS“ vom 24. Februar 2010 (GBV Mitarbeitergespräche) angehört worden. Die Weisung entspreche im Übrigen nicht billigem Ermessen. Die Versetzung sei darauf angelegt, das obsiegende Urteil hinsichtlich der Kündigung vom 24. April 2013 zu unterlaufen und ihn zu maßregeln.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - zuletzt beantragt
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1.
festzustellen, dass er nicht verpflichtet war, in der Zeit vom 16. März 2015 bis 30. September 2015 seine Arbeitsleistung gemäß Weisung der Beklagten vom 23. Februar 2015 im Team RE3113, Team D am Standort Berlin zu erbringen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 26. März 2015 und vom 22. April 2015 aus der Personalakte zu entfernen;
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Versetzungsanweisung vom 23. Februar 2015 sei rechtmäßig. Die Angabe des Arbeitsorts im letzten Änderungsvertrag sei rein deklaratorisch. Die Versetzungsklausel entspreche - ebenso wie § 4 MTV Immobilien 1998 - inhaltlich § 106 GewO und halte einer Inhalts- und Transparenzkontrolle stand. Die Weisung entspreche billigem Ermessen. Eine Tätigkeit des Klägers in seinem alten Team sei aufgrund der verweigernden Haltung der anderen Mitarbeiter nicht möglich gewesen, eine andere Beschäftigungsmöglichkeit am Standort Dortmund habe nicht bestanden. Die Unstimmigkeiten im Team hätten nicht aus dem Kündigungsschutzprozess resultiert, sondern aus dem Arbeitsverhalten des Klägers. Eine Konfliktlösung unter Mitwirkung des Betriebsratsvorsitzenden habe die Beklagte nicht erzielen können. Die vorübergehende Versetzung habe Ruhe in das Team bringen sollen. Die Aufgaben in dem Projekt in Berlin hätten aus Kostengründen vorrangig von eigenen Mitarbeitern und nicht von Leih- und Zeitarbeitnehmern erledigt werden sollen. Der Kläger sei angehört und das Mitbestimmungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Abmahnungen seien angesichts der Rechtmäßigkeit der Weisung zu Recht erfolgt. Selbst bei einer unbilligen Versetzungsmaßnahme habe der Kläger seine Arbeitspflicht verletzt, da er dieser zunächst hätte folgen müssen.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision noch von Interesse - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte eine vollständige Klageabweisung. Soweit die Vorinstanzen auch über Annahmeverzugsansprüche des Klägers und eine Widerklage auf Rückzahlung von Vergütung entschieden haben, hat der Senat diesen Teil des Rechtsstreits im Hinblick auf die Vorgreiflichkeit des Verfahrens - 2 AZR 329/16 - gemäß §§ 145, 148 ZPO abgetrennt und ausgesetzt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Weisung der Beklagten vom 23. Februar 2015 widersprach zwar weder arbeitsvertraglichen noch tariflichen Bestimmungen und verstieß auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß beteiligt. Die Weisung entsprach aber - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht annimmt - nicht billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB. Deshalb war der Kläger nicht - auch nicht vorläufig - verpflichtet, ihr nachzukommen. Er hat aus diesem Grund auch einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 26. März 2015 und vom 22. April 2015 aus seiner Personalakte.
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I. Der Feststellungsantrag zu 1. ist als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.
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1. Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann ein Kläger zugleich mit seinem Hauptantrag auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen. Damit wird ein Begründungselement aus der Entscheidung verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen. Grund hierfür ist dessen Eignung, über den konkreten Gegenstand hinaus, der mit der Hauptklage entschieden wird, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestand des entsprechenden Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss und darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann (BAG 21. Oktober 2015 - 4 AZR 663/14 - Rn. 17 mwN; vgl. auch BGH 28. September 2006 - VII ZR 247/05 - Rn. 12, BGHZ 169, 153). Ein Zwischenfeststellungsantrag ist allerdings dann unzulässig, wenn bereits durch die Entscheidung über den Leistungsantrag die Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten erschöpfend geklärt wird (BAG 18. Januar 2017 - 7 ABR 60/15 - Rn. 19 mwN).
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2. Hiernach ist der Zwischenfeststellungsantrag zulässig. Er ist nach der vor dem Landesarbeitsgericht erfolgten Klarstellung auf den Umfang der Leistungspflicht des Klägers gerichtet und damit auf ein Element eines Rechtsverhältnisses (vgl. dazu BAG 30. November 2016 - 10 AZR 673/15 - Rn. 17). Die begehrte Feststellung ist vorgreiflich für die Klageanträge auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers, auf Vergütungszahlung sowie für die Entscheidung über die Widerklage und hat darüber hinaus Bedeutung für das anhängige Kündigungsschutzverfahren (vgl. dazu BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 21 ff.). Die Rechtsbeziehung der Parteien wird durch eine Entscheidung über den Antrag auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte und die Zahlungsanträge nicht erschöpfend geklärt. Die Rechtskraft der Entscheidung hierüber erfasst nicht die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kläger verpflichtet war, der Weisung vom 23. Februar 2015 Folge zu leisten.
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II. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, dem Kläger nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen. Hiervon geht das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht aus.
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1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (zuletzt zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 25).
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2. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 29 mwN, BAGE 147, 322). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 3. August 2016 - 10 AZR 710/14 - Rn. 16).
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3. Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 26 mwN). Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB(BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 19; krit. zur Beschränkung auf die Ausübungskontrolle bei Versetzungen mit einer Veränderung des Arbeitsorts Hromadka NZA 2012, 233, 238; offengelassen in BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 86/11 - Rn. 28, BAGE 143, 217).
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4. Nach diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Parteien mit dem Änderungsvertrag vom 25. November 2010 konstitutiv die Beschäftigung in einem bestimmten Team in Dortmund festgelegt haben. Vielmehr fehlt es an einer vertraglichen Festlegung des Orts der Arbeitsleistung, sodass § 106 GewO unmittelbar Anwendung findet, der dem Arbeitgeber die Zuweisung eines anderen Arbeitsorts im Rahmen billigen Ermessens erlaubt. Auf die Wirksamkeit der Versetzungsklausel kommt es nicht an.
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a) § 1 Ziff. 1 des Änderungsvertrags vom 25. November 2010 bestimmt zwar, dass der Kläger in Dortmund beschäftigt wird. Bereits die Wortwahl der Regelung deutet allerdings darauf hin, dass es sich nicht um eine konstitutive Festlegung, sondern um eine Wiedergabe des aktuellen Aufgabenbereichs und Arbeitsorts des Klägers handelt. Entscheidend ist, dass nach § 2 Ziff. 1 des Änderungsvertrags alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags unverändert bleiben sollten. Identische Bestimmungen gab es in den vorhergehenden Änderungsverträgen. Zu den übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags vom 2. Februar 2001 gehörte dessen § 1 Ziff. 2. Danach behielt sich die Beklagte ua. das Recht vor, den Kläger unter Veränderung des Arbeitsorts einzusetzen. Dafür, dass § 1 Ziff. 2 nicht fortgelten oder von § 2 Ziff. 1 des Änderungsvertrags nicht erfasst sein sollte, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Auch bestehen keine Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit einer solchen Klausel. Anders als das Landesarbeitsgericht annimmt, führt allein der Umstand, dass die Parteien jede Änderung der Arbeitsaufgabe, des Teams und des Arbeitsorts schriftlich niedergelegt haben, zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Andernfalls hätte es nahegelegen, die vertragliche Versetzungsklausel aufzuheben oder zu ersetzen.
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b) Auf die Wirksamkeit des Versetzungsvorbehalts kommt es daher nicht an, auch wenn vieles dafür spricht, dass die Annahme des Landesarbeitsgerichts zutrifft, die Klausel halte einer Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB stand (vgl. zu einer ähnlichen Klausel BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 41).
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5. Der Arbeitsort des Klägers hat sich - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend annimmt - nicht auf Dortmund konkretisiert. Den Arbeitsvertrag hinsichtlich der Versetzungsklausel abändernde Vereinbarungen haben die Parteien nicht - auch nicht stillschweigend - getroffen. Eine Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum liegt hier nicht vor, im Übrigen würde sie für die Annahme einer Konkretisierung nicht genügen (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 24 mwN).
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6. Aus § 4 MTV Immobilien 1998 ergibt sich keine Beschränkung des Weisungsrechts der Beklagten, die über § 106 GewO hinausginge. Die Vorschrift bestimmt, dass eine Abwägung der Interessen des Betriebs mit den Interessen des betroffenen Arbeitnehmers vorzunehmen ist und soziale Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies entspricht dem Maßstab der Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB(vgl. dazu zuletzt zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 29).
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III. Es kann dahinstehen, ob der Kläger gemäß § 1 Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags bzw. gemäß § 4 Satz 3 MTV Immobilien 1998 vor Ausspruch der Versetzung angehört wurde. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass auch eine fehlende oder unvollständige Anhörung nicht zur Unwirksamkeit der Maßnahme führen würde.
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1. Nach § 1 Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags ist der Arbeitnehmer vor der Übertragung einer neuen Tätigkeit, einer Veränderung des Arbeitsorts, Einsatzgebiets oder Aufgabenbereichs zu hören. Dies entspricht § 4 Satz 3 MTV Immobilien 1998, wonach der Arbeitnehmer vor seiner Versetzung zu hören ist. Regelungen über die Rechtsfolgen ihrer Nichteinhaltung enthalten diese Bestimmungen nicht. Insbesondere ergeben sich weder aus Wortlaut noch aus Gesamtzusammenhang des Arbeitsvertrags oder des MTV Immobilien 1998 Anhaltspunkte dafür, dass deren Nichteinhaltung die Unwirksamkeit der Maßnahme zur Folge haben soll, obwohl es hierfür Beispiele in gesetzlichen (zB § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) und tariflichen Regelungen (vgl. dazu zB BAG 18. April 1986 - 7 AZR 114/85 - BAGE 51, 375) gibt. Das Fehlen einer ausdrücklichen Anordnung der Unwirksamkeit schließt eine solche Annahme allerdings auch nicht aus (vgl. zB BAG 16. November 1989 - 6 AZR 64/88 - BAGE 63, 240). Vielmehr ist nach Sinn und (Schutz-)Zweck der jeweiligen Regelung zu ermitteln, ob eine so weitgehende Rechtsfolge wie die Unwirksamkeit der Maßnahme geboten ist (vgl. zum Schutzzweck gesetzlicher Bestimmungen zuletzt zB BAG 14. Dezember 2016 - 7 AZR 717/14 - Rn. 32 f. [zu § 14 Abs. 4 TzBfG]; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 20 [zum BDSG]; 12. Juli 2016 - 9 AZR 51/15 - Rn. 41 [zum AÜG]).
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2. Die tarifliche und vertragliche Regelung ähnelt derjenigen, die in § 12 Abs. 1 Satz 2 BAT enthalten war bzw. nunmehr in § 4 Abs. 1 Satz 2 TVöD/TV-L enthalten ist. Danach waren bzw. sind Beschäftigte anzuhören, wenn sie auf Dauer an eine Dienststelle/Betrieb außerhalb des bisherigen Arbeitsorts versetzt oder für mehr als drei Monate dorthin abgeordnet werden sollen. Nach der Rechtsprechung diente § 12 Abs. 1 Satz 2 BAT dazu sicherzustellen, dass der Arbeitgeber die belastenden Folgen einer beabsichtigten Versetzung richtig einschätzen und seine Versetzungsentscheidung aufgrund einer alle wesentlichen Umstände berücksichtigenden Interessenabwägung treffen kann(BAG 30. Oktober 1985 - 7 AZR 216/83 - zu 2 der Gründe; LAG Berlin 4. August 2005 - 10 Sa 687/05 - zu 2.2 der Gründe). Ziel war damit insbesondere, ein „richtiges“ Ergebnis zu erreichen. Eine Versetzungsentscheidung zulasten des Arbeitnehmers sollte nur erfolgen können, wenn diese auch billiges Ermessen wahrt. Da es im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung einer Versetzung nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen ankommt, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den vertraglichen, tarifvertraglichen oder gesetzlichen Anforderungen genügt (vgl. BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 28), verlangt der Zweck des Anhörungsrechts nicht, die Maßnahme nur deshalb als unwirksam anzusehen, weil der Arbeitnehmer seine Interessen nicht zuvor selbst eingebracht hat (ebenso - allerdings ohne Begründung - zu § 4 Abs. 1 Satz 2 TVöD LAG Niedersachsen 15. Oktober 2010 - 6 Sa 282/10 - zu II 2 b cc der Gründe; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand September 2015 § 4 Rn. 20; Sponer/Steinherr TVöD Stand Mai 2017 § 4 Rn. 79). Wenn der Arbeitgeber wegen der fehlenden Anhörung erhebliche Belange des Arbeitnehmers nicht hinreichend berücksichtigt, wird sich die Maßnahme im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung, in der der Arbeitnehmer seine Interessen noch vorbringen kann, regelmäßig als unwirksam erweisen.
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3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bundesarbeitsgericht zu § 13 Abs. 2 Satz 1 BAT - der im TVöD/TV-L keine Entsprechung mehr findet - angenommen hat, dass die vorherige Anhörung des Angestellten zu einer Abmahnung deren Wirksamkeitsvoraussetzung ist und ihr Fehlen zu einem Entfernungsanspruch führt(BAG 16. November 1989 - 6 AZR 64/88 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 63, 240). Dies wurde zum einen mit der Friedensfunktion der Anhörung begründet und zum anderen damit, dass Sinn und Zweck des Anhörungsrechts nicht genügt werde, wenn ein Vorwurf bereits in Form eines zu den Personalakten genommenen Schreibens manifestiert sei. Im Übrigen könnten die Personalakten bei einer späteren Herausnahme lückenhaft werden und dies zu für den Angestellten nachteiligen Spekulationen führen. Diese Erwägungen können auf die Anhörung vor einer Versetzung nicht übertragen werden (aA ArbG Bielefeld 30. April 2003 - 3 Ca 408/03 -). Im Fall der Versetzung liegt das Risiko der Unwirksamkeit der Maßnahme beim Arbeitgeber, der die volle Darlegungs- und Beweislast für deren Wirksamkeit und Billigkeit hat (st. Rspr., zuletzt zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 28).
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4. Die GBV Mitarbeitergespräche ist entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Maßnahme nicht einschlägig. Sie enthält ausschließlich Bestimmungen über Inhalt und Ablauf eines regelmäßigen jährlichen Mitarbeitergesprächs; zu Versetzungen oder sonstigen Ausübungen des Weisungsrechts trifft sie keine Regelungen.
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IV. Der Kläger wendet sich nicht mit einer Gegenrüge gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat sei ordnungsgemäß gemäß §§ 99, 100 BetrVG beteiligt worden(vgl. zu den individualrechtlichen Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung BAG 21. Februar 2017 - 1 AZR 367/15 - Rn. 22 mwN). Die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen.
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1. Das Landesarbeitsgericht konnte im Hinblick auf den insoweit unbestrittenen Vortrag der Beklagten und den vorgelegten Zuordnungstarifvertrag davon ausgehen, dass für den Geschäftsbereich REM zum Zeitpunkt der Versetzung ein einheitlicher Betriebsrat mit Übergangsmandat nach § 21a BetrVG bestand, der sowohl für die Betriebsstätte Dortmund als auch für die Betriebsstätte Berlin zuständig war. Die Beklagte hat diesen Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG vor Wirksamwerden der Versetzung über die Maßnahme informiert und um dessen Zustimmung gebeten. Nach Verweigerung der Zustimmung hat die Beklagte ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingeleitet, das zwischenzeitlich wegen Erledigung der Maßnahme eingestellt worden ist.
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2. Über die von der Beklagten beabsichtigte vorläufige Durchführung der Maßnahme ist der Betriebsrat gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG informiert worden. Er hat sich hierzu nicht geäußert, sodass ein Verfahren nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht erforderlich war. Die Beklagte hat damit das für die Durchführung der vorläufigen personellen Maßnahme vorgesehene Verfahren eingehalten (vgl. BAG 15. April 2014 - 1 ABR 101/12 - Rn. 18, BAGE 148, 61).
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V. Soweit sich der Kläger mit einer erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Gegenrüge gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts wendet, die Versetzung vom 23. Februar 2015 sei nicht wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612a iVm. § 134 BGB nichtig, hat diese keinen Erfolg.
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1. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die zulässige Rechtsausübung darf nicht nur äußerer Anlass, sondern muss der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Der Kläger trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung(BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 38 mwN). Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung oder Nichtüberzeugung des Berufungsgerichts für die Kausalität zwischen der zulässigen Rechtsausübung und der benachteiligenden Maßnahme kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt(ebenso zur Würdigung der vom Landesarbeitsgericht gewonnen Überzeugung einer Kausalität zwischen einem nach § 1 AGG verpönten Merkmal und einem Nachteil BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 29 mwN, BAGE 152, 134).
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2. Einer solchen eingeschränkten Überprüfung hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen § 612a BGB nur vorliegt, wenn die zulässige Rechtsausübung nicht nur äußerer Anlass, sondern tragender Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen ist. Auf dieser Grundlage hat es den vorgetragenen Sachverhalt vollständig und widerspruchsfrei gewürdigt und das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen verneint. Vielmehr habe die Beklagte im Kern die Weigerung des früheren Teams des Klägers, mit diesem weiter zusammenzuarbeiten, zum Anlass für die Versetzung genommen. Diese Würdigung der Tatsachen hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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VI. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Weisung vom 23. Februar 2015 die Grenzen billigen Ermessens (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) nicht gewahrt hat.
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1. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 106 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (st. Rspr., zuletzt im Hinblick auf Versetzungen zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 28 f. mwN).
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2. Der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei dessen Anwendung steht dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu. Dies gilt auch im Fall der Kontrolle der Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB(bisher regelmäßig offengelassen, zuletzt zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 27; 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 92, BAGE 135, 128; vgl. aber BAG 18. April 2012 - 10 AZR 134/11 - Rn. 23 [nur eingeschränkte Überprüfung]). Der Beurteilungsspielraum des Tatsachengerichts ist vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (BAG 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 36, BAGE 153, 378 [zum unbestimmten Rechtsbegriff „angemessen“]).
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a) Die revisionsrechtliche Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe findet nach der Rechtsprechung aller Senate des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich nur eingeschränkt statt (vgl. zB BAG 5. Juli 2011 - 1 AZR 868/09 - Rn. 14 [allg. zu unbestimmten Rechtsbegriffen in Tarifverträgen]; 15. Dezember 2016 - 2 AZR 42/16 - Rn. 12 [Sozialwidrigkeit einer Kündigung]; 13. Oktober 2016 - 3 AZR 439/15 - Rn. 35 [„sachlich-proportionale Gründe“]; 23. Februar 2011 - 4 AZR 313/09 - Rn. 24 mwN [allg. zu Rechtsbegriffen bei der Eingruppierung]; 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 14, BAGE 121, 133 [„Zumutbarkeit“ bei § 615 Satz 2 BGB]; 20. September 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 23 [zu § 125 InsO]; 14. Dezember 2016 - 7 ABR 8/15 - Rn. 23 [„Erforderlichkeit“]; 11. August 2016 - 8 AZR 809/14 - Rn. 37 [„unzulässige Rechtsausübung“]; 29. April 2015 - 9 AZR 108/14 - Rn. 13 [„angemessene Vergütung“ iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG]; 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 36, BAGE 153, 378 [„angemessen“ in § 6 Abs. 5 ArbZG]). Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt zB BGH 15. März 2017 - VIII ZR 270/15 - Rn. 24; 15. Dezember 2016 - III ZR 387/14 - Rn. 14; 19. Juni 2013 - XII ZB 309/11 - Rn. 25 [zur Billigkeitsentscheidung nach § 1578b BGB]; 9. Dezember 2008 - VI ZR 277/07 - Rn. 26 [allg. zum tatrichterlichen Ermessen]) und der weit überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. zB Zöller/Heßler 31. Aufl. § 546 Rn. 12; Düwell/Lipke/Düwell 4. Aufl. § 73 Rn. 24; ErfK/Koch 17. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 5; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 9; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 4. Aufl. § 73 Rn. 18; kritisch GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2017 § 73 Rn. 27 ff.).
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b) Der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff(BAG 27. Januar 2016 - 4 AZR 468/14 - Rn. 26, BAGE 154, 83; 18. April 2012 - 10 AZR 134/11 - Rn. 23; GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2017 § 73 Rn. 33). Hierüber herrscht - soweit erkennbar - kein Streit. Trotzdem ist die Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit dessen (volle) Überprüfung durch das Tatsachengericht vom Revisionsgericht zu überprüfen ist, uneinheitlich (GK-ArbGG/Mikosch aaO: „nicht konsequent“).
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aa) Der Vierte Senat hatte in einer Entscheidung vom 28. September 1977 (- 4 AZR 743/76 -) angenommen, dem Revisionsgericht stehe bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB gegenüber der landesarbeitsgerichtlichen Entscheidung ein unbeschränktes Überprüfungsrecht zu. Dabei ging es allerdings nicht um eine einzelfallbezogene Weisung eines Arbeitgebers, sondern um eine auf tariflicher Grundlage vom Arbeitgeber erlassene Kinderzuschlagsordnung. Die weitreichende Überprüfung wurde mit dem Umstand begründet, dass „die einseitige Bestimmung der Höhe des Kinderzuschlages durch den Arbeitgeber [sich] für alle Arbeitsverhältnisse im Bereiche des Beklagten auswirkt und daher in ihrer rechtlichen Bedeutung typischen Arbeitsverträgen, Satzungen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen gleichkommt“. Dabei wurde Bezug genommen auf Entscheidungen zur Reichweite der revisionsrechtlichen Überprüfung solcher Rechtsquellen (zB BAG 29. Januar 1975 - 4 AZR 218/74 - BAGE 27, 22). Auch die nachfolgende Entscheidung des Fünften Senats vom 28. November 1984 (- 5 AZR 123/83 - zu A II 2 der Gründe, BAGE 47, 238) betraf nicht das Weisungsrecht, sondern eine tarifliche Bestimmungsklausel über die Verkürzung der Arbeitszeit.
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bb) Im Folgenden hat sich diese Rechtsprechung allerdings „verselbständigt“ und auch bei der Kontrolle der Ausübung des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts wurde teilweise eine unbeschränkte Nachprüfung in der Revisionsinstanz vorgenommen, ohne dies allerdings näher zu begründen (vgl. BAG 23. Januar 1992 - 6 AZR 87/90 - zu II 2 c der Gründe; 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - zu I 1 der Gründe; 7. Dezember 2000 - 6 AZR 444/99 - zu IV 1 der Gründe). Hingegen hatte Achte Senat bereits in einer Entscheidung vom 12. Januar 1989 (- 8 AZR 251/88 - zu B I 2 d cc der Gründe, BAGE 60, 362) im Hinblick auf eine tarifliche Klausel über die Gewährung von unbezahltem Sonderurlaub (§ 50 Abs. 2 BAT) angenommen, dass eine Leistungsbestimmung, die der Tatrichter getroffen habe, nur der eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliege. Auch der Siebte Senat ist in einer Entscheidung vom 28. August 1996 (- 7 ABR 42/95 - zu B I 2 der Gründe) davon ausgegangen, dass es sich bei dem Begriff der Billigkeit iSv. § 315 Abs. 3 BGB um einen unbestimmten Rechtsbegriff handle, dessen richtige Anwendung in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nur beschränkt überprüfbar sei.
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cc) Der Sechste Senat hatte in neuerer Zeit in Bezug auf das arbeitsvertragliche Weisungsrecht und die Entwicklungsklausel in einem Chefarztvertrag seine Rechtsprechung zur vollen Überprüfbarkeit fortgeführt (BAG 13. März 2003 - 6 AZR 557/01 - zu II 1 der Gründe; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80). Gleiches gilt für den Neunten Senat im Zusammenhang mit dem Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen (BAG 3. Dezember 2002 - 9 AZR 457/01 - zu A II der Gründe, BAGE 104, 55; 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 23; 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 29 [bereits zurückhaltender]) und ausdrücklich auch hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolle von Versetzungen nach § 106 GewO(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 50, BAGE 118, 22; 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22).
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dd) In neuester Zeit haben hingegen sowohl der Sechste Senat (7. Juli 2011 - 6 AZR 151/10 - Rn. 33) als auch der Zehnte Senat (zB 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 27; 10. Juli 2013 - 10 AZR 915/12 - Rn. 32, BAGE 145, 341; 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 23; vgl. aber BAG 18. April 2012 - 10 AZR 134/11 - Rn. 23 [nur eingeschränkte Überprüfung]) diese Frage ausdrücklich offengelassen. Der Neunte Senat hat in einer Entscheidung vom 23. Juni 2015 (- 9 AZR 125/14 - Rn. 25) betreffend einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nunmehr ausgeführt, entgegen der früheren Rechtsprechung spreche vieles dafür, nur eine eingeschränkte Überprüfung vorzunehmen. Der Vierte Senat ist schließlich hinsichtlich der Überprüfung der Wirksamkeit einer Weisung nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB zuletzt ausdrücklich von einer nur eingeschränkten Überprüfbarkeit ausgegangen (BAG 27. Januar 2016 - 4 AZR 468/14 - Rn. 26, BAGE 154, 83).
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c) Es gibt keinen sachlichen Grund, bei der revisionsrechtlichen Kontrolle der Erwägungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob der Arbeitgeber sein Weisungsrecht gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB nach billigem Ermessen ausgeübt hat, vom allgemeinen Maßstab der Kontrolle unbestimmter Rechtsbegriffe abzuweichen. Eine Begründung dafür wurde in der Vergangenheit nicht gegeben und ist nicht erkennbar. Die für den Vierten Senat in der Entscheidung vom 28. September 1977 (- 4 AZR 743/76 -) maßgebenden Gründe tragen jedenfalls für individuelle Weisungen nicht, sodass dahinstehen kann, ob diese in anderen Fällen der Anwendung des § 315 BGB von Bedeutung sein können.
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d) Einer Anfrage beim Neunten Senat - der im Übrigen zwischenzeitlich die hier vertretene Auffassung zu teilen scheint - bedarf es gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 ArbGG nicht, da nach Ziff. 10.1.7 des Geschäftsverteilungsplans 2017 des Bundesarbeitsgerichts nunmehr der Zehnte Senat für Verfahren betreffend die Arbeits- und Beschäftigungspflicht zuständig ist. Ebenso wenig ist eine Anfrage beim Sechsten Senat erforderlich. Die Entscheidungen des Sechsten Senats betreffen ausschließlich Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten des § 106 GewO lagen. Damit ist eine für die Anfrage erforderliche Identität der Rechtslage nicht mehr gegeben (vgl. dazu BAG 19. September 2012 - 5 AZR 924/11 - Rn. 29; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 81, BAGE 142, 202). Andere Senate haben sich zum Weisungsrecht nach § 106 GewO nicht abweichend geäußert; der Vierte Senat teilt die hier vertretene Auffassung.
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3. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe mit ihrer Weisung vom 23. Februar 2015 billiges Ermessen nicht gewahrt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nach diesen Grundsätzen stand.
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a) Das Landesarbeitsgericht ist unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat alle von den Parteien vorgetragenen Umstände in den Blick genommen. Dabei hat es angenommen, dass das Interesse der Beklagten, durch die Versetzung des Klägers die Probleme in dessen ehemaligem Team zu lösen und den Betriebsfrieden in Dortmund wiederherzustellen, grundsätzlich einen betrieblichen Grund für die Maßnahme darstellen könne. Gleichzeitig hat es gewürdigt, dass die Beklagte aus ihrer Sicht selbst keine hinreichenden Maßnahmen ergriffen hat, um den Konflikt zu entschärfen und zu lösen. Es hat weiter berücksichtigt, dass es trotz der Beschäftigung des Klägers in einem Prozessarbeitsverhältnis keine Konflikte mehr gegeben, die Beklagte solche jedenfalls nicht vorgetragen habe. Im Übrigen hat es vertretbar angenommen, dass die lediglich auf sechs Monate angelegte Versetzung zur Konfliktbereinigung nicht geeignet gewesen sei. Daraus hat es den nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßenden Schluss gezogen, dass im Hinblick auf das anerkennenswerte Interesse des Klägers an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes in Dortmund und die - trotz der Kostenerstattung - erheblichen Auswirkungen einer Versetzung nach Berlin keine überwiegenden Interessen der Beklagten für die Versetzung vorgelegen hätten. Insoweit hat es auch den erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten, diese strebe zur Kostenreduzierung die Beschäftigung von Stammarbeitnehmern in dem Projekt in Berlin an, in den Blick genommen. Diesen hat es jedoch mit nachvollziehbaren Erwägungen als nicht ausreichend substanziiert angesehen, da es an Darlegungen zur tatsächlichen Beendigung der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern gefehlt habe.
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b) Die von der Revision hiergegen erhobenen Rügen greifen nicht durch. Die Beklagte rügt dabei nicht, dass das Landesarbeitsgericht den Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt habe oder von einem falschen Rechtsverständnis hinsichtlich des Begriffs des billigen Ermessens ausgegangen sei. Sie legt auch nicht dar, dass die Würdigung des Sachverhalts durch das Landesarbeitsgericht widersprüchlich sei. Vielmehr setzt die Beklagte lediglich ihre Würdigung der Umstände an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts und kommt zu dem Ergebnis, dass ihre Interessen gegenüber denen des Klägers überwogen hätten. Soweit die Beklagte in der Revisionsbegründung Ausführungen zu Reisekosten macht und vorträgt, sie hätte die Zeit, in der sich der Kläger in Berlin befunden hätte, nutzen können, um Maßnahmen der Konfliktbereinigung in Dortmund durchzuführen oder andere Beschäftigungsmöglichkeiten des Klägers zu prüfen, handelt es sich teilweise um neuen Sachvortrag, der in der Revision gemäß § 559 ZPO keine Berücksichtigung mehr finden kann. Im Übrigen hat sich das Landesarbeitsgericht mit dem Thema „Konfliktbereinigung“ auseinandergesetzt. Insgesamt ist damit die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe mit ihrer Weisung vom 23. Februar 2015 billiges Ermessen nicht gewahrt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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VII. Der Kläger musste der unbilligen Weisung vom 23. Februar 2015 nicht - auch nicht vorläufig - Folge leisten. An das Nichtbefolgen der Weisung konnte die Beklagte nicht Sanktionen knüpfen (so schon BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 16, 39 - unklar aber Rn. 25 -, BAGE 137, 164 [Unwirksamkeit einer Kündigung im Zusammenhang mit einem Glaubenskonflikt]; 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 25 [Unwirksamkeit einer Abmahnung - unbillige Weisung zu einem Personalgespräch]; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b der Gründe [Unwirksamkeit einer Kündigung - unbillige Zuweisung von Bereitschaftsdiensten]; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b ff. der Gründe, BAGE 62, 59; 20. Dezember 1984 - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 47, 363 [jeweils zu Kündigungen nach einer wegen Nichtbeachtung einer Gewissensentscheidung unbilligen Weisung]). Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen.
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1. Allerdings hat der Fünfte Senat mit Urteil vom 22. Februar 2012 (- 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34 ) entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam sei - nicht hinwegsetzen dürfe, sondern entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen müsse. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Weisungsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe. Diese Entscheidung hat in Rechtsprechung und Schrifttum Zustimmung erfahren (LAG Rheinland-Pfalz 17. März 2014 - 3 Sa 535/13 - zu II der Gründe [in einem obiter dictum]; LAG Köln 13. Januar 2014 - 2 Sa 614/13 -; DLW/Dörner 13. Aufl. Kap. 1 Rn. 624; Hromadka NZA 2017, 601 ff.; ders. FS von Hoyningen-Huene 2014 S. 145 ff., 152 ff.; Hromadka/Maschmann ArbR Bd. 1 6. Aufl. § 6 Rn. 23; Schmitt-Rolfes AuA 2015, 695; ders. AuA 2013, 200; Palandt/Grüneberg 75. Aufl. § 315 BGB Rn. 16; Erman/Hager BGB 14. Aufl. § 315 Rn. 22 [jeweils allg. zu § 315 BGB]), überwiegend aber deutliche Ablehnung (LAG Düsseldorf 6. April 2016 - 12 Sa 1153/15 - zu A II 3 c der Gründe; LAG Köln 28. August 2014 - 6 Sa 423/14 - zu II 2 der Gründe; LAG Berlin-Brandenburg 31. Mai 2013 - 6 Sa 373/13 - zu 1.1.1.3.3.3 der Gründe; AR/Kolbe 8. Aufl. § 106 GewO Rn. 63; BeckOK/Tillmanns Stand: 1. Juni 2017 § 106 GewO Rn. 57; Boemke jurisPR-ArbR 30/2012 Anm. 1; ders. NZA 2013, 6 ff.; Busemann ZTR 2015, 63 ff., 70 f.; ErfK/Preis 17. Aufl. § 106 GewO Rn. 7a; Däubler/Deinert/Zwanziger/Zwanziger KSchR 10. Aufl. § 2 KSchG Rn. 80; Eickmanns Die Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen durch Vertragsgestaltung Diss. 2014, S. 77; Fischer FA 2014, 38 ff.; HWK/Lembke 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 116 f.; Kühn NZA 2015, 10 ff., 13; NK-GA/Boecken/Pils § 106 GewO Rn. 68, 77 ff.; Preis NZA 2015, 1 ff., 5 ff.; Preis/Wieg AuR 2016, 313 ff., 319; Schauß ArbR-aktuell 2016, 518 ff., 520; Schaub ArbR-HdB/Linck 17. Aufl. § 45 Rn. 18 ff.; MüKoBGB/Würdinger 7. Aufl. § 315 Rn. 67; Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 BGB Rn. 418; Thüsing JM 2014, 20 ff.; Ziemann jurisPR-ArbR 42/2016 Anm. 2). Diese Kritik ist berechtigt.
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2. § 106 GewO regelt nunmehr für alle Arbeitsverhältnisse(§ 6 Abs. 2 GewO) das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Es handelt sich um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers, das doppelte Relevanz hat: Einerseits ist es notwendige Bedingung, um überhaupt vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bzw. vom Status als Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinn ausgehen zu können (st. Rspr., vgl. zB zuletzt BAG 17. Januar 2017 - 9 AZR 76/16 - Rn. 14; vgl. seit 1. April 2017 auch § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB). Andererseits konkretisiert der Arbeitgeber mit seinem Weisungsrecht die arbeitsvertraglich häufig nur rahmenmäßig bestimmte Arbeitspflicht - dh. die dem Umfang nach bereits bestimmte Gegenleistung des Arbeitnehmers - hinsichtlich Zeit, Ort und Art der zu erbringenden Arbeitsleistung und schafft damit regelmäßig erst die Voraussetzung dafür, dass der Arbeitnehmer diese erbringen und das Arbeitsverhältnis praktisch durchgeführt werden kann. Insofern ist die Ausübung des Weisungsrechts notwendige Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers, wobei der erforderliche Weisungsumfang von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl. BAG 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 38; 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - Rn. 15, BAGE 148, 16).
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a) Bereits vor Inkrafttreten des § 106 GewO war anerkannt, dass das Weisungsrecht wesentlicher Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses ist(st. Rspr., vgl. zB BAG 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 1 der Gründe mwN, BAGE 112, 80; 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - zu I 1 der Gründe mwN). Dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht durfte der Arbeitgeber stets - und nicht nach § 315 Abs. 1 BGB „im Zweifel“ - nur nach billigem Ermessen ausüben(vgl. zB BAG 20. Dezember 1984 - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe mwN, BAGE 47, 363) und diese Ausübung unterlag der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. zB BAG 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - zu I 1 der Gründe; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b aa der Gründe). Nach diesem Maßstab wirksame Weisungen wurden (und werden) als verbindlich angesehen, der Arbeitnehmer muss sie befolgen (allgM, vgl. zB BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 48, BAGE 118, 22). Weisungen, die dieser Kontrolle nicht standhielten, also unbillig waren, wurden hingegen als unwirksam angesehen, der Arbeitnehmer war nicht verpflichtet, ihnen zu folgen und Sanktionen wie Abmahnungen oder Kündigungen konnten auf solche Weisungen nicht gestützt werden (vgl. zB BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 25 [Unwirksamkeit einer Abmahnung]; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b der Gründe [Unwirksamkeit einer Kündigung - unbillige Zuweisung von Bereitschaftsdiensten]; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 62, 59; 20. Dezember 1984 - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 47, 363 [jeweils zu Kündigungen nach einer wegen Nichtbeachtung einer Gewissensentscheidung unbilligen Weisung]). Die Auffassung, der Arbeitnehmer müsse unbillige Weisungen vorläufig bis zu einer gerichtlichen Entscheidung befolgen, wurde - soweit erkennbar - weder in Rechtsprechung noch Literatur vertreten. Ebenso wenig wurden durch die Gerichte im Bereich des Weisungsrechts über Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung Ersatzleistungsbestimmungen iSv. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgenommen, also unbillige Weisungen durch eine „gerichtliche Weisung“ ersetzt(anders aber bei „Ermessensreduzierung auf null“ aufgrund von Verwaltungsvorschriften, zB BAG 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - zu II der Gründe).
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b) Mit Wirkung zum 1. Januar 2003 hat der Gesetzgeber im Zuge der Novellierung der Gewerbeordnung mit § 106 GewO erstmals eine gesetzliche Regelung über das Weisungsrecht geschaffen, die für alle Arbeitsverhältnisse gilt. Dabei sollte unter wesentlicher Übernahme des Inhalts des im Gegenzug aufgehobenen § 121 GewO die bisherige Rechtsprechung „in moderner Sprache“ im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kodifiziert werden(BT-Drs. 14/8796 S. 16, 24). Inhaltliche Veränderungen waren damit nicht verbunden (ErfK/Preis 17. Aufl. § 106 GewO Rn. 1), sieht man von der besonderen Vorschrift zur Berücksichtigung von Behinderungen ab (vgl. § 106 Satz 3 GewO). Seither ist § 106 GewO ua. gesetzliches Leitbild für die Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. dazu zB BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - BAGE 135, 239; zur rein klarstellenden Bedeutung von § 106 Satz 1 Halbs. 2 GewO BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 18, BAGE 132, 210).
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3. Nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB besteht keine - auch keine vorläufige - Bindung des Arbeitnehmers an unbillige Weisungen, sofern der Arbeitnehmer diese nicht trotz ihrer Unbilligkeit akzeptiert.
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a) § 106 Satz 1 GewO trifft keine ausdrückliche Regelung über die Rechtsfolgen von Weisungen, die billigem Ermessen nicht entsprechen. Allerdings legt bereits der Wortlaut nahe, dass der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nur dann näher bestimmen kann, wenn er billiges Ermessen wahrt (ähnlich Preis NZA 2015, 1 ff., 5). Hält er diese Grenzen nicht ein, verlässt er den Rahmen, den das Gesetz für sein Bestimmungsrecht vorgibt (BeckOK/Tillmanns Stand 1. Juni 2017 § 106 GewO Rn. 57 „Leistungspflicht nicht entsprechend konkretisiert“). An eine solchermaßen gesetzwidrige Weisung kann regelmäßig ohne ausdrückliche Anordnung keine Bindung bestehen.
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b) Systematik und Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung sprechen gegen eine solche vorläufige Bindung. Dies gilt insbesondere auch im Kontext des § 315 BGB, soweit er auf das Weisungsrecht Anwendung findet.
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aa) Dass die Weisungsgebundenheit das Arbeitsverhältnis prägt, trifft zwar zu, sagt aber entgegen der Auffassung des Fünften Senats ( 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34 ) über eine vorläufige Bindung nichts aus. Es handelt sich nicht etwa um einen vorläufig vollziehbaren Verwaltungsakt (vgl. dazu Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 Rn. 420). Auch kann das Arbeitsverhältnis nach heutigem Verständnis nicht als Subordinationsverhältnis angesehen werden (zugespitzt Däubler/Deinert/Zwanziger/Zwanziger 10. Aufl. § 2 KSchR Rn. 80 „Arbeitnehmer sind weisungsgebunden, aber keine Soldaten“). Soweit der Gesetzgeber für bestimmte Arbeitnehmergruppen weiterreichende Verpflichtungen vorsieht, hat er diese angeordnet. So bestimmt § 124 Abs. 1 Satz 1 SeeArbG, dass Besatzungsmitglieder „vollziehbare Anordnungen der Vorgesetzten unverzüglich zu befolgen“ haben; nach Satz 2 gilt dies insbesondere in Gefahrensituationen. Dabei handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht, die über die heuervertragliche „Folgeleistungspflicht“ nach § 32 Abs. 1 Satz 2 SeeArbG hinausgeht(Bubenzer/Noltin/Peetz/Mallach/Bubenzer SeeArbG § 32 Rn. 7, § 124 Rn. 1 f.; Lindemann SeeArbG § 124 Rn. 3 f.; zur Vorgängerregelung Bemm/Lindemann SeemannsG 6. Aufl. § 29 Rn. 10 ff.; vgl. auch § 23 Abs. 1 Binnenschifffahrtsgesetz).
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bb) Eine vorläufige Verpflichtung, einer unbilligen Weisung nachzukommen, ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit der Situation nach Ausspruch einer Änderungskündigung. Mit der Änderungskündigung wird das bisher bestehende Arbeitsverhältnis beendet und die Beschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt auf Basis neuer vertraglicher Bedingungen, die der Arbeitnehmer, wenn auch unter Vorbehalt, akzeptiert hat (Ziemann jurisPR-ArbR 42/2016 Anm. 2 unter B.; aA Hromadka NZA 2017, 601 ff., 603; ders. FS von Hoyningen-Huene aaO S. 153). Der Arbeitnehmer schließt bei Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt einen auflösend bedingten Vertrag, der für ihn bis zur Entscheidung über die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung verbindlich ist. Bei der unbilligen Weisung geht es jedoch nicht um den Vertragsschluss, sondern um die Konkretisierung der aus dem Vertrag folgenden Arbeitspflichten.
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cc) Ähnliches gilt im Verhältnis zu § 275 Abs. 3 BGB. Nach dieser Norm besteht ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers (nur) im Fall der Unzumutbarkeit der Leistung. Daraus kann aber nicht der (Umkehr-)Schluss gezogen werden, dass im Anwendungsbereich des § 106 GewO unbillige Weisungen verbindlich sind(so aber Hromadka NZA 2017, 601 ff.), eine solche Regelung trifft die Norm nicht. Vielmehr gibt § 106 GewO seinerseits den - gegenüber § 275 Abs. 3 BGB abweichenden - Maßstab vor(BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 31, BAGE 137, 164). Andernfalls hätte es nahegelegen, im später in Kraft getretenen § 106 GewO auf § 275 Abs. 3 BGB zu verweisen und als Maßstab nicht die Unbilligkeit, sondern die Unzumutbarkeit zu normieren. Dies schließt allerdings nicht aus, dass weitergehend auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 275 Abs. 3 BGB erfüllt sein können(vgl. dazu Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 Rn. 444, 457 ff.) oder die Norm Anwendung finden kann, wenn die Weisung zum Zeitpunkt ihrer Erteilung zwar rechtmäßig war, aber später Unzumutbarkeit eintritt, zB wegen eines erst nach erteilter Weisung entstehenden Gewissenskonflikts (vgl. dazu Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 41 mwN).
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dd) Ebenso wenig ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB eine vorläufige Bindung. Zwar findet § 315 BGB bei der Überprüfung einer Weisung gemäß § 106 GewO grundsätzlich entsprechend Anwendung, nicht aber § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und die dort vorgesehene gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung.
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(1) § 106 Satz 1 GewO verweist hinsichtlich der Ausübung und der Kontrolle billigen Ermessens nicht ausdrücklich auf § 315 BGB. Allerdings ging die Rechtsprechung bereits vor Inkrafttreten des § 106 GewO davon aus, dass sich die Überprüfung einer Weisung am Maßstab billigen Ermessens an den zu § 315 BGB entwickelten Grundsätzen zu orientieren hatte. Dies galt trotz des Umstands, dass mit der Weisung nicht die Leistung des Arbeitgebers bestimmt wird, sondern die hinsichtlich des Umfangs bereits vertraglich festgelegte Gegenleistung des Arbeitnehmers konkretisiert wird (weshalb im Schrifttum teilweise § 316 BGB zur Begründung des Weisungsrechts zusätzlich herangezogen wird, vgl. von Hoyningen-Huene Die Billigkeit im Arbeitsrecht 1978 S. 143). Hieran hat der Gesetzgeber angeknüpft (vgl. Schönleiter/Viethen GewArch 2003, 129 ff., 135) und die befassten Senate des Bundesarbeitsgerichts haben auch zu § 106 GewO an der (entsprechenden) Anwendung des § 315 BGB festgehalten. Die Vorschriften wurden dabei regelmäßig „in einem Atemzug“ („§ 315 BGB“, „§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB“, „§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB“) genannt (vgl. zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 28; 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34; 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 17, BAGE 137, 164; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, BAGE 135, 239; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 48 ff., BAGE 118, 22; ebenso zB AR/Kolbe § 106 GewO Rn. 50; HWK/Lembke 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 9; Kühn NZA 2015, 10, 12; MüKoBGB/Würdinger 7. Aufl. § 315 Rn. 67; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 21; Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 Rn. 185). Nach anderer Auffassung soll § 315 BGB neben § 106 GewO als arbeitsrechtlicher Spezialnorm nicht anwendbar sein(insbesondere ErfK/Preis 17. Aufl. § 106 GewO Rn. 1; Hromadka FS von Hoyningen-Huene S. 145 ff.; NK-GA/Boecken/Pils § 106 Rn. 6, 66 ff.; kritisch wohl auch Thüsing jM 2014, 20, 21), wobei auch die Vertreter dieser Auffassung wohl weder den Begriff des billigen Ermessens noch das gerichtliche Kontrollsystem verändert sehen wollen.
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(2) An einer entsprechenden Anwendung des § 315 BGB unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Weisungsrechts ist festzuhalten. Dabei hat die Ausübung des Weisungsrechts nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung gemäß § 106 Satz 1 BGB immer nach billigem Ermessen zu erfolgen, insoweit wird die Zweifelsregelung des § 315 Abs. 1 BGB verdrängt. Hinsichtlich des Begriffs des billigen Ermessens gibt es hingegen keinen Grund, im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO von den allgemeinen Maßstäben abzuweichen. Gleiches gilt im Hinblick auf § 315 Abs. 2 BGB, wonach die Leistungsbestimmung durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil zu erfolgen hat. Nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil (nur) verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Dies gilt auch für das Weisungsrecht nach § 106 GewO. Dabei folgt aus der Norm im Umkehrschluss zunächst, dass die Leistungsbestimmung für den Berechtigten grundsätzlich verbindlich ist (vgl. dazu BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 649/10 - Rn. 40 f. mwN, BAGE 139, 296). Dies gilt auch im Bereich der Ausübung des Weisungsrechts. Eine vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung hat für diesen Bestand, bis sie von ihm durch eine andere (wirksame) Weisung ersetzt wird (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 15, BAGE 135, 239; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 18). Der Arbeitnehmer kann (und muss) seine Arbeitsleistung so erbringen, wie sie durch die letzte wirksame Weisung konkretisiert wurde. Die Erteilung einer neuen Weisung durch den Arbeitgeber ist - anders als zB bei der Festsetzung einer Bonusleistung für ein bestimmtes Jahr - mit Wirkung für die Zukunft im Rahmen der arbeitsvertraglichen Bestimmungen jederzeit möglich (diesen Aspekt übersieht Hromadka NZA 2017, 601, 603). Für den Arbeitnehmer ist die Weisung hingegen - wie § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bereits nach seinem Wortlaut anordnet - nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht(BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 16, 39 - unklar aber Rn. 25 -, BAGE 137, 164; 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 25; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b der Gründe; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b ff. der Gründe, BAGE 62, 59; 20. Dezember 1984 - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 47, 363; HWK/Lembke 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 116a; MüKoBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 67; Münchner Handbuch ArbR/Reichold 3. Aufl. § 36 Rn. 29; Staudinger/Rieble aaO § 315 Rn. 186; Tettinger/Wank/Ennuschat/Wank aaO GewO 8. Aufl. § 106 Rn. 33; vgl. zur Diskussion, ob bei einem Glaubens- und Gewissenskonflikt vorrangig § 275 Abs. 3 BGB Anwendung finden muss einerseits BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 30 f. aaO, andererseits Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 41).
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(3) Aus § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt sich nichts anderes; die Norm ist im Bereich des Weisungsrechts nicht, auch nicht entsprechend anwendbar.
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(a) Entspricht eine einseitige Leistungsbestimmung nicht der Billigkeit, wird die Bestimmung grundsätzlich durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dem Gläubiger ist damit ein - nicht fristgebundenes, aber durch den Gesichtspunkt der Verwirkung begrenztes - Klagerecht eingeräumt. Die Klage kann auch unmittelbar auf die Leistung gerichtet werden (vgl. zB BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 26/12 - Rn. 32 mwN auch aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung). Ohne eine solche gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung könnte der Anspruchsinhaber im Bereich der „klassischen“ Leistungsbestimmungsrechte bei einer unbilligen oder verzögerten Leistungsbestimmung seinen Anspruch nicht durchsetzen, er kennt ihn nicht einmal. Auf etwa vorher festgesetzte Leistungen kann - da es sich um einen neuen Anspruch auf Leistungsfestsetzung handelt - nicht zurückgegriffen werden. Dies betrifft insbesondere Geldleistungen, so zB Bonuszahlungen (vgl. zB BAG 3. August 2016 - 10 AZR 710/14 - [umfangreich zur gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung] Rn. 29 f.).
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(b) Anders ist dies im Anwendungsbereich des § 106 Satz 1 GewO bei der Ausübung des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts. Diese betrifft die Gegenleistung des Arbeitnehmers. Eine vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung hat insoweit Bestand, bis sie vom Arbeitgeber durch eine andere (wirksame) Weisung ersetzt wird (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 15, BAGE 135, 239). Damit sind für beide Vertragsparteien regelmäßig die wechselseitigen Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung bestimmt, sofern es auch nur einmal zur wirksamen Ausübung des Weisungsrechts kam. Unterlässt der Arbeitgeber jegliche Ausübung des Weisungsrechts auch zu Beginn des Arbeitsverhältnisses bzw. fehlt es insoweit an einer wirksamen Weisung, kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung mangels entsprechender Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers nicht erbringen (vgl. zu einem Fall der Nichtausübung des Weisungsrechts auch BAG 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - BAGE 148, 16). In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber das Risiko der Vergütungs- bzw. Schadensersatzpflicht (vgl. zur Abgrenzung zwischen Annahmeverzugs- und Schadensersatzansprüchen BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - BAGE 134, 296) zu tragen, ohne im Gegenzug mangels wirksamer Mitwirkungshandlung die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu erhalten. Seinen Beschäftigungsanspruch kann der Arbeitnehmer wiederum geltend machen, indem er eine Leistungsklage auf tatsächliche Beschäftigung erhebt. Dabei kann (und muss) der Antrag bei im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebener Arbeitspflicht aus materiell-rechtlichen Gründen nicht so genau sein, dass er auf eine ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist. Ausreichend und erforderlich ist, dass die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist (näher dazu BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - Rn. 44, BAGE 152, 1; 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - Rn. 19, BAGE 130, 195).
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(c) Eine gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB scheidet hingegen im Anwendungsbereich des § 106 GewO aus. Durch sein Weisungsrecht konkretisiert der Arbeitgeber die Erbringung der Arbeitsleistung im Betrieb. Die Mitwirkungshandlung iSv. §§ 295, 296 BGB ist erforderlich, um dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen(BAG 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 38), der Arbeitnehmer kann sich einer rechtlich einwandfreien Konkretisierung der Arbeitspflicht nach § 106 Satz 1 GewO nicht entziehen, indem er eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbietet(BAG 30. April 2008 - 5 AZR 502/07 - Rn. 24, BAGE 126, 316). Ebenso wenig könnte im Fall einer unbilligen Leistungsbestimmung das Gericht Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung an Stelle des Arbeitgebers festlegen. Ein solches Gestaltungsurteil scheidet aus, es würde sich um einen unzulässigen Eingriff in die Organisationshoheit des Arbeitgebers handeln (vgl. dazu zB BAG 20. November 2014 - 2 AZR 512/13 - Rn. 27 f.), den § 106 GewO weder vorsieht noch zulässt(vgl. zB AR/Kolbe aaO § 106 GewO Rn. 66; Busemann ZTR 2015, 63, 66, 71; Fischer FA 2014, 38, 39; Hromadka/Maschmann 6. Aufl. § 6 Rn. 24a; MüKoBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 BGB Rn. 67; NK-GA/Boecken/Pils § 106 GewO Rn. 67 [bereits generell die Anwendbarkeit des § 315 ablehnend]; Staudinger/Rieble aaO § 315 BGB Rn. 187; im Ergebnis ebenso für den Fall der „Unzufriedenheit mit bestimmten vom Arbeitgeber übertragenen Arbeiten“ bereits Söllner Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis 1966 S. 125; aA ohne Begründung MünchArbR/Reichold 3. Aufl. § 36 Rn. 31). Auch in der Rechtsprechung sind - ohne dies überhaupt zu thematisieren - weder vor noch nach Inkrafttreten des § 106 GewO Weisungen im Wege der Ersatzleistungsbestimmung ausgeurteilt worden(vgl. zur Abgrenzung auch BAG 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - BAGE 148, 16 [für den Fall der Nichtausübung des Weisungsrechts, allerdings missverständlich § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zitierend]). Soweit der Vierte Senat in der Entscheidung vom 27. Januar 2016 (- 4 AZR 468/14 - Rn. 19 ff., BAGE 154, 83) § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB erwähnt, wird klargestellt, dass der Arbeitnehmer, der mit seiner Klage die Billigkeit einer nur vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit im Sinne der tarifvertraglichen Regelung des öffentlichen Dienstes angreift, regelmäßig die bloße Kassation des Merkmals „vorübergehend“ anstrebt. Dies habe nach den tariflichen Vorschriften zur Folge, dass die höherwertige Tätigkeit als von Anfang an dauerhaft übertragen gilt. Ähnliches gilt bei tariflichen Ansprüchen auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses (vgl. zB zuletzt BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 30).
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(d) Entgegen der Auffassung des Fünften Senats (22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34) lassen sich daher aus der Gestaltungswirkung der Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB keine Anhaltspunkte für die Frage der Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung herleiten. Die als Beleg zitierten Entscheidungen (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 859/09 -; 16. Dezember 1965 - 5 AZR 304/65 -; BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - BGHZ 167, 139) betrafen dementsprechend nicht die Ausübung des Weisungsrechts, sondern Ersatzleistungsbestimmungen nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Eine Klageobliegenheit des von der unbilligen Weisung betroffenen Arbeitnehmers ergibt sich daraus nicht (Boemke NZA 2013, 6 ff., 10; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19; allg. MüKoBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 44 ).
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c) Sinn und Zweck des Weisungsrechts in der Form, wie es durch § 106 GewO ausgestaltet ist, verlangen gleichfalls keine vorläufige Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung, sondern stehen einer solchen vielmehr entgegen.
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aa) Das Weisungsrecht soll dem Arbeitgeber ermöglichen, den Arbeitsvertrag und die dort regelmäßig nur rahmenmäßig ausgestaltete Arbeitspflicht in der von ihm gewollten Form zu konkretisieren. § 106 GewO normiert dabei ausdrücklich Grenzen, die zum einen in den rechtlichen Rahmenbedingungen (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen, Tarifvertrag, Gesetz) und zum anderen im billigen Ermessen liegen. Dabei soll die Ausübung des Weisungsrechts - anders als noch der Wortlaut von § 121 GewO nahelegte, ohne dass die Rechtsprechung die Vorschrift so verstand - nicht in einem „Über- oder Unterordnungsverhältnis“ erfolgen, sondern in einem „eher partnerschaftliche[n] Miteinander“ im Arbeitsverhältnis(so ausdrücklich die Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/8796 S. 24 ). Mit einer solchen Zielrichtung ist ein Verständnis, wonach der Arbeitnehmer sanktionsbewehrt an unbillige Weisungen gebunden sein soll, nicht vereinbar.
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bb) Es bestehen auch keine praktischen Gründe, von einer vorläufigen Verbindlichkeit auszugehen. Spricht der Arbeitgeber eine Weisung aus, ist diese für ihn als Bestimmungsberechtigten verbindlich. Befolgt der Arbeitnehmer diese Weisung und erbringt er - unabhängig von einer möglichen Unbilligkeit - seine Arbeitsleistung, wird das Arbeitsverhältnis in der Form durchgeführt, die der Arbeitgeber begehrt. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich gegen unbillige Weisungen zu wehren, besteht nicht, vielmehr kann er diese hinnehmen (vgl. zB LAG Berlin-Brandenburg 31. Mai 2013 - 6 Sa 373/13 - zu 1.1.1.3.3.3 der Gründe; Staudinger/Rieble aaO § 315 Rn. 414). Ändert der Arbeitnehmer insoweit seine Auffassung, kann sein Recht zur Geltendmachung der Unbilligkeit - wie jedes andere Recht - verwirken (vgl. zu diesem Aspekt: LAG Düsseldorf 6. April 2016 - 12 Sa 1153/15 - zu A II 3 c der Gründe; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19 a). Akzeptiert der Arbeitnehmer hingegen eine Weisung, die er als unbillig ansieht, nicht und erbringt keine Arbeitsleistung, trägt er das Risiko, ob ein Gericht im Rahmen der Prüfung nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB seine Einschätzung teilt(vgl. zur Risikoverteilung: BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 32; 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 29). Ist dies nicht der Fall, kann der Arbeitgeber Sanktionen aussprechen und der Arbeitnehmer verliert seinen Vergütungsanspruch. Erzwingen könnte der Arbeitgeber die Erbringung der Arbeitsleistung im Hinblick auf § 888 Abs. 3 ZPO in keinem Fall. Erweist sich die Weisung hingegen als unbillig, hat der Arbeitgeber - soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen - nach § 615 iVm. § 611 BGB bzw. im Wege des Schadensersatzes die Vergütung zu leisten, ohne einen Nachleistungsanspruch zu haben. Denjenigen, der eine unbillige Weisung erteilt, trifft dementsprechend das Risiko der Unwirksamkeit dieser Weisung; dieses kann nicht auf den Vertragspartner abgewälzt werden (vgl. zu einer ähnlichen Risikoverteilung zwischen Verbraucher und Versorgungsunternehmen: BGH 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 -; 19. Januar 1983 - VIII ZR 81/82 -; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19a). Bei Annahme einer vorläufigen Verbindlichkeit unbilliger Weisungen könnte der Arbeitgeber diese hingegen risikolos erteilen. Folgt der Arbeitnehmer ihnen nicht, wäre er Sanktionen bis hin zur Kündigung ausgesetzt, obwohl die Weisung nicht den gesetzlichen Anforderungen und damit der objektiven Rechtslage entspricht (vgl. zu diesem Aspekt LAG Köln 28. August 2014 - 6 Sa 423/14 - zu II 2 der Gründe). Folgt ihr der Arbeitnehmer hingegen und stellt das Gericht später deren Unbilligkeit fest, bliebe dies für den Arbeitgeber faktisch folgenlos. Damit geht es nicht um die Beseitigung von Rechtsunklarheiten (so aber LAG Köln 13. Januar 2014 - 2 Sa 614/13 -), sondern es erscheint nicht völlig polemisch, eine solche Situation als „Spielwiese für trennungswillige Arbeitgeber“ zu qualifizieren (Schauß ArbR Aktuell 2016, 518, 519).
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d) Schließlich spricht - wie bereits dargelegt - auch die Entstehungsgeschichte des § 106 GewO für die hier vertretene Auffassung. Obwohl der Wortlaut des § 121 GewO vielleicht noch auf ein anderes Verständnis hindeutete(„den Anordnungen der Arbeitgeber … Folge zu leisten“), hatte die Rechtsprechung bereits aus dieser Norm solche Schlussfolgerungen nicht gezogen, sondern eine Unwirksamkeit unbilliger Weisungen angenommen. Dies hat der Gesetzgeber aufgegriffen und sich ein mögliches anderes Verständnis von § 121 GewO nicht zu eigen gemacht (BT-Drs. 14/8796 S. 16, 24).
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4. Der Senat ist nicht an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil er nicht von der Rechtsprechung eines anderen Senats abweicht. Der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 4 ArbGG bedarf es nicht. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf den Anfragebeschluss des Senats von 14. Juni 2017 (- 10 AZR 330/16 (A) -) mit Beschluss vom 14. September 2017 (- 5 AS 7/17 -) entschieden, dass er an der im Urteil vom 22. Februar 2012 (- 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34) vertretenen Rechtsauffassung zur vorläufigen Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung nicht mehr festhält.
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VIII. Der Kläger hat einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 26. März 2015 und vom 22. April 2015 aus seiner Personalakte. Die auch insoweit zulässige Klage ist begründet.
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1. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt (st. Rspr., zB BAG 20. Januar 2015 - 9 AZR 860/13 - Rn. 31; 19. Juli 2012 - 2 AZR 782/11 - Rn. 13 mwN, BAGE 142, 331). Einen solchen Anspruch macht der Kläger im Wege des Leistungsantrags hinsichtlich beider erteilter Abmahnungen geltend.
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2. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Entfernung der Abmahnung besteht. Mit den beiden Abmahnungen wird ausschließlich gerügt, dass der Kläger seine Tätigkeit in Berlin nicht aufgenommen hat. Dazu war er - wie ausgeführt - wegen der Unbilligkeit der erteilten Weisung nicht verpflichtet.
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IX. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
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Linck
Schlünder
W. Reinfelder
Petri
Klein
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Weisung der Beklagten vom 23. Februar 2015 unwirksam ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom 26.03.2015 und 22.04.2015 aus der Personalakte zu entfernen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die ausstehende Vergütung für die Monate April bis August 2015 in Höhe von 20.825,00 € brutto abzüglich eines auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Anspruchs für den Leistungszeitraum vom 21.04.2015 bis zum 31.08.2015 in Höhe von 6.133,76 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Widerklage wird abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 7 % und die Beklagte zu 93 %.
6. Der Streitwert wird auf 30.382,40 € festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung, die Entfernung zweier Abmahnungen, gegenseitige Zahlungsansprüche sowie über die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger erneut bei der Sozialversicherung anzumelden. Der 1962 geborene Kläger ist seit dem 1.4.2001 bei der Beklagten zuletzt als Immobilienkaufmann in E im Bereich Corporate & Public im Team 1234 beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt beträgt 4.165,00 €. In dem ursprünglichen Arbeitsvertrag vom 2.2.2001 (Bl. 13 ff. d.A.) wurde folgendes vereinbart:
3„§ 1
4Art und Ort der Beschäftigung
5- 1.6
Der Arbeitnehmer wird im Aufgabenbereich Service Center Nord in N als Immobilienkaufmann vollzeit beschäftigt.
- 2.7
Die E1 ist berechtigt, dem Arbeitnehmer auch eine andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, gegebenenfalls auch unter Veränderung des Arbeitsortes/ Einsatzgebietes oder des Aufgabenbereiches zu übertragen. Der Arbeitnehmer ist zuvor zu hören.
- 3.8
Die Beteiligung des Betriebsrates bleibt hiervon unberührt.“
In dem zuletzt gültigen Änderungsvertrag vom 25.11.2010 zum Arbeitsvertrag trafen die Parteien folgende Regelung, nachdem zuvor die Abteilung von der E1 auf die Beklagte übergegangen war:
10„§ 1
11Änderung des Arbeitsvertrages
12- 1.13
§ 1 Abs. 1 Ihres Arbeitsvertrages (Art und Ort der Beschäftigung) erhält folgende Fassung:
Der Arbeitnehmer wird in E als Immobilienkaufmann im Bereich Corporate an Public im Team 1234 vollbeschäftigt.
15(…)
16§ 2
17Schlussbestimmungen
18- 1.19
Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages bleiben unberührt.“
Zwischen den Parteien war ein Kündigungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Dortmund (Az.: 7 Ca 1917/13) anhängig. Die Beklagte wurde dort mit Urteil vom 17.12.2012 u.a. dazu verurteilt, den Kläger zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Immobilienkaufmann in der Abteilung DFMG für den Bereich Betriebskostenabrechnungen zu einem Bruttogehalt in Höhe von 4.165,00 € weiterzubeschäftigen. Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.
21Mit Schreiben vom 23.2.2015 (Bl. 52 ff. d.A.) erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger, dass dieser unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages befristet für die Zeit vom 16.3.2015 bis zum 30.9.2015 im Projekt im Team 2345, Team Due Dilligence/ Archiv am Standort C eingesetzt wird. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zur Versetzung des Klägers mit Schreiben vom 5.3.2015 (Bl. 58 d.A.). Mit Schreiben vom 12.3.2015 (Bl. 61 f. d.A.) teilte die Beklagte mit, dass sie bei dem Betriebsrat den Antrag auf vorläufige Versetzung gemäß § 100 BetrVG gestellt habe. Zu diesem Antrag nahm der Betriebsrat nicht unverzüglich Stellung.
22Der Kläger leistete der Weisung der Beklagten, die Arbeit ab dem 16.3.2015 in C zu verrichten, nicht Folge. Gleichwohl zahlte die Beklagte an den Kläger das gesamte Gehalt für den Monat März 2015. Mit Schreiben vom 16.3.2015 (Bl. 71 d.A.) und 22.4.2015 (Bl. 81 d.A.) mahnte die Beklagte den Kläger wegen des Vorwurfs des unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit ab. Mit Schreiben vom 28.5.2015 kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos. Diesbezüglich führen die Parteien einen Kündigungsrechtsstreit. Die Beklagte zahlte ab April 2015 an den Kläger nach Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung kein Gehalt mehr.
23Bereits in der Vergangenheit wurde der Kläger durch eine E-Mail der Beklagten vom 6.1.2014 darüber informiert, dass er ab dem 1.11.2014 im „Archiv-Projekt“ am Standort C eingesetzt werden sollte. Entsprechendes wurde dem Kläger auch am 17.7.2014 mündlich mitgeteilt. Zu dieser Versetzungsankündigung nahm der Kläger mit E-Mail vom 8.10.2014 im Einzelnen Stellung und machte Einwendungen geltend. Ferner forderte er die Beklagte auf, die Versetzungsmaßnahme bis zum 17.10.2014 zurückzunehmen. Mit E-Mail vom 24.10.2014 teilte die Beklagte mit, dass die Versetzung vorläufig aufgeschoben werde.
24Mit seiner am 18.3.2015 erhobenen Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Er ist der Ansicht, die Weisung der Beklagten widerspreche sowohl dem Inhalt des Arbeitsvertrages als auch dem Inhalt des rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts. Die Weisung sei überdies unbillig und stelle eine Diskriminierung und Maßregelung dar. Der Kläger ist der Ansicht, der in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages geregelte Versetzungsvorbehalt sei nicht Bestandteil des aktuellen Arbeitsvertrages mit Stand 25.11.2010 geworden, da für den Kläger nicht erkennbar gewesen sei, dass durch den allgemeinen Vorbehalt in § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 auch der Versetzungsvorbehalt aufrecht erhalten bleiben sollte. Zudem sei der vertragliche Versetzungsvorbehalt unbeachtlich, intransparent und widersprüchlich. Der Kläger ist weiter der Ansicht, der in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages normierte Versetzungsvorbehalt erlaube auch keine nur vorübergehende Übertragung eines neuen Aufgabenbereichs. Die Weisung sei auch aus dem Grunde unwirksam, da der Kläger entgegen der Regelung in § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag nicht zuvor angehört worden sei. Die Weisung der Beklagten sei auch deshalb unwirksam, da der Betriebsrat der beabsichtigten Versetzung des Klägers nach C widersprochen hat. Schließlich sei die Versetzungsanordnung auch rechtswidrig, weil die Beklagte den Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs in C nicht beteiligt habe. Der Kläger ist der Ansicht, die beiden Abmahnungen vom 26.3. und 22.4.2015 seien rechtswidrig, da er nicht verpflichtet gewesen sei, die Arbeit in C ab dem 16.3.2015 aufzunehmen.
25Der Kläger hat zunächst angekündigt zu beantragen festzustellen, dass die Beklagte sich seit dem 16.3.2015 in Annahmeverzug befindet. Der Antrag wurde mit Schriftsatz vom 10.7.2015 zurückgenommen. Ferner hat er zunächst angekündigt zu beantragen festzustellen, dass der Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der anteiligen Vergütung für März 2015 in Höhe von 1.113,66 € nicht zusteht. Diesen Antrag hat der Kläger ebenfalls zurückgenommen, nachdem die Beklagte Widerklage auf Zahlung des vorgenannten Betrages erhoben hat.
26Der Kläger beantragt zuletzt,
27- 28
1. festzustellen, dass die Weisung der Beklagten vom 23.2.2015 unwirksam, hilfsweise unverbindlich ist,
- 29
2. festzustellen, dass die Abmahnung der Beklagten vom 26.3.2015 unwirksam ist,
- 30
3. festzustellen, dass die weitere Abmahnung der Beklagten vom 22.4.2015 unwirksam ist,
- 31
4. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 26.3.2015 und 22.4.2015 aus der Personalakte zu entfernen,
- 32
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die ausstehende Vergütung für die Monate April bis August 2015 in Höhe von 20.825,00 € brutto abzüglich eines auf die Bundeagentur für Arbeit übergegangenen Anspruchs für den Leistungszeitraum vom 21.4.2015 bis zum 31.8.2015 in Höhe von 6.133,76 € zu zahlen,
- 33
6. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger ab dem 16.4.2015 erneut bei der Sozialversicherung anzumelden.
Die Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Widerklagend beantragt sie,
37den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 1.113,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2015 zu zahlen.
38Der Kläger beantragt,
39die Widerklage abzuweisen.
40Die Beklagte behauptet, am Standort E stehe ein Arbeitsplatz als Immobilienkaufmann in der Betriebskostenabrechnung nicht zur Verfügung. Des Weiteren sei das erforderliche Vertrauensverhältnis zu dem Kläger sowohl seitens der Teamleiterin als auch seitens der Teamkollegen unwiederbringlich zerstört. Daher sei die Versetzung des Klägers nach C erforderlich, um den Betriebsfrieden wiederherzustellen. Es entspreche billigem Ermessen, nur den Kläger anstelle aller weiteren in der Eer Abteilung beschäftigten Mitarbeiter zu versetzen. Die Beklagte ist der Ansicht, eine Versetzung des Klägers sei aufgrund des in § 106 GewO geregelten Direktionsrechts auch in dem Fall zulässig, sollte die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag unwirksam sein. Jedenfalls hätte der Kläger zumindest vorläufig der Weisung Folge leisten müssen, solange keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung darüber ergangen ist. Die Beklagte behauptet, der Kläger sei am 28.1.2015 anlässlich eines Termins in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Versetzung angehört worden. Sie behauptet weiter, dass ein differierender Betriebsrat am Standort in C nicht existiert. Zuständig sowohl für den abgehenden als auch für den aufnehmenden Betrieb sei der Übergangsbetriebsrat in G. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe hinsichtlich des geltend gemachten Annahmeverzugslohns grob fahrlässig und böswillig Zwischenverdienst nicht erzielt. Die Überzahlung von 1.113,66 € für den Monat März sei vom Kläger zurückzuzahlen, da dieser vertragswidrig die Arbeit in C ab dem 16.3.2015 nicht aufgenommen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze sowie der Prozessakte verwiesen.
41E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
42I.
43Die Klage ist hinsichtlich der Anträge zu 2., 3. und 6. unzulässig. Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.
441.
45Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die beiden Abmahnungen vom 26.3. und 22.4.2015 unwirksam sind, ist die Klage unzulässig. Bei der Abmahnung handelt es sich nicht um ein Rechtsverhältnis, dessen Wirksamkeit im Rahmen einer Feststellungsklage einer Überprüfung unterzogen werden könnte (LAG Hamm, 2.8.2002, 10 TaBV 121/01). Wohl aber kann im Wege der Leistungsklage die Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte verlangt werden. Hierzu verhält sich der Hilfsantrag. Die Feststellungsklage ist subsidiär.
46Sofern der Kläger begehrt, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger ab dem 16.4.2015 erneut bei der Sozialversicherung anzumelden, ist ein solcher Antrag unzulässig. Der Antrag genügt zum einen nicht dem Bestimmtheitserfordernis gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Danach muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Nach dem Klageantrag bleibt offen, was unter „der Sozialversicherung“ konkret zu verstehen ist. Zudem wird die Beklagte als Arbeitgeberin im Rahmen der Meldung zur Sozialversicherung gemäß § 28a SGB IV in zeugenschaftlicher Funktion tätig. Eine Klage auf einen bestimmten Inhalt einer Zeugenaussage ist aber nicht zulässig.
472.
48Der Kläger hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Feststellung, dass die Weisung der Beklagten vom 23.2.2015 unwirksam ist. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Eine Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (BAG, 27.10.2005, 6 AZR 123/05). Dies ist insbesondere der Fall, wenn über die Wirksamkeit einer direktionsrechtlichen Maßnahme, z.B. einer Versetzung, gestritten wird (BAG a.a.O.).
49Eine Versetzung liegt vor bei einem dauerhaften Wechsel auf einen Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers. Bei der Maßnahme vom 23.2.2015 handelt es sich um eine solche im Wege der Feststellungsklage überprüfbare Veränderung eines Rechtsverhältnisses. Die Zuordnung des Klägers zu der neuen Dienststelle in C berührt trotz der Befristung der Maßnahme die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis. Es handelt sich nicht um eine nur unwesentliche Änderung der Arbeitsumstände des Klägers, da sie erkennbare Auswirkungen auf die vertraglichen Rechtsbeziehungen hat. Der Kläger hat insofern ein Feststellungsinteresse.
50Die Versetzung des Klägers nach C ab dem 16.3.2015 ist rechtswidrig, da sie gegen den Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages verstößt. In § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 haben die Parteien vereinbart, dass der Kläger in E als Immobilienkaufmann im Bereich Corporate and Public im Team 1234 beschäftigt wird. Der Ort der Arbeitsleistung sowie der Inhalt der Arbeitsleistung wurden diesbezüglich festgelegt. Gemäß § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Dies gilt nach dem zweiten Halbsatz der Norm aber nur insoweit, als diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Je enger die Tätigkeit des Arbeitnehmers sowie die Einzelheiten seiner Beschäftigung, der Einsatzort, Umfang und Lage der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag festgeschrieben sind, umso geringer ist der Spielraum des Arbeitgebers zur Ausübung des Weisungsrechts. Die Beklagte kann den Kläger daher nicht ohne weiteres an einen anderen Arbeitsort unter Berufung auf § 106 GewO versetzen, da insbesondere der Ort der Tätigkeit (E) im Arbeitsvertrag festgeschrieben wurde.
51Eine individualvertragliche Versetzung des Klägers nach C ist nicht möglich aufgrund der Regelung in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 2.2.2001. Unabhängig von der Frage, ob diese Regelung durch die Formulierung in § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages weiterhin Gültigkeit hat, ist der in § 1 Abs. 2 normierte Versetzungsvorbehalt unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 BGB.
52Über das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) bezüglich des Arbeitsvertrages vom 2.2.2001 besteht zwischen den Parteien kein Streit. Die Regelung in § 1 Abs. 2 unterliegt auch einer Inhaltskontrolle. Zwar sind Direktionsrechtsklauseln als deklaratorische Klauseln gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB inhaltskontrollfrei, wenn sie lediglich den Inhalt des allgemeinen Weisungsrechts nach § 106 GewO wiedergeben. Bei der streitgegenständlichen Regelung handelt es sich aber nicht bloß um eine deklaratorische Klausel. Denn während gemäß § 106 Satz 1 GewO die Ausübung des Weisungsrechts nur nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) erfolgen kann, ist dies in § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag nicht gewährleistet. Die Wahrung billigen Ermessens setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden.
53Eine vorformulierte Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch die einseitige Gestaltung eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen. Auch unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB wird der Kläger durch den Vorbehalt des Arbeitsvertrags in § 1 Abs. 2 unangemessen benachteiligt. Hier hat sich die Beklagte eine Änderung der vertraglichen Tätigkeit als solche vorbehalten.
54Durch die in § 1 Abs. 2 verwendete Klausel wird nicht sichergestellt, dass die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden. Es ist dort nicht formuliert, dass die Übertragung einer anderen Tätigkeit nur unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers möglich ist. Die gewählte Formulierung ist zu weitgehend, weil mit ihr auch die Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit gemeint sein kann. Die Klausel erstreckt sich nicht nur auf gleichwertige Tätigkeiten (vgl. BAG 11.4.2006, NZA 2006, 1149). Eine solche Regelung ist ohne nachvollziehbare, transparente Änderungsgründe und einer Vergütungsgarantie unwirksam, da der Arbeitnehmer ein gewichtiges Interesse an der Beibehaltung der höherwertigen Tätigkeit hat (BAG 9.5.2006, NZA 2007, 145).
55Für den Bereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen gilt das aus § 306 Abs. 2 BGB abgeleitete Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (BAG 20.5.2008, 9 AZR 382/07). Daher ist der Versetzungsvorbehalt in § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag insgesamt unwirksam. Eine Aufspaltung in einen wirksamen und unwirksamen Teil der Klausel (blue pencil- Test) kommt außerdem nicht in Frage, da die Klausel an sich nicht gewährleistet, dass die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden, gleich ob es um den Ort oder den Inhalt der Arbeitsleistung geht.
563.
57Der Kläger hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Entfernung der beiden Abmahnungen vom 26.3.2015 und 22.4.2015 aus der Personalakte entsprechend §§ 242, 1004 BGB. Danach kann der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen, sofern diese rechtswidrig ist. Die beiden Abmahnungen sind rechtswidrig, weil sich der Kläger nicht arbeitsvertragswidrig verhalten hat, als er die Arbeit am 16.3.2015 in C nicht aufnahm. Dieses Verhalten wird ihm durch die beiden streitgegenständlichen Abmahnungen jedoch gerade vorgeworfen. Die arbeitgeberseitige Anweisung, die Arbeit am Standort C aufzunehmen, verstößt gegen den Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages. Insofern wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2. verwiesen. Der Kläger war auch nicht gehalten, der Anweisung der Beklagten vorläufig Folge zu leisten. Sofern die Beklagte die Auffassung vertritt, eine unbillige, da rechtswidrige Versetzungsmaßnahme sei nicht nichtig, sondern nur unverbindlich und vom Arbeitnehmer zunächst zu befolgen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB) und sich hierzu auf die Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 22.2.2012, 5 AZR 249/11) stützt, ist anzumerken, dass ein Arbeitnehmer nicht (vorläufig) an eine Weisung gebunden sein kann, wenn diese unverbindlich ist. Eine solche Weisung ist unverbindlich, wie der Wortlaut des § 315 Abs. 3 BGB zeigt. Deren Befolgung bedeutete eine Sanktionierung einer im Ergebnis rechtmäßigen Verweigerung einer unbilligen Weisung (vgl. BAG 20.12.1984, NZA 1986, 21; 10.10.2002 NZA 2003, 483). Dem Kläger kann kein Vorwurf gemacht werden, wenn er eine Arbeitsanweisung, die sich bei gerichtlicher Überprüfung als rechtsunwirksam darstellt, nicht befolgt. Maßgeblich dafür, ob das Verhalten des Arbeitnehmers eine Arbeitsvertragsverletzung darstellt, ist die objektive Rechtslage (LAG Köln, 28.08.2014, 6 Sa 423/14). Hinzu kommt, dass das Weisungsrecht der Beklagten durch die Regelung in § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag hinsichtlich einer örtlichen Versetzung eingeschränkt ist. Die Regelung ist überdies unwirksam, wie festgestellt.
584.
59Der Kläger hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Vergütung für die Monate April bis August 2015 in Höhe von 20.825,00 € brutto abzüglich eines auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Anspruchs für den Leistungszeitraum vom 21.4.2015 bis zum 31.8.2015 in Höhe von 6.133,76 € gemäß §§ 611 Abs.1, 615 S.1 BGB i.V.m. den Bestimmungen des Arbeitsvertrages. Danach kann der Arbeitnehmer für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät.
60Hierzu bedarf es grundsätzlich eines tatsächlichen Angebots der Arbeitsleistung durch den Kläger gemäß § 294 BGB. Eines solchen tatsächlichen Angebots der Arbeitsleistung bedurfte es vorliegend jedoch ausnahmsweise nicht. Entsprechend § 296 BGB war dies entbehrlich. Die Beklagte hat dem Kläger für die Erbringung der Arbeitsleistung einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm Arbeit zuzuweisen. Diese Mitwirkungshandlung ist eine kontinuierliche, mit dem Kalender synchronlaufende Daueraufgabe und lässt die Feststellungsfunktion des Angebots entfallen (BAG 11.1.2006, NZA 2006, 314). Gemäß dem Inhalt des Arbeitsvertrages schuldet die Beklagte die Zurverfügungstellung eines Arbeitsplatzes in E. Nachdem dem Kläger ab dem 16.3.2015 ein solcher nicht zur Verfügung gestellt wurde, geriet die Beklagte in Annahmeverzug. Mangels entgegenstehender Angaben ist ferner davon auszugehen, dass der Kläger zur Leistung im Stande war, die Beklagte die Annahme der Leistung jedoch nicht annahm.
61Der Kläger war insbesondere leistungswillig entsprechend § 297 BGB. Hiernach kommt der Arbeitgeber nicht in Verzug, wenn der Arbeitnehmer außerstande ist, die geschuldete Leistung zu erbringen. Sofern die Beklagte die Auffassung vertritt, der Kläger hätte der Weisung, die Arbeit in C aufzunehmen, zunächst folgen müssen, ist dem wie vorgenannt festgestellt, nicht zu folgen. Für die Höhe des Vergütungsanspruchs gilt das Lohnausfallprinzip. Danach ist der Arbeitnehmer so zu vergüten, als ob er gearbeitet hätte. Die Fälligkeit des Annahmeverzugslohns bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, in dem der Lohn bei ordnungsgemäßer Abwicklung fällig geworden wäre. Für den geltend gemachten Zeitraum von April bis August 2015 ergibt sich ein Gesamtbruttobetrag in Höhe von 20.825,00 €. Der Kläger muss sich auf den Annahmeverzugslohn den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Hiernach ist auf den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung die Summe des erhaltenen Arbeitslosengeldes für den Leistungszeitraum vom 21.4.2015 bis zum 31.8.2015 in Höhe von 6.133,76 € anzurechnen. Angerechnet wird auch, was der Arbeitnehmer böswillig zu erwerben unterlässt. Der Arbeitnehmer handelt böswillig, wenn er in Kenntnis der objektiven Umstände, d.h. Arbeitsmöglichkeit, Zumutbarkeit der Arbeit und Nachteilsfolge für den Arbeitgeber, vorsätzlich untätig bleibt oder die Arbeitsaufnahme verhindert (BAG 18.6.1965, AP BGB § 615 Böswilligkeit Nr. 2). Hierfür sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Kläger hat Erwerb nicht böswillig unterlassen, indem er der Versetzung nach C nicht Folge geleistet hat. Ein Arbeitnehmer verhält sich grundsätzlich nicht böswillig, der einer rechtswidrigen Versetzung nicht Folge leistet (BAG 7.11.2002, AP BGB § 615 Nr. 98).
625.
63Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von 1.113,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2015. Ein solcher Anspruch besteht nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach ist zur Herausgabe verpflichtet, wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Die Beklagte zahlte an den Kläger das Gehalt für den kompletten Monat März 2015, obgleich der Kläger nicht, wie von der Beklagten angewiesen, die Arbeit ab dem 16.3.2015 in C aufnahm. Die Zahlung erfolgte jedoch nicht ohne Rechtsgrund. Auf Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages ist die Beklagte zur Beschäftigung des Klägers in E und zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Der schuldrechtliche (Arbeits-)Vertrag zwischen den Parteien stellt den Rechtsgrund für die Zahlung dar. Indem die Beklagte die Arbeitsleistung des Klägers ab dem 16.3.2015 in E nicht mehr in Anspruch genommen hat, entfällt der Vergütungsanspruch des Klägers nicht. Denn das Betriebs- und Annahmeverzugsrisiko trägt die Beklagte. Mangels fehlenden Rechtsgrundes für die Zahlung der Vergütung für den Monat März 2015 kommt ein Rückzahlungsanspruch nicht in Betracht. Weitere in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen bestehen nicht.
64II.
65Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen, da beide Parteien teilweise obsiegten bzw. unterlagen. Bei einem Streitwert, der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt und der Höhe nach einem Bruttomonatsgehalt für den Klageantrag zu 1., jeweils einem Bruttomonatsgehalt für die Anträge zu 2. und 3., sowie den Nennbeträgen des Klageantrags zu 5. sowie der Widerklage (§ 45 Abs. 1 Satz 1 GKG), sowie einem halben Bruttomonatsgehalt für den Klageantrag zu 6. entspricht, hat der Kläger 7 %, die Beklagte 93 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Hilfsantrag zu 4. wirkt nicht streitwerterhöhend (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 08.09.2015 – 7 Ca 2235/15 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigung der Beklagten beendet ist.
3Der 1962 geborene Kläger war seit dem 01.04.2001 bei ihr beschäftigt. Ursprünglich bestand das Arbeitsverhältnis mit der Deutschen U Immobilien und Service GmbH. Das Arbeitsverhältnis ging auf die Beklagten im Wege der Rechtsnachfolge über. Der Kläger war zuletzt zu einem Bruttolohn von 4.165,- € als Immobilienkaufmann am Standort E im Bereich Corporate and Public im Team RE1234 tätig, welches für Betriebskostenabrechnungen zuständig ist. Betriebskostenabrechnungen werden bei der Beklagten zentralisiert am Standort E durchgeführt. Bei der Beklagten sind 130 Mitarbeiter als Immobilienkaufleute tätig.
4Das Team RE1234 ist dem Betrieb Real Estate Management (REM) zugerechnet, welcher sich vorrangig mit Verwaltungsaufgaben für das Facility Management beschäftigt und bei welchem zum 28.05.2015 724 Mitarbeiter tätig waren. Aktuell sind dort noch 690 Mitarbeiter beschäftigt.
5In dem mit der Deutschen U Immobilien und Service GmbH geschlossenen Arbeitsvertrag des Klägers vom 02.02.2001 (Bl. 13-15 d.A. 17 Sa 1660/15) ist u.a. geregelt:
6„§ 1
7Art und Ort der Beschäftigung
81. Der Arbeitnehmer wird im Aufgabenbereich Service Center Nord in N als Immobilienkaufmann vollzeitbeschäftigt.
92. Die E1 ist berechtigt, dem Arbeitnehmer auch eine andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, gegebenenfalls auch unter Veränderung des Arbeitsortes/Einsatzgebietes oder des Aufgabenbereiches zu übertragen. Der Arbeitnehmer ist zuvor zu hören.
103. Die Beteiligung des Betriebsrates bleibt hiervon unberührt.
11§ 2
12Anzuwendende Regelungen (Tarifbindung)
13Das Arbeitsverhältnis unterliegt den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.“
14Eine derartige Versetzungsklausel ist in allen von der Beklagten mit ihren Beschäftigten geschlossenen Arbeitsverträgen enthalten.
15§ 4 des Tarifvertrages vom 14.10.1998 (Bl. 291-295 d.A. 17 Sa 1660/15), geschlossen von der E1 und der Deutschen Postgewerkschaft bestimmt:
16„Versetzung
17Soll ein Arbeitnehmer vorübergehend oder auf Dauer versetzt werden, so sind die Betriebsinteressen mit den Arbeitnehmerinteressen abzuwägen. Ergibt sich nach Abwägung der betrieblichen Interessen die Möglichkeit einer Auswahlentscheidung, so sind soziale Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Der Arbeitnehmer ist vor seiner Versetzung zu hören. Die Beteiligung des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz bleibt hiervon unberührt.“
18Die Parteien schlossen 2009 und 2010 Änderungsverträge zum Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 (Bl. 16-22 d.A. 17 Sa 1660/15). Mit Änderungsvertrag vom 21.12.2009 wurde § 1 Abs. 1 des ursprünglichen Arbeitsvertrages dahingehend geändert, dass der Kläger in E im Team Competence Center KFM (Vertragsmanagement) als Assistent KFM vollbeschäftigt wurde. Mit Vertrag vom 10.03.2010 wurde er in E als Assistent KFM im Bereich RE4567 beschäftigt. Der letzte Änderungsvertrag vom 25.11.2010 enthält folgende Regelungen (Bl. 22 d.A.17 Sa 1660/15):
19§ 1
20Änderung des Arbeitsvertrages
21- 1.22
§ 1 Abs. 1 Ihres Arbeitsvertrages (Art und Ort der Beschäftigung) erhält folgende Fassung:
Der Arbeitnehmer wird in E als Immobilienkaufmann im Bereich Corporate and Public im Team RE1234 vollbeschäftigt.
242. …
25§ 2
26Schlussbestimmungen
27- 1.28
Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages bleiben unberührt.
- 2.29
…
Zwischen den Parteien war vor dem Arbeitsgericht Dortmund (Az. 7 Ca 1917/13) ein Kündigungsrechtsstreit anhängig. Mit Urteil vom 17.12.2013 wurde festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.04.2013 beendet ist, und wurde die Beklagte verurteilt, den Kläger als Immobilienkaufmann in der Abteilung DFMG für den Bereich Betriebskostenabrechnung weiterzubeschäftigen (Bl. 24-37 d.A.17 Sa 1660/15). Das Urteil ist nach der Berufungsentscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 03.07.2014 (Az. 15 Sa 169/14) rechtskräftig geworden. Beide Instanzen sahen den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges als nicht hinreichend dargelegt an. Der Kläger wurde nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses beschäftigt
31.
32Unter dem 18.03.2014 sendete die Mitarbeiterin M, die im ehemaligen Team des Klägers tätig ist, eine E-Mail an den Betriebsratsvorsitzenden I, worin es heißt: „Wir, das Team RE1234, lehnen eine Zusammenarbeit mit Herrn O in Zukunft ab!“ (Bl. 151 d.A.). Die Mitarbeiterin beschrieb den Kläger als unkollegial und unkooperativ; er habe teamübergreifende Aufgaben ignoriert oder fehlerhaft ausgeführt und die Regelungen zur Vertrauensgleitzeit stark missbraucht.
33Am 25.03.2014 fand ein Gespräch zwischen dem Team RE1234 und dem Betriebsratsvorsitzenden I statt, in dem es um die Rückkehr des Klägers in das Team ging. Dieses blieb bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber seiner Rückkehr, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob sämtliche Teammitglieder an dem Treffen teilnahmen.
34Mit E-Mail vom 06.10.2014 informierte die Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf ein Gespräch vom 17.07.2014, er werde ab dem 01.11.2014 zunächst für sechs Monate in ihrem „Archiv-Projekt“ am Standort C eingesetzt. Sie erinnerte zudem an die bereits im Gespräch erörterte Alternative, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufzulösen. Der Prozessbevollmächtigten des Klägers erhob in einer E-Mail vom 08.10.2014 Einwände gegen die Versetzungsankündigung und forderten die Beklagte auf, bis zum 17.10.2014 zu bestätigen, dass sie von der Versetzungsanordnung Abstand nehme (Bl.86 – 89 d.A.). Die Beklagte erklärte unter dem 24.10.2014, sie schiebe die Versetzung für die Dauer des Prozessarbeitsverhältnisses vorläufig auf (Bl. 89 - 90 d.A.).
35Am 28.01.2015 fand ein Gespräch über eine etwaige gütliche Einigung in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit dem Mitarbeiter der Personalabteilung der Beklagten U statt. Einvernehmliche Lösungen konnten nicht erzielt werden. Die Beklagte lehnte eine Rückkehr des Klägers in das alte Team, der Kläger den Vorschlag ab, einen Aufhebungsvertrag zu schließen.
36.
37Mit Schreiben vom 23.02.2015 teilte die Beklagte ihm mit, dass sie ihn unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages für die Zeit vom 16.03.2015 bis zum 30.09.2015 im Team RE2345, Team E2/Archiv, am Standort C einsetzen werde (Bl.68, 69 d.A.). Sie sagte ihm eine Kostenerstattung im Rahmen der doppelten Haushaltsführung für maximal 24 Monate zu und forderte ihn auf, Schlüssel und Zutrittskarten für das Gebäude in E spätestens bis zum 06.03.2015 zurückzugeben.
38Immobilienkaufleute dieses Teams wurden im Projekt „Digitalisierung des Liegenschaftsarchivs“ beschäftigt und durch Mitarbeiter des Teams RE3456 unterstützt. Die Aufgaben in dem Projekt sollten nach Vortrag der Beklagten aus Kostengründen vorrangig von eigenen Mitarbeitern und nicht von Leih- und Zeitarbeitnehmern erledigt werden. Daneben bestand ein Projekt „Optimierung der Mietvertragsakten im Archiv“, bei welchem ebenfalls Immobilienkaufleute tätig wurden.
39Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 23.02.2015 zu der Versetzung an (Bl. 118 d.A. 17 Sa 1660/15). Sie fügte der Anhörung ein Begründungsschreiben bei, in welchem sie zum einen auf die Weigerung des Teams in E, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, zum anderen auf eine fehlende Beschäftigungsmöglichkeit als Immobilienkaufmann am Standort E abstellte (Bl. 119 d.A. 17 Sa 1660/15). Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur Versetzung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG. Zur Begründung verwies er auf Beschäftigungsmöglichkeiten im Team 4567 in E (Bl. 58 d.A. 17 Sa 1660/15). Die Beklagte leitete ein Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Frankfurt a.M. (Az. 10 BV 229/15) ein, welches inzwischen für erledigt erklärt wurde.
40Mit anwaltlichen Schreiben vom 09.03.2015 forderte der Kläger sie auf, die Weisung bis zum 12.03.2015 zurückzunehmen. Er bezeichnete die Versetzungsmaßnahme als „willkürlich“ und „bloße Maßregelung“ (Bl. 59-60 d.A. 17 Sa 1660/15). Die Beklagte hielt mit Schreiben vom 12.03.2015 an der Versetzung fest (Bl. 61-62. d.A. 17 Sa 1660/15).
41Dem Betriebsrat wurde unter dem 11.03.2015 die vorläufige Umsetzung der Versetzungsmaßnahme gemäß § 100 BetrVG angezeigt (Bl. 121-122 d.A. 17 Sa 1660/15). Der Kläger wurde im Schreiben vom 12.03.2015 entsprechend unterrichtet. Der Betriebsrat gab zu der vorläufigen Maßnahme keine Stellungnahme ab.
42Der Kläger nahm die Arbeit am Standort C nicht auf.
43Am 26.03.2015 mahnte ihn die Beklagte wegen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit schriftlich ab (Bl. 92 - 93 d.A.). Er wies die Abmahnung mit anwaltlichen Schreiben vom 01.04.2015 zurück (Bl. 69 d.A.17 Sa 1660/15). Unter dem 22.04.2015 erging ebenfalls wegen unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit eine zweite Abmahnung (Bl. 94 - 95 d.A.).
44Mit Schreiben vom 20.05.2015 (Bl. 96 bis 99 d.A.) hörte die Beklagte den Übergangsbetriebsrat REM zu ihrer Absicht an, das zu dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2015 zu kündigen, da er trotz Erteilung zweier Abmahnungen ihrer Weisung vom 23.02.2015 nicht gefolgt sei.
45Mit E-Mail vom 21.05.2015 äußerte der Betriebsrat Bedenken gegen die außerordentliche Kündigung mit der Begründung, das Verhalten der Beklagten habe nur das Ziel, den Kläger zu zwingen, das Unternehmen zu verlassen; der ständig formulierte Vertrauensverlust und das nicht Einschreiten gegen das „kollektive Mobbing“ im Team sei für ihn unerklärlich, zumal er eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit aufgezeigt habe (Bl 100, 101 d.A.).
46Mit E-Mail vom 27.05.2015 (Bl. 102, 103 d.A.) widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten hilfsweise auszusprechenden ordentlichen Kündigung mit der Begründung, der Kläger könne auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden und habe im Übrigen der Weisung nicht Folge leisten müssen.
47Mit Schreiben vom 28.05.2015, dem Kläger am selben Tage per Boten zugegangen, sprach die Beklagte die fristlose Kündigung, hilfsweise fristgemäße Kündigung zum 31.12.2015 aus (Bl. 18 d.A.).
48Die Beklagte zahlte das Gehalt für den Monat März 2015. Ab April 2015 erfolgten keine Zahlungen mehr. Sie meldete den Kläger bei der Sozialversicherung ab. Ab dem 21.05.2015 erhielt er Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit.
49Mit Schreiben vom 25.04.2015 forderte ihn die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 28.04.2015 zur Rückzahlung der ab dem 16.03.2015 bis zum 31.05.2015 geleisteten Vergütung in Höhe von 1.113,66 € auf.
50Mit seiner am 18.03.2015 bei dem Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage wendete sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Versetzungsmaßnahme. Mit Klageerweiterungen vom 07.04.2015 und 23.04.2015 wehrte er sich gegen die erteilten Abmahnungen und begehrte die Vergütung ab April 2015 bis August 2015. Die Beklagte erhob Widerklage mit dem Ziel der Verurteilung des Klägers zur Rückzahlung der bereits geleisteten Vergütung von 1.113,66 €.
51Mit Urteil vom 08.09.2015 stellte das Arbeitsgericht Dortmund fest, dass die Weisung der Beklagten vom 23.02.2015 unwirksam ist, und verurteilte die Beklagte, die Abmahnung vom 26.03.2015 und 22.04.2015 aus der Personalakte zu entfernen und an den Kläger die ausstehende Vergütung für die Monate April bis August 2015 in Höhe von 20.825,00 € brutto abzüglich eines auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Anspruchs für den Leistungszeitraum vom 21.04.2015 bis zum 31.08.2015 in Höhe von 6.133,76 € zu zahlen. Im Übrigen wies es die Klage und die Widerklage ab (7 Ca 1224/15). Die gegen das Urteil unter dem Aktenzeichen 17 Sa 1661/15 eingelegte Berufung der Beklagten wurde mit Urteil vom 17.03.2016 zurückgewiesen.
52Mit seiner am 03.06.2015 bei dem Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 28.05.2015.
53Er hat vorgetragen:
54Er habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht dadurch verletzt, dass er der Weisung der Beklagten vom 23.02.2015 nicht gefolgt sei. Diese widerspreche dem Inhalt des Arbeitsvertrages.
55Der Vorbehalt aus § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages aus 2001 sei wegen der arbeitsvertraglichen Konkretisierung des Arbeitsplatzes unbeachtlich.
56Er sei zudem nicht Bestandteil des aktuellen Arbeitsvertrages vom 25.11.2010 geworden. Es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass durch die Regelung in § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages auch der Versetzungsvorbehalt aufrechterhalten werden sollte. Die Regelung sei intransparent, da die Beklagte durch die Änderungsverträge zum Ausdruck gebracht habe, den Arbeitsort als wesentlichen Vertragsbestandteil anzusehen, der nur aufgrund eines Änderungsvertrages und nicht aufgrund von Weisung abgeändert werden könne. Die Bestimmung sei insofern widersprüchlich, als sie nicht einerseits individualvertraglich einen Arbeitsort festlegen und andererseits einen generellen Vorbehalt einfügen könne. Selbst bei Geltung des § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 erlaube dieser keine vorübergehende Übertragung eines neuen Aufgabenbereiches, so dass die Weisung zur befristeten Ausübung der Arbeitsleistung am Standort C von der Regelung nicht gedeckt sei.
57Die Unwirksamkeit der Weisung ergebe sich auch daraus, dass die gemäß § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 notwendige Anhörung unterblieben sei. Bei dem Gespräch am 28.01.2015 sei eine Versetzung nach C nicht angesprochen worden. Seine Stellungnahmen aus Oktober 2014 könnten für die Versetzungsanweisung vom 23.02.2015 nicht herangezogen werden. Auch seien die Voraussetzungen der Gesamtbetriebsvereinbarung über Mitarbeitergespräch vom 24.02.2010 (Bl. 133-145 d.A.) nicht eingehalten worden.
58Die Unwirksamkeit der Versetzungsmaßnahme folge weiter aus der fehlenden Beteiligung des Betriebsrates. Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes in C hätte beteiligt werden müssen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat der Versetzung widersprochen habe. Der Widerspruch beziehe sich auch auf die vorläufige Maßnahme nach § 100 BetrVG. Im Übrigen sei ihm die vorläufige Maßnahme nicht angezeigt worden.
59Die Weisung stelle eine Diskriminierung und Maßregelung dar. Damit werde der Streit aus dem vorhergehenden Kündigungsschutzprozess über einen angeblichen Arbeitszeitbetrug fortgesetzt.
60Die Weisung sei unbillig. Seine Interessen seien nicht berücksichtigt worden. Eine Versetzung sei nicht notwendig gewesen. Dies werde durch die Stellungnahme des Betriebsratsvorsitzenden belegt. Das Team habe sich nur teilweise negativ zu einer Zusammenarbeit mit ihm geäußert. An dem Gespräch mit dem Betriebsratsvorsitzenden seien nicht alle Teammitglieder beteiligt gewesen.
61Eine befristete Versetzung sei nicht zur Herstellung des Betriebsfriedens geeignet. Die Beklagte hätte zudem ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und sich schützend vor ihn stellen müssen. Im Übrigen hätten Beschäftigungsmöglichkeiten in E bestanden.
62Die Abmahnungen seien rechtswidrig, weil mangels wirksamer Versetzungsanweisung für ihn keine Pflicht zur Erbringung von Arbeitsleistung ab dem 16.03.2015 in C bestanden habe.
63Die Beklagte habe ihn vor Ausspruch der fristlosen Kündigung nicht angehört.
64Die Spannungen im Team hätten die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht gefordert.
65Der Kläger hat beantragt
66- 67
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis durch die mit Schreiben vom 28.05.2015 ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht beendet wird,
- 68
2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung vom 28.05.2015 mit Wirkung zum 31.12.2015 beendet wird.
Die Beklagte hat beantragt,
70die Klage abzuweisen.
71Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe in schwerwiegender Weise seine Arbeitsvertragspflichten dadurch verletzt, dass er ihrer wirksamen Weisung vom 23.02.2015 trotz zweier Abmahnungen beharrlich nicht nachgekommen sei und seine Tätigkeit nicht in C aufgenommen habe.
72Zur Wirksamkeit der Weisung hat sie vorgetragen:
73Es sei klar gewesen, dass der Arbeitsvertrag aus 2001 Grundlage für die Weisung gewesen sei. Der Versetzungsvorbehalt sei nicht intransparent oder widersprüchlich, sondern entspreche gängiger Praxis und der Bestimmung des § 106 GewO. Die Regelung umfasse auch die Möglichkeit einer befristeten Versetzung. Die Dauer der anderweitigen Aufgabenübertragung sei nicht festgelegt worden und die Klausel diene gerade dem Zweck, auch einen nur vorübergehenden Mehrbedarf an Personal an einem Standort decken zu können.
74Selbst wenn der vertragliche Versetzungsvorbehalt unwirksam sei, habe ihr ein Weisungsrecht aus § 106 GewO zugestanden.
75Die Versetzung sei nicht unbillig, sondern aus betrieblichen Gründen notwendig gewesen. Sie sei als einzige Maßnahme geeignet gewesen, den Betriebsfrieden wiederherzustellen. Der Kläger habe wegen der Spannungen im Team RE1234 dort nicht mehr beschäftigt werden können. Das gesamte Team habe sich gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden gegen seine Rückkehr ausgesprochen. Sie habe ihre Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Mitarbeitern erfüllen müssen. Eine freie Stelle für einen Immobilienkaufmann in E und Umgebung habe es nicht gegeben.
76Der Kläger sei ordnungsgemäß angehört worden und habe ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. So sei in dem Gespräch am 28.01.2015 die geplante Versetzung ab Mitte März 2015 bereits bekannt gewesen und angesprochen worden. Der Kläger habe trotz entsprechender Möglichkeit keine Stellung bezogen. Im Übrigen sei dem Anhörungserfordernis mit der Stellungnahme seines Prozessbevollmächtigten vom 08.10.2014 genügt worden.
77Der Betriebsrat sei zu der Versetzungsmaßnahme ordnungsgemäß beteiligt worden.
78Mangels unverzüglicher Reaktion auf die Anzeige der vorläufigen Maßnahme sei von seiner Zustimmung auszugehen. In dem aufnehmenden Betrieb in C existiere kein Betriebsrat. Vielmehr sei seit dem 01.01.2015 der Übergangsbetriebsrat in G für beide Betriebe in E und C zuständig.
79Der Kläger habe vor Kündigungsausspruch nicht angehört werden müssen.
80Sie habe die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB eingehalten.
81Mit Urteil vom 08.09.2015 hat das Arbeitsgericht Dortmund festgestellt, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis durch die mit Schreiben vom 28.05.2015 ausgesprochene Kündigung weder außerordentlich noch mit Wirkung zum 31.12.2015 beendet wird.
82Es hat ausgeführt:
83Der Kläger habe die Kündigungsschutzklage fristgerecht im Sinne der § 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG erhoben.
84Die Beklagte habe den Betriebsrat vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört.
85Es fehle jedoch an einem wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.
86Der Kläger habe zu Recht die Arbeitsaufnahme in C verweigert. Die Versetzungsmaßnahme vom 23.02.2015 sei rechtsunwirksam. Die Maßnahme habe trotz ihrer Befristung die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis berührt und stelle nicht nur eine unwesentliche Änderung der Arbeitsumstände dar.
87Die Versetzung sei wegen Verstoßes gegen den Arbeitsvertrag rechtswidrig. § 106 GewO gelte nur, soweit keine arbeitsvertraglichen Festlegungen vorlägen. § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 enthalte Festlegungen hinsichtlich des Ortes und des Inhaltes der Arbeit. Als Arbeitsort sei E vertraglich bestimmt.
88Die Versetzungsklausel in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 sei gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Inhaltskontrolle sei eröffnet. Die Klausel gehe über die Bestimmung des § 106 GewO hinaus, da sie keine Weisung nach billigem Ermessen enthalte. Sie stelle eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar, da sie weder im Hinblick auf die Art noch auf den Inhalt der Arbeit die Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen gewährleiste. Die Formulierung gehe ferner zu weit, denn sie umfasse auch die Zuweisung von minderwertiger Arbeit. Eine geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Klausel sei verboten. Eine Aufspaltung in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil sei nicht möglich.
89Der Kläger sei nicht gehalten gewesen, der Versetzungsanweisung vorläufig Folge zu leisten. Sie sei objektiv unwirksam gewesen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2012 (5 AZR 249/11) zur vorläufigen Verbindlichkeit unbilliger Direktionsmaßnahmen stehe der Auffassung des Gerichts nicht entgegen, da sie zu den Voraussetzungen des Annahmeverzugs ergangen sei. Für den Bereich des Kündigungsrechts könne dem Arbeitnehmer kein Vorwurf gemacht werden, wenn er eine Arbeitsanweisung, die sich bei gerichtlicher Überprüfung als rechtsunwirksam darstelle, nicht folge.
90Das Arbeitsverhältnis werde auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung beendet, da diese im Hinblick auf das Fehlen verhaltensbedingter Gründe sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sei.
91Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 153 bis 158 der Akte Bezug genommen.
92Gegen das ihr am 13.10.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.11.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.01.2016 am 13.01.2016 eingehend begründet.
93Sie rügt das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts als fehlerhaft und trägt vor:
94Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts habe der Kläger seine Arbeitsvertragsverpflichtungen in beharrlicher Weise mit der Folge verletzt, dass er einen an sich für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung geeigneten Grund gesetzt habe.
95Die Versetzungsanweisung vom 23.02.2015 sei rechtmäßig.
96E sei nicht als fester, unveränderlicher Arbeitsort festgelegt worden. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 sei von dem Änderungsvertrag vom 25.11.2010 in Bezug genommen worden und Bestandteil des Änderungsvertrages geworden. Anlass für den Abschluss des Änderungsvertrages sei nicht die Festlegung des Arbeitsortes, sondern die Änderung der Tätigkeit des Klägers gewesen. Eine verbindliche und unabänderliche Festlegung eines Arbeitsortes, die für eine Weisung nach § 106 GewO keinen Raum mehr lasse, sei nicht gewollt gewesen. Es handle sich um eine rein deklaratorische Bestimmung. Im Rahmen einer durchzuführenden Gesamtbetrachtung ergebe sich, dass sie sich die Option habe offen halten wollen, den Kläger mit anderen Aufgaben an anderen Orten zu betrauen. Eine solche Gestaltung sei üblich. Sie sei nach den Vorschriften des NachwG zur Angabe eines Arbeitsortes verpflichtet gewesen.
97Die Versetzungsklausel verstoße nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB. Die Interessen des Klägers seien durch die Formulierung „entsprechend seiner Leistung und seinen Fähigkeiten“ hinreichend gewahrt.
98Eine Einschränkung des Weisungsrechts ergebe sich auch nicht aus § 4 des Tarifvertrages vom 14.10.1998. Aus diesem folge ebenfalls ein Versetzungsrecht. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 stehe mit dieser Regelung in Einklang. Die tarifliche Regelung sei nicht nach den §§ 307ff. BGB überprüfbar
99.
100Die Weisung entspreche billigem Ermessen i.S. des § 106 GewO Im Rahmen einer Interessenabwägung sei auf ihrer Seiten zu berücksichtigen, dass eine Tätigkeit des Klägers in seinem alten Team aufgrund der verweigernden Haltung der anderen Mitarbeiter nicht möglich und keine Stelle am Standort E vakant gewesen sei. Die befristete Versetzung sei angemessen und sachgerecht. Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit seien nicht ersichtlich, zumal dem Kläger die Erstattung der doppelten Haushaltskosten angeboten worden sei. Eine andere Beschäftigungsmöglichkeit habe nicht bestanden. Eine Rückkehr in das alte Team sei nicht möglich. Die Unstimmigkeiten im Team resultierten nicht aus dem Kündigungsschutzprozess, sondern aus dem Arbeitsverhalten des Klägers. Eine Konfliktlösung unter Mitwirkung des Betriebsratsvorsitzenden habe sie nicht erzielen können. Die vorübergehende Versetzung habe Ruhe in das Team bringen sollen. Im Bedarfsfalle wäre eine Verlängerung der Versetzung möglich gewesen.
101Der Kläger sei vor der Versetzungsmaßnahme ordnungsgemäß angehört worden. Dabei sei auf die Stellungnahme in der E-Mail seines Prozessbevollmächtigten vom 08.10.2014 sowie auf die Möglichkeit der Stellungnahme im Rahmen des Gespräches vom 28.01.2015 abzustellen.
102Die Weisung verstoße nicht gegen die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 24.02.2010, welche sich nur auf Mitarbeitergespräche zur Förderung der Mitarbeiter, nicht aber auf Versetzungen beziehe.
103Das Mitbestimmungsverfahren sei vor Ausspruch der Weisung ordnungsgemäß durchgeführt worden. Durch Vereinbarung vom 12.12.2014 mit dem Gesamtbetriebsrat sei der angehörte Betriebsrat des regionalen Betriebs West als Übergangsbetriebsrat für die Sparte REM festgelegt worden. Am 18.06.2015 sei ein Spartenbetriebsrat für den seit dem 01.01.2015 existierenden Spartenbetrieb REM neu gewählt worden. Aus der Anlage 2 des Zuordnungstarifvertrags vom 22.01.2015 (Bl.344 d. A.) ergebe sich die Zuständigkeit des Betriebsrats am Standort G der Sparte REM für alle Betriebsteile und Nebenbetriebe dieser Sparte.
104Die Abmahnungen seien angesichts der Rechtmäßigkeit der Weisung zu Recht erfolgt. Selbst bei einer unbilligen Versetzungsmaßnahme habe der Kläger seine Arbeitspflicht verletzt. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2012, wonach eine unbillige Weisung nicht nichtig, sondern allenfalls nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich sei.
105Die Interessenabwägung habe zulasten des Klägers erfolgen müssen. Trotz zweier Abmahnungen habe er die Arbeitsaufnahmen in C kontinuierlich verweigert. Es liege auch kein unverschuldeter Rechtsirrtum des Klägers vor.
106Zumindest sei das Arbeitsverhältnis aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung beendet.
107Die Beklagte beantragt,
108unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dortmund vom 08.09.2015 - 7 Ca 2235/15 - die Klage abzuweisen.
109Der Kläger beantragt,
110die Berufung zurückzuweisen.
111Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt aus:
112Entgegen der Auffassung der Beklagten habe er seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht in schwerwiegender Weise dadurch verletzt, dass er die zugewiesene Tätigkeit in C nicht aufgenommen habe.
113Die Weisung verstoße gegen die arbeitsvertraglichen Bestimmungen, welche Vorrang vor § 106 GewO hätten. Für die Frage des Arbeitsortes sei der Änderungsvertrag vom 25.11.2010 und nicht der ursprüngliche Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 maßgeblich. Der Änderungsvertrag sei ausschließlich zur Festlegung des Arbeitsortes abgeschlossen worden. Die Formulierung in § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages „Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags bleiben unberührt“ habe er nur so verstehen können, dass sie sich nicht auf den Arbeitsort bezogen habe. Die Formulierung sei unklar.
114Jedenfalls sei aus dem Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 kein Weisungsrecht der Beklagten herzuleiten. Ihr habe über den allgemeinen Vorbehalt in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 nicht das Recht eingeräumt werden sollen, die Festlegung des Arbeitsortes in § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 einseitig aufheben zu können. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 könne nur dahin verstanden werden, dass Änderungen einer vertraglichen Regelung bedürften. Diese Auslegung sei auch von der Beklagten angenommen worden, da ansonsten kein Bedürfnis für den Abschluss der nachfolgenden Änderungsverträge bestanden hätte. Zudem sei § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 zu unbestimmt. Aus dem Wortlaut ergebe sich nicht, dass auch vorläufige oder befristete Maßnahmen von dem Vorbehalt erfasst würden, so dass nur dauerhafte Übertragungen gemeint seien.
115Darüber hinaus sei § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 deshalb unwirksam, weil die Regelung die Arbeitnehmerinteressen nicht hinreichend berücksichtige.
116Die Weisung entspreche nicht billigem Ermessen. Sie sei darauf angelegt, das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund im Kündigungsschutzprozess zu unterlaufen, ihn zu diskriminieren und zu maßregeln. Eine Störung des Betriebsfriedens sei nicht ausreichend dargelegt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, inwiefern die Versetzung angesichts der Befristung auf sechs Monate zur Herstellung des Betriebsfriedens geeignet gewesen sein sollte.
117Die Weisung sei auch aufgrund von Verfahrensverstößen unwirksam.
118Er sei nicht angehört worden. Erörterungen zu seiner Versetzung in 2014 seien unerheblich. Sie seien zeitlich überholt und außer Kraft gesetzt. Die Notwendigkeit einer erneuten Anhörung sei auch daran zu erkennen, dass der Betriebsrat in 2015 beteiligt worden sei und die Beklagte eine neue Versetzungsanweisung erteilt habe. Im Gespräch vom 28.01.2015 sei er nicht angehört worden. Ihm sei lediglich erklärt worden, dass er mit benachteiligenden Maßnahmen rechnen müsse.
119Das Verfahren aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 24.02.2010, welche ebenfalls eine Anhörung der Arbeitnehmer vorsehe, sei nicht eingehalten worden.
120Die Beklagte habe auch nicht § 4 des Tarifvertrages beachtet, welcher eine Abwägung und eine Auswahlentscheidung vorschreibe.
121Es fehle weiter an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrates zu der Versetzungsmaßnahme. Sowohl der abgebende als auch der aufnehmende Betriebsrat hätten mitbestimmen müssen. Eine Entscheidung des Betriebsrates sei angesichts des Umstands, dass das Beteiligungsschreiben dasselbe Datum wie die Weisung ausweise, nicht abgewartet worden.
122Die Abmahnungen seien unwirksam. Er habe die Weisung nicht vorläufig befolgen müssen, da sie nicht nur unbillig, sondern aus sonstigen Gründen unwirksam sei. In diesem Fall bestehe nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2012 keine vorläufige Bindung.
123Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
124Entscheidungsgründe
125A.
126Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 08.09.2015 ist unbegründet.
127Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben.
128Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat weder durch die außerordentliche Kündigung vom 28.05.2015 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 28.05.2015 sein Ende gefunden hat.
129I.
130Der zulässige gegen die außerordentliche Kündigung gerichtete Kündigungsschutzantrag ist begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat nicht durch die außerordentliche Kündigung fristlos sein Ende gefunden, da sie nicht im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB durch Tatsachen gerechtfertigt ist, aufgrund derer es der Beklagten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis wenigstens für die Dauer der Kündigungsfrist bis zum 31.12.2015 fortzuführen.
131Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ist in zwei Stufen zu prüfen. Zunächst müssen Tatsachen vorliegen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zu bilden. Im zweiten Schritt ist festzustellen, ob unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls eine weitere Beschäftigung zumutbar ist (BAG 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, Rdnr. 16, BAGE 134, 349).
132Ein an sich zur fristlosen Kündigung berechtigender wichtiger Grund ist nicht deshalb gegeben, weil der Kläger der Weisung der Beklagten vom 23.02.2015 trotz Ausspruch zweier Abmahnungen nicht nachgekommen ist.
133Zu Recht ist das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen, dass keine Verpflichtung des Klägers bestand, in der Zeit vom 16.03.2015 bis zum 30.09.2015 seine Tätigkeit am Standort C zu erbringen.
134a.
135Die Beklagte hat ein uneingeschränktes Direktionsrecht nach Maßgabe des § 106 Satz 1 GewO hinsichtlich seines Arbeitsortes.
136Gemäß § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
137aa.
138Das Weisungsrecht aus § 106 Satz 1 GewO hinsichtlich des Arbeitsortes wird nicht durch die arbeitsvertraglichen Regelungen beschränkt.
139(1)
140Eine Einschränkung des Weisungsrechtes durch Konkretisierung des Arbeitsortes liegt nicht vor. Die Versetzung an einen anderen Ort kraft Ausübung des Direktionsrechts ist nicht möglich, wenn sich die die Arbeitspflicht durch die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers auf eine fest umrissene Tätigkeit konkretisiert hat (LAG Köln, 03.11.1983 – 3 Sa 915/83 ArbuR 1984, 285).
141Konkretisierung bedeutet, dass sich die inhaltlich, zeitlich und/oder örtlich unveränderte Zuweisung einer Tätigkeit nach längerer Zeit dahin auswirken kann, dass sie als arbeitsvertragliche Festlegung wirkt. Dazu gehört jedoch nicht nur der bloße Zeitablauf, selbst wenn er mehrere Jahrzehnte ausmacht. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich ausnahmsweise ergibt, dass der Arbeitnehmer nicht mehr in anderer Weise eingesetzt werden soll (BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, Rdnr.47, NJW 2006, 3303). Der Maßstab für die Annahme einer Konkretisierung ist streng. Besondere Umstände müssen als Ausdruck eines entsprechenden Bindungswillens des Arbeitgebers aufzufassen sein (BAG 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, Rdnr. 50 f., AP Nr. 26 zu § 307 BGB; MünchArbR/Reichold, 3. Aufl., § 36 Rdnr. 16; Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Auflage, § 106 GewO Rdnr. 24). In der Regel kann nicht von einer Konkretisierung der Tätigkeit durch schlüssiges Verhalten des Arbeitgebers mit der Folge ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber sein Direktionsrecht aufgibt (LAG Schleswig-Holstein 12.02.2002 – 5 Sa 409 c/01, Rdnr. 27, DB 2002, 1056).
142Der Kläger war nach dem Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 zunächst im Service Center Nord in N beschäftigt. Erst seit Abschluss des ersten Änderungsvertrages mit der Beklagten vom 21.12.2009 ist er am Standort E beschäftigt. Insofern ist bereits zweifelhaft, ob die Beschäftigungszeit in E von ca. 5 Jahren und 2 Monaten für eine Konkretisierung ausreicht. Besondere Umstände, die auf einen entsprechenden Bindungswillen der Beklagten schließen lassen, sie wolle ihn ausschließlich in E beschäftigen, sind nicht vorgetragen.
143(2)
144Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 19.01.2011 – 10 AZR 738/09, Rdnr. 12, DB 2011, 1056).
145§ 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 hat ursprünglich bestimmt, dass der Kläger als Immobilienkaufmann in N beschäftigt wird. Mit Änderungsvertrag vom 21.12.2009 änderten die Parteien Arbeitsinhalt – Assistent KFM – und Arbeitsort – E. Mit Vertrag vom 10.03.2010 erfolgte ein Einsatz des Klägers unverändert in E, allerdings als Assistent KFM im Bereich RE4567. Der zuletzt abgeschlossene Änderungsvertrag vom 25.11.2010 enthält eine neue Vereinbarung dahin, dass er in E als Immobilienkaufmann im Bereich Corporate and Public im Team RE5678 beschäftigt werden sollte. Gemäß § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 sollten die übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 jedoch unberührt bleiben. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 enthält eine Vorbehaltsklausel.
146(a)
147Die Bestimmung von Arbeitsort und -inhalt in § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 kann als konstitutive Vereinbarung ausgelegt werden.
148Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei den arbeitsvertraglichen Klauseln in dem Änderungsvertrag sowie in dem Ausgangsvertrag aus 2001 um Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB handelt. Die Feststellungen des Arbeitsgerichtes wurden insoweit nicht angegriffen. Selbst wenn sie nicht in einer Vielzahl von Verträgen der Beklagten mit Arbeitnehmern verwendet werden, gilt § 310 Abs.3 BGB, da die Beklagte die Vertragsbedingungen gestellt hat.
149Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ausgangspunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Für das Auslegungsergebnis von Bedeutung sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 512/13, Rdnr.39, 40, DB 2015, 1105; 25.08.2010 – 10 AZR 275/09, Rdnr. 19, NZA 2010, 1355).
150(aa)
151Die Parteien haben in § 2 des Änderungsvertrags vom 25.11.2010 auf die durch die Änderung nicht berührten Vereinbarungen in dem Arbeitsvertrag vom 02.02.2001, damit auch auf die Regelung des Weisungsrechts der Beklagten in § 1 Nr.2 Bezug genommen.
152Regelmäßig bedeutet die Bestimmung eines Arbeitsortes in Kombination mit einer vorbehaltenen Versetzung innerhalb des gesamten Unternehmens nicht, dass der Ort der Arbeitsleistung auf die vertragliche Festlegung beschränkt ist. Das Zusammenspiel der Vereinbarungen verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort (BAG, 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, Rdnr. 27, AP Nr. 45 zu § 307 BGB). Dadurch wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll (BAG 28.08.2013 – 10 AZR 569/12, Rdnr. 19, AP Nr. 26 zu § 106 GewO).
153(bb)
154Für eine Auslegung als konstitutive Festlegung des Arbeitsortes in § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 spricht, dass die Parteien in den letzten Änderungsvertrag zum ursprünglichen Arbeitsvertrag die geschuldete Arbeitsleistung und den Arbeitsort, sogar die Zuordnung zu einem bestimmten Team am Arbeitsort ausdrücklich aufgenommen haben. Durch die schriftliche Fixierung kommt zum Ausdruck, dass sie den abgeänderten Arbeitsbedingungen eine besondere Bedeutung beimessen. Sie haben nicht nur eine Vereinbarung zum Arbeitsinhalt getroffen, wobei die Zuweisung zu einem bestimmten Team sowohl Arbeitsort als auch –inhalt kennzeichnet.
155Auch die Begleitumstände sprechen für eine Auslegung als konstitutive Festlegung. Die Parteien haben bei jeder Änderung hinsichtlich des Arbeitsortes und des Arbeitsinhalts Änderungsverträge abgeschlossen, mit denen § 1 Abs.1 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001, also die Vereinbarung über „Art und Ort der Beschäftigung“, abgeändert wurde. Der Aufbau ist in allen Änderungsverträgen gleich. § 1 benennt jeweils sowohl die Beschäftigungsart als auch den Beschäftigungsort des Klägers. Eine Veränderung bezogen auf den Ort oder Inhalt der Arbeitsleistung in einer anderen Form, etwa durch mündliche oder schriftliche Weisung, hat die Beklagte im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses nicht vorgenommen. Diese Praxis spricht dafür, dass die Parteien ihre schriftlichen Regelungen zum Leistungsort und –inhalt als konstitutiv betrachteten.
156§ 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 unterliegt als Hauptabrede nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern lediglich der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (BAG 19.01.2011 – 10 AZR 738/09, Rdnr. 16, BB 2011, 1468). Anhaltspunkte für eine Intransparenz der Regelung sind nicht ersichtlich.
157Ist der Arbeitsort wie hier vertraglich festgelegt worden, kann er grundsätzlich nicht durch Weisung des Arbeitgebers nach § 106 GewO geändert werden.
158(b)
159Das Weisungsrecht ist jedoch durch den Versetzungsvorbehalt in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 i.V.m. § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 mit dem Inhalt des § 106 GewO erweitert worden.
160(aa)
161Der Versetzungsvorbehalt aus § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 ist über § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010. wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen worden
162Es liegt keine überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB vor. Obwohl § 310 Abs.3 Nr.2 BGB die Vorschrift nicht in Bezug nimmt, gilt das Überraschungsverbot als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch bei AGB-Klauseln i.S.d. § 310 Abs.3 BGB (MüKoBGB/Basedow, 7.Auflage, § 310 BGB Rdnr.98; BeckOK/Becker, BGB, § 310 BGB, Rdnr.18).
163Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat überraschenden Charakter im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht mit ihr zu rechnen braucht. Überraschenden Klauseln muss ein „Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmen sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrags, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Im Einzelfall kann der Verwender gehalten sein, auf die Klausel besonders hinzuweisen oder sie drucktechnisch hervorzuheben (BAG 19.01.2011 – 10 AZR 738/09, Rdnr. 22, BB 2011, 1468).
164Es ergibt sich kein Überrumpelungseffekt daraus, dass der Kläger hinsichtlich des Versetzungsvorbehaltes auf den Vertrag vom 02.02.2001 zurückgreifen muss. Der Rückgriff auf den Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 ist hier bereits aufgrund der äußeren Gestaltung erkennbar. Der Vertrag vom 25.11.2010 ist als „Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag“ überschrieben. Die Vereinbarungen wurden ausdrücklich „in Abänderung des bestehenden Arbeitsvertrages“ getroffen. § 1 ist mit „Änderung des Arbeitsvertrages“ in Fettdruck überschrieben, so dass die konkreten Abänderungen eindeutig erkennbar sind. Die Bezugnahme auf die übrigen nicht berührten Bestimmungen des ursprünglichen Arbeitsvertrages ist in der ersten Nummer unter § 2 „Schlussbestimmungen“ - einziger weiterer Paragraph in dem Änderungsvertrag neben der Abänderungsklausel - nicht an einem versteckten Ort angeführt. Im Übrigen folgt bereits aus der lediglich beschränkten Änderung in § 1, dass der alte Arbeitsvertrag hinsichtlich der nicht veränderten Regelungen weitergelten sollte. Ein „Zusammensuchen“ der anzuwendenden Vertragsbedingungen geht mit dieser Gestaltung nicht einher. Für den Empfänger kommt klar zum Ausdruck, dass der Arbeitsvertrag aus 2001 das „Grundwerk“ bildet und lediglich die jeweiligen Änderungen des zuletzt abgeschlossenen Änderungsvertrages, hier des Vertrages vom 25.11.2010, „hineinzulesen“ sind. Die Änderungen bauen aufeinander auf. Bereits die vorgehenden Änderungsverträge, in denen jeweils Änderungen in Bezug auf Arbeitsort und/oder -inhalt vereinbart wurden, beinhalteten einen Verweis auf den Vertrag aus 2001, so dass immer klar war, dass der ursprüngliche Vertrag hinsichtlich der übrigen Bestimmungen weitergelten sollte.
165Der Versetzungsvorbehalt selbst befindet sich auch nicht an einer überraschenden Stelle in dem Arbeitsvertrag vom 02.02.2001. Er folgt unmittelbar auf die Klausel, die Bestimmungen zum Arbeitsort und zur Tätigkeit enthält.
166(bb)
167Er erfasst auch die nur vorübergehende Versetzung.
168Die Klausel räumt der Beklagten das Recht ein, dem Kläger andere Tätigkeiten zu übertragen. Sie greift explizit auf, dass mit der Übertragung unter Umständen auch eine Veränderung des Arbeitsortes einhergehen kann.
169Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags aus 2001 verhält sich nicht ausdrücklich zur zeitlichen Ausgestaltung der Versetzung. In der Klausel wurde die Formulierung „Übertragung“ gewählt. Diese schließt vom Wortsinn nicht per se einen nur befristeten Einsatz an einem anderen Ort oder Bereich aus. „Übertragen“ werden auch zeitlich begrenzte Tätigkeiten. Nach dem objektiven Empfängerhorizont impliziert die Regelung nicht nur Versetzungen auf Dauer (zum Begriff „Zuweisung“ vgl. BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, Rdnr. 24 f., AP Nr. 17 zu § 307 BGB).
170Daneben spricht auch der Zweck der Regelung für dieses Verständnis. Der Arbeitgeber will mit der Vereinbarung eines Versetzungsvorbehaltes Flexibilisierungs- und Anpassungsmöglichkeiten erreichen. Ausgehend von dieser Intention ist für den Arbeitnehmer erkennbar, dass sich der Arbeitgeber durch eine solche Vertragsregelung nicht nur dauerhafte, sondern im Bedarfsfalle auch temporäre Versetzungen offenhalten will.
171(cc)
172Der Versetzungsvorbehalt ist nach §§ 305ff. BGB wirksam.
173(cc.1)
174Die am 01.01.2002 in Kraft getretenen Regelungen der §§ 305ff. BGB sind auf die am 02.02.2001 vereinbarte Versetzungsklausel anwendbar. Auch Altklauseln sind nach ihrer Maßgabe zu überprüfen. Gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB gilt seit dem 01.01.2003 das BGB für Dauerschuldverhältnisse in der neuen Fassung.
175(cc.2)
176Die Klausel ist nicht gemäß § 308 Nr.4 BGB unwirksam, da die Vorschrift nur einseitige Bestimmungen hinsichtlich der Leistungen des Verwenders erfasst (BAG 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, Rdnr. 37, AP Nr.26 zu § 307 BGB).
177(cc.3)
178Sie enthält keine unangemessene Benachteiligung des Klägers i.S.d. § 307 Abs.1 Satz 1 BGB. Sie weicht nicht von dem Regelungsgehalt des § 106 GewO ab.
179Nach der Vertragsklausel ist die Beklagte berechtigt, dem Kläger u.U. unter Veränderung des Arbeitsortes andere Tätigkeiten entsprechend seinen Kenntnissen und Fähigkeiten zuzuweisen.
180Bedenken könnten bestehen, weil die Vertragsregelung anders als § 106 GewO nicht ausdrücklich eine Interessenabwägung nach billigem Ermessen fordert. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
181Das Direktionsrecht steht der Beklagten jedoch nur unter dem Vorbehalt der Beachtung auch der Interessen des Klägers zu. Das ergibt die Auslegung der vertraglichen Regelung.
182Die Zuweisung darf nur entsprechend seinen Kenntnissen und Fähigkeiten erfolgen. Somit kann sich die Beklagte nicht ausschließlich von ihren eigenen Interessen leiten lassen. Sie hat einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen beider Vertragspartner herbeizuführen (vgl. zur Zuweisungsklausel „nach Leistungen und Fähigkeiten“ BAG 13.03.2007 a.a.O. Rdnr. 41). Hier haben die Parteien darüber hinaus eine Verfahrensregelung vereinbart, die sicherstellt, dass die Beklagte die Interessen des Klägers zur Kenntnis nimmt. Er ist nämlich vor der Ausübung des Weisungsrechts anzuhören.
183Unter Berücksichtigung des Besonderheiten des Arbeitsrechts, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, sind Weisungsklauseln als Instrumente der Flexibilisierung und Anpassung an geänderte Verhältnisse nicht grundsätzlich unangemessen, zumal der Arbeitnehmer im Falle einer betriebsbedingten Kündigung für die ihm abverlangte Flexibilität einen größeren Schutz bei der Sozialauswahl erlangt (BAG 13.03.2007 a.a.O. Rdnr. 41, 42).
184Die Klausel ist auch nicht deshalb unangemessen benachteiligend, weil sie die Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit nicht ausschließt. Hat sich der Arbeitgeber vorbehalten, dem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz mit einer geringwertigeren Tätigkeit zuzuweisen, so liegt ein so schwerwiegender Eingriff in den Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses vor, dass von einer Unvereinbarkeit i.S.d. § 307 Abs.2 Nr.1 BGB auszugehen ist (BAG 09.05.2006 – 9 AZR 424/05, Rdnr. 23, NZA 2007, 145). Eine Klausel, die die Gleichwertigkeit der übertragenen Tätigkeit voraussetzt, stellt keine Abweichung von § 106 Satz 1 GewO dar (BAG 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, Rdnr. 24 ff., AP Nr. 45 zu § 307 BGB; BAG 13.03.2007 a.a.O. Rdnr. 41).
185Das Erfordernis der Gleichwertigkeit ist vorliegend erfüllt. Durch die Beschränkung auf Tätigkeiten, die den Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers entsprechen, wird sichergestellt, dass der Arbeitgeber seinen Ermessenspielraum so auszuüben hat, dass er den Arbeitnehmer nicht auf eine seinen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht gerecht werdende Stelle versetzen kann. Für einen objektiven Empfänger ergibt sich, dass er insbesondere keine Tätigkeiten übertragen darf, die auch mit geringerer Qualifikation ausgeübt werden können.
186Die Berücksichtigung der Interessen des Klägers ist nicht fakultativ ausgestaltet, sondern muss zwingend erfolgen (anders insofern: BAG 09.05.2006 – 9 AZR 424/05, Rdnr. 2, 20, BAGE 118, 184; LAG Hamm 06.11.2007 – 14 SaGa 39/07 – Rdnr. 48).
187(cc.4)
188Die Klausel in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 verstößt nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
189Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben (BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, Rdnr. 40, AP Nr. 17 zu § 307 BGB).
190Dass § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 keine Vorgaben zu Ankündigungsfristen, maximalen Entfernungen und möglichen Anlassgründen für eine Versetzung enthält, ist unschädlich. Versetzungsklauseln müssen keine Ankündigungsfristen oder Angaben zu einem zulässigen Entfernungsradius enthalten. Andernfalls könnte dem spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis, dem sie gerade dienen sollen, nicht Rechnung getragen werden. Zudem würde ein derartiger Konkretisierungszwang lediglich zu Leerformeln führen, die die Transparenz nicht fördern (BAG 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, Rdnr. 31, AP Nr. 45 zu § 307 BGB). Es ist insbesondere nicht erforderlich, abschließend den konkreten Anlass oder die konkreten Anlässe aufzuführen, die zu einer örtlichen Versetzung führen können. Ebenso wenig müssen die konkreten Orte aufgezählt werden, zu denen eine Versetzung angeordnet werden kann (Hessisches LAG 13.01.2006 – 17 Sa 883/05, Rdnr. 82).
191(3)
192Selbst wenn die Vereinbarung in § 1 Nr.1 des letzten Änderungsvertrags zur Tätigkeit des Klägers und zum Arbeitsort nicht als konstitutive Vereinbarung ausgelegt wird, ergibt sich kein anderes Ergebnis, da der Versetzungsvorbehalt nicht über den Regelungsgehalt des § 106 Satz 1 GewO hinausgeht. Hinsichtlich der Versetzungsbefugnis des Arbeitgebers spielt es insofern keine Rolle, ob im Arbeitsvertrag kein Arbeitsort festgelegt worden ist und der Arbeitgeber somit Weisungen nach § 106 S. 1 GewO vornehmen kann oder eine arbeitsvertragliche Festlegung mit einer Versetzungsbefugnis vereinbart wurde (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 512/13, Rdnr.39, 40, DB 2015, 1105; Gragert, in: Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl., § 13 Rdnr. 9).
193(bb)
194Das Weisungsrecht wird nicht durch § 4 des Tarifvertrages vom 14.10.1998 eingeschränkt, der über § 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 anwendbar ist.
195Die Regelung schließt das Weisungsrecht nicht aus oder beschränkt es, sondern enthält lediglich Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung.
196bb.
197Die konkrete Weisung ist nicht nichtig, aber unbillig.
198(1)
199Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass dem Kläger eine gleichwertige, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zugewiesen wurde. Er sollte auch am Standort C als Immobilienkaufmann eingesetzt werden.
200(2)
201Ob er gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 und § 4 Satz 3 des Tarifvertrages vom 14.10.1998 angehört wurde, ist unerheblich. Es kann auch dahinstehen, ob eine Anhörung nach den Maßstäben der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 24.10.2010 durchzuführen gewesen wäre, wie der Kläger meint.
202Das Anhörungsrecht folgt aus dem durch gegenseitiges Vertrauen geprägten Grundsatz, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Äußerung vor einer nachteiligen Maßnahme zu geben. Ein bestimmtes Verfahren ist nicht vorgesehen. Es soll gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer seine Interessen benennt, der Arbeitgeber sie zur Kenntnis nimmt und bei der Interessenabwägung berücksichtigt (zum Anhörungserfordernis nach § 4 Abs. 1 TVöD Sponer/Steinherr, TVöD, Stand 2016, § 4 Rdnr. 76f.).
203Die Verletzung des Anhörungserfordernisses hat nicht die Nichtigkeit der Weisung zur Folge, sondern kann allenfalls Schadensersatzansprüche auslösen. Der Arbeitgeber kann bei Verschulden für etwaig entstehende Schäden haftbar gemacht werden (LAG Niedersachen 15.10.2010 – 6 Sa 282/10, Rdnr. 45, LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 8; Breier/Dessau u.a. § 4 TVöD Rdnr.46; Sponer/Steinherr a.a.O. § 4 Rdnr. 79).
204Auch wenn das Bundesarbeitsgericht in älteren Entscheidungen zu Bühnentarifverträgen (BAG 11.03.1982 – 2 AZR 233/81, Rdnr. 45, EzA § 4 TVG Bühnen Nr. 1; 18.04.1986 – 7 AZR 114/85, Rdnr. 17, AP Nr. 27 zu § 611 Bühnenengagementsvertrag) das Anhörungserfordernis vor einer Nichtverlängerungsmitteilung als Wirksamkeitsvoraussetzung beurteilt hat, folgt daraus kein anderes Ergebnis. Anders als hier enthielten die maßgebliche Regelungen des § 2 Abs. 5 TVM bzw. § 24 Abs. 4 des Normalvertrags Tanz einen ausdrücklichen Hinweis auf die Rechtsfolge der Unwirksamkeit im Falle unterbliebener oder fehlerhafter Anhörung.
205(3)
206Die Mitbestimmung des Betriebsrates erfolgte ordnungsgemäß.
207Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann der Arbeitgeber, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorläufig durchführen, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat. Vorliegend hat der Betriebsrat in G seine Zustimmung zur Versetzung nach Beteiligung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG mit Schreiben vom 05.03.2015 verweigert.
208(a)
209Bei dem aufnehmenden Betrieb bestand kein Betriebsrat. Zuständig für den abgebenden und den aufnehmenden Betrieb war zum Zeitpunkt der Versetzung der beteiligte Übergangsbetriebsrat. Dies hat die Beklagte durch Vorlage der Vereinbarung vom 12.12.2014 hinreichend dargelegt. Der Kläger hat darauf nicht substantiiert erwidert.
210(b)
211Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß unterrichtet.
212Gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Die Unterrichtung muss inhaltlich so umfassend sein, dass es dem Betriebsrat ermöglicht wird, die Erforderlichkeit und das Vorliegen des sachlichen Grundes der vorläufigen Maßnahme zu bewerten (BeckOK-ArbR/Mauer, Stand: 01.12.2015, § 100 BetrVG, Rdnr. 3; ErfK/Kania, 16.Auflage, § 100 BetrVG Rdnr.2).
213(aa)
214Die Beklagte hat mit Schreiben vom 11.03.2015 die vorläufige Umsetzung der Versetzungsmaßnahme angezeigt und ausführlich begründet, weshalb ein Einsatz des Klägers im Team in E nicht möglich sei und nur ein Einsatz in C in Betracht komme und betrieblich erforderlich sei. Der Kläger hat insoweit keine Einwendungen erhoben.
215(bb)
216Auf seine Unterrichtung kommt es nicht an. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer zwar über die Sach- und Rechtslage aufzuklären, § 100 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Diese Aufklärung erfordert den Hinweis auf die Vorläufigkeit der Maßnahme, das Widerspruchsrecht des Betriebsrats und den für den Arbeitgeber unabsehbaren Ausgang des Beschlussverfahrens über die Zustimmungsersetzung und die Zulässigkeit der vorläufigen Maßnahme (BeckOK-ArbR/Mauer a.a.O. § 100 BetrVG, Rdnr. 2). Die Aufklärung des Arbeitnehmers ist aber keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme. Aus einer fehlenden oder unzureichenden Unterrichtung können sich allenfalls Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers ergeben (ErfK/Kania a.a.O. § 100 BetrVG Rdnr.2; Richardi/Thüsing, BetrVG, 15. Aufl., § 100 Rdnr. 11, 12).
217Deshalb kann offen bleiben, ob die Mitteilung mit Schreiben vom 12.03.2015, dem Betriebsrat sei die Umsetzung der Versetzungsmaßnahme nach § 100 BetrVG angezeigt worden sei, eine ausreichende Information darstellt.
218(cc)
219Die Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 100 Abs. 2 BetrVG gilt als erteilt, weil der Betriebsrat auf die Anzeige der Maßnahme nach § 100 BetrVG nicht unverzüglich reagiert und keine Stellungnahme abgegeben hat, § 100 Abs.2 Satz 2 BetrVG (BeckOK-ArbR/Mauer a.a.O. § 100 BetrVG, Rdnr. 4; ErfK/Kania a.a.O. § 100 BetrVG, Rdnr. 4).
220Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass er die Zustimmung zur Versetzung nach § 99 BetrVG verweigert hat. Der Fall, dass der Betriebsrat zwar die Zustimmung zur endgültigen Durchführung der Maßnahme verweigert, aber auf eine Unterrichtung über eine vorläufige personelle Maßnahme schweigt oder ihr zustimmt, ist gesetzlich nicht geregelt. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch in dieser Konstellation von sich aus nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung zur Durchführung der Maßnahme und die Feststellung ihrer Dringlichkeit zu beantragen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der Betriebsrat muss von sich aus klarstellen, ob er auf die Durchführung des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens besteht. Tut er dies und weigert sich der Arbeitgeber, die Ersetzung der Zustimmung zu beantragen, kann ihn der Betriebsrat entsprechend § 101 BetrVG zur Einleitung des Verfahrens zwingen. Er kann dadurch aber nicht die Aufhebung der vorläufigen personellen Maßnahme erwirken, der er nicht widersprochen hat (ErfK/Kania a.a.O. § 100 BetrVG, Rdnr. 4).
221Im Übrigen hat die Beklagte das Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht Frankfurt eingeleitet.
222(4)
223Die Weisung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB i.V.m. § 134 BGB nichtig
224.
225Nach § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.
226Der Kläger hat in zulässiger Weise Rechte ausgeübt. Der Schutz des § 612 a BGB greift nur ein, wenn das geltend gemachte Recht tatsächlich besteht und in zulässiger Weise geltend gemacht wird (ErfK/Preis a.a.O. § 612a BGB, Rdnr. 5; ASP/, Linck, Kündigungsrecht, 4. Aufl., § 612 a BGB, Rdnr. 7 a). Der Kläger hat in zulässiger Weise Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 24.04.2013 erhoben. Des Weiteren hat er den von der Beklagten vorgeschlagenen Abschluss eines Auflösungsvergleichs in Gesprächen vom 17.07.2014 und 28.01.2015 abgelehnt.
227Es ist nicht feststellbar, dass seine Rechtsausübung kausal für ihre ihn benachteiligende Versetzungsentscheidung war.
228Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (BAG 14.3.2007 – 5 AZR 420/06, NZA 2007, 862, Rdnr. 34). Allerdings ist eine Absicht des Arbeitgebers nicht erforderlich. Eine dem Maßregelungsverbot widersprechende Maßnahme kann auch vorliegen, wenn an sich ein Sachverhalt gegeben ist, der die Maßnahme gerechtfertigt hätte, der aber nicht das Motiv des Arbeitgebers gebildet hat (APS/Linck, a.a.O. § 612 a BGB Rdnr. 12).
229Den Arbeitnehmer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er wegen seiner Rechtsausübung vom Arbeitgeber benachteiligt worden ist (BAG 02.04.1987 – 2 AZR 227/86, Rdnr. 27, NZA 1988, 18). Bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sind die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zu beachten (APS/Linck a.a.O. § 612 a BGB, Rdnr. 22a). Für den Arbeitnehmer kann der Beweis des ersten Anscheins sprechen. Ein Anscheinsbeweis ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Rechtsausübung und Maßnahme des Arbeitgebers besteht und mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Maßnahme des Arbeitgebers als Reaktion auf die Ausübung eines Rechts durch den Arbeitnehmer erfolgt ist (APS/Linck a.a.O. § 612 a BGB, Rdnr. 23 m.w.N.). Diese tatsächliche Vermutung muss der Arbeitgeber durch substantiierten Sachvortrag widerlegen und nachweisen, dass er die Maßnahme aus sachgerechten Gründen vorgenommen hat (LAG Niedersachsen 12.09.2005 – 5 Sa 396/05, Rdnr. 55, NZA-RR 2006, 346).
230Hier mag angesichts des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 03.07.2014 in dem ersten Kündigungsschutzverfahren sowie der ablehnenden Haltung des Klägers gegenüber den Vergleichsvorschlägen am 17.07.2014 und 28.01.2015 und der letztlich am 23.02.2015 ausgesprochenen Versetzung eine tatsächliche Vermutung anzunehmen sein. Jedoch hat die Beklagte hinreichend dargelegt, dass die Rechtsausübungen des Klägers nicht ausschlaggebendes Motiv für ihre Versetzungsanweisung waren.
231Sie beruft sich darauf, dass die Versetzung aus Gründen des Betriebsfriedens notwendig gewesen sei. Sie trägt hierzu in einem Umfang vor, der nahelegt, dass für sie dieser Aspekt im Vordergrund stand und sie den Kläger nicht maßregeln wollte. Sie hat durch Vorlage der E-Mail von Frau M vom 18.03.2014 sowie die Darlegung des Gesprächs des Teams mit dem Betriebsratsvorsitzenden I am 25.03.2014 hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass für sie die Weigerung des Teams maßgeblich war und sie durch die Versetzung den Konflikt entschärfen wollte. Der vom Kläger gewonnene Kündigungsschutzprozess sowie die Ablehnung von Vergleichsvorschlägen mögen allenfalls mitursächlich, nicht aber Hauptbeweggründe für die Versetzung gewesen sein. Der Kläger hat keine weiteren Tatsachen vorgetragen.
232(4)
233Die Beklagte hat ihr Weisungsrecht nicht nach billigem Ermessen ausgeübt.
234Die Ausübung des Direktionsrechts muss unabhängig davon, ob die Versetzung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, gemäß § 106 Satz 1 GewO billigem Ermessen entsprechen (BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, Rdnr. 49, AP Nr. 17 zu § 307 BGB).
235Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts die Grenzen billigen Ermessens gewahrt hat, ist der Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts (BAG 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, Rdnr. 81, AP Nr. 26 zu § 307 BGB; BeckOK-GewO/Hoffmann/Schulte, Stand: 01.10.2015, § 106 GewO, Rdnr. 96).
236Die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Versetzung trägt der Arbeitgeber (BAG 21.07.2009 – 9 AZR 404/08, Rdnr. 23, EzA Nr. 18 zu § 4 TVG Luftfahrt).
237(a)
238Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 28.0.8.2013 - 10 AZR 569/12, Rdnr.40, NZA 2012, 265; 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, Rdnr. 40, AP Nr. 45 zu § 307 BGB).
239Hat der Arbeitgeber einen betriebsbezogenen, sachlichen Grund für die Weisung, tritt das Interesse des Arbeitnehmers an einem weisungsfreien Eigenbereich grundsätzlich zurück. Andererseits überwiegen in der Regel die Interessen des Arbeitnehmers am Unterbleiben der Weisung, wenn diese willkürlich oder gar schikanierend ist, d. h. wenn der Arbeitgeber keine sachlichen Gründe für die Weisung benennen kann (BeckOK/Tillmanns, Stand: 01.09.2015, § 106 GewO, Rdnr. 51).
240(2)
241Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Beklagten die Interessen des Klägers überwiegen.
242Er hat ein anerkennenswertes Interesse an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes in E. Ihm ist daran gelegen, in seinem sozialen Umfeld an seinem Wohnort in N bleiben zu können und seine häusliche Umgebung nicht aufgeben zu müssen. Die Entfernung zwischen N und E ist nicht erheblich, von N nach C jedoch so groß, dass eine tägliche Heimfahrt unmöglich war. Es handelte es sich um eine Maßnahme von intensivem Ausmaß, da zwangsläufig eine Veränderung des Lebensmittelpunktes für die Zeit des Einsatzes geboten war. Dass die Beklagte die Erstattung der Kosten doppelter Haushaltsführung angeboten hat, bedeutete zwar eine finanzielle Entlastung, war aber nicht geeignet, den Interessen des Klägers, sein persönliches und soziales Umfeld in N aufrechtzuerhalten, Rechnung zu tragen.
243Die Beklagte hat dagegen nicht hinreichend substantiiert zu betrieblichen Interessen vorgetragen, denen Vorrang einzuräumen ist.
244(a)
245Ihr Interesse, durch die Versetzung den Betriebsfrieden wiederherstellen zu wollen, ist nicht ausreichend begründet. Dabei kann dahin stehen, ob eine Versetzung in ein anderes Team in E tatsächlich ausgeschlossen war.
246Nach ihrem Vortrag weigert sich das Team RE1234 , weiterhin mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, wobei der Konflikt nicht auf der Auseinandersetzung der Parteien im ersten Kündigungsschutzprozess um die von Teammitgliedern gerügte und kontrollierte Einhaltung der Arbeitszeit durch den Kläger beruhen soll. Vielmehr führt sie den Konflikt auf seine Schlechtleistungen bei der Erfüllung auch die anderen Teammitglieder betreffender Aufgaben zurück.
247Die Wiederherstellung des Betriebsfriedens ist grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse des Arbeitgebers bei der Überprüfung der Billigkeit einer Versetzungsentscheidung (LAG Köln 14.08.2009 – 9 Ta 264/09, Rdnr. 19). Es obliegt seiner freien unternehmerischen Entscheidung, unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und der Interessen aller Arbeitnehmer die aus seiner Sicht zur Konfliktlösung und Wiederherstellung eines guten Betriebsklimas geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Bei der zu treffenden personellen Maßnahme hat er gemäß § 315 Abs. 3 BGB nicht nur die Interessen der unmittelbar am Konflikt beteiligten Arbeitnehmer, sondern auch die Interessen der übrigen Arbeitnehmer, die von der Maßnahme betroffen sind, zu berücksichtigen sowie eine Prognose über die Erfolgsaussichten der zu treffenden Maßnahme im Hinblick auf die Konfliktlösung anzustellen (LAG Schleswig-Holstein 12.02.2002 – 5 Sa 409 c/01, Rdnr. 30, DB 2002, 1056). Er muss die Ursachen eines Streits zwischen Arbeitnehmern nicht abschließend ergründen. Die Grenzen billigen Ermessens sind gewahrt, wenn der Arbeitgeber Mitarbeiter durch Versetzung trennt, weil eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht (mehr) zu erwarten ist (LAG Schleswig-Holstein 02.05.2007 – 6 Sa 504/06, Rdnr. 37f., NZA-RR 2007, 402; LAG Niedersachsen 15.10.2010 – 6 Sa 282/10, Rdnr. 44, LAGE § 106 GewO 2003 Nr.8) oder er bei gestörtem Betriebsklima durch Streit unter den Mitarbeitern einen Arbeitnehmer zur Behebung des Konfliktes in eine andere Filiale desselben Ortes versetzt (LAG Köln 27.11.1998 – 4 Sa 1814/97, Rdnr. 51, LAGE § 315 BGB Nr.6).
248(aa)
249Der Beklagten ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich die Kammer anschließt, zuzugestehen, dass sie die Ursachen des Streits vor ihrem Versetzungsentschluss nicht abschließend ergründen musste. Ihr Vortrag zeigt jedoch, dass seine Gründe in der mangelhaften Aufgabenerfüllung des Klägers liegen sollen, die sie nicht substantiiert beschrieben hat. Angesichts seines erheblichen Interesses an einer wohnortnahen Beschäftigung hätte sie die mildere Maßnahme der Abmahnung ergreifen können und müssen.
250Zwar ist der Arbeitgeber nicht generell gehalten, in Konfliktsituationen eine Abmahnung anstelle der Versetzung des Arbeitnehmers auszusprechen (BAG 24.04.1996 – 5 AZR 1031/94, Rdnr. 15, DB 1996, 1931). Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn sich – wie hier – die Versetzung als besonders einschneidende Maßnahme darstellt (BAG 30.10.1985 – 7 AZR 216/83, Rdnr. 13, 15, DB 1986, 2188).
251(bb)
252Selbst wenn eine Abmahnung nicht erforderlich gewesen sein sollte, hätte sich die Beklagte zunächst selbst um eine Konfliktlösung bemühen müssen. Sie hat nicht vorgetragen, dass sich die Vorgesetzten des Teams durch Gespräche um eine Lösung bemüht haben. Auf die eine Zusammenarbeit ablehnende Stellungnahme der Mitarbeiterin M vom 18.03.2014 ist lediglich der Betriebsratsvorsitzende I tätig geworden und hat am 25.03.2014 ergebnislos ein Gespräch mit Teammitgliedern geführt. In seinen ein Jahr später abgefassten Stellungnahmen zu der Absicht der Beklagten, das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, hilfsweise fristgerecht zu kündigen, hat der Betriebsrat Bedenken erhoben bzw. mit der Begründung widersprochen, für ihn seien ihr Nichteinschreiten gegen das „kollektive Mobbing“ des Klägers und der von ihr „ständig formulierte Vertrauensverlust“ unerklärlich.
253(cc)
254Die Kammer konnte desweiteren nicht erkennen, aus welchen Gründen der in 2014 bestehende Konflikt zum Zeitpunkt der Ausübung des Weisungsrechts noch aktuell war und welche Folgen die weitere Beschäftigung des Klägers in dem Team gehabt hätte. Er wurde seit dem erstinstanzlichen Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.12.2013 in einem Prozessarbeitsverhältnis weiterbeschäftigt. Reaktionen von Mitarbeitern auf seine Beschäftigung hat es nachvollziehbar im Frühjahr 2014 gegeben. Für die Zeit danach sind weder konkrete Konflikte und Auseinandersetzungen geschildert, noch die Zusammenarbeit im Team störende Pflichtverletzungen des Klägers dargestellt.
255Es ist weiter nicht erkennbar, dass Teammitglieder die Arbeitsleistung bei unveränderter Beschäftigung des Klägers verweigert, gar den Ausspruch einer Kündigung in Betracht gezogen hätten. Dem Schreiben Frau Ms vom 18.03.2014 lässt sich lediglich die Ablehnung einer weiteren Zusammenarbeit und die Forderung entnehmen, der Betriebsrat möge die Interessen der Kollegen wahrnehmen.
256(dd)
257Für das Berufungsgericht ist auch nicht nachvollziehbar, dass eine lediglich auf sechs Monate angelegte Versetzung zur Konfliktbereinigung geeignet war. Unterstellt, die Störung des Betriebsklimas im Team bestand noch im Februar 2015, zeigt diese Tatsache, dass die Trennung der Beschäftigten allein keine Wirkung zeigen würde. Denn der Kläger war schon nach Ausspruch der Kündigung vom 24.04.2013 über eine geraume Zeit tatsächlich nicht beschäftigt, ohne dass sich nach Darstellung der Beklagten der Konflikt abgekühlt hat. Ohne ihr aktives Einwirken auf das Verhalten des Klägers und die Einstellung des Teams zu seiner Person war schon bei Ausspruch der Weisung absehbar, dass eine dauerhafte Versetzung erforderlich werden würde.
258(b)
259Die Beklagte hat erstinstanzlich als die Interessen des Klägers überwiegendes betriebliches Interesse vorgetragen, sie beschäftige projektbezogen durchschnittlich zehn Leiharbeitnehmer und strebe zur Kostenreduzierung die Beschäftigung ihrer Stammarbeitnehmer in dem Projekt Digitalisierung des Liegenschaftsarchivs an. Ihrem in der Berufungsbegründung im Übrigen nicht ausdrücklich wiederholten Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass im Zusammenhang mit der Versetzung tatsächlich die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers beendet wurde.
260dd.
261Es bestand keine Pflicht des Klägers, die Arbeitsleistung in C zu erbringen. Er war nicht verpflichtet, wenigstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Bindungswirkung der unbilligen Versetzungsanordnung nachzukommen, die bis zum Ende der Versetzungsmaßnahme auch gar nicht hätte herbeigeführt werden können.
262(1)
263Gemäß § 315 Abs.3 Satz 1 BGB ist die getroffene Leistungsbestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Das bedeutet zunächst, dass die unbillig entscheidende Vertragspartei an die eigene Erklärung gebunden bleibt. Das verschafft dem Bestimmungsgegner Vertrauensschutz: Er ist nicht gehalten, die unbillige Leistungsbestimmung anzugreifen. Er kann sie gelten lassen oder einfach den Leistungsvollzug nach Maßgabe der unbilligen Bestimmung vollziehen (Staudinger/Rieble, BGB, 2015, § 315 BGB Rdnr. 414, 415). Die Halbseitigkeit der Verbindlichkeit hat dann ihre Grenze, wenn der Bestimmungsgegner die Unwirksamkeit der Leistungsbestimmung geltend macht und das Gericht im Rahmen der kassatorischen Beanstandung die Unverbindlichkeit (auch inzident) festgestellt hat. In diesem Fall kann sich auch der Leistungsbestimmer auf die Unverbindlichkeit seiner Bestimmung berufen und die richterliche Ersatzleistungsbestimmung verlangen (Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr. 417).
264Streitig ist, ob der Bestimmungsgegner der Leistungsbestimmung bis zur gerichtlichen Entscheidung Folge leisten muss.
265Nach h.M. ist die unbillige Bestimmung zunächst wirksam. Denn die Gestaltungswirkung des Urteils, mit dem z.B. eine Neubestimmung einer Vergütung verbunden ist, tritt erst mit seiner Rechtskraft ein. Dem Bestimmungsgegner wird ein nicht fristgebundenes, aber durch den Gesichtspunkt der Verwirkung beschränktes Klagerecht eingeräumt, das ihm erlaubt, seine Klage unmittelbar auf Leistung zurichten (BAG 16.01.2013 – 10 AZR 26/12 – Rdnr. 32, NJW 2013, 1020; Erman/Heger, BGB, 14.Aufl., § 315 BGB, Rdnr. 22). Er hat auch die Möglichkeit, sich gegen die aus seiner Sicht unbillige Leistungsbestimmung zu wehren mit der Folge, dass der Leistungsbestimmer Leistungsklage gestützt auf seine eigene unbillige Bestimmung, hilfsweise auf eine richterliche Gestaltung erheben kann (BGH 19.01.1983 – VIII ZR 81/82, Rdnr. 21, NJW 1983, 659; Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB Rdnr. 419).
266Damit ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, ob sich der Bestimmungsgegner zur Vermeidung von Rechtsnachteilen vorläufig bis zur rechtskräftigen Gestaltung durch Urteil an die unbillige Leistungsbestimmung halten muss.
267Der 5. Senates des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 22.02.2012 (5 AZR 249/11, NZA 2012, 858) ausgeführt, dass der Arbeitnehmer an eine Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist, bis zur rechtskräftigen Feststellung der Unverbindlichkeit nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB gebunden ist (Rdnr. 24). Eine unbillige Leistungsbestimmung sei nicht nichtig, sondern gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich. Im Streitfall habe ein Gericht über die Verbindlichkeit zu entscheiden, § 315 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbsatz BGB. Deshalb dürfe sich der Arbeitnehmer nicht über eine unbillige, nicht aus anderen Gründen unwirksame Weisung hinwegsetzen, sondern müsse ein Gericht anrufen (so auch LAG Rheinland-Pfalz, 17.03.2014 – 3 Sa 535/13, Rdnr. 33; LAG Köln, 13.01.2014 – 2 Sa 614/13, Rdnr. 12.).
268Diese Entscheidung betrifft die streitgegenständliche Fallkonstellationen, da – wie dargestellt - die Weisung nicht nichtig, sondern lediglich unbillig ist.
269Die Entscheidung hat Rechtsfolgen für das Abmahnungs– und Kündigungsrecht des Arbeitsgebers. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts Köln (28.08.2014 – 6 Sa 423/14, Rdnr. 22), die Nichtbefolgung einer objektiv unwirksamen Weisung sei auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 5. Senates, die lediglich zum Annahmeverzug ergangen sei, kein kündigungserheblicher Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten, da es auf die objektive Rechtslage ankomme, ist nicht überzeugend. Es erscheint nicht konsequent, zwischen kündigungsrechtlichen Fragen und Fragen zum Annahmeverzug zu differenzieren. Das Grundproblem ist für beide Sachverhalte dasselbe (Anm. Stenslik, DStR 2015, 468 (488); Düwell/Göhle-Sander/Kohte, JurisPK – Vereinbarung von Familie und Beruf, Kap.4, § 106 GewO, Rdnr. 33, 34).
270Die Kammer vermag der Entscheidung des 5. Senats nicht zu folgen.
271Insbesondere in der Literatur ist sie auf massive Kritik gestoßen und wird mit überzeugenden Argumenten abgelehnt (vgl. etwa: Boemke, NZA 2013, 6; Schaub/Linck, Arbeitsrecht-Handbuch, 16. Aufl., § 45 Rdnr. 19 ff.; BeckOK/Tillmanns, § 106 GewO, Rdnr. 57; HWK/Lembke, 6. Aufl., § 106 GewO, Rdnr. 16a; ErfK/Preis a.a.O. § 106 GewO, Rdnr. 7a; Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB Rdnr. 418 ff.).
272Die vom 5. Senat als Beleg für die vorläufige Bindungswirkung angeführten Entscheidungen tragen das Ergebnis nicht (vgl. hierzu insbesondere Boemke, NZA 2013, 6 (7)). Dabei kann offen bleiben, ob die Bestimmung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB überhaupt im Rahmen des Weisungsrechtes nach § 106 Satz 1 GewO gilt, da § 106 GewO seit dem 01.01.2003 nicht ausdrücklich auf § 315 BGB verweist (Thüsing, jm 2014, 20).
273In der angeführten Entscheidung vom 16.12.1965 (5 AZR 304/65) hat das Bundesarbeitsgericht herausgearbeitet, dass eine unbillige Leistungsbestimmung nicht nichtig, sondern in besonderer Weise anfechtbar ist. Das bedeutet jedoch nur, dass lediglich der das Leistungsbestimmungsrecht Ausübende gebunden ist und der andere Teil sich auf die Unbilligkeit in irgendeiner Weise berufen muss. Eine beiderseitige - vorläufige - Bindungswirkung, wie sie vom 5. Senat angenommen wird, folgt daraus nicht (Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr.418; Boemke, NZA 2013, 6 (7)).
274Eine vorläufige Bindungswirkung für die Vergangenheit ist in Fällen einer Klage auf Leistung bisher nicht angenommen worden. In der Entscheidung vom 28.07.2011 (3 AZR 859/09, BAGE 138, 213) hat der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts die Billigkeit einer Betriebsrentenanpassung geprüft. Der beklagte Arbeitgeber, der nach Auffassung des Senats die Leistung nicht nach billigem Ermessen bestimmt hatte, musste die eingeklagten Differenzbeträge auch für die Vergangenheit nachzahlen. Es fand somit gerade keine rein zukunftsbezogene Korrektur ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung statt (Boemke, NZA 2013, 6 (7)). Nur bezogen auf den geltend gemachten Zinsanspruch hat der Senat erkannt, dass die Differenzbeträge bei gerichtlicher Prüfung der Billigkeit nach § 315 Abs.3 BGB erst mit Rechtskraft des Gestaltungsurteils fällig werden (Rdnr. 31).
275Auch die vom 5. Senat herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 04.04.2006 (X ZR 122/05, BGHZ 167, 139) belegt nicht seine Auffassung, sondern das Gegenteil. Denn der Bundesgerichtshof führt in seiner Entscheidung zu einer unverbindlichen Werklohnforderung hinsichtlich des Zinsanspruches aus, dass eine einseitige, unbillige Vergütungsbestimmung unverbindlich sei und die Vergütung durch Gestaltungsurteil festgelegt werden müsse. Die Fälligkeit der Forderung trete erst ab Rechtskraft des Urteils ein. Damit stellte der Bundesgerichtshof im Ergebnis fest, dass der eine unbillige Leistung Bestimmende erst mit rechtskräftigem Urteil einen Anspruch hat. Hätte er eine vorläufige Bindungswirkung angenommen, hätte bereits ein vorläufiger Zahlungsanspruch bestanden und der andere Teil hätte sich in Verzug befunden (Boemke, NZA 2013, 6 (7)).
276Eine Bindung an unbillige Weisungen widerspricht auch dem Wortlaut des § 315 Abs. 1 Satz 1 BGB und des § 106 Satz 1 GewO, welcher die Billigkeit der Leistungsbestimmung voraussetzt (BeckOK-ArbR/Tillmanns a.a.O. § 106 GewO, Rdnr. 57; Preis, NZA 2015, 1 (5); Kühn, NZA 2015, 10 (12f.)). Die unbillige Weisung ist nicht einem Verwaltungsakt vergleichbar, der zunächst Bestandskraft hat, bis er angegriffen wird (Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr. 420).
277Die Befolgung einer unbilligen Leistungsbestimmung steht dem Bestimmungsgegner – wie bereits ausgeführt – frei. Das gilt auch für den Arbeitnehmer wie für jeden anderen Gegner des Leistungsbestimmenden (LAG C-Brandenburg, 31.05.2013 – 6 Sa 373/13, Rdnr. 40, BB 2013, 1715 m. Verweis auf Staudinger/Rieble a.a.O., § 315, Rdnr. 353 ff.). eine gesetzliche „Folgepflicht“ besteht nicht (Staudinger/Rieble a.a.O., § 315, Rdnr. 421).
278Das Landesarbeitsgericht Köln (13.01.2014 – 2 Sa 614/13, Rdnr. 13), das die Entscheidung des 5. Senats für systematisch richtig hält und ausführt, dass die Verpflichtung, die unbillige Weisung zu befolgen, erst mit Rechtskraft des durch die andere Partei zu erstrebenden Gestaltungsurteils ende, berücksichtigt nicht, dass die unbillige Weisung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zunächst nur den Leistungsbestimmer, also den Arbeitgeber bindet. Erst mit rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung entsteht die Leistungspflicht für den anderen Teil. Der Arbeitnehmer ist lediglich dazu verpflichtet, sich in irgendeiner Form auf die Unbilligkeit zu berufen, wobei - wie ausgeführt - die Geltendmachung nicht im Klagewege erfolgen muss und auch nicht an Fristen gebunden ist (Boemke, NZA 2013, 6 (10f.)). § 315 Abs. 3 BGB statuiert eben keine Klagelast. Insoweit fehlt es an einer §§ 12 Abs.3 ANerfG, 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG vergleichbaren gesetzlichen Regelung ((Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr.422; Boemke, NZA 2013, 6 (7)). Hat der Arbeitnehmer deutlich gemacht, dass er der unbilligen Weisung nicht folgt, ist die Weisung für ihn nicht bindend. So hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts im Falle einer Verweigerung der konkret angewiesenen Tätigkeit aufgrund eines Glaubenskonflikts eine Bindung des Arbeitnehmers an die Weisung nur bis zur Offenbarung des Konflikts angenommen, nicht dagegen bis zur Neuausübung des Direktionsrechts (BAG 24.02.2011 – 2 AZR 636/09, Rdnr. 25, NJW 2011, 3319). Insbesondere im Bereich der Grundrechte verletzenden Weisungen ist das Ergebnis des 5. Senates nicht zu vertreten. Der Arbeitnehmer kann nicht angesichts der im Falle einer Weigerung drohenden Konsequenzen gezwungen sein, Weisungen, die seine grundrechtlich garantierte Freiheiten verletzen, so lange zu befolgen, bis ein Gericht darüber entschieden hat.
279Die Rechtsprechung führt zu nicht hinnehmbaren Konsequenzen für den Arbeitnehmer und zu einer untragbaren Risikoverlagerung. Wird die vorläufige Verbindlichkeit bejaht, würde in letzter Konsequenz ein Urteil erst im Nachhinein die Verbindlichkeit aufheben. Damit liegt eine abmahnfähige Pflichtverletzung vor, wenn der Arbeitnehmer den Weisungen des Arbeitgebers nicht nachkommt. Arbeitnehmer, die unbillige Weisungen des Arbeitgebers nicht beachten, laufen mithin Gefahr, wegen Arbeitsverweigerung gekündigt zu werden. Überdies gerät der Arbeitnehmer in Schuldner- und nicht der Arbeitgeber in Annahmeverzug mit der Folge, dass dem Arbeitnehmer keine Vergütungsansprüche zustehen, obwohl die Arbeitgeberweisung in Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen steht, die die Billigkeit voraussetzen (Boemke, JuS 2012, 1125 (1127)).
280Hat der Arbeitnehmer Zweifel an der Billigkeit der Weisung, muss er das Arbeitsgericht anrufen und dessen Entscheidung abwarten, ggf. das Prozessrisiko eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf sich nehmen. Er wird als „Gestaltungsopfer“ (Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr.422) verpflichtet, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen, und damit einseitig belastet. Diese Risikoverlagerung ist nicht durch das Gesetz indiziert (ErfK/Preis a.a.O. § 106 GewO, Rdnr. 7a; Preis, NZA 2015, 1 (6)). Der Arbeitnehmer geht, wenn er sich der Weisung (zu Unrecht) widersetzt, ohnehin das Risiko einer Abmahnung oder gar fristlosen Kündigung wegen Arbeitsverweigerung ein (ErfK/Preis, a.a.O. § 106 GewO, Rdnr. 7a).
281Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber das Risiko der Nichtigkeit und Unbilligkeit der Weisung insoweit trägt, als er darlegungs- und beweisbelastet hinsichtlich der Voraussetzungen der Weisung ist (BAG 21.07.2009 – 9 AZR 404/08, Rdnr. 23). Die Rechtsprechung des 5. Senates dreht diese Risikoverteilung praktisch um, indem der Arbeitnehmer sich letztlich doch im Klageverfahren gegen die Unbilligkeit der Weisung wehren muss, wenn es auch im Prozess bei der Darlegungs– und Beweislast des Arbeitgebers verbleibt. Seine Rechtsschutzmöglichkeiten gegen unbillige Weisungen werden erheblich verkürzt (Preis, NZA 2015, 1 (4 f., 9)).
282Das Argument, durch die vorläufige Verbindlichkeit der Weisung auch für den Arbeitnehmer werde Rechtssicherheit geschaffen (u.a. auch hinsichtlich der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung und der Frage des Annahmeverzugs, so LAG Köln, 13.01.2014 – 2 Sa 614/13, Rdnr. 13), rechtfertigt nicht die von § 315 Abs.3 BGB nicht gedeckte Risikobelastung des Arbeitnehmers. Es kann nicht von einem durchschnittlichen Arbeitnehmer erwartet werden, die juristischen Unterschiede zwischen nichtigen Weisungen, die er nicht befolgen muss, und unverbindlichen Weisungen, die er zunächst bis zur gerichtlichen Entscheidung befolgen muss, zu kennen und im konkreten Fall auch zu erkennen. Er müsste bei jeglichen Weisungen zunächst rechtskundigen Rat einholen, um die weitreichenden Konsequenzen seiner Weigerung, der Weisung nachzukommen, abschätzen zu können. Insofern schafft die Entscheidung des 5. Senates eher weniger Rechtssicherheit.
283(2)
284Der Kläger hat sich in angemessener Zeit ausdrücklich auf die Unbilligkeit der Weisung berufen Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.03.2015 hat er deutlich gemacht, ihr nicht Folge leisten zu werden. Er hat mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass er die Weisung für unbillig hält, indem er die Versetzungsmaßnahme als „willkürlich“ und „bloße Maßregelung“ bezeichnet hat. Er hat sich zudem in seiner am 18.03.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 25.03.2015 zugestellten Klage ausdrücklich auf die Unbilligkeit berufen.
285II.
286Da es an einer Pflichtverletzung des Klägers fehlt, ist auch die zulässige gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Feststellungsklage begründet, da diese nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe in dem Verhalten des Klägers gerechtfertigt ist.
287B.
288Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
289Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen, da das Urteil von der Rechtsprechung des 5. Senates des Bundesarbeitsgerichts (22.02.2012 – 5 AZR 249/11) abweicht.
Tenor
-
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. März 2016 - 17 Sa 1660/15 - wird zurückgewiesen, soweit das Revisionsverfahren nicht durch Beschluss vom 18. Oktober 2017 abgetrennt worden ist.
-
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und hiermit in Zusammenhang stehende Ansprüche auf Entfernung zweier Abmahnungen.
- 2
-
Der 1962 geborene Kläger war seit dem 1. April 2001 bei der Deutschen Telekom Immobilien und Service GmbH (DeTeImmobillien) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 2. Februar 2001 enthält ua. folgende Bestimmungen:
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„§ 1
Art und Ort der Beschäftigung
1.
Der Arbeitnehmer wird im Aufgabenbereich Service Center Nord in Münster als Immobilienkaufmann vollzeitbeschäftigt.
2.
Die DeTeImmobilien ist berechtigt, dem Arbeitnehmer auch eine andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, gegebenenfalls auch unter Veränderung des Arbeitsortes/Einsatzgebietes oder des Aufgabenbereiches zu übertragen. Der Arbeitnehmer ist zuvor zu hören.
3.
Die Beteiligung des Betriebsrates bleibt hiervon unberührt.
§ 2
Anzuwendende Regelungen (Tarifbindung)
Das Arbeitsverhältnis unterliegt den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.“
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§ 4 des Manteltarifvertrags vom 14. Oktober 1998 (MTV Immobilien 1998), geschlossen von der DeTeImmobilien und der Deutschen Postgewerkschaft, bestimmt:
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„Versetzung
Soll ein Arbeitnehmer vorübergehend oder auf Dauer versetzt werden, so sind die Betriebsinteressen mit den Arbeitnehmerinteressen abzuwägen. Ergibt sich nach Abwägung der betrieblichen Interessen die Möglichkeit einer Auswahlentscheidung, so sind soziale Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Der Arbeitnehmer ist vor seiner Versetzung zu hören. Die Beteiligung des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz bleibt hiervon unberührt.“
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Das Arbeitsverhältnis wurde ab einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt mit der Beklagten fortgesetzt.
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Mit Änderungsvertrag vom 21. Dezember 2009 änderten die Parteien § 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags dahingehend, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2010 „in Dortmund im Team C als Assistent K“ beschäftigt wurde. Mit Änderungsvertrag vom 10. März 2010 wurde § 1 Abs. 1 rückwirkend zum 1. Januar 2010 erneut geändert und vereinbart: „Der Arbeitnehmer wird in Dortmund als Assistent K im Bereich RE3123 vollzeitbeschäftigt.“ Die übrigen Vertragsbestimmungen sollten jeweils unberührt bleiben. Der letzte Änderungsvertrag vom 25. November 2010 enthält ua. folgende Regelungen:
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„§ 1
Änderung des Arbeitsvertrages
1.
§ 1 Abs. 1 Ihres Arbeitsvertrages (Art und Ort der Beschäftigung) erhält folgende Fassung:
Der Arbeitnehmer wird in Dortmund als Immobilienkaufmann im Bereich C and P im Team RE3330 vollbeschäftigt.
…
§ 2
Schlussbestimmungen
1.
Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages bleiben unberührt.“
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Der Kläger war auf dieser Grundlage zu einer Bruttovergütung von 4.165,00 Euro im Team RE3330 tätig, welches für Betriebskostenabrechnungen zuständig ist, die zentralisiert am Standort Dortmund durchgeführt werden. Das Team ist dem Betrieb Real Estate Management (REM) zugerechnet, welcher vorrangig Verwaltungsaufgaben für das Facility Management ausführt.
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Unter dem 24. April 2013 sprach die Beklagte eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung wegen „Arbeitszeitbetrugs“ aus. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage war in beiden Instanzen erfolgreich (Landesarbeitsgericht Hamm 3. Juli 2014 - 15 Sa 169/14 -). Der Kläger wurde nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses beschäftigt.
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Unter dem 18. März 2014 sandte eine Mitarbeiterin aus dem Team RE3330 eine E-Mail an den Betriebsratsvorsitzenden, worin es heißt: „Wir, das Team RE3330, lehnen eine Zusammenarbeit mit Herrn N in Zukunft ab!“ Die Mitarbeiterin beschrieb den Kläger als unkollegial und unkooperativ; er habe teamübergreifende Aufgaben ignoriert oder fehlerhaft ausgeführt und die Regelungen zur Vertrauensgleitzeit stark missbraucht. Am 25. März 2014 fand ein Gespräch zwischen dem Team RE3330 und dem Betriebsratsvorsitzenden statt, das ohne Ergebnis blieb. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob sämtliche Teammitglieder an dem Treffen teilnahmen.
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Mit E-Mail vom 6. Oktober 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde ab dem 1. November 2014 zunächst für sechs Monate in ihrem „Archiv-Projekt“ am Standort Berlin eingesetzt. Sie erinnerte zudem an die bereits erörterte Alternative, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufzulösen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erhob Einwände gegen die Versetzungsankündigung und wies ua. auf die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung hin. Die Beklagte erklärte daraufhin, sie schiebe die Versetzung für die Dauer des Prozessarbeitsverhältnisses auf. In einem Gespräch am 28. Januar 2015 konnten einvernehmliche Lösungen nicht erzielt werden.
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Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde befristet für die Zeit vom 16. März 2015 bis zum 30. September 2015 im Team RE3113, Team D, am Standort Berlin eingesetzt. Immobilienkaufleute dieses Teams wurden im Projekt „Digitalisierung des Liegenschaftsarchivs“ beschäftigt und durch Mitarbeiter des Teams RE3440 unterstützt. Daneben bestand ein Projekt „Optimierung der Mietvertragsakten im Archiv“, bei welchem ebenfalls Immobilienkaufleute tätig wurden. Die Beklagte sagte dem Kläger eine Kostenerstattung im Rahmen der doppelten Haushaltsführung für maximal 24 Monate zu und forderte ihn auf, Schlüssel und Zutrittskarten für das Gebäude in Dortmund spätestens bis zum 6. März 2015 zurückzugeben. Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. März 2015 forderte der Kläger die Beklagte auf, die Weisung zurückzunehmen, was diese mit Schreiben vom 12. März 2015 ablehnte.
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Die Beklagte hörte den Betriebsrat REM mit Sitz in Frankfurt am Main zu der Versetzung an. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur Versetzung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG unter Hinweis auf Beschäftigungsmöglichkeiten in einem anderen Team in Dortmund. Ein daraufhin eingeleitetes Zustimmungsersetzungsverfahren (Arbeitsgericht Frankfurt am Main - 10 BV 229/15 -) wurde zwischenzeitlich für erledigt erklärt. Unter dem 11. März 2015 wurde dem Betriebsrat die vorläufige Umsetzung der Versetzungsmaßnahme gemäß § 100 BetrVG angezeigt, der Kläger wurde entsprechend unterrichtet. Der Betriebsrat gab zu der vorläufigen Maßnahme keine Stellungnahme ab.
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Der Kläger nahm die Arbeit am Standort Berlin nicht auf, worauf ihn die Beklagte mit Schreiben vom 26. März 2015 wegen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit abmahnte. Er wies die Abmahnung mit anwaltlichem Schreiben vom 1. April 2015 zurück. Unter dem 22. April 2015 erging eine zweite Abmahnung.
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Mit Schreiben vom 28. Mai 2015, zugegangen am selben Tag, sprach die Beklagte die fristlose Kündigung, hilfsweise fristgemäße Kündigung zum 31. Dezember 2015 aus. Das Arbeitsgericht Dortmund hat mit Urteil vom 8. September 2015 der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 17. März 2016 (- 17 Sa 1661/15 -) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die zugelassene Revision ist beim Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts (- 2 AZR 329/16 -) anhängig.
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Die Beklagte meldete den Kläger bei der Sozialversicherung ab und nahm ab April 2015 keine Gehaltszahlungen mehr vor. Der Kläger erhielt ab dem 21. April 2015 Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit. Mit Schreiben vom 15. April 2015 forderte ihn die Beklagte unter Fristsetzung zur Rückzahlung der für die Zeit vom 16. März 2015 bis zum 31. März 2015 geleisteten Vergütung iHv. 1.113,66 Euro auf.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Weisung vom 23. Februar 2015 sei unwirksam und er habe sie nicht befolgen müssen. Die Abmahnungen seien deshalb unwirksam. Maßgeblich hinsichtlich des Arbeitsorts sei ausschließlich der Änderungsvertrag vom 25. November 2010. Unabhängig hiervon sei aber auch aus dem Arbeitsvertrag vom 2. Februar 2001 kein Weisungsrecht der Beklagten herzuleiten; vorübergehende Versetzungen erfasse die Versetzungsklausel nicht. Bei einem weiter gehenden Verständnis wäre die Bestimmung intransparent, jedenfalls aber unangemessen benachteiligend, da sie die Arbeitnehmerinteressen nicht hinreichend berücksichtige. Die Weisung sei auch aufgrund von Verfahrensverstößen unwirksam, denn er sei nicht ausreichend entsprechend der Bestimmungen seines Arbeitsvertrags, des MTV Immobilien 1998 und der „Gesamtbetriebsvereinbarung über Mitarbeitergespräche bei S PFS“ vom 24. Februar 2010 (GBV Mitarbeitergespräche) angehört worden. Die Weisung entspreche im Übrigen nicht billigem Ermessen. Die Versetzung sei darauf angelegt, das obsiegende Urteil hinsichtlich der Kündigung vom 24. April 2013 zu unterlaufen und ihn zu maßregeln.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - zuletzt beantragt
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1.
festzustellen, dass er nicht verpflichtet war, in der Zeit vom 16. März 2015 bis 30. September 2015 seine Arbeitsleistung gemäß Weisung der Beklagten vom 23. Februar 2015 im Team RE3113, Team D am Standort Berlin zu erbringen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 26. März 2015 und vom 22. April 2015 aus der Personalakte zu entfernen;
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
- 18
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Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Versetzungsanweisung vom 23. Februar 2015 sei rechtmäßig. Die Angabe des Arbeitsorts im letzten Änderungsvertrag sei rein deklaratorisch. Die Versetzungsklausel entspreche - ebenso wie § 4 MTV Immobilien 1998 - inhaltlich § 106 GewO und halte einer Inhalts- und Transparenzkontrolle stand. Die Weisung entspreche billigem Ermessen. Eine Tätigkeit des Klägers in seinem alten Team sei aufgrund der verweigernden Haltung der anderen Mitarbeiter nicht möglich gewesen, eine andere Beschäftigungsmöglichkeit am Standort Dortmund habe nicht bestanden. Die Unstimmigkeiten im Team hätten nicht aus dem Kündigungsschutzprozess resultiert, sondern aus dem Arbeitsverhalten des Klägers. Eine Konfliktlösung unter Mitwirkung des Betriebsratsvorsitzenden habe die Beklagte nicht erzielen können. Die vorübergehende Versetzung habe Ruhe in das Team bringen sollen. Die Aufgaben in dem Projekt in Berlin hätten aus Kostengründen vorrangig von eigenen Mitarbeitern und nicht von Leih- und Zeitarbeitnehmern erledigt werden sollen. Der Kläger sei angehört und das Mitbestimmungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Abmahnungen seien angesichts der Rechtmäßigkeit der Weisung zu Recht erfolgt. Selbst bei einer unbilligen Versetzungsmaßnahme habe der Kläger seine Arbeitspflicht verletzt, da er dieser zunächst hätte folgen müssen.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision noch von Interesse - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte eine vollständige Klageabweisung. Soweit die Vorinstanzen auch über Annahmeverzugsansprüche des Klägers und eine Widerklage auf Rückzahlung von Vergütung entschieden haben, hat der Senat diesen Teil des Rechtsstreits im Hinblick auf die Vorgreiflichkeit des Verfahrens - 2 AZR 329/16 - gemäß §§ 145, 148 ZPO abgetrennt und ausgesetzt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Weisung der Beklagten vom 23. Februar 2015 widersprach zwar weder arbeitsvertraglichen noch tariflichen Bestimmungen und verstieß auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß beteiligt. Die Weisung entsprach aber - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht annimmt - nicht billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB. Deshalb war der Kläger nicht - auch nicht vorläufig - verpflichtet, ihr nachzukommen. Er hat aus diesem Grund auch einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 26. März 2015 und vom 22. April 2015 aus seiner Personalakte.
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I. Der Feststellungsantrag zu 1. ist als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.
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1. Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann ein Kläger zugleich mit seinem Hauptantrag auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen. Damit wird ein Begründungselement aus der Entscheidung verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen. Grund hierfür ist dessen Eignung, über den konkreten Gegenstand hinaus, der mit der Hauptklage entschieden wird, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestand des entsprechenden Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss und darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann (BAG 21. Oktober 2015 - 4 AZR 663/14 - Rn. 17 mwN; vgl. auch BGH 28. September 2006 - VII ZR 247/05 - Rn. 12, BGHZ 169, 153). Ein Zwischenfeststellungsantrag ist allerdings dann unzulässig, wenn bereits durch die Entscheidung über den Leistungsantrag die Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten erschöpfend geklärt wird (BAG 18. Januar 2017 - 7 ABR 60/15 - Rn. 19 mwN).
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2. Hiernach ist der Zwischenfeststellungsantrag zulässig. Er ist nach der vor dem Landesarbeitsgericht erfolgten Klarstellung auf den Umfang der Leistungspflicht des Klägers gerichtet und damit auf ein Element eines Rechtsverhältnisses (vgl. dazu BAG 30. November 2016 - 10 AZR 673/15 - Rn. 17). Die begehrte Feststellung ist vorgreiflich für die Klageanträge auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers, auf Vergütungszahlung sowie für die Entscheidung über die Widerklage und hat darüber hinaus Bedeutung für das anhängige Kündigungsschutzverfahren (vgl. dazu BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 21 ff.). Die Rechtsbeziehung der Parteien wird durch eine Entscheidung über den Antrag auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte und die Zahlungsanträge nicht erschöpfend geklärt. Die Rechtskraft der Entscheidung hierüber erfasst nicht die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kläger verpflichtet war, der Weisung vom 23. Februar 2015 Folge zu leisten.
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II. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, dem Kläger nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen. Hiervon geht das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht aus.
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1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (zuletzt zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 25).
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2. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 29 mwN, BAGE 147, 322). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 3. August 2016 - 10 AZR 710/14 - Rn. 16).
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3. Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 26 mwN). Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB(BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 19; krit. zur Beschränkung auf die Ausübungskontrolle bei Versetzungen mit einer Veränderung des Arbeitsorts Hromadka NZA 2012, 233, 238; offengelassen in BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 86/11 - Rn. 28, BAGE 143, 217).
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4. Nach diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Parteien mit dem Änderungsvertrag vom 25. November 2010 konstitutiv die Beschäftigung in einem bestimmten Team in Dortmund festgelegt haben. Vielmehr fehlt es an einer vertraglichen Festlegung des Orts der Arbeitsleistung, sodass § 106 GewO unmittelbar Anwendung findet, der dem Arbeitgeber die Zuweisung eines anderen Arbeitsorts im Rahmen billigen Ermessens erlaubt. Auf die Wirksamkeit der Versetzungsklausel kommt es nicht an.
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a) § 1 Ziff. 1 des Änderungsvertrags vom 25. November 2010 bestimmt zwar, dass der Kläger in Dortmund beschäftigt wird. Bereits die Wortwahl der Regelung deutet allerdings darauf hin, dass es sich nicht um eine konstitutive Festlegung, sondern um eine Wiedergabe des aktuellen Aufgabenbereichs und Arbeitsorts des Klägers handelt. Entscheidend ist, dass nach § 2 Ziff. 1 des Änderungsvertrags alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags unverändert bleiben sollten. Identische Bestimmungen gab es in den vorhergehenden Änderungsverträgen. Zu den übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags vom 2. Februar 2001 gehörte dessen § 1 Ziff. 2. Danach behielt sich die Beklagte ua. das Recht vor, den Kläger unter Veränderung des Arbeitsorts einzusetzen. Dafür, dass § 1 Ziff. 2 nicht fortgelten oder von § 2 Ziff. 1 des Änderungsvertrags nicht erfasst sein sollte, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Auch bestehen keine Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit einer solchen Klausel. Anders als das Landesarbeitsgericht annimmt, führt allein der Umstand, dass die Parteien jede Änderung der Arbeitsaufgabe, des Teams und des Arbeitsorts schriftlich niedergelegt haben, zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Andernfalls hätte es nahegelegen, die vertragliche Versetzungsklausel aufzuheben oder zu ersetzen.
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b) Auf die Wirksamkeit des Versetzungsvorbehalts kommt es daher nicht an, auch wenn vieles dafür spricht, dass die Annahme des Landesarbeitsgerichts zutrifft, die Klausel halte einer Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB stand (vgl. zu einer ähnlichen Klausel BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 41).
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5. Der Arbeitsort des Klägers hat sich - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend annimmt - nicht auf Dortmund konkretisiert. Den Arbeitsvertrag hinsichtlich der Versetzungsklausel abändernde Vereinbarungen haben die Parteien nicht - auch nicht stillschweigend - getroffen. Eine Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum liegt hier nicht vor, im Übrigen würde sie für die Annahme einer Konkretisierung nicht genügen (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 24 mwN).
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6. Aus § 4 MTV Immobilien 1998 ergibt sich keine Beschränkung des Weisungsrechts der Beklagten, die über § 106 GewO hinausginge. Die Vorschrift bestimmt, dass eine Abwägung der Interessen des Betriebs mit den Interessen des betroffenen Arbeitnehmers vorzunehmen ist und soziale Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies entspricht dem Maßstab der Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB(vgl. dazu zuletzt zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 29).
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III. Es kann dahinstehen, ob der Kläger gemäß § 1 Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags bzw. gemäß § 4 Satz 3 MTV Immobilien 1998 vor Ausspruch der Versetzung angehört wurde. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass auch eine fehlende oder unvollständige Anhörung nicht zur Unwirksamkeit der Maßnahme führen würde.
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1. Nach § 1 Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags ist der Arbeitnehmer vor der Übertragung einer neuen Tätigkeit, einer Veränderung des Arbeitsorts, Einsatzgebiets oder Aufgabenbereichs zu hören. Dies entspricht § 4 Satz 3 MTV Immobilien 1998, wonach der Arbeitnehmer vor seiner Versetzung zu hören ist. Regelungen über die Rechtsfolgen ihrer Nichteinhaltung enthalten diese Bestimmungen nicht. Insbesondere ergeben sich weder aus Wortlaut noch aus Gesamtzusammenhang des Arbeitsvertrags oder des MTV Immobilien 1998 Anhaltspunkte dafür, dass deren Nichteinhaltung die Unwirksamkeit der Maßnahme zur Folge haben soll, obwohl es hierfür Beispiele in gesetzlichen (zB § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) und tariflichen Regelungen (vgl. dazu zB BAG 18. April 1986 - 7 AZR 114/85 - BAGE 51, 375) gibt. Das Fehlen einer ausdrücklichen Anordnung der Unwirksamkeit schließt eine solche Annahme allerdings auch nicht aus (vgl. zB BAG 16. November 1989 - 6 AZR 64/88 - BAGE 63, 240). Vielmehr ist nach Sinn und (Schutz-)Zweck der jeweiligen Regelung zu ermitteln, ob eine so weitgehende Rechtsfolge wie die Unwirksamkeit der Maßnahme geboten ist (vgl. zum Schutzzweck gesetzlicher Bestimmungen zuletzt zB BAG 14. Dezember 2016 - 7 AZR 717/14 - Rn. 32 f. [zu § 14 Abs. 4 TzBfG]; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 20 [zum BDSG]; 12. Juli 2016 - 9 AZR 51/15 - Rn. 41 [zum AÜG]).
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2. Die tarifliche und vertragliche Regelung ähnelt derjenigen, die in § 12 Abs. 1 Satz 2 BAT enthalten war bzw. nunmehr in § 4 Abs. 1 Satz 2 TVöD/TV-L enthalten ist. Danach waren bzw. sind Beschäftigte anzuhören, wenn sie auf Dauer an eine Dienststelle/Betrieb außerhalb des bisherigen Arbeitsorts versetzt oder für mehr als drei Monate dorthin abgeordnet werden sollen. Nach der Rechtsprechung diente § 12 Abs. 1 Satz 2 BAT dazu sicherzustellen, dass der Arbeitgeber die belastenden Folgen einer beabsichtigten Versetzung richtig einschätzen und seine Versetzungsentscheidung aufgrund einer alle wesentlichen Umstände berücksichtigenden Interessenabwägung treffen kann(BAG 30. Oktober 1985 - 7 AZR 216/83 - zu 2 der Gründe; LAG Berlin 4. August 2005 - 10 Sa 687/05 - zu 2.2 der Gründe). Ziel war damit insbesondere, ein „richtiges“ Ergebnis zu erreichen. Eine Versetzungsentscheidung zulasten des Arbeitnehmers sollte nur erfolgen können, wenn diese auch billiges Ermessen wahrt. Da es im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung einer Versetzung nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen ankommt, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den vertraglichen, tarifvertraglichen oder gesetzlichen Anforderungen genügt (vgl. BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 28), verlangt der Zweck des Anhörungsrechts nicht, die Maßnahme nur deshalb als unwirksam anzusehen, weil der Arbeitnehmer seine Interessen nicht zuvor selbst eingebracht hat (ebenso - allerdings ohne Begründung - zu § 4 Abs. 1 Satz 2 TVöD LAG Niedersachsen 15. Oktober 2010 - 6 Sa 282/10 - zu II 2 b cc der Gründe; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand September 2015 § 4 Rn. 20; Sponer/Steinherr TVöD Stand Mai 2017 § 4 Rn. 79). Wenn der Arbeitgeber wegen der fehlenden Anhörung erhebliche Belange des Arbeitnehmers nicht hinreichend berücksichtigt, wird sich die Maßnahme im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung, in der der Arbeitnehmer seine Interessen noch vorbringen kann, regelmäßig als unwirksam erweisen.
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3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bundesarbeitsgericht zu § 13 Abs. 2 Satz 1 BAT - der im TVöD/TV-L keine Entsprechung mehr findet - angenommen hat, dass die vorherige Anhörung des Angestellten zu einer Abmahnung deren Wirksamkeitsvoraussetzung ist und ihr Fehlen zu einem Entfernungsanspruch führt(BAG 16. November 1989 - 6 AZR 64/88 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 63, 240). Dies wurde zum einen mit der Friedensfunktion der Anhörung begründet und zum anderen damit, dass Sinn und Zweck des Anhörungsrechts nicht genügt werde, wenn ein Vorwurf bereits in Form eines zu den Personalakten genommenen Schreibens manifestiert sei. Im Übrigen könnten die Personalakten bei einer späteren Herausnahme lückenhaft werden und dies zu für den Angestellten nachteiligen Spekulationen führen. Diese Erwägungen können auf die Anhörung vor einer Versetzung nicht übertragen werden (aA ArbG Bielefeld 30. April 2003 - 3 Ca 408/03 -). Im Fall der Versetzung liegt das Risiko der Unwirksamkeit der Maßnahme beim Arbeitgeber, der die volle Darlegungs- und Beweislast für deren Wirksamkeit und Billigkeit hat (st. Rspr., zuletzt zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 28).
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4. Die GBV Mitarbeitergespräche ist entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Maßnahme nicht einschlägig. Sie enthält ausschließlich Bestimmungen über Inhalt und Ablauf eines regelmäßigen jährlichen Mitarbeitergesprächs; zu Versetzungen oder sonstigen Ausübungen des Weisungsrechts trifft sie keine Regelungen.
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IV. Der Kläger wendet sich nicht mit einer Gegenrüge gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat sei ordnungsgemäß gemäß §§ 99, 100 BetrVG beteiligt worden(vgl. zu den individualrechtlichen Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung BAG 21. Februar 2017 - 1 AZR 367/15 - Rn. 22 mwN). Die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen.
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1. Das Landesarbeitsgericht konnte im Hinblick auf den insoweit unbestrittenen Vortrag der Beklagten und den vorgelegten Zuordnungstarifvertrag davon ausgehen, dass für den Geschäftsbereich REM zum Zeitpunkt der Versetzung ein einheitlicher Betriebsrat mit Übergangsmandat nach § 21a BetrVG bestand, der sowohl für die Betriebsstätte Dortmund als auch für die Betriebsstätte Berlin zuständig war. Die Beklagte hat diesen Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG vor Wirksamwerden der Versetzung über die Maßnahme informiert und um dessen Zustimmung gebeten. Nach Verweigerung der Zustimmung hat die Beklagte ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingeleitet, das zwischenzeitlich wegen Erledigung der Maßnahme eingestellt worden ist.
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2. Über die von der Beklagten beabsichtigte vorläufige Durchführung der Maßnahme ist der Betriebsrat gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG informiert worden. Er hat sich hierzu nicht geäußert, sodass ein Verfahren nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht erforderlich war. Die Beklagte hat damit das für die Durchführung der vorläufigen personellen Maßnahme vorgesehene Verfahren eingehalten (vgl. BAG 15. April 2014 - 1 ABR 101/12 - Rn. 18, BAGE 148, 61).
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V. Soweit sich der Kläger mit einer erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Gegenrüge gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts wendet, die Versetzung vom 23. Februar 2015 sei nicht wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612a iVm. § 134 BGB nichtig, hat diese keinen Erfolg.
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1. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die zulässige Rechtsausübung darf nicht nur äußerer Anlass, sondern muss der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Der Kläger trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung(BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 38 mwN). Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung oder Nichtüberzeugung des Berufungsgerichts für die Kausalität zwischen der zulässigen Rechtsausübung und der benachteiligenden Maßnahme kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt(ebenso zur Würdigung der vom Landesarbeitsgericht gewonnen Überzeugung einer Kausalität zwischen einem nach § 1 AGG verpönten Merkmal und einem Nachteil BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 29 mwN, BAGE 152, 134).
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2. Einer solchen eingeschränkten Überprüfung hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen § 612a BGB nur vorliegt, wenn die zulässige Rechtsausübung nicht nur äußerer Anlass, sondern tragender Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen ist. Auf dieser Grundlage hat es den vorgetragenen Sachverhalt vollständig und widerspruchsfrei gewürdigt und das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen verneint. Vielmehr habe die Beklagte im Kern die Weigerung des früheren Teams des Klägers, mit diesem weiter zusammenzuarbeiten, zum Anlass für die Versetzung genommen. Diese Würdigung der Tatsachen hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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VI. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Weisung vom 23. Februar 2015 die Grenzen billigen Ermessens (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) nicht gewahrt hat.
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1. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 106 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (st. Rspr., zuletzt im Hinblick auf Versetzungen zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 28 f. mwN).
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2. Der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei dessen Anwendung steht dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu. Dies gilt auch im Fall der Kontrolle der Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB(bisher regelmäßig offengelassen, zuletzt zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 27; 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 92, BAGE 135, 128; vgl. aber BAG 18. April 2012 - 10 AZR 134/11 - Rn. 23 [nur eingeschränkte Überprüfung]). Der Beurteilungsspielraum des Tatsachengerichts ist vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (BAG 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 36, BAGE 153, 378 [zum unbestimmten Rechtsbegriff „angemessen“]).
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a) Die revisionsrechtliche Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe findet nach der Rechtsprechung aller Senate des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich nur eingeschränkt statt (vgl. zB BAG 5. Juli 2011 - 1 AZR 868/09 - Rn. 14 [allg. zu unbestimmten Rechtsbegriffen in Tarifverträgen]; 15. Dezember 2016 - 2 AZR 42/16 - Rn. 12 [Sozialwidrigkeit einer Kündigung]; 13. Oktober 2016 - 3 AZR 439/15 - Rn. 35 [„sachlich-proportionale Gründe“]; 23. Februar 2011 - 4 AZR 313/09 - Rn. 24 mwN [allg. zu Rechtsbegriffen bei der Eingruppierung]; 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 14, BAGE 121, 133 [„Zumutbarkeit“ bei § 615 Satz 2 BGB]; 20. September 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 23 [zu § 125 InsO]; 14. Dezember 2016 - 7 ABR 8/15 - Rn. 23 [„Erforderlichkeit“]; 11. August 2016 - 8 AZR 809/14 - Rn. 37 [„unzulässige Rechtsausübung“]; 29. April 2015 - 9 AZR 108/14 - Rn. 13 [„angemessene Vergütung“ iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG]; 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 36, BAGE 153, 378 [„angemessen“ in § 6 Abs. 5 ArbZG]). Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt zB BGH 15. März 2017 - VIII ZR 270/15 - Rn. 24; 15. Dezember 2016 - III ZR 387/14 - Rn. 14; 19. Juni 2013 - XII ZB 309/11 - Rn. 25 [zur Billigkeitsentscheidung nach § 1578b BGB]; 9. Dezember 2008 - VI ZR 277/07 - Rn. 26 [allg. zum tatrichterlichen Ermessen]) und der weit überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. zB Zöller/Heßler 31. Aufl. § 546 Rn. 12; Düwell/Lipke/Düwell 4. Aufl. § 73 Rn. 24; ErfK/Koch 17. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 5; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 9; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 4. Aufl. § 73 Rn. 18; kritisch GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2017 § 73 Rn. 27 ff.).
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b) Der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff(BAG 27. Januar 2016 - 4 AZR 468/14 - Rn. 26, BAGE 154, 83; 18. April 2012 - 10 AZR 134/11 - Rn. 23; GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2017 § 73 Rn. 33). Hierüber herrscht - soweit erkennbar - kein Streit. Trotzdem ist die Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit dessen (volle) Überprüfung durch das Tatsachengericht vom Revisionsgericht zu überprüfen ist, uneinheitlich (GK-ArbGG/Mikosch aaO: „nicht konsequent“).
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aa) Der Vierte Senat hatte in einer Entscheidung vom 28. September 1977 (- 4 AZR 743/76 -) angenommen, dem Revisionsgericht stehe bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB gegenüber der landesarbeitsgerichtlichen Entscheidung ein unbeschränktes Überprüfungsrecht zu. Dabei ging es allerdings nicht um eine einzelfallbezogene Weisung eines Arbeitgebers, sondern um eine auf tariflicher Grundlage vom Arbeitgeber erlassene Kinderzuschlagsordnung. Die weitreichende Überprüfung wurde mit dem Umstand begründet, dass „die einseitige Bestimmung der Höhe des Kinderzuschlages durch den Arbeitgeber [sich] für alle Arbeitsverhältnisse im Bereiche des Beklagten auswirkt und daher in ihrer rechtlichen Bedeutung typischen Arbeitsverträgen, Satzungen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen gleichkommt“. Dabei wurde Bezug genommen auf Entscheidungen zur Reichweite der revisionsrechtlichen Überprüfung solcher Rechtsquellen (zB BAG 29. Januar 1975 - 4 AZR 218/74 - BAGE 27, 22). Auch die nachfolgende Entscheidung des Fünften Senats vom 28. November 1984 (- 5 AZR 123/83 - zu A II 2 der Gründe, BAGE 47, 238) betraf nicht das Weisungsrecht, sondern eine tarifliche Bestimmungsklausel über die Verkürzung der Arbeitszeit.
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bb) Im Folgenden hat sich diese Rechtsprechung allerdings „verselbständigt“ und auch bei der Kontrolle der Ausübung des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts wurde teilweise eine unbeschränkte Nachprüfung in der Revisionsinstanz vorgenommen, ohne dies allerdings näher zu begründen (vgl. BAG 23. Januar 1992 - 6 AZR 87/90 - zu II 2 c der Gründe; 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - zu I 1 der Gründe; 7. Dezember 2000 - 6 AZR 444/99 - zu IV 1 der Gründe). Hingegen hatte Achte Senat bereits in einer Entscheidung vom 12. Januar 1989 (- 8 AZR 251/88 - zu B I 2 d cc der Gründe, BAGE 60, 362) im Hinblick auf eine tarifliche Klausel über die Gewährung von unbezahltem Sonderurlaub (§ 50 Abs. 2 BAT) angenommen, dass eine Leistungsbestimmung, die der Tatrichter getroffen habe, nur der eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliege. Auch der Siebte Senat ist in einer Entscheidung vom 28. August 1996 (- 7 ABR 42/95 - zu B I 2 der Gründe) davon ausgegangen, dass es sich bei dem Begriff der Billigkeit iSv. § 315 Abs. 3 BGB um einen unbestimmten Rechtsbegriff handle, dessen richtige Anwendung in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nur beschränkt überprüfbar sei.
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cc) Der Sechste Senat hatte in neuerer Zeit in Bezug auf das arbeitsvertragliche Weisungsrecht und die Entwicklungsklausel in einem Chefarztvertrag seine Rechtsprechung zur vollen Überprüfbarkeit fortgeführt (BAG 13. März 2003 - 6 AZR 557/01 - zu II 1 der Gründe; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80). Gleiches gilt für den Neunten Senat im Zusammenhang mit dem Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen (BAG 3. Dezember 2002 - 9 AZR 457/01 - zu A II der Gründe, BAGE 104, 55; 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 23; 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 29 [bereits zurückhaltender]) und ausdrücklich auch hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolle von Versetzungen nach § 106 GewO(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 50, BAGE 118, 22; 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22).
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dd) In neuester Zeit haben hingegen sowohl der Sechste Senat (7. Juli 2011 - 6 AZR 151/10 - Rn. 33) als auch der Zehnte Senat (zB 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 27; 10. Juli 2013 - 10 AZR 915/12 - Rn. 32, BAGE 145, 341; 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 23; vgl. aber BAG 18. April 2012 - 10 AZR 134/11 - Rn. 23 [nur eingeschränkte Überprüfung]) diese Frage ausdrücklich offengelassen. Der Neunte Senat hat in einer Entscheidung vom 23. Juni 2015 (- 9 AZR 125/14 - Rn. 25) betreffend einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nunmehr ausgeführt, entgegen der früheren Rechtsprechung spreche vieles dafür, nur eine eingeschränkte Überprüfung vorzunehmen. Der Vierte Senat ist schließlich hinsichtlich der Überprüfung der Wirksamkeit einer Weisung nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB zuletzt ausdrücklich von einer nur eingeschränkten Überprüfbarkeit ausgegangen (BAG 27. Januar 2016 - 4 AZR 468/14 - Rn. 26, BAGE 154, 83).
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c) Es gibt keinen sachlichen Grund, bei der revisionsrechtlichen Kontrolle der Erwägungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob der Arbeitgeber sein Weisungsrecht gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB nach billigem Ermessen ausgeübt hat, vom allgemeinen Maßstab der Kontrolle unbestimmter Rechtsbegriffe abzuweichen. Eine Begründung dafür wurde in der Vergangenheit nicht gegeben und ist nicht erkennbar. Die für den Vierten Senat in der Entscheidung vom 28. September 1977 (- 4 AZR 743/76 -) maßgebenden Gründe tragen jedenfalls für individuelle Weisungen nicht, sodass dahinstehen kann, ob diese in anderen Fällen der Anwendung des § 315 BGB von Bedeutung sein können.
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d) Einer Anfrage beim Neunten Senat - der im Übrigen zwischenzeitlich die hier vertretene Auffassung zu teilen scheint - bedarf es gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 ArbGG nicht, da nach Ziff. 10.1.7 des Geschäftsverteilungsplans 2017 des Bundesarbeitsgerichts nunmehr der Zehnte Senat für Verfahren betreffend die Arbeits- und Beschäftigungspflicht zuständig ist. Ebenso wenig ist eine Anfrage beim Sechsten Senat erforderlich. Die Entscheidungen des Sechsten Senats betreffen ausschließlich Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten des § 106 GewO lagen. Damit ist eine für die Anfrage erforderliche Identität der Rechtslage nicht mehr gegeben (vgl. dazu BAG 19. September 2012 - 5 AZR 924/11 - Rn. 29; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 81, BAGE 142, 202). Andere Senate haben sich zum Weisungsrecht nach § 106 GewO nicht abweichend geäußert; der Vierte Senat teilt die hier vertretene Auffassung.
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3. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe mit ihrer Weisung vom 23. Februar 2015 billiges Ermessen nicht gewahrt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nach diesen Grundsätzen stand.
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a) Das Landesarbeitsgericht ist unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat alle von den Parteien vorgetragenen Umstände in den Blick genommen. Dabei hat es angenommen, dass das Interesse der Beklagten, durch die Versetzung des Klägers die Probleme in dessen ehemaligem Team zu lösen und den Betriebsfrieden in Dortmund wiederherzustellen, grundsätzlich einen betrieblichen Grund für die Maßnahme darstellen könne. Gleichzeitig hat es gewürdigt, dass die Beklagte aus ihrer Sicht selbst keine hinreichenden Maßnahmen ergriffen hat, um den Konflikt zu entschärfen und zu lösen. Es hat weiter berücksichtigt, dass es trotz der Beschäftigung des Klägers in einem Prozessarbeitsverhältnis keine Konflikte mehr gegeben, die Beklagte solche jedenfalls nicht vorgetragen habe. Im Übrigen hat es vertretbar angenommen, dass die lediglich auf sechs Monate angelegte Versetzung zur Konfliktbereinigung nicht geeignet gewesen sei. Daraus hat es den nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßenden Schluss gezogen, dass im Hinblick auf das anerkennenswerte Interesse des Klägers an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes in Dortmund und die - trotz der Kostenerstattung - erheblichen Auswirkungen einer Versetzung nach Berlin keine überwiegenden Interessen der Beklagten für die Versetzung vorgelegen hätten. Insoweit hat es auch den erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten, diese strebe zur Kostenreduzierung die Beschäftigung von Stammarbeitnehmern in dem Projekt in Berlin an, in den Blick genommen. Diesen hat es jedoch mit nachvollziehbaren Erwägungen als nicht ausreichend substanziiert angesehen, da es an Darlegungen zur tatsächlichen Beendigung der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern gefehlt habe.
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b) Die von der Revision hiergegen erhobenen Rügen greifen nicht durch. Die Beklagte rügt dabei nicht, dass das Landesarbeitsgericht den Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt habe oder von einem falschen Rechtsverständnis hinsichtlich des Begriffs des billigen Ermessens ausgegangen sei. Sie legt auch nicht dar, dass die Würdigung des Sachverhalts durch das Landesarbeitsgericht widersprüchlich sei. Vielmehr setzt die Beklagte lediglich ihre Würdigung der Umstände an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts und kommt zu dem Ergebnis, dass ihre Interessen gegenüber denen des Klägers überwogen hätten. Soweit die Beklagte in der Revisionsbegründung Ausführungen zu Reisekosten macht und vorträgt, sie hätte die Zeit, in der sich der Kläger in Berlin befunden hätte, nutzen können, um Maßnahmen der Konfliktbereinigung in Dortmund durchzuführen oder andere Beschäftigungsmöglichkeiten des Klägers zu prüfen, handelt es sich teilweise um neuen Sachvortrag, der in der Revision gemäß § 559 ZPO keine Berücksichtigung mehr finden kann. Im Übrigen hat sich das Landesarbeitsgericht mit dem Thema „Konfliktbereinigung“ auseinandergesetzt. Insgesamt ist damit die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe mit ihrer Weisung vom 23. Februar 2015 billiges Ermessen nicht gewahrt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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VII. Der Kläger musste der unbilligen Weisung vom 23. Februar 2015 nicht - auch nicht vorläufig - Folge leisten. An das Nichtbefolgen der Weisung konnte die Beklagte nicht Sanktionen knüpfen (so schon BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 16, 39 - unklar aber Rn. 25 -, BAGE 137, 164 [Unwirksamkeit einer Kündigung im Zusammenhang mit einem Glaubenskonflikt]; 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 25 [Unwirksamkeit einer Abmahnung - unbillige Weisung zu einem Personalgespräch]; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b der Gründe [Unwirksamkeit einer Kündigung - unbillige Zuweisung von Bereitschaftsdiensten]; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b ff. der Gründe, BAGE 62, 59; 20. Dezember 1984 - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 47, 363 [jeweils zu Kündigungen nach einer wegen Nichtbeachtung einer Gewissensentscheidung unbilligen Weisung]). Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen.
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1. Allerdings hat der Fünfte Senat mit Urteil vom 22. Februar 2012 (- 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34 ) entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam sei - nicht hinwegsetzen dürfe, sondern entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen müsse. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Weisungsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe. Diese Entscheidung hat in Rechtsprechung und Schrifttum Zustimmung erfahren (LAG Rheinland-Pfalz 17. März 2014 - 3 Sa 535/13 - zu II der Gründe [in einem obiter dictum]; LAG Köln 13. Januar 2014 - 2 Sa 614/13 -; DLW/Dörner 13. Aufl. Kap. 1 Rn. 624; Hromadka NZA 2017, 601 ff.; ders. FS von Hoyningen-Huene 2014 S. 145 ff., 152 ff.; Hromadka/Maschmann ArbR Bd. 1 6. Aufl. § 6 Rn. 23; Schmitt-Rolfes AuA 2015, 695; ders. AuA 2013, 200; Palandt/Grüneberg 75. Aufl. § 315 BGB Rn. 16; Erman/Hager BGB 14. Aufl. § 315 Rn. 22 [jeweils allg. zu § 315 BGB]), überwiegend aber deutliche Ablehnung (LAG Düsseldorf 6. April 2016 - 12 Sa 1153/15 - zu A II 3 c der Gründe; LAG Köln 28. August 2014 - 6 Sa 423/14 - zu II 2 der Gründe; LAG Berlin-Brandenburg 31. Mai 2013 - 6 Sa 373/13 - zu 1.1.1.3.3.3 der Gründe; AR/Kolbe 8. Aufl. § 106 GewO Rn. 63; BeckOK/Tillmanns Stand: 1. Juni 2017 § 106 GewO Rn. 57; Boemke jurisPR-ArbR 30/2012 Anm. 1; ders. NZA 2013, 6 ff.; Busemann ZTR 2015, 63 ff., 70 f.; ErfK/Preis 17. Aufl. § 106 GewO Rn. 7a; Däubler/Deinert/Zwanziger/Zwanziger KSchR 10. Aufl. § 2 KSchG Rn. 80; Eickmanns Die Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen durch Vertragsgestaltung Diss. 2014, S. 77; Fischer FA 2014, 38 ff.; HWK/Lembke 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 116 f.; Kühn NZA 2015, 10 ff., 13; NK-GA/Boecken/Pils § 106 GewO Rn. 68, 77 ff.; Preis NZA 2015, 1 ff., 5 ff.; Preis/Wieg AuR 2016, 313 ff., 319; Schauß ArbR-aktuell 2016, 518 ff., 520; Schaub ArbR-HdB/Linck 17. Aufl. § 45 Rn. 18 ff.; MüKoBGB/Würdinger 7. Aufl. § 315 Rn. 67; Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 BGB Rn. 418; Thüsing JM 2014, 20 ff.; Ziemann jurisPR-ArbR 42/2016 Anm. 2). Diese Kritik ist berechtigt.
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2. § 106 GewO regelt nunmehr für alle Arbeitsverhältnisse(§ 6 Abs. 2 GewO) das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Es handelt sich um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers, das doppelte Relevanz hat: Einerseits ist es notwendige Bedingung, um überhaupt vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bzw. vom Status als Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinn ausgehen zu können (st. Rspr., vgl. zB zuletzt BAG 17. Januar 2017 - 9 AZR 76/16 - Rn. 14; vgl. seit 1. April 2017 auch § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB). Andererseits konkretisiert der Arbeitgeber mit seinem Weisungsrecht die arbeitsvertraglich häufig nur rahmenmäßig bestimmte Arbeitspflicht - dh. die dem Umfang nach bereits bestimmte Gegenleistung des Arbeitnehmers - hinsichtlich Zeit, Ort und Art der zu erbringenden Arbeitsleistung und schafft damit regelmäßig erst die Voraussetzung dafür, dass der Arbeitnehmer diese erbringen und das Arbeitsverhältnis praktisch durchgeführt werden kann. Insofern ist die Ausübung des Weisungsrechts notwendige Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers, wobei der erforderliche Weisungsumfang von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl. BAG 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 38; 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - Rn. 15, BAGE 148, 16).
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a) Bereits vor Inkrafttreten des § 106 GewO war anerkannt, dass das Weisungsrecht wesentlicher Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses ist(st. Rspr., vgl. zB BAG 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 1 der Gründe mwN, BAGE 112, 80; 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - zu I 1 der Gründe mwN). Dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht durfte der Arbeitgeber stets - und nicht nach § 315 Abs. 1 BGB „im Zweifel“ - nur nach billigem Ermessen ausüben(vgl. zB BAG 20. Dezember 1984 - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe mwN, BAGE 47, 363) und diese Ausübung unterlag der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. zB BAG 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - zu I 1 der Gründe; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b aa der Gründe). Nach diesem Maßstab wirksame Weisungen wurden (und werden) als verbindlich angesehen, der Arbeitnehmer muss sie befolgen (allgM, vgl. zB BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 48, BAGE 118, 22). Weisungen, die dieser Kontrolle nicht standhielten, also unbillig waren, wurden hingegen als unwirksam angesehen, der Arbeitnehmer war nicht verpflichtet, ihnen zu folgen und Sanktionen wie Abmahnungen oder Kündigungen konnten auf solche Weisungen nicht gestützt werden (vgl. zB BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 25 [Unwirksamkeit einer Abmahnung]; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b der Gründe [Unwirksamkeit einer Kündigung - unbillige Zuweisung von Bereitschaftsdiensten]; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 62, 59; 20. Dezember 1984 - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 47, 363 [jeweils zu Kündigungen nach einer wegen Nichtbeachtung einer Gewissensentscheidung unbilligen Weisung]). Die Auffassung, der Arbeitnehmer müsse unbillige Weisungen vorläufig bis zu einer gerichtlichen Entscheidung befolgen, wurde - soweit erkennbar - weder in Rechtsprechung noch Literatur vertreten. Ebenso wenig wurden durch die Gerichte im Bereich des Weisungsrechts über Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung Ersatzleistungsbestimmungen iSv. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgenommen, also unbillige Weisungen durch eine „gerichtliche Weisung“ ersetzt(anders aber bei „Ermessensreduzierung auf null“ aufgrund von Verwaltungsvorschriften, zB BAG 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - zu II der Gründe).
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b) Mit Wirkung zum 1. Januar 2003 hat der Gesetzgeber im Zuge der Novellierung der Gewerbeordnung mit § 106 GewO erstmals eine gesetzliche Regelung über das Weisungsrecht geschaffen, die für alle Arbeitsverhältnisse gilt. Dabei sollte unter wesentlicher Übernahme des Inhalts des im Gegenzug aufgehobenen § 121 GewO die bisherige Rechtsprechung „in moderner Sprache“ im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kodifiziert werden(BT-Drs. 14/8796 S. 16, 24). Inhaltliche Veränderungen waren damit nicht verbunden (ErfK/Preis 17. Aufl. § 106 GewO Rn. 1), sieht man von der besonderen Vorschrift zur Berücksichtigung von Behinderungen ab (vgl. § 106 Satz 3 GewO). Seither ist § 106 GewO ua. gesetzliches Leitbild für die Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. dazu zB BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - BAGE 135, 239; zur rein klarstellenden Bedeutung von § 106 Satz 1 Halbs. 2 GewO BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 18, BAGE 132, 210).
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3. Nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB besteht keine - auch keine vorläufige - Bindung des Arbeitnehmers an unbillige Weisungen, sofern der Arbeitnehmer diese nicht trotz ihrer Unbilligkeit akzeptiert.
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a) § 106 Satz 1 GewO trifft keine ausdrückliche Regelung über die Rechtsfolgen von Weisungen, die billigem Ermessen nicht entsprechen. Allerdings legt bereits der Wortlaut nahe, dass der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nur dann näher bestimmen kann, wenn er billiges Ermessen wahrt (ähnlich Preis NZA 2015, 1 ff., 5). Hält er diese Grenzen nicht ein, verlässt er den Rahmen, den das Gesetz für sein Bestimmungsrecht vorgibt (BeckOK/Tillmanns Stand 1. Juni 2017 § 106 GewO Rn. 57 „Leistungspflicht nicht entsprechend konkretisiert“). An eine solchermaßen gesetzwidrige Weisung kann regelmäßig ohne ausdrückliche Anordnung keine Bindung bestehen.
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b) Systematik und Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung sprechen gegen eine solche vorläufige Bindung. Dies gilt insbesondere auch im Kontext des § 315 BGB, soweit er auf das Weisungsrecht Anwendung findet.
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aa) Dass die Weisungsgebundenheit das Arbeitsverhältnis prägt, trifft zwar zu, sagt aber entgegen der Auffassung des Fünften Senats ( 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34 ) über eine vorläufige Bindung nichts aus. Es handelt sich nicht etwa um einen vorläufig vollziehbaren Verwaltungsakt (vgl. dazu Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 Rn. 420). Auch kann das Arbeitsverhältnis nach heutigem Verständnis nicht als Subordinationsverhältnis angesehen werden (zugespitzt Däubler/Deinert/Zwanziger/Zwanziger 10. Aufl. § 2 KSchR Rn. 80 „Arbeitnehmer sind weisungsgebunden, aber keine Soldaten“). Soweit der Gesetzgeber für bestimmte Arbeitnehmergruppen weiterreichende Verpflichtungen vorsieht, hat er diese angeordnet. So bestimmt § 124 Abs. 1 Satz 1 SeeArbG, dass Besatzungsmitglieder „vollziehbare Anordnungen der Vorgesetzten unverzüglich zu befolgen“ haben; nach Satz 2 gilt dies insbesondere in Gefahrensituationen. Dabei handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht, die über die heuervertragliche „Folgeleistungspflicht“ nach § 32 Abs. 1 Satz 2 SeeArbG hinausgeht(Bubenzer/Noltin/Peetz/Mallach/Bubenzer SeeArbG § 32 Rn. 7, § 124 Rn. 1 f.; Lindemann SeeArbG § 124 Rn. 3 f.; zur Vorgängerregelung Bemm/Lindemann SeemannsG 6. Aufl. § 29 Rn. 10 ff.; vgl. auch § 23 Abs. 1 Binnenschifffahrtsgesetz).
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bb) Eine vorläufige Verpflichtung, einer unbilligen Weisung nachzukommen, ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit der Situation nach Ausspruch einer Änderungskündigung. Mit der Änderungskündigung wird das bisher bestehende Arbeitsverhältnis beendet und die Beschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt auf Basis neuer vertraglicher Bedingungen, die der Arbeitnehmer, wenn auch unter Vorbehalt, akzeptiert hat (Ziemann jurisPR-ArbR 42/2016 Anm. 2 unter B.; aA Hromadka NZA 2017, 601 ff., 603; ders. FS von Hoyningen-Huene aaO S. 153). Der Arbeitnehmer schließt bei Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt einen auflösend bedingten Vertrag, der für ihn bis zur Entscheidung über die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung verbindlich ist. Bei der unbilligen Weisung geht es jedoch nicht um den Vertragsschluss, sondern um die Konkretisierung der aus dem Vertrag folgenden Arbeitspflichten.
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cc) Ähnliches gilt im Verhältnis zu § 275 Abs. 3 BGB. Nach dieser Norm besteht ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers (nur) im Fall der Unzumutbarkeit der Leistung. Daraus kann aber nicht der (Umkehr-)Schluss gezogen werden, dass im Anwendungsbereich des § 106 GewO unbillige Weisungen verbindlich sind(so aber Hromadka NZA 2017, 601 ff.), eine solche Regelung trifft die Norm nicht. Vielmehr gibt § 106 GewO seinerseits den - gegenüber § 275 Abs. 3 BGB abweichenden - Maßstab vor(BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 31, BAGE 137, 164). Andernfalls hätte es nahegelegen, im später in Kraft getretenen § 106 GewO auf § 275 Abs. 3 BGB zu verweisen und als Maßstab nicht die Unbilligkeit, sondern die Unzumutbarkeit zu normieren. Dies schließt allerdings nicht aus, dass weitergehend auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 275 Abs. 3 BGB erfüllt sein können(vgl. dazu Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 Rn. 444, 457 ff.) oder die Norm Anwendung finden kann, wenn die Weisung zum Zeitpunkt ihrer Erteilung zwar rechtmäßig war, aber später Unzumutbarkeit eintritt, zB wegen eines erst nach erteilter Weisung entstehenden Gewissenskonflikts (vgl. dazu Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 41 mwN).
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dd) Ebenso wenig ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB eine vorläufige Bindung. Zwar findet § 315 BGB bei der Überprüfung einer Weisung gemäß § 106 GewO grundsätzlich entsprechend Anwendung, nicht aber § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und die dort vorgesehene gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung.
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(1) § 106 Satz 1 GewO verweist hinsichtlich der Ausübung und der Kontrolle billigen Ermessens nicht ausdrücklich auf § 315 BGB. Allerdings ging die Rechtsprechung bereits vor Inkrafttreten des § 106 GewO davon aus, dass sich die Überprüfung einer Weisung am Maßstab billigen Ermessens an den zu § 315 BGB entwickelten Grundsätzen zu orientieren hatte. Dies galt trotz des Umstands, dass mit der Weisung nicht die Leistung des Arbeitgebers bestimmt wird, sondern die hinsichtlich des Umfangs bereits vertraglich festgelegte Gegenleistung des Arbeitnehmers konkretisiert wird (weshalb im Schrifttum teilweise § 316 BGB zur Begründung des Weisungsrechts zusätzlich herangezogen wird, vgl. von Hoyningen-Huene Die Billigkeit im Arbeitsrecht 1978 S. 143). Hieran hat der Gesetzgeber angeknüpft (vgl. Schönleiter/Viethen GewArch 2003, 129 ff., 135) und die befassten Senate des Bundesarbeitsgerichts haben auch zu § 106 GewO an der (entsprechenden) Anwendung des § 315 BGB festgehalten. Die Vorschriften wurden dabei regelmäßig „in einem Atemzug“ („§ 315 BGB“, „§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB“, „§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB“) genannt (vgl. zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 28; 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34; 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 17, BAGE 137, 164; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, BAGE 135, 239; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 48 ff., BAGE 118, 22; ebenso zB AR/Kolbe § 106 GewO Rn. 50; HWK/Lembke 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 9; Kühn NZA 2015, 10, 12; MüKoBGB/Würdinger 7. Aufl. § 315 Rn. 67; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 21; Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 Rn. 185). Nach anderer Auffassung soll § 315 BGB neben § 106 GewO als arbeitsrechtlicher Spezialnorm nicht anwendbar sein(insbesondere ErfK/Preis 17. Aufl. § 106 GewO Rn. 1; Hromadka FS von Hoyningen-Huene S. 145 ff.; NK-GA/Boecken/Pils § 106 Rn. 6, 66 ff.; kritisch wohl auch Thüsing jM 2014, 20, 21), wobei auch die Vertreter dieser Auffassung wohl weder den Begriff des billigen Ermessens noch das gerichtliche Kontrollsystem verändert sehen wollen.
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(2) An einer entsprechenden Anwendung des § 315 BGB unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Weisungsrechts ist festzuhalten. Dabei hat die Ausübung des Weisungsrechts nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung gemäß § 106 Satz 1 BGB immer nach billigem Ermessen zu erfolgen, insoweit wird die Zweifelsregelung des § 315 Abs. 1 BGB verdrängt. Hinsichtlich des Begriffs des billigen Ermessens gibt es hingegen keinen Grund, im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO von den allgemeinen Maßstäben abzuweichen. Gleiches gilt im Hinblick auf § 315 Abs. 2 BGB, wonach die Leistungsbestimmung durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil zu erfolgen hat. Nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil (nur) verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Dies gilt auch für das Weisungsrecht nach § 106 GewO. Dabei folgt aus der Norm im Umkehrschluss zunächst, dass die Leistungsbestimmung für den Berechtigten grundsätzlich verbindlich ist (vgl. dazu BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 649/10 - Rn. 40 f. mwN, BAGE 139, 296). Dies gilt auch im Bereich der Ausübung des Weisungsrechts. Eine vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung hat für diesen Bestand, bis sie von ihm durch eine andere (wirksame) Weisung ersetzt wird (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 15, BAGE 135, 239; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 18). Der Arbeitnehmer kann (und muss) seine Arbeitsleistung so erbringen, wie sie durch die letzte wirksame Weisung konkretisiert wurde. Die Erteilung einer neuen Weisung durch den Arbeitgeber ist - anders als zB bei der Festsetzung einer Bonusleistung für ein bestimmtes Jahr - mit Wirkung für die Zukunft im Rahmen der arbeitsvertraglichen Bestimmungen jederzeit möglich (diesen Aspekt übersieht Hromadka NZA 2017, 601, 603). Für den Arbeitnehmer ist die Weisung hingegen - wie § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bereits nach seinem Wortlaut anordnet - nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht(BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 16, 39 - unklar aber Rn. 25 -, BAGE 137, 164; 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 25; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b der Gründe; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b ff. der Gründe, BAGE 62, 59; 20. Dezember 1984 - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 47, 363; HWK/Lembke 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 116a; MüKoBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 67; Münchner Handbuch ArbR/Reichold 3. Aufl. § 36 Rn. 29; Staudinger/Rieble aaO § 315 Rn. 186; Tettinger/Wank/Ennuschat/Wank aaO GewO 8. Aufl. § 106 Rn. 33; vgl. zur Diskussion, ob bei einem Glaubens- und Gewissenskonflikt vorrangig § 275 Abs. 3 BGB Anwendung finden muss einerseits BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 30 f. aaO, andererseits Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 41).
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(3) Aus § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt sich nichts anderes; die Norm ist im Bereich des Weisungsrechts nicht, auch nicht entsprechend anwendbar.
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(a) Entspricht eine einseitige Leistungsbestimmung nicht der Billigkeit, wird die Bestimmung grundsätzlich durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dem Gläubiger ist damit ein - nicht fristgebundenes, aber durch den Gesichtspunkt der Verwirkung begrenztes - Klagerecht eingeräumt. Die Klage kann auch unmittelbar auf die Leistung gerichtet werden (vgl. zB BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 26/12 - Rn. 32 mwN auch aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung). Ohne eine solche gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung könnte der Anspruchsinhaber im Bereich der „klassischen“ Leistungsbestimmungsrechte bei einer unbilligen oder verzögerten Leistungsbestimmung seinen Anspruch nicht durchsetzen, er kennt ihn nicht einmal. Auf etwa vorher festgesetzte Leistungen kann - da es sich um einen neuen Anspruch auf Leistungsfestsetzung handelt - nicht zurückgegriffen werden. Dies betrifft insbesondere Geldleistungen, so zB Bonuszahlungen (vgl. zB BAG 3. August 2016 - 10 AZR 710/14 - [umfangreich zur gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung] Rn. 29 f.).
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(b) Anders ist dies im Anwendungsbereich des § 106 Satz 1 GewO bei der Ausübung des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts. Diese betrifft die Gegenleistung des Arbeitnehmers. Eine vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung hat insoweit Bestand, bis sie vom Arbeitgeber durch eine andere (wirksame) Weisung ersetzt wird (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 15, BAGE 135, 239). Damit sind für beide Vertragsparteien regelmäßig die wechselseitigen Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung bestimmt, sofern es auch nur einmal zur wirksamen Ausübung des Weisungsrechts kam. Unterlässt der Arbeitgeber jegliche Ausübung des Weisungsrechts auch zu Beginn des Arbeitsverhältnisses bzw. fehlt es insoweit an einer wirksamen Weisung, kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung mangels entsprechender Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers nicht erbringen (vgl. zu einem Fall der Nichtausübung des Weisungsrechts auch BAG 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - BAGE 148, 16). In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber das Risiko der Vergütungs- bzw. Schadensersatzpflicht (vgl. zur Abgrenzung zwischen Annahmeverzugs- und Schadensersatzansprüchen BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - BAGE 134, 296) zu tragen, ohne im Gegenzug mangels wirksamer Mitwirkungshandlung die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu erhalten. Seinen Beschäftigungsanspruch kann der Arbeitnehmer wiederum geltend machen, indem er eine Leistungsklage auf tatsächliche Beschäftigung erhebt. Dabei kann (und muss) der Antrag bei im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebener Arbeitspflicht aus materiell-rechtlichen Gründen nicht so genau sein, dass er auf eine ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist. Ausreichend und erforderlich ist, dass die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist (näher dazu BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - Rn. 44, BAGE 152, 1; 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - Rn. 19, BAGE 130, 195).
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(c) Eine gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB scheidet hingegen im Anwendungsbereich des § 106 GewO aus. Durch sein Weisungsrecht konkretisiert der Arbeitgeber die Erbringung der Arbeitsleistung im Betrieb. Die Mitwirkungshandlung iSv. §§ 295, 296 BGB ist erforderlich, um dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen(BAG 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 38), der Arbeitnehmer kann sich einer rechtlich einwandfreien Konkretisierung der Arbeitspflicht nach § 106 Satz 1 GewO nicht entziehen, indem er eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbietet(BAG 30. April 2008 - 5 AZR 502/07 - Rn. 24, BAGE 126, 316). Ebenso wenig könnte im Fall einer unbilligen Leistungsbestimmung das Gericht Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung an Stelle des Arbeitgebers festlegen. Ein solches Gestaltungsurteil scheidet aus, es würde sich um einen unzulässigen Eingriff in die Organisationshoheit des Arbeitgebers handeln (vgl. dazu zB BAG 20. November 2014 - 2 AZR 512/13 - Rn. 27 f.), den § 106 GewO weder vorsieht noch zulässt(vgl. zB AR/Kolbe aaO § 106 GewO Rn. 66; Busemann ZTR 2015, 63, 66, 71; Fischer FA 2014, 38, 39; Hromadka/Maschmann 6. Aufl. § 6 Rn. 24a; MüKoBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 BGB Rn. 67; NK-GA/Boecken/Pils § 106 GewO Rn. 67 [bereits generell die Anwendbarkeit des § 315 ablehnend]; Staudinger/Rieble aaO § 315 BGB Rn. 187; im Ergebnis ebenso für den Fall der „Unzufriedenheit mit bestimmten vom Arbeitgeber übertragenen Arbeiten“ bereits Söllner Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis 1966 S. 125; aA ohne Begründung MünchArbR/Reichold 3. Aufl. § 36 Rn. 31). Auch in der Rechtsprechung sind - ohne dies überhaupt zu thematisieren - weder vor noch nach Inkrafttreten des § 106 GewO Weisungen im Wege der Ersatzleistungsbestimmung ausgeurteilt worden(vgl. zur Abgrenzung auch BAG 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - BAGE 148, 16 [für den Fall der Nichtausübung des Weisungsrechts, allerdings missverständlich § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zitierend]). Soweit der Vierte Senat in der Entscheidung vom 27. Januar 2016 (- 4 AZR 468/14 - Rn. 19 ff., BAGE 154, 83) § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB erwähnt, wird klargestellt, dass der Arbeitnehmer, der mit seiner Klage die Billigkeit einer nur vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit im Sinne der tarifvertraglichen Regelung des öffentlichen Dienstes angreift, regelmäßig die bloße Kassation des Merkmals „vorübergehend“ anstrebt. Dies habe nach den tariflichen Vorschriften zur Folge, dass die höherwertige Tätigkeit als von Anfang an dauerhaft übertragen gilt. Ähnliches gilt bei tariflichen Ansprüchen auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses (vgl. zB zuletzt BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 30).
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(d) Entgegen der Auffassung des Fünften Senats (22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34) lassen sich daher aus der Gestaltungswirkung der Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB keine Anhaltspunkte für die Frage der Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung herleiten. Die als Beleg zitierten Entscheidungen (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 859/09 -; 16. Dezember 1965 - 5 AZR 304/65 -; BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - BGHZ 167, 139) betrafen dementsprechend nicht die Ausübung des Weisungsrechts, sondern Ersatzleistungsbestimmungen nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Eine Klageobliegenheit des von der unbilligen Weisung betroffenen Arbeitnehmers ergibt sich daraus nicht (Boemke NZA 2013, 6 ff., 10; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19; allg. MüKoBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 44 ).
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c) Sinn und Zweck des Weisungsrechts in der Form, wie es durch § 106 GewO ausgestaltet ist, verlangen gleichfalls keine vorläufige Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung, sondern stehen einer solchen vielmehr entgegen.
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aa) Das Weisungsrecht soll dem Arbeitgeber ermöglichen, den Arbeitsvertrag und die dort regelmäßig nur rahmenmäßig ausgestaltete Arbeitspflicht in der von ihm gewollten Form zu konkretisieren. § 106 GewO normiert dabei ausdrücklich Grenzen, die zum einen in den rechtlichen Rahmenbedingungen (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen, Tarifvertrag, Gesetz) und zum anderen im billigen Ermessen liegen. Dabei soll die Ausübung des Weisungsrechts - anders als noch der Wortlaut von § 121 GewO nahelegte, ohne dass die Rechtsprechung die Vorschrift so verstand - nicht in einem „Über- oder Unterordnungsverhältnis“ erfolgen, sondern in einem „eher partnerschaftliche[n] Miteinander“ im Arbeitsverhältnis(so ausdrücklich die Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/8796 S. 24 ). Mit einer solchen Zielrichtung ist ein Verständnis, wonach der Arbeitnehmer sanktionsbewehrt an unbillige Weisungen gebunden sein soll, nicht vereinbar.
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bb) Es bestehen auch keine praktischen Gründe, von einer vorläufigen Verbindlichkeit auszugehen. Spricht der Arbeitgeber eine Weisung aus, ist diese für ihn als Bestimmungsberechtigten verbindlich. Befolgt der Arbeitnehmer diese Weisung und erbringt er - unabhängig von einer möglichen Unbilligkeit - seine Arbeitsleistung, wird das Arbeitsverhältnis in der Form durchgeführt, die der Arbeitgeber begehrt. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich gegen unbillige Weisungen zu wehren, besteht nicht, vielmehr kann er diese hinnehmen (vgl. zB LAG Berlin-Brandenburg 31. Mai 2013 - 6 Sa 373/13 - zu 1.1.1.3.3.3 der Gründe; Staudinger/Rieble aaO § 315 Rn. 414). Ändert der Arbeitnehmer insoweit seine Auffassung, kann sein Recht zur Geltendmachung der Unbilligkeit - wie jedes andere Recht - verwirken (vgl. zu diesem Aspekt: LAG Düsseldorf 6. April 2016 - 12 Sa 1153/15 - zu A II 3 c der Gründe; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19 a). Akzeptiert der Arbeitnehmer hingegen eine Weisung, die er als unbillig ansieht, nicht und erbringt keine Arbeitsleistung, trägt er das Risiko, ob ein Gericht im Rahmen der Prüfung nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB seine Einschätzung teilt(vgl. zur Risikoverteilung: BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 32; 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 29). Ist dies nicht der Fall, kann der Arbeitgeber Sanktionen aussprechen und der Arbeitnehmer verliert seinen Vergütungsanspruch. Erzwingen könnte der Arbeitgeber die Erbringung der Arbeitsleistung im Hinblick auf § 888 Abs. 3 ZPO in keinem Fall. Erweist sich die Weisung hingegen als unbillig, hat der Arbeitgeber - soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen - nach § 615 iVm. § 611 BGB bzw. im Wege des Schadensersatzes die Vergütung zu leisten, ohne einen Nachleistungsanspruch zu haben. Denjenigen, der eine unbillige Weisung erteilt, trifft dementsprechend das Risiko der Unwirksamkeit dieser Weisung; dieses kann nicht auf den Vertragspartner abgewälzt werden (vgl. zu einer ähnlichen Risikoverteilung zwischen Verbraucher und Versorgungsunternehmen: BGH 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 -; 19. Januar 1983 - VIII ZR 81/82 -; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19a). Bei Annahme einer vorläufigen Verbindlichkeit unbilliger Weisungen könnte der Arbeitgeber diese hingegen risikolos erteilen. Folgt der Arbeitnehmer ihnen nicht, wäre er Sanktionen bis hin zur Kündigung ausgesetzt, obwohl die Weisung nicht den gesetzlichen Anforderungen und damit der objektiven Rechtslage entspricht (vgl. zu diesem Aspekt LAG Köln 28. August 2014 - 6 Sa 423/14 - zu II 2 der Gründe). Folgt ihr der Arbeitnehmer hingegen und stellt das Gericht später deren Unbilligkeit fest, bliebe dies für den Arbeitgeber faktisch folgenlos. Damit geht es nicht um die Beseitigung von Rechtsunklarheiten (so aber LAG Köln 13. Januar 2014 - 2 Sa 614/13 -), sondern es erscheint nicht völlig polemisch, eine solche Situation als „Spielwiese für trennungswillige Arbeitgeber“ zu qualifizieren (Schauß ArbR Aktuell 2016, 518, 519).
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d) Schließlich spricht - wie bereits dargelegt - auch die Entstehungsgeschichte des § 106 GewO für die hier vertretene Auffassung. Obwohl der Wortlaut des § 121 GewO vielleicht noch auf ein anderes Verständnis hindeutete(„den Anordnungen der Arbeitgeber … Folge zu leisten“), hatte die Rechtsprechung bereits aus dieser Norm solche Schlussfolgerungen nicht gezogen, sondern eine Unwirksamkeit unbilliger Weisungen angenommen. Dies hat der Gesetzgeber aufgegriffen und sich ein mögliches anderes Verständnis von § 121 GewO nicht zu eigen gemacht (BT-Drs. 14/8796 S. 16, 24).
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4. Der Senat ist nicht an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil er nicht von der Rechtsprechung eines anderen Senats abweicht. Der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 4 ArbGG bedarf es nicht. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf den Anfragebeschluss des Senats von 14. Juni 2017 (- 10 AZR 330/16 (A) -) mit Beschluss vom 14. September 2017 (- 5 AS 7/17 -) entschieden, dass er an der im Urteil vom 22. Februar 2012 (- 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34) vertretenen Rechtsauffassung zur vorläufigen Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung nicht mehr festhält.
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VIII. Der Kläger hat einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 26. März 2015 und vom 22. April 2015 aus seiner Personalakte. Die auch insoweit zulässige Klage ist begründet.
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1. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt (st. Rspr., zB BAG 20. Januar 2015 - 9 AZR 860/13 - Rn. 31; 19. Juli 2012 - 2 AZR 782/11 - Rn. 13 mwN, BAGE 142, 331). Einen solchen Anspruch macht der Kläger im Wege des Leistungsantrags hinsichtlich beider erteilter Abmahnungen geltend.
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2. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Entfernung der Abmahnung besteht. Mit den beiden Abmahnungen wird ausschließlich gerügt, dass der Kläger seine Tätigkeit in Berlin nicht aufgenommen hat. Dazu war er - wie ausgeführt - wegen der Unbilligkeit der erteilten Weisung nicht verpflichtet.
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IX. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
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Linck
Schlünder
W. Reinfelder
Petri
Klein