Soldatenrecht: Rückerstattung von Ausbildungskosten - besondere Härte gemäß § 56 Abs. 4 S. 2. SG
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein Westfalen hat mit Urteil vom 20.04.2015, AZ: 1 A 1242/12, entschieden:
1. Die Erstattung von Ausbildungskosten nach § 56 Abs. 4 Satz 1 oder Satz 2 SG darf den früheren Soldaten gemessen an der Härteklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG nicht in einer Weise belasten, dass er in die Gefahr einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Notlage gerät.
2. In Anwendung dieses Grundsatzes darf in dem Falle, dass Ratenzahlung gewährt wird, die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des Soldaten an-dauern, sondern muss zeitlich begrenzt sein.
3. Die zeitliche Begrenzung hat bereits in dem ersten Leistungsbescheid (Ausgangsbescheid) zu er-folgen. Dies gilt unabhängig von der Höhe der im Bescheid festgesetzten Rate und der sich hier-aus ergebenden voraussichtlichen Dauer der Tilgung.
Aus den Entscheidungsgründen:
…
„Bei dem Kläger liegt allerdings eine "besondere Härte" im Sinne des § 46 Abs. 4 Satz 3 SG unter dem wirtschaft-lichen Gesichtspunkt des möglichen Eintritts einer zu vermeidenden Existenzgefährdung vor. Dieser Gesichts-punkt wurde in den Regelungen des angegriffenen Leistungsbescheides der Beklagten nicht (ausreichend) berücksichtigt. Die Erstattung von Ausbildungskosten wie hier dem Ausbildungsgeld darf den früheren Soldaten in Anwen-dung der Härteklausel nicht in einer Weise belasten, dass er in die Gefahr einer existenzgefährdenden wirt-schaftlichen Notlage gerät,
vgl. dazu allgemein etwa BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 - 2 BvL 51/71 -, BVerfGE 39, 128 = ju-ris, Rn. 49; BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - VI C 135.74 -, BVerwGE 52, 84 = juris, Rn. 54; OVG NRW, 26. Juni 1975 - 1 A 927/74 -, DÖV 1975, 792 = juris (LS 2); VG Gießen, Urteil vom 26. Oktober 2005 - 8 E 2875/04 -, Rpfleger 2006, 90 = juris, Rn. 20; Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Aufl. 2010, § 56 Rn. 23. 109.
Dabei muss u.a. eine dauerhafte wirtschaftliche Knebelung, wie sie insbesondere bei einer sehr hohen Erstattungspflicht und einem (bei eingeräumter Ratenzahlung) entsprechend sehr langen Erstattungszeitraum ein-treten kann, unterbleiben. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass sich dann, wenn die Beklagte - wie etwa auch in dem vorliegenden Leistungsbescheid - Ratenzahlungen gewährt, die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des Soldaten andauern darf, sondern zeitlich begrenzt sein muss,
vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 - 2 C 18.05 -, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/A II 1 Nr. 11 = juris, Rn. 24; dem grundsätzlich folgend u.a. VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. September 2014 - 1 K 623/13 -, juris, Rn. 38, und vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 47; VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Dezember 2013 - 10 K 5420/13 -, juris, Rn. 32; a.A. VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 - 5 K 785/11.GI -, juris, Rn. 38,VG Schleswig, Urteil vom 6. März 2014 - 12 A 153/13 -, juris, Rn. 41, und wohl auch Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Aufl. 2010, § 56 Rn. 23.
Die betreffende Formulierung in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist systematisch eingebettet in Ausführungen zu der Frage, ob der in Anwendung der Härteklausel zu erstattende Betrag "von einem bestimmten ehemaligen Zeitsoldaten" verlangt werden dürfe, was von seiner individuellen Vermögenslage ab-hänge. Das verdeutlicht, dass es an dieser Stelle um generelle Erwägungen zur Frage der (individuellen) wirtschaftlichen Zumutbarkeit geht und damit nicht um einen etwaigen weiteren "Bonus" im Rahmen der Anwendung der Härteklausel speziell auf die Gruppe der anerkannten Kriegsdienstverweigerer. Insofern hat es in diesem Punkt auch keine Bedeutung, dass die Entscheidung einen Fall betroffen hat, in dem es um die Erstattung der Ausbildungskosten eines Kriegsdienstverweigerers ging. Allein ein solches Verständnis der betreffenden Urteilspassage ergibt im Übrigen auch Sinn, weil es der Sache nach - wie schon ausgeführt - um eine Konkretisierung des im Rahmen der Härteklausel für alle betroffenen früheren Soldaten geltenden Gesichtspunktes gegangen ist, dass diese durch die Erstattung und die Modalitäten ihrer Abwicklung nicht in existentielle wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sollen.
Soweit es Gegenstimmen zu einer gebotenen zeitlichen Begrenzung des Erstattungszeitraums gibt,
vgl. VG Gießen, VG Schleswig, jeweils a.a.O.,
setzen diese dabei an, dass grundsätzlich die Pflicht bestehe, den Erstattungsbetrag in einer Summe zu zahlen. Würden den Soldaten Ratenzahlungen eingeräumt, bleibe es ihnen unbenommen, die hierdurch bewirkte Zah-lungsdauer im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten durch höhere Ratenzahlungen zu verkürzen. Die-se Argumentation überzeugt schon deswegen nicht, weil sie die angesprochene Verkürzungsmöglichkeit offen-bar als regelmäßig gegeben unterstellt. Diese hängt aber entscheidend von den wirtschaftlichen Verhältnissen im jeweiligen Einzelfall ab. Ferner wird wohl nicht hinreichend bedacht, dass die Pflicht zur Zahlung in einer Summe angesichts der Höhe der zumeist in Rede stehenden Beträge gerade wegen der bestehenden Härteklausel in der Praxis kaum zum Tragen kommen dürfte. Die ggf. bestehende Härte in Anwendung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG auszugleichen, bleibt dabei Aufgabe der Beklagten, kann also nicht, jedenfalls nicht vollständig, einem Handeln der betroffenen ehemaligen Soldaten (auch im Rahmen von deren finanziellen Möglichkeiten) über-lassen bleiben.
Die danach erforderliche zeitliche Begrenzung des Erstattungszeitraums (Zeitraums der Ratenzahlungspflicht) in Richtung auf nur einen Teilzeitraum des gesamten Berufslebens muss auch bereits in dem Leistungsbescheid (Ausgangsbescheid) selbst erfolgen; dort sind die hierzu notwendigen Regelungen zu treffen. Das ist keine Be-sonderheit, sondern entspricht auch im Übrigen der Anwendung der Härteklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG. Diese unterscheidet sich insoweit im Kern nicht von der Billigkeitsentscheidung bei der Rückforderung zuviel gezahlter Bezügen (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG). Dazu ist anerkannt, dass die Billigkeitsentscheidung nicht lediglich die Vollziehung oder Vollstreckung des Rückforderungsbescheides, sondern den materiellen Bestand des (insofern modifizierten) Rückforderungsanspruchs betrifft. Ein Rückforderungsbescheid darf deshalb nicht ergehen, ohne dass bzw. bevor eine Billigkeitsentscheidung getroffen wurde,
vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - 2 C 4.11 -, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/C V 5 Nr. 84 = juris, Rn. 23, m.w.N.; sinngemäß entsprechend zur Härteklausel des Soldatengesetzes wohl auch BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - VI C 135.74 -, BVerwGE 52, 84 = ZBR 1977, 287 = ju-ris, Rn. 56, unter Abgrenzung der Anwendung der Härteklausel von lediglich haushaltsrechtlichen Zahlungserleichterungen.
Ob das gleiche Ergebnis in Fällen der vorliegenden Art auch unmittelbar aus dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hergeleitet werden kann,
vgl. etwa VG Gelsenkirchen, Urteil vom 8. September 2014 - 1 K 623/13 -, juris, Rn. 38 am Ende,
braucht hier nicht entschieden zu werden.
Der Anforderung der zeitlichen Begrenzung des Erstattungszeitraums kann die Beklagte regelmäßig in der Wei-se ermessensgerecht entsprechen, dass sie die Verpflichtung zur Zahlung von Tilgungsraten auf einen Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenal-ter (§ 35 SGB VI) begrenzt. Denn hierdurch ist auch unter Berücksichtigung etwa zusätzlich zu zahlender Stun-dungszinsen in aller Regel ausreichend gewährleistet, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Anwendung der Härteklausel die Zahlungspflicht nicht während des gesam-ten (weiteren) Berufslebens andauert, sondern deutlich vor dem 67. Lebensjahr endet.
Vgl. in diesem Sinne auch VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. September 2014 - 1 K 623/13 -, juris, Rn. 40, und vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 49.
Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass der im Leistungsbescheid festgesetzte Erstattungsbetrag am Ende nicht vollständig getilgt werden muss. Das gilt selbst dann, wenn ausgehend von der im Bescheid be-stimmten Höhe der Rate eine vollständige Tilgung bis zu dem betreffenden Zeitpunkt rechnerisch nicht möglich ist. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass der streitige Leistungsbescheid (wie auch in ähnli-chen Fällen) unter Ziffer 4 eine (Neben-)Regelung enthält, derzufolge eine jährliche Überprüfung der Ratenhö-he anhand der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse des früheren Soldaten zu erfolgen hat. Das kann es ermöglichen, die Raten vorübergehend oder ggf. auch dauerhaft höher festzusetzen. In einem solchen Fall kann ggf. erreicht werden, dass der gesamte Erstattungsbetrag schon vor Ablauf des vorgenannten Zweidrittel-zeitraums getilgt ist. Es ist mit anderen Worten Aufgabe der Beklagten, diese begleitende Kontrolle auch tatsäch-lich effektiv wahrzunehmen.
Wegen dieser möglichen Veränderungen der Tilgungshöhe, welche ggf. auch in Richtung auf eine wirtschaftlich gebotene Verringerung der Ratenhöhe gehen können, ist es aus Sicht des Senats sogar erforderlich ist, die Zeit-dauer der Zahlungspflicht in dem Leistungsbescheid nicht nur dann begrenzend zu regeln, wenn ausgehend von der Höhe der dort festgesetzten Raten eine Tilgung innerhalb des Zweidrittelzeitraums nicht gelingen kann. Vielmehr ist solches auch dann geboten, wenn ausgehend von jenen u.U. recht hohen Raten eine rechtzeitige Tilgung gelingen könnte.
anders im Ergebnis VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 53.
Denn ob es dann auch wirklich gelingen wird, ist angesichts der künftigen Veränderbarkeit der Höhe der Rate im Zeitpunkt des Ergehens des Leistungsbescheides keineswegs sicher. Gerade mit Blick darauf bedarf es aber schon in diesem Bescheid einer begrenzenden Regelung genereller Natur, die etwa an das Erreichen eines be-stimmten Lebens- oder Kalenderjahres (bzw. Datums) anknüpft. Die Gegenauffassung des VG Gelsenkirchen, wonach es in jenen Fällen ausreichen soll, dass mit Blick auf eine mögliche Absenkung der Rate erst in dem diesbezüglichen Änderungsbescheid die zeitliche Begrenzung erforderlichenfalls geregelt wird,
vgl. Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 53,
erscheint inkonsequent zu der auch dort eingenommenen Grundposition, dass über das Vorliegen einer beson-deren Härte bereits im Ausgangsbescheid entschieden werden muss.
Ist die für die Erstattung in zeitlicher Hinsicht bestehende Grenze erreicht, ohne dass der Gesamtbetrag getilgt werden konnte, dürfte die Beklagte im Übrigen verpflichtet sein, die Restsumme zu erlassen. Denn die Stun-dung unberührt zu lassen und weiterhin Stundungszinsen zu fordern, würde (in Abhängigkeit von der Zinshö-he einerseits und der Höhe des noch nicht getilgten Betrages andererseits) die wirtschaftliche Belastung jeden-falls zum Teil fortbestehen lassen und damit zu einer Belastung bis zum Ende der Berufstätigkeit oder sogar noch darüber hinaus führen.
Der vom Kläger angefochtene Leistungsbescheid entspricht mit seinen vier Teilregelungen den vorstehenden Grundsätzen nicht“.
…
Allenfalls wird gegenwärtig in den Leistungsbescheiden „lediglich“ die Regelung getroffen, dass zwei Jahre vor Eintritt in das gesetzliche Renteneintrittsalter, der ehemalige Soldat die Möglichkeit erhält, aufgrund ei-genen Antrags, die weitere Zahlungspflicht zu vermeiden.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in konsequenter Anwendung überzeugend klargestellt, dass eine solche Regelung nicht mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der „besonderen Härte“ im Sinne des § 56 Abs. 4 SG vereinbar ist. Demnach ist die Bundeswehr verpflichtet, eine zeitliche Begrenzung des Zahlungszeitraums transparent und eindeutig im Ausgangsbescheid zu regeln. Andernfalls ist der Bescheid rechtswidrig und aufzuheben. In Nordrhein Westfalen dürften daher vermehrt sämtliche Verwaltungsgerichte der Argumenta-tion des Oberverwaltungsgerichts Münster folgen.
Ob auch weitere höchstrichterliche Entscheidungen diesbezüglich zu erwarten sind, bleibt abzuwarten. Je-denfalls auch jüngst der Hessische Verwaltungsgerichtshof am 05.05.2015, AZ: 1 A 489/15.Z in einem aus Sicht des Klägers ablehnenden Beschluss ausgeführt:
„Die rechtlich an sich zutreffenden Erwägungen der Klägerin [Rückzahlungsverpflichtung maximal zwei Drittel der Zeit von der Erlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenalter] führen im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis, da die seinerzeit 28-jährige Klägerin aufgrund des angefochtenen Bescheides lediglich mit 13 Jahren andauernden Rückzahlungsverpflichtungen be-lastet wurde.“
Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, die bei der Bundeswehr eine Studium absolviert haben und aufgrund einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus der Bundeswehr entlassen worden sind, sollten daher in Erwägung ziehen, Ihre Bescheide von fachkundigen Anwälten aus dem Bereich des Verwaltungsrechts über-prüfen zu lassen.
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Annotations
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Leistungsbescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 9. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2010 wird aufgehoben, soweit ein Erstattungsbetrag von mehr als 40.998,00 Euro gefordert wird.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Der am 22. Mai 1977 geborene Kläger trat am 1. März 2000 – er war zu diesem Zeitpunkt schon Stabsunteroffizier der Reserve – als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit wieder in die Bundeswehr ein. Sein Wehrdienst wurde aufgrund einer Verpflichtungserklärung vom 18. Oktober 1999 auf 19 Jahre festgesetzt; als Dienstzeitende war der Ablauf des 11. Februar 2018 bestimmt.
3Im Zeitraum vom 5. Oktober 2000 bis zum 9. Mai 2006 setzte der Kläger unter Beurlaubung vom militärischen Dienst ein bereits vor dem Wiedereintritt in das Soldatenverhältnis begonnenes Studium der Humanmedizin an der K. -H. -Universität N. fort. Am 25. April 2006 erhielt er die Approbation als Arzt. Mit Urkunde vom 5. April 2006 wurde der Kläger am 10. Mai 2006 zum Stabsarzt ernannt. Vom 10. Mai 2006 bis zum 30. Juni 2007 absolvierte er eine klinische Weiterbildung für Anästhesiologie im Bundeswehrzentralkrankenhaus in L. .
4Durch Ernennungsurkunde der Westfälischen-Wilhelms-Universität vom 14. Juni 2007 wurde der Kläger mit Wirkung zum 1. Juli 2007 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zum Akademischen Rat ernannt.
5Mit Blick auf die hierdurch kraft Gesetzes eingetretene Entlassung aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit, welche als Entlassung auf eigenen Antrag gelte, forderte das Personalamt der Bundeswehr von dem Kläger mit Leistungsbescheid vom 9. Oktober 2009 die Erstattung des ihm als Sanitätsoffiziers-Anwärter gewährten Ausbildungsgeldes sowie der darüber hinaus im Rahmen seiner ärztlichen Aus‑ und Weiterbildungen entstandenen Fachausbildungskosten in der festgesetzten Gesamthöhe von 119.976,07 Euro (Ziffer 1 des Bescheides). Zur Vermeidung einer besonderen Härte wurde dem Kläger aufgrund der von ihm dargelegten wirtschaftlichen Situation zugleich eine verzinsliche Stundung eingeräumt; die monatlich zu leistenden Raten wurden auf 220,00 Euro festgesetzt (Ziffer 2 des Bescheides). Stundungszinsen in Höhe von 4 % sollten mit Bestandskraft des Leistungsbescheides, spätestens aber ab 20. November 2009 anfallen (Ziffer 3 des Bescheides). Die verzinsliche Stundung durch Einräumung von Ratenzahlungen wurde unter den Vorbehalt gleichbleibender wirtschaftlicher Verhältnisse gestellt. Dies sollte von der für die Einziehung der Forderung zuständigen Stelle jährlich überprüft werden. Unvorhergesehene Verbesserungen in den Einkommens- oder Vermögensverhältnissen waren vom Kläger unverzüglich anzuzeigen (Ziffer 4 des Bescheides).
6Zur Begründung war in dem Bescheid u.a. ausgeführt: Die Erstattungsforderung gründe auf § 56 Abs. 4 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 2 des Soldatengesetzes (SG). Bezogen auf die Härteregelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG komme hier – über die gewährte Stundung durch Gewährung von Teilzahlungen hinaus – ein teilweiser Verzicht auf die Rückforderung des Ausbildungsgeldes aufgrund einer Abdienzeit nicht in Betracht. Denn der Kläger habe sich nach dem Medizinstudium bis zum Ausscheiden aus der Bundeswehr ausschließlich in der Fachausbildung befunden und habe daher dem Dienstherrn zu keinem Zeitpunkt mit den erworbenen Kenntnissen uneingeschränkt zur Verfügung gestanden.
7Seinen gegen diesen Leistungsbescheid gerichteten Widerspruch, welchen der Kläger auf den eine Erstattungssumme von 40.998,00 Euro übersteigenden Betrag beschränkte, stützte er im Wesentlichen auf den Gesichtspunkt einer defizitären Ausschöpfung der bestehenden Härtefallregelung. Er, der Kläger, habe die Bundeswehr aus Gewissensgründen verlassen. Hierbei habe es sich – im Sinne der Rechtsprechung zum Begriff der „besonderen Härte“ in § 56 Abs. 4 Satz 3 SG – um schwerwiegende Umstände gehandelt, denen er sich nicht habe entziehen und nur durch ein sofortiges Ausscheiden aus dem Wehrdienst habe Rechnung tragen können. Eine solche Ausnahmesituation könne nicht nur – was das Bundesverwaltungsgericht bereits anerkannt habe – in den Fällen der Ausübung des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung bestehen, sondern auch dann, wenn – wie hier – der Zeitsoldat eine Gewissensentscheidung anderer Art, d.h. eine solche im Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG, getroffen habe. Die betreffende Grundrechtsausübung habe keinen „geringeren“ Rang als die Ausübung des Grundrechts nach Art. 4 Abs. 3 GG.
8Der Widerspruchsbegründung fügte der Kläger eine detaillierte schriftliche Darstellung derjenigen Gründe bei, die ihn zum Ausscheiden aus der Bundeswehr bewogen hätten: Aus Gewissensgründen habe er den in den letzten zehn Jahren eingetretenen Wandel der Bundeswehr von einer auf die Aufgabe der Landesverteidigung und echte Nothilfe für die Verbündeten beschränkten Armee hin zu einer weltweit einzusetzenden und unspezifisch-„präventiv“ tätig werdenden Interventionsarmee nicht mehr mittragen können. Diese seines Erachtens falsche Militärdoktrin habe er nach seiner in langen und schweren Kämpfen gewonnenen, auch in Gesprächen mit Vorgesetzten gereiften inneren Überzeugung nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können. Allerdings fühle er sich weiterhin seiner Überzeugung und dem Eid verpflichtet, woraus sich seine Dienstpflicht zur Landesverteidigung als Reserveoffizier ergebe. Dieser Überzeugung entspringe auch sein Engagement, als Reservist in Wehrübungen und im Reservistenverband aktiv zu sein und an Ausbildung und Training für Reservisten aktiv teilzunehmen. Gerade deshalb sei für ihn eine generelle Kriegsdienstverweigerung niemals in Frage gekommen. Wenn auch seine Entscheidung, das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit bei der Bundeswehr zu verlassen, maßgeblich auf die moralische Unvereinbarkeit mit den Rahmenbedingungen des Dienstes zurückgehe, seien davon abgesehen auch die Arbeitsbedingungen bei der Bundeswehr innerhalb des Sanitätsdienstes derart belastend und ausweglos gewesen, dass für ihn ein weiterer Verbleib objektiv nicht zumutbar gewesen sei. Es sei dort keine ordnungsgemäße Aus‑ und Weiterbildung gewährleistet, es existierten keine zivilen Arbeitszeiten, das Patientenwohl sei durch die nicht haltbaren Zustände gefährdet und er selbst habe aufgrund der Gegebenheiten sich ständig der Gefahr der Begehung rechtswidriger Handlungen ausgesetzt gesehen.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2010 wies das Personalamt der Bundeswehr den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und führte im Wesentlichen aus: Ein vollständiger oder auch nur teilweiser Verzicht auf die begründete Erstattungsforderung komme hier nicht in Betracht. Ein Härtefalltatbestand im Sinne von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG sei nicht gegeben. Mit Blick auf die Gewährung von Ratenzahlungen sei eine ernstliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz nicht zu erwarten. Der Kläger habe auch weder seine Entlassung aus der Bundeswehr betrieben, um als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden, noch sei eine solche Anerkennung nach seinem Ausscheiden erfolgt. Soweit der Kläger darauf verweise, dass sein Ausscheiden aus der Bundeswehr gleichwohl maßgeblich aus Gewissensgründen erfolgt sei, sei dies für den Rückforderungsanspruch nach § 56 Abs. 4 SG rechtlich nicht von Belang. Für den Wechsel in das Beamtenverhältnis und die daran knüpfende Entlassung aus dem Soldatenverhältnis seien die Motivation sowie die persönlichen Beweggründe unerheblich. Da der Kläger einem anderen Personenkreis angehöre als dem der anerkannten Kriegsdienstverweigerer, liege insoweit auch keine dem Gleichbehandlungsanspruch widersprechende Benachteiligung vor. Die schließlich geltend gemachte Unzufriedenheit mit den dienstlichen Verhältnissen bzw. der Einplanungssituation könne nach der Rechtsprechung die Annahme einer persönlichen Härte im Sinne von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG nicht begründen.
10Am 7. September 2010 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat darin den Leistungsbescheid angegriffen, soweit eine Erstattung von mehr als 40.998,00 Euro gefordert wird. Diese Beschränkung hat er damit begründet, dass er gegen eine Erstattung in Höhe desjenigen Betrages, den er als Studierender für seinen Lebensunterhalt ohnehin aufgewandt hätte, keine Einwände erhebe. Weiter hat er seine Auffassung bekräftigt, dass auch in seinem Fall eine „besondere Härte“ im Sinne des § 56 SG bejaht werden müsse. Er habe zwar keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen, jedoch eine Gewissensentscheidung, die es ihm unmöglich mache, sich an den kriegerischen Auseinandersetzungen, welche die Bundeswehr führe, zu beteiligen. Diese Entscheidung sei grundrechtlich geschützt durch die Gewissensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG. Auch diese Gewissensentscheidung habe ein solches Gewicht, dass ihm das Verbleiben in der Bundeswehr nicht möglich gewesen sei. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang nicht, welchen formalen Weg er für die Entlassung gewählt habe, sondern das Motiv der Entlassung. Demgemäß sei dieser Umstand bei der Ermessensentscheidung im Rahmen der Härtefallregelung zur Rückforderung von Ausbildungskosten zu berücksichtigen.
11Der Kläger hat beantragt,
12den Leistungsbescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 8. (richtig: 9). Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2010 insoweit aufzuheben, als ein Betrag von mehr als 40.998,00 Euro geltend gemacht wird.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen und die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung bekräftigt und vertieft. Die von dem Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in den Kriegsdienstverweigererfällen sei davon ausgehend hier nicht einschlägig. Da es der Kläger unterlassen habe, seinerzeit die Entlassung aus den von ihm genannten Gründen zu beantragen, könnten diese Gründe für die Festsetzung der Höhe der Rückforderungssumme auch nicht mehr maßgeblich sein.
16Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat dabei keine durchgreifenden Gründe für eine weitergehende Berücksichtigung der in Rede stehenden Härtefallregelung feststellen können. Sei von dem betroffenen Soldaten – wie hier – kein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer angestrengt worden, lasse sich auf sonst angeführte Gewissensgründe eine besondere Härte nicht erfolgreich stützen.
17Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 17. April 2014 zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger – unter ergänzender Bezugnahme auf sein Vorbringen im vorausgegangenen Zulassungsverfahren – den Rechtsstandpunkt, dass hier ein Fall vorliege, in welchem die von der Beklagten geforderte Erstattung von Ausbildungskosten für den früheren Soldaten eine „besondere Härte“ im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG bedeuten würde.
18Diesbezüglich komme es nicht darauf an, dass er kein förmliches Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer durchlaufen habe. Für eine derartige Beschränkung biete die in Rede stehende Härtefallregelung keine Anhaltspunkte. Entscheidend sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Erstattung allein ein Instrument des wirtschaftlichen Vorteilsausgleichs sei und kein Druckmittel darstellen dürfe, welches geeignet sei, den Soldaten von der Grundrechtsausübung auszuschließen. Auch wenn das einschlägige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu einem anerkannten Kriegsdienstverweigerer ergangen sei, sei es in seinen Auswirkungen nicht auf eine Absicherung der Ausübung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG beschränkt. Denn ob ein Soldat wegen Kriegsdienstverweigerung oder aus moralischen Gründen im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG aus der Bundeswehr ausscheide, mache keinen beachtlichen Unterschied, zumal es nach dem derzeitigen Recht für Soldaten auf Zeit, welche den Kriegsdienst mit der Waffe verweigern wollten, kein förmliches Anerkennungsverfahren mehr gebe.
19Er, der Kläger, habe – wie schon mit seinem Widerspruch gegen den streitgegenständlichen Leistungsbescheid ausführlich dargelegt – eine Gewissensentscheidung getroffen, die es ihm nicht möglich mache, an den kriegerischen Auseinandersetzungen, die die Bundeswehr führe, teilzunehmen. Diese Entscheidung gegen die Teilnahme an bestimmten kriegerischen Auseinandersetzungen sei durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützt. Schutzgut der Gewissensfreiheit sei die moralische Identität und Integrität des Einzelnen. Eine Gewissensentscheidung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts „jede ernstliche sittliche, d. h. an den Kategorien von Gut und Böse orientierte Entscheidung (….), die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte“. Mit Blick auf die etwa an verschiedenen Interviews damaliger Spitzenpolitiker (Köhler, 22.05.2010; zu Guttenberg, 9. November 2010) festzumachende Neuausrichtung der Bundeswehr in Gestalt der Umwandlung von einer Institution zur Landesverteidigung hin zu einer allseits tätigen und weltweit einsatzfähigen Interventionsarmee habe er, der Kläger, eine den vorgenannten Anforderungen entsprechende Gewissensentscheidung getroffen und sei aus diesem Grunde vorzeitig aus dem Dienstverhältnis eines Zeitsoldaten ausgeschieden. Diese Gewissensentscheidung habe sich gegen die konkrete Tätigkeit der Bundeswehr nach deren Neuausrichtung, von deren Auswirkungen auch der Sanitätsdienst in besonderer Weise betroffen sei (bezogen auf Afghanistan etwa: Einsatz unter Gefechtsbedingungen, äußerst ungünstige Infrastruktur) gerichtet, nicht aber gegen den Zwang zum Dienst an der Waffe.
20Eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer habe er folglich nicht erreichen können. Insoweit sei aber anerkannt, dass das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG nicht durch das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung verdrängt werde, denn Art. 4 Abs. 3 GG regele die Wirkungen der Gewissensfreiheit nur für den Bereich der Wehrpflicht, also des Zwanges zum Wehrdienst, abschließend, nicht aber auch im Übrigen für das Soldatenverhältnis. Letzteres ergebe sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.06.2005 – 2 WD 12.04 -.
21Die von ihm getroffene Gewissensentscheidung sei auch von gleichem Gewicht wie eine solche im Rahmen der Ausübung des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung. Es habe für ihn eine erhebliche Zwangslage bestanden, die er nur in der geschehenen Weise habe lösen können. Seinen Gewissenskonflikt habe er dabei gegenüber Vorgesetzten (den schon erstinstanzlich benannten Zeugen Dr. M. und Dr. W. ) bereits im Herbst 2006 nach Erscheinen des Weißbuches der Bundeswehr in mehreren Gesprächen zum Ausdruck gebracht.
22In diesem Zusammenhang sei auch der Weg, den der Soldat auf Zeit zum Verlassen der Bundeswehr konkret gewählt habe (hier: Übertritt in den Beamtenstatus) unerheblich. In besonderer Weise müsse dies für Angehörige des Sanitätsdienstes der Bundeswehr gelten. Denn bis zu einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erst im Jahre 2012 hätten die betreffenden Zeitsoldaten, da sie „waffenlosen“ Dienst leisteten, nicht erfolgversprechend einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen und auf jenem Weg ihre Entlassung aus der Bundeswehr herbeiführen können; ihnen sei hierfür vielmehr das Rechtsschutzinteresse abgesprochen worden. Für die Anwendung der in Rede stehenden Härtefallregelung könne es deswegen allein auf das Motiv für die Entlassung ankommen.
23Bei Anwendung der Härtefallregelung brauchten die Ausbildungskosten nur in Höhe des geldwerten Vorteils erstattet zu werden, der dem früheren Soldaten „real und nachprüfbar“ verblieben sei. Das entspreche hier den ersparten Ausbildungskosten. Für deren Berechnung sei der Unterhaltsbedarf eines Studenten zugrunde zu legen, wie er sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergebe. Das führe hier für den Gesamtzeitraum auf einen zu erstattenden Betrag von 40.988,00 Euro. Wegen der darüber hinausgehenden Erstattungsforderung sei die Klage begründet. Jedenfalls sei der angefochtene Bescheid aufzuheben und habe ggf. eine Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erfolgen.
24Der Kläger beantragt,
25das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.
26Die Beklagte beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Sie bezweifelt zum einen, dass der Kläger bei seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr im Wege des Übertritts in den Beamtenstatus in einem Gewissenskonflikt gestanden hat, wie er ihn später, nämlich erst nach Ergehen des Erstattungsbescheides im Oktober 2009 im Rahmen der Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs schriftlich behauptet hat. Der als maßgeblicher Grund für das Ausscheiden angeführte verteidigungspolitische Paradigmenwechsel erscheine hier nur vorgeschoben, um eine Reduzierung des Erstattungsbetrages zu erreichen. Auslandseinsätze (z.B. im Kosovo) habe es nämlich auch schon zu Zeiten gegeben, als der Kläger als Offiziersanwärter in den Dienst der Bundeswehr wieder eingetreten sei. Zum anderen lägen die Voraussetzungen für eine Reduzierung des Erstattungsbetrages im Rahmen der Anwendung der Härtefallklausel aber selbst dann nicht vor, wenn sich der Kläger damals tatsächlich in dem behaupteten Gewissenskonflikt befunden hätte. Denn es fehle hier an einer mit anerkannten Kriegsdienstverweigerern vergleichbaren Situation, insbesondere an einer entsprechend existenziellen Zwangslage. Die Ablehnung bestimmter Kriege aus politischen Gründen habe nicht den Charakter einer unbedingten und unteilbaren Gewissensentscheidung. Der Kläger verhalte sich widersprüchlich, wenn er auf der anderen Seite als Reservist weiterhin aktiv tätig sei und sich der Landesverteidigung verpflichtet fühle.
29Der Senat hat in der mündlichen Berufungsverhandlung zu der Frage, ob, wann, und ggf. in welcher Weise der Kläger mit den Zeugen Generalarzt a.D. Dr. W. und Oberstarzt Dr. M. darüber gesprochen hat, dass er mit der Neuausrichtung der Bundeswehr im Gefolge einer geänderten Sicherheitspolitik Probleme habe, Beweis erhoben durch Vernehmung der vorbenannten Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über den Verhandlungstermin verwiesen.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (3 Hefte) Bezug genommen.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
32Die zulässige Berufung ist begründet.
33Die Anfechtungsklage des Klägers hat im Ergebnis Erfolg. Der angegriffene Leistungsbescheid vom 9. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2010 ist in dem Umfang, in dem sich der Kläger mit seiner – wie schon im Widerspruchsverfahren – auf einen Teilbetrag beschränkten Klage gegen ihn wendet, aufzuheben. Denn dieser Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
341. Nach § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Soldatengesetzes (SG) – hier wegen der in § 97 Abs. 1 SG enthaltenen Übergangsregelung noch anzuwenden in der bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1815) gültig gewesenen Fassung – muss ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war und der auf seinen Antrag entlassen worden ist oder als auf eigenen Antrag als entlassen gilt, die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung seinem Dienstherrn grundsätzlich erstatten. Nach dem Satz 2 der Vorschrift gilt das unter den gleichen Voraussetzungen für einen früheren Zeitsoldaten in der Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes, der als Sanitätsoffizier-Anwärter Ausbildungsgeld erhalten hat.
35Hierunter fällt auch der Kläger. Dieser war bis zu seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr Soldat auf Zeit und gehörte der Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes an. Während der Zeit, in welcher der Kläger im Status des Soldaten auf Zeit unter Freistellung vom militärischen Dienst Humanmedizin an einer Hochschule außerhalb der Bundeswehr studierte, erhielt er – als Sanitätsoffiziersanwärter – Ausbildungsgeld in der Gesamthöhe von 119.976,07 Euro. Das entspricht dem mit Leistungsbescheid zurückgeforderten Betrag; Kosten einer Fachausbildung sind in diesem nicht enthalten. Aufgrund der Regelung des § 125 Abs. 1 Satz 2 und 3 BRRG a. F. galt der Kläger mit seiner Ernennung zum Akademischen Rat bei der X1. X. -Universität N1. zum 1. Juli 2007 schließlich auch als auf eigenen Antrag entlassen.
362. Die danach bestehende (vollständige) Erstattungspflicht greift jedoch nicht in jedem Falle. So kann nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Hierbei handelt es sich um eine sog. Kopplungsvorschrift, die als Tatbestandsmerkmal das gerichtlich voll überprüfbare Vorliegen einer– gemessen am Regelfall atypischen – besonderen Härte voraussetzt. Ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, muss sich daran noch eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn anschließen, die nach Maßgabe des § 114 VwGO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt.
37Die Beklagte hat mit ihrem Leistungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides dem Vorliegen eines solchen Härtefalles jedenfalls in einem Punkte zu Unrecht nicht Rechnung getragen. Sie hat damit zur Frage der Härtefallregelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG eine nicht ermessensgerechte Entscheidung getroffen, was im Ergebnis die Rechtswidrigkeit des gesamten Bescheides und (im Umfang des Streitgegenstandes) seine Aufhebung zur Folge hat.
38a) Unter welchen Voraussetzungen eine „besondere Härte“ angenommen werden kann, konkretisiert das Gesetz nicht unmittelbar. Mit dem Zusatz „besondere“ weist allerdings schon der Gesetzeswortlaut in die Richtung, dass es sich um deutlich aus dem üblichen Rahmen fallende, eben atypische und dabei zugleich als schwerwiegend zu bewertende (Ausnahme-)Situationen in Bezug auf das als Anknüpfungspunkt betroffene Erstattungsverhältnis handeln muss. In diesem Zusammenhang ist zur näheren Konkretisierung des Norminhalts namentlich dem inneren Grund, also dem Zweck der betreffenden Härtefallregelung Rechnung zu tragen. Dieser geht dahin, es über die vom Gesetzgeber in der Regelvorschrift vorgenommene Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen hinaus für besondere Einzelfälle oder Gruppen von solchen zu ermöglichen, dass den dem Rechtsstaatsprinzip zuzuordnenden Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit von Zweck und Mittel und des Übermaßverbots die gebührende Beachtung geschenkt werden kann.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 – VI C 135.74 –, BVerwGE 52, 84 = juris, Rn. 44; ferner etwa das Urteil des Senats vom 22. August 2013 – 1 A 2278/10 –, NZWehrr 2014, 122 = juris, Rn. 28.
40Den Begriff der „besonderen Härte“ verwendet das Soldatengesetz allerdings auch im Zusammenhang mit den Entlassungsgründen (§ 55 Abs. 3 SG und entsprechend für Berufssoldaten § 46 Abs. 6 SG). In jenem Zusammenhang ist gesetzlich näher bestimmt worden, dass sich die Härte auf persönliche, insbesondere häusliche, berufliche oder wirtschaftliche Gründe beziehen muss. Ob eine entsprechende Festlegung bzw. Eingrenzung der beachtlichen Gründe auch für das Merkmal der besonderen Härte in § 56 Abs. 4 Satz 3 SG anzunehmen ist und wie sich die jeweils wortgleichen Tatbestandsmerkmale in den genannten Vorschriften inhaltlich zueinander verhalten, braucht aus Anlass des vorliegenden Verfahrens nicht abschließend entschieden zu werden.
41Vgl. zu nicht nur sprachlichen, sondern auf einer gemeinsamen Zielsetzung beruhenden auch inhaltlichen Parallelen BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 – VI C 135.74 –, BVerwGE 52, 84 = juris, Rn. 45; zu systematischen Bedenken gegen eine sachlich übereinstimmende Auslegung unter Hinweis u.a. auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes etwa OVG NRW Urteil vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 –, RiA 1997, 145 = juris, Rn. 12, sowie Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Aufl. 2010, § 56 Rn. 22.
42Denn hier geht es mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des früheren Zeitsoldaten (siehe näher unter c) entscheidungstragend um einen Anwendungsfall einer „besonderen Härte“, dessen Zuordnung zu den im Rahmen des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG beachtlichen Härtegründen nicht in Frage steht.
43b) Unter den vom Kläger im Verlauf des Verfahrens angeführten Gesichtspunkten kann die begehrte teilweise Aufhebung des Leistungsbescheides mit Blick auf eine Anwendung der Härtefallklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG allerdings nicht erfolgen.
44Soweit das Bundesverwaltungsgericht für die Gruppe der anerkannten Kriegsdienstverweigerer einen Härtefall angenommen hat,
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 18.05 –, Buchholz 449 § 56 SG Nr. 3 = Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/A II 1 Nr. 11 = juris, Rn. 13, 15 ff., und zuvor (evtl. weniger weitgehend) schon Beschluss vom 2. Juli 1996– 2 B 49.96 –, DVBl. 1996, 1152 = juris, Rn. 5 ff.,
46hilft das dem Kläger nicht unmittelbar weiter. Denn er ist kein anerkannter Kriegsdienstverweigerer und hat auch einen solchen Antrag schon nicht gestellt.
47Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch darauf, nach der von ihm geltend gemachten Motivationslage, insbesondere einer reklamierten Gewissensentscheidung, die für seine Entscheidung, durch Ernennung zum Beamten aus dem aktiven Soldatenverhältnis auszuscheiden, maßgeblich gewesen sei, mit der Fallgruppe der anerkannten Kriegsdienstverweigerer gleichbehandelt zu werden. In diesem Zusammenhang braucht der Senat nicht zu entscheiden, in welchem Verhältnis das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung nach Art. 4 Abs. 3 GG zu der in Art. 4 Abs. 1 GG vorbehaltlos gewährleisteten Gewissensfreiheit steht, wenn die vorgegeben Gewissensentscheidung zum Ausscheiden aus dem aktiven Soldatenverhältnis führt (nachfolgend bb)). Denn dem Kläger ist bereits eine derartige Gewissensentscheidung nicht abzunehmen (nachfolgend aa)).
48aa) Der Kläger hat den Senat nicht davon überzeugen können, dass sein Entschluss, die Bundeswehr zum Juli 2007 durch Eintritt in ein Beamtenverhältnis zu verlassen, ursächlich auf Gewissensgründe zurückzuführen ist, welche dem Schutz des Grundrechts der Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG unterfallen können. Solches erschließt sich weder aus seinem schriftlichen Vorbringen noch folgt es aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat.
49Nach Art. 4 Abs. 1 GG ist (u. a.) die Freiheit des Gewissens unverletzlich. Ob der Begriff des Gewissens angesichts der Vielzahl möglicher prägender Bezugspunkte überhaupt einer einfachen (einheitlichen) Definition zugänglich ist, wird zum Teil bezweifelt.
50Vgl. etwa Bethge, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI , § 158 Rn. 4.
51Das Bundesverfassungsgericht versteht „Gewissen“ im Sinne des „allgemeinen Sprachgebrauchs“, und zwar als ein (wie auch immer begründbares, jedenfalls aber) real erfahrbares seelisches Phänomen, dessen Forderungen, Mahnungen und Warnungen für den Menschen unmittelbar evidente Gebote unbedingten Sollens sind. Als eine Gewissensentscheidung ist dementsprechend jede ernste sittliche, d. h. an den Kategorien „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung anzusehen, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.
52Vgl. – grundlegend – BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1960 – 1 BvL 21/60 –, BVerfGE 12, 45 = juris, Rn. 28, 30; unbeschadet eines gewandelten, den Begriff der Gewissenentscheidung in Richtung auf eine „relative“ Entscheidung über die Zweckmäßigkeit menschlichen Verhaltens ausweitenden Verständnisses in der Öffentlichkeit hieran festhaltend Urteil vom 13. April 1978 – 2 BvR 1/77 u.a. –, BVerfGE 48, 127 = juris, Rn. 83.
53Die Anwendung dieser Verfassungsnorm im Einzelfall darf dabei dem Phänomen „Gewissen“ nur so weit nachgehen, als sie mit den ihr zu Gebote stehenden Erkenntnismitteln zu prüfen hat, ob, was sich nach außen als Gewissensentscheidung kundgibt, wirklich den Charakter eines unabweisbaren Gebots, einer inneren Wahrung vor dem Bösen und eines unmittelbaren Aufrufs zum Guten, trägt. Praktische Schwierigkeiten bei der Beurteilung solcher Sachverhalte müssen in Kauf genommen werden; in die Prüfungskompetenz der Gerichte fällt es insbesondere nicht, eine – einmal als solche erkannte – Gewissensentscheidung in irgendeinem Sinne zu bewerten, etwa als „irrig“, „falsch“ oder „richtig“.
54BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1960, a.a.O., juris, Rn. 31.
55Das insoweit erforderliche Prüfprogramm setzt sich im Kern aus vier Kriterien zusammen, die kumulativ vorliegen müssen: Individualität, Moralität, Existentialität und Plausibilität. Individualität kennzeichnet den Charakter als reines Individualgrundrecht. Es kommt somit nicht auf ein „verobjektiviertes“ Durchschnittsgewissen an, sondern das Grundrecht dient dem Schutz der moralischen Identität und Integrität des Einzelnen. Moralität meint die erforderliche prägende Ausrichtung der in Rede stehenden persönlichen Überzeugung an ethisch-moralischen Kriterien („Gut“ und „Böse). Existentialität kommt der gewonnenen Überzeugung nur zu, wenn sie für den Grundrechtsträger in einem derart hohen Maß wesentlich ist, dass ihr für seine Persönlichkeit existentielle Bedeutung zukommt. Die Hürden hierfür liegen eher hoch, und zwar aus systematischen Gründen und auch, um eine missbräuchliche Berufung auf das Grundrecht zu verhindern. Eine gewisse Orientierungshilfe können in diesem Zusammenhang die Anforderungen an das spezielle Grundrecht des Art. 4 Abs. 3 GG geben. Das Merkmal der Plausibilität geht darauf zurück, dass, obwohl die Gewissensentscheidung naturgemäß individuell-subjektive Züge hat, die bloße verbale Berufung auf das Grundrecht nicht ausreicht. Den Betroffenen trifft vielmehr eine Darlegungslast, welche der Kontrolle der (formalen, nicht inhaltlichen) Plausibilität seiner Haltung dient.
56Vgl. Mückl, in: Bonner Kommentar zum GG, Loseblatt (Stand: Februar 2015), Art. 4 Rn. 79 ff.
57Im Ergebnis muss das „Ob“ des Vorliegens einer durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Gewissensentscheidung – ggf. im Wege der Beweisaufnahme – positiv festgestellt werden, soweit daran wie hier weitere rechtliche Folgen geknüpft werden sollen. Für eine solche Feststellung wird (dem vorgenannten Merkmal der Plausibilität zuzuordnen) von Rechtsprechung und Literatur der Sache nach eine nach außen tretende, rational mitteilbare und dem Kontext intersubjektiv nachvollziehbare Darlegung der Ernsthaftigkeit, Tiefe und Unabdingbarkeit der Gewissensentscheidung gefordert.
58Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2005 – 2 WD 12.04 –, a.a.O. und juris, Rn. 160, m.w.N.
59Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers in mehrfacher Hinsicht nicht. Auch insgesamt zeichnet sich nicht das Bild eines Handelns aus einer ernsthaften, tiefgreifenden, innerlich unbedingt verpflichtenden Gewissensnot, der nicht in anderer Weise als durch das vollständige Ausscheiden aus dem aktiven Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit Rechnung getragen werden konnte.
60Der Kläger hat schon nicht klar und überzeugend, dabei widerspruchsfrei und auch im Übrigen plausibel, dem Senat vermitteln können, dass es überhaupt innerlich verpflichtende ethisch-moralische Kriterien waren, die ihn letztlich dazu veranlasst haben, seinen Dienst als Arzt im Sanitätsdienst der Bundeswehr nicht über Juni 2007 hinaus fortzusetzen.
61Das gilt zunächst schon für seine schriftlichen Darlegungen. Zwar führt der Kläger im Anhang zu seiner Widerspruchsbegründung „größte innere Widerstände“ an und verweist zur Erläuterung auf seine „feste Überzeugung“, dass er als Soldat eines rechtsstaatlich-demokratischen Staates nur in einem äußerst begrenzten objektiv-rechtstaatlich (nicht ausschließlich parlamentarisch) legitimierten Notfall, nämlich der Landesverteidigung im engeren Sinne, aktiv werden oder mit seiner Tätigkeit die kämpfende Truppe unterstützen dürfe. Hierzu bezieht er sich weiter u. a. auf die „historisch begründete(n) einzigartige(n) Verantwortung bei der Aufstellung der deutschen Armee“ und auf die dem widersprechende „Kehrtwendung der deutschen Sicherheitspolitik“, wie sie etwa im Weißbuch 2006 ihren Ausdruck gefunden habe. Als Beispiele führt der Kläger namentlich den „Kriegseinsatz“ der Bundeswehr in Afghanistan und auch (als noch bedrückender empfunden) das Engagement der Bundeswehr im zweiten (als völkerrechtswidrig zu bewertenden) Irakkrieg an. Als er sich im Jahre 1999 als Soldat auf Zeit verpflichtet habe, habe er dies demgegenüber unter Maßgabe der seinerzeitigen Verteidigungsdoktrin getan. Die neue Linie, welche den Einsatz todbringender Waffen mit ggf. zahlreichen Opfern auch außerhalb der Landesverteidigung unter zum Teil unspezifisch präventivem Tätigwerden umfasse, widerspreche seinem christlich geprägten Weltbild; für sie gebe es keine sittliche Rechtfertigung. Schließlich hätten ihn auch persönliche Erfahrungen seiner Ehefrau, die sich auf den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern bezögen, in die gleiche Richtung beeinflusst.
62Diese Ausführungen lassen zwar hervortreten, dass der Kläger den wahrgenommenen Wandel in der Ausrichtung des Einsatzes der Bundeswehr aus seiner individuell-persönlichen Sicht nicht gutgeheißen hat. Für die Glaubhaftmachung einer tiefgründigen moralisch-ethischen Unterfütterung dieser Position fehlt es indes an detaillierten Darlegungen von Substanz, etwa schon an einer Erläuterung seiner moralischen Wertvorstellungen in den sich hier stellenden konkreten Bezügen.
63Entsprechendes gilt im Wesentlichen für die ergänzenden Angaben des Klägers in der Berufungsverhandlung. Dort hat er zwar ausgeführt, im Unterschied zu den vorangegangenen Einsätzen in Ex-Jugoslawien, welche er insbesondere angesichts der Vorkommnisse in Srebrenica für moralisch gerechtfertigt gehalten habe, sei beim Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan eine Unterscheidung von „Gut“ und „Böse“ nicht mehr möglich gewesen. Solches habe er Berichten sowohl von Ärzten als auch von Angehörigen der Kampftruppen entnommen. Entsprechende Kontakte habe er namentlich in der Zeit seiner Tätigkeit im Bundeswehrzentralkrankenhaus in L. gehabt. All dies macht aber vor allem nicht hinreichend deutlich, inwiefern der Kläger als maßgebliche Grundlage seines Ausscheidens aus der Bundeswehr zu dem damaligen Zeitpunkt eine eigene Gewissensentscheidung getroffen hat, welche gerade an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ hätte orientiert sein müssen und sich einer Zuordnung nicht hätte enthalten dürfen.
64Die Aussagen der in der mündlichen Verhandlung gehörten Zeugen sind nicht geeignet, den Vortrag des Klägers zu einem bei ihm persönlich vorhanden gewesenen Gewissenskonflikt weiter zu stützen. Der Zeuge Dr. M. konnte sich schon nicht an irgendein unmittelbar mit dem Kläger geführtes Gespräch erinnern. Dem Zeugen Dr. W. war zwar noch ein persönliches Gespräch mit dem Kläger zu dessen persönlichen Beweggründen erinnerlich; an den Inhalt dieses Gesprächs hatte er aber keine Erinnerung mehr. Die Aussage des Zeugen Dr. W. ist allerdings unter einem anderen Gesichtspunkt von Interesse. Sie verdeutlicht nämlich, dass es zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt unter den am Bundeswehrzentralkrankenhaus in L. tätig gewesenen jungen Ärzten Angst und Unruhe mit Blick auf die nicht unrealistische Erwartung gegeben hat, im Rahmen von sog. beweglichen Ärztetrupps möglicherweise an Kampfeinsätzen in Afghanistan teilnehmen zu müssen. Außerdem hat dieser Zeuge bekundet, dass seinerzeit etwa hundert Sanitätsoffiziere den Weg des § 125 BRRG (a.F.) gewählt hätten, um das Soldatenverhältnis durch den Übertritt in ein Beamtenverhältnis zu verlassen.
65Die Darlegungen des Klägers zu seiner Gewissensentscheidung sind im Übrigen von Pauschalurteilen geprägt, welche in dieser Form die Lebenswirklichkeit verfehlen. So werden etwa die Auslandseinsätze der Bundeswehr (allgemein) als „Hasardeureinsätze unklarer moralischer Legitimation im fernen Ausland“ bezeichnet (Seite 3 der Anlage zur Widerspruchsbegründung). Dabei fehlt jede Differenzierung nach Anlass und Art der Einsätze, etwa mit Blick auf eine ggf. nur humanitäre oder lediglich dem Aufbau von Sicherheitsstrukturen in einem Land dienende Zielsetzung. Auch findet der Umstand keine Berücksichtigung, dass bewaffnete Auseinandersetzungen im Rahmen der Auslandseinsätze der Bundeswehr grundsätzlich nur zulässig sind, um sich oder Dritte gegen Angriffe zu schützen. Es fehlt auch jede erkennbare tiefere moralische Auseinandersetzung mit dem zum Teil unermesslichen Leid, welches „Schurkenstaaten“ und „Terrorregime“ – gleich in welchem Teil der Welt – über die jeweilige Bevölkerung gebracht haben und weiter bringen, bevor (nach häufig komplizierten und ggf. auch kontrovers geführten Verhandlungen) ein internationaler Einsatz letztendlich beschlossen wird, wobei sich die Bundeswehr an solchen Einsätzen grundsätzlich auch nur innerhalb bestimmter Bündnisse und nach Zustimmung des Parlaments beteiligt. Ebenso wird nicht auf die (zumindest abstrakte und ggf. auch konkrete) Gefahr für die deutsche Bevölkerung durch eine ungezügelte weltweite Ausbreitung terroristischer Aktivitäten eingegangen. Der Hinweis auf die moralische Legitimation des Bundeswehreinsatzes in Ex-Jugoslawien überzeugt dabei wenig. Zum einen hatte auch dieser Einsatz mit der Landesverteidigung im engeren Sinne oder mit Bündnisverpflichtungen nichts zu tun, verlässt der Kläger damit also die Linie seiner übrigen Argumentation. Zum anderen erscheint es aber auch kaum plausibel und hätte jedenfalls näherer Darlegung bedurft, etwa gegenüber dem Vorgehen der Taliban in Afghanistan im Verhältnis zu der dortigen Bevölkerung und in Anbetracht ihrer (damals wohl nicht unbegründet zumindest vermuteten) Rolle als Unterstützer eines ggf. weltweit um sich greifenden Terrorismus einen anderen moralischen Standpunkt einzunehmen. Der plakative Hinweis, bei dem Afghanistan-Einsatz lasse sich nicht zwischen „Gut“ und „Böse“ unterscheiden, womit offensichtlich gemeint ist, dass auch völlig Unbeteiligte durch Einsätze der Bundeswehr zu Schaden kommen (können), lässt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Für und Wider nicht erkennen.
66Zu bedenken bleibt ferner, dass das Vorbringen des Klägers unbeschadet der verbalen Berufung auf moralische Prinzipien eine bestimmte (verteidigungs-)politische Auffassung zum Ausdruck bringt. Politische Überzeugungen fallen als solche aber in aller Regel noch nicht dem Schutzbereich des Grundrechts der Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG. Ansonsten wäre einer Überbeanspruchung bzw. einem Missbrauch dieses Grundrechts Tür und Tor geöffnet. Deshalb ist es – jedenfalls einen großen Teil jener Fälle betreffend – in hohem Maße fragwürdig, ob bei Soldaten, welche (nur) Auslandseinsätze der Bundeswehr bzw. (wie im Falle des Klägers) den Dienst mit Blick auf die Einbeziehung auch solcher Einsätze in die politisch festgelegte Verteidigungsstrategie verweigern, wirklich die Kriterien der „Moralität“ und der „Existentialität“ leitend sind, auch wenn sich diese Soldaten hierfür verbal auf ihr „Gewissen“ berufen.
67Vgl. Mückl, in: Bonner Kommentar zum GG, a.a.O., Art. 4 Rn. 193 a.E.
68Dafür, dass der Kläger sich jedenfalls nicht in Gestalt einer absoluten, also unbedingten Verpflichtung durch sein Gewissen innerlich gebunden gefühlt hat, als er Mitte 2007 sein aktives Dienstverhältnis als Zeitsoldat zu beendete, gibt es davon abgesehen eine Reihe von Gegenindizien. So erscheint es insbesondere weder konsequent, dass der Kläger sich noch im Oktober 1999 langjährig zur Dienstleistung verpflichtet hatte, noch leuchtet es ein, warum er keine Gewissensbedenken dagegen (gehabt) hat, als Offizier der Reserve für die Institution Bundeswehr – zum Teil auch aktiv – weiterhin tätig zu sein.
69Zunächst ist die Einbeziehung von Auslandseinsätzen in das Aufgabenspektrum der Bundeswehr nicht Ergebnis einer abrupten Neuausrichtung gewesen, die erst mit dem Erscheinen des Weißbuchs 2006 eingesetzt hätte. Vielmehr hat es solche Einsätze schon seit Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts gegeben (u.a. auf dem Balkan, in der Adria und in Somalia) und hatte auch die Debatte darüber schon zu jener Zeit eingesetzt.
70Vgl. Weißbuch 2006 (Online-Ausgabe), Seite 89 ff., Gliederungspunkt 4. „Die Bundeswehr im Einsatz“; siehe auch Wikipedia, Stichwort: „Auslandseinsätze der Bundeswehr“; ferner etwa VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 – 5 K 2265/12 –, juris, Rn. 91.
71Das war geraume Zeit vor dem Wiedereintritt des Klägers in die Bundeswehr als Soldat auf Zeit am 1. März 2000 und hat ihn von diesem Schritt offenbar weder moralisch noch sonst abgehalten. Die in der Berufungsverhandlung behauptete anfängliche Naivität erscheint als Erklärung wenig glaubhaft. Immerhin war der Kläger zu dem Zeitpunkt nach seinem Wehrdienst schon ein „gestandener“ Unteroffizier der Reserve, hatte zwei Jahre Rechtswissenschaften studiert und das Studium der Medizin bereits aufgenommen. Auch während der ersten Jahre seines Status als Zeitsoldat hat der Kläger keine erkennbaren Probleme mit seinem Gewissen gehabt, der Bundeswehr anzugehören (das hat nach seinem schriftlichen Vorbringen erst im Jahre 2006 eingesetzt), obwohl etwa der von ihm als „besonders bedrückend“ empfundene zweite Irak-Krieg im Frühjahr 2003 begann. Auch wenn der Kläger zu jener Zeit unter Freistellung vom Dienst studierte, musste ihm schon damals klar sein, dass er nach dem Studium (und einer ggf. weiteren Fachausbildung) bei einer Bundeswehr aktueller verteidigungspolitischer Prägung und Ausrichtung zur Dienstleistung auch konkret verpflichtet sein würde. Konsequenzen daraus hat er aber zu jener Zeit noch nicht gezogen. Was sein Gewissen dann im Jahr 2006 entscheidend dazu gebracht hat, ein Ausscheiden aus der Bundeswehr als moralisch unbedingt verpflichtend anzusehen, bleibt auch bei Einbeziehung seiner ergänzenden Angaben in der Berufungsverhandlung diffus. Eine Art „Schlüsselerlebnis“ lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen. Nach den Angaben im Termin sollen letztlich wohl die Eindrücke während der Tätigkeit im Bundeswehrzentralkrankenhaus in L. , namentlich solche aus Gesprächen mit im Afghanistan-Einsatz verwundeten Soldaten und den sie besuchenden Kameraden über die Rahmenbedingungen des Einsatzes, die Entscheidung des Klägers maßgeblich beeinflusst haben. Das führt indes keineswegs zwingend auf eine Gewissensentscheidung, sondern kann – zumal in der konkreten, vom Zeugen Dr. W. näher geschilderten Situation der jungen Ärzte an jenem Krankenhaus – auch anders gearteten Überlegungen geschuldet gewesen sein, etwa der – verständlichen – Sorge und Angst, ggf. nur unzureichend geschützt selbst in einen solchen Kampfeinsatz geschickt zu werden.
72Soweit der Kläger in seinem schriftlichen Vorbringen auf Vorgänge aus den Jahren nach 2007 verweist, wie z.B. auf den Luftangriff in Kundus vom 4. September 2009 („überforderter deutscher Oberst“) und auf Erklärungen des früheren Bundespräsidenten Köhler von Mai 2010 und des früheren Verteidigungsministers zu Guttenberg von November 2010, konnten all diese Umstände schon aus Zeitgründen die im Jahr 2007 getroffene Entscheidung des Klägers, die Bundeswehr zu verlassen, nicht mehr schlüssig beeinflusst haben.
73Eher gegen die Glaubhaftigkeit der Behauptung, eine Gewissensentscheidung getroffen zu haben, spricht auch, dass der Kläger jedenfalls in Form von schriftlichen Eingaben auf den angeblichen Gewissenskonflikt erst mehrere Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Soldatenverhältnis, nämlich im Zusammenhang mit der Rückforderung des Ausbildungsgeldes (Widerspruchsverfahren) Anfang 2010 aufmerksam gemacht. Mit welchem konkreten Inhalt ggf. zuvor Gespräche mit Vorgesetzten geführt worden waren, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Hinzuweisen bleibt allerdings darauf, dass der Kläger sich im zeitlichen Zusammenhang mit seinem Ausscheiden einem Verfahren, in welchem als etwaige Härtegründe Gewissensgründe hätten konkret angeführt werden können, nämlich einem Entlassungsverfahren nach § 55 Abs. 3 SG, nicht gestellt hat; er hat sich vielmehr für den insofern leichteren Weg des unmittelbaren Übertritts in ein Beamtenverhältnis entschieden.
74Als in der Sache widersprüchlich, jedenfalls aber nicht schlüssig stellt sich weiter insbesondere auch das Verhalten des Klägers nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr dar. Er ist wieder Offizier der Reserve der Bundeswehr und hat als solcher auch an Wehrübungen im Inland teilgenommen. Diese Haltung lässt sich zunächst schwerlich in Einklang bringen mit dem Vorbringen der Prozessbevollmächtigten des Klägers in dem Schriftsatz vom 16. Oktober 2012 im Berufungszulassungsverfahren. Dort ist auf Seite 3 ausgeführt:
75„Das Gesamtkonzept der Bundeswehr widersprach den moralischen Empfindungen des Klägers. Dabei ging es nicht nur um einzelne Befehle. Der Kläger konnte es mit seinem Gewissen grundsätzlich nicht vereinbaren, ein aktives Mitglied einer Institution zu sein, die seinen Vorstellungen und Überzeugungen deutlich zuwider war. Es war für ihn schlechthin unvereinbar als aktives Mitglied der Bundeswehr diese zugleich als Repräsentant zu vertreten.“
76Auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht verständlich, wieso der Kläger, welcher nach dieser Einlassung nicht etwa nur die eigene Teilnahme an bestimmten Auslandseinsätzen der Bundeswehr, sondern die Gesamtkonzeption der Bundeswehr als solche ablehnt, offenbar keinerlei Probleme mit dem Status als Reservist und mit der Teilnahme an Wehrübungen hat. Ausgehend von der seinerzeit gültig gewesenen „Konzeption für die Reservisten und Reservistinnen der Bundeswehr“ (Fassung 2003), von deren Text den Beteiligten in der Berufungsverhandlung eine Kopie überreicht wurde, waren/sind nämlich auch die Reservisten – ohne Weiteres einleuchtend – ein Teil des Gesamtkonzepts der Bundeswehr; damit repräsentieren auch sie die Institution Bundeswehr mit. Das bezieht im Grundsatz auch mögliche Auslandsverwendungen ein. So heißt es etwa in den „Vorbemerkungen“ der angesprochenen Konzeption:
77„Verteidigung im Sinne des Grundgesetzes umfasst heute mehr als die herkömmliche Verteidigung an den Landesgrenzen gegen einen konventionellen Angriff; als strukturbestimmende Aufgabe der Bundeswehr entspricht diese nicht mehr den aktuellen sicherheitspolitischen Erfordernissen. … Diese Neuausrichtung der Bundeswehr bestimmt Organisation, Ausbildung, Verwendung und Verfügbarkeit der Reservisten und Reservistinnen. Ziel ist es, auch deren Einsatz ohne den Rückgriff auf Mobilmachung auf eine sichere Grundlage zu stellen“.
78In ähnlichem Sinne hat sich der damalige Bundesminister der Verteidigung Dr. Peter Struck anlässlich der Einführung der in Rede stehenden Konzeption am 17. September 2003 in einer Pressekonferenz geäußert, wobei der Text auf der Internet-Seite des BMVg abrufbar ist. Der Minister hat dabei u.a. ausgeführt:
79„Die Bundeswehr benötigt den Beitrag der Reservistinnen und Reservisten für ihr gesamtes Aufgabenspektrum – auch für die mittlerweile wahrscheinlichsten Aufgaben der Konfliktverhütung und Konfliktbewältigung. Ich habe immer wieder betont, dass Verteidigung heute mehr als die herkömmliche Verteidigung an den Landesgrenzen gegen einen konventionellen Angriff umfasst. Dem muss auch die neuen Reservistenkonzeption Rechnung tragen. Einsatzorientierung der Bundeswehr und ein zeitgemäßes Reservistenkonzept schließen sich nicht aus, sondern ergänzen einander.“
80Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass die Neuausrichtung der Bundeswehr den Kläger aus Gewissensgründen nur an einer „aktiven“ Zugehörigkeit zur Bundeswehr hindern soll, nicht aber auch an einem Engagement als Reservist. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, er habe bei seiner Wehrübung keinen „Spiegeldienstposten“ bekleidet, also keinen im Einsatz befindlichen Sanitätsoffizier vertreten (und damit Auslandseinsätze nicht aktiv unterstützt). Denn auch eine Tätigkeit wie die von ihm angegebene Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung für Wehrpflichtige trägt dazu bei, dass die als Ganzes zu betrachtende Bundeswehr insgesamt ihre Aufgaben im In- und Ausland erfüllen kann. Zudem erscheint zweifelhaft, ob ein Reservist bei seiner Heranziehung zu einer Wehrübung stets sicherstellen kann, nicht auf einem „Spiegeldienstposten“ eingesetzt zu werden.
81Anderes ergibt sich auch nicht, wenn in Rechnung gestellt wird, dass der Kläger keine Einwände gegen die Aufgabe der Landesverteidigung im engeren Sinn geltend macht, der er offenbar die Tätigkeit als Reservist zuordnet. Zum einen verkennt dieser Ansatz, dass nach der vorerwähnten Konzeption für den Einsatz von Reservisten in der Bundeswehr auch diese zum Gelingen der vom Kläger abgelehnten Auslandseinsätze beitragen. Zum anderen steht es dem einzelnen (Reserve-)Soldaten und damit auch dem Kläger als Offizier der Reserve nicht zu, die Bundeswehr in einen „bösen“ (aktive Soldaten) und einen „guten“ (Reservisten) Teil aufzuteilen und bei letzterem auch noch zu differenzieren, ob „Spiegeldienstposten“ wahrgenommen werden.
82Schließlich mindert die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers zur Maßgeblichkeit einer Gewissensentscheidung für sein Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis eines Zeitsoldaten als weiteres Indiz noch der Umstand, dass der Kläger zugegebenermaßen auch noch andere Gründe für seinen Entschluss zum Ausscheiden gehabt hat. Dies waren die aus seiner Sicht schlechten, unzumutbaren Arbeits- und sonstigen Rahmenbedingungen im Sanitätsdienst der Bundeswehr, welche er namentlich während seiner Tätigkeit als Stabsarzt am Bundeswehrzentralkrankenhaus in L. – also unmittelbar zeitnah vor seinem Ausscheiden – wahrgenommen haben will (vgl. Gliederungspunkt 2. der Anlage zur Widerspruchsbegründung). Zwar betont der Kläger zu Beginn der Ausführungen zu jenem Gliederungspunkt, jene Gründe seien nicht die „maßgeblich“(en) Gründe für sein Ausscheiden gewesen, und weist ihnen damit sinngemäß nur eine ergänzende Bedeutung zu. Glaubhaft ist das angesichts der zum Teil massiven Vorwürfe und der Gesamtbewertung der Zustände als unzumutbar aber nicht. So spricht der Kläger am Ende des angesprochenen Gliederungspunktes des Anhangs der Widerspruchsbegründung dann auch davon, dass er „sowohl“ wegen der ausgeführten Gewissensgründe „als auch“ wegen der unzumutbaren dienstlichen Rahmenbedingungen kurzfristig gewechselt habe. Das stellt die beklagten dienstlichen Rahmenbedingungen auf eine Stufe mit den vorgegebenen Gewissensgründen und zieht die Maßgeblichkeit letztgenannter Gründe für die Entscheidung, den aktiven Dienst als Soldat der Bundeswehr aufzugeben, in Zweifel.
83bb) Ist ein Ausscheiden des Klägers aus der Bundeswehr aus Gewissensgründen nach alledem nicht glaubhaft gemacht, bedarf es keiner Entscheidung des Senats darüber, welche Folgewirkungen eine gegebene, Art. 4 Abs. 1 GG unterfallende Gewissensentscheidung für die Anwendung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG hätte.
84Insoweit nimmt der Senat allerdings die Gelegenheit wahr, auf die folgenden rechtlichen Bedenken hinzuweisen:
85Zweifelhaft ist, ob allein schon die Betroffenheit in Grundrechten als solche (in jedem Fall) auf die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG führen muss. Eher scheint es, als knüpfe das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 18.05 – (a.a.O.) in dem betreffenden Zusammenhang (Drucksituation, wegen einer finanziellen Belastung von der Grundrechtsausübung Abstand zu nehmen) an die besondere Situation bei der Ausübung gerade des Grundrechts auf Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe nach Art. 4 Abs. 3 GG an. Diese Situation zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie eine grundlegende Bedeutung hinsichtlich der Frage hat, ob überhaupt – also im Ganzen – Wehrdienst in der Bundeswehr geleistet werden kann bzw. ob ein ggf. schon bestehendes Soldatenverhältnis insgesamt fortgesetzt werden darf. Damit unterscheidet sich die Situation bei Kriegsdienstverweigerern nicht unerheblich von derjenigen bei der Betroffenheit anderer, darunter auch sog. „einschränkungsloser“ Grundrechte wie Art. 4 Abs. 1 GG. Deren Ausübung kann nämlich im Rahmen der Herstellung „praktischer Konkordanz“
86– hierzu vgl. aus jüngster Zeit etwa BVerfG, Beschlüsse vom 10. März 2014 – 1 BvR 377/13 –, juris, Rn. 22, vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 –, NZA 2014, 1387 = juris, Rn. 124 und 177, sowie vom 15. Januar 2015 – 1 BvR 2796/13 –, WM 2015, 526 = juris, Rn. 8 –
87häufig ohne erforderliche Auflösung des aktiven Soldatenverhältnisses in einen schonenden Ausgleich mit den Belangen der Bundeswehr (Verteidigungsbereitschaft, Funktionsfähigkeit) gebracht werden.
88Zum verfassungsrechtlichen Rang der Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 10. März 2014 – 1 BvR 377/13 –, juris, Rn. 22 bis 24, und vom 28. April 2007 – 2 BvR 71/07 –, NVwZ-RR, 2008, 330 = juris, Rn. 16, jeweils m.w.N.
89Davon ausgehend kann zumeist auch ernsthaften Gewissensnöten solcher Soldaten, die nicht umfassend den Kriegsdienst mit der Waffe bzw. ein Verbleiben in der Bundeswehr ablehnen, durch die Verpflichtung des Dienstherrn zur Bereitstellung einer gewissenschonenden Handlungsalternative (z.B. Verwendung im Inland) ausreichend Rechnung getragen werden.
90Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2005 – 2 WD 12.04 –, BVerwGE 127, 302 = DVBl. 2005, 1455 = juris, Rn. 116 ff., 345, 348.
91Das gilt im Übrigen auch für den Kläger, weil dessen Behauptung, er lehne aus Gewissensgründen die Institution Bundeswehr in ihrer derzeitigen Konzeption als Ganzes ab, angesichts seiner Einstellung zum Status des Reservisten aus den oben genannten Gründen sachlich nicht nachvollzogen werden kann. Die Ausübung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 GG wirkt somit für den aktiven Soldaten in der Regel nicht „absolut“ im Sinne einer Rechtfertigung zum Ausscheiden. Zugleich besteht in solchen Fällen – anders als bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern – auch nicht typischerweise die Situation, dass mit Blick auf eine erforderliche Beendigung des Dienstverhältnisses bisher entstandene Ausbildungskosten vom Dienstherrn nicht mehr nutzbringend (weiter) verwendet werden können. Entsprechend gemindert ist damit auch die „Drucksituation“, von der Ausübung des Grundrechts mit Blick auf die wegen der Erstattung von Ausbildungskosten zu erwartende finanzielle Belastung (vollständig) Abstand zu nehmen.
92Darüber hinaus ist schon fraglich, ob Art. 4 Abs. 1 GG in Fällen der vorliegenden Art überhaupt neben Art. 4 Abs. 3 GG anwendbar ist. Insoweit könnte von einer Ausschlusswirkung wegen Spezialität des Absatzes 3 auszugehen sein. Eine solche Ausschlusswirkung könnte jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn es – wie hier – um (angebliche) Gewissensgründe geht, die es dem betroffenen Soldaten ausgehend von seiner kundgetanen inneren Überzeugung zwingend verwehren, überhaupt bei der Bundeswehr (aktiven) Dienst zu tun und nicht etwa nur einzelnen Befehlen nicht nachkommen zu können.
93Vgl. zu der letztgenannten Konstellation in Richtung auf einen fehlenden Ausschluss des Art. 4 Abs. 1 GG durch Art. 4 Abs. 3 GG BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2005 – 2 WD 12.04 -, a.a.O. und juris; ablehnend etwa Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 4 Rn. 65 und 84, jeweils Stichwort „Befehlsverweigerung“, m.w.N. zur zum Teil zustimmenden, verbreitet aber auch kritischen Aufnahme des Urteils in der Literatur; u.U. anders auch noch BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 1996 – 2 WD 21.96 -, BVerwGE 103, 361 = NJW 1997, 536 (538) = juris, insb. Rn. 30, betreffend die (dort bejahte) Dienstpflichtwidrigkeit der Verweigerung sog. „out of area“-Einsätze.
94Der Ausschluss dürfte ggf. auch unabhängig davon eintreten, ob die konkret geltend gemachten Gründe voraussichtlich ausreichen können, eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu erreichen. Denn eine für einen bestimmten Bereich bestehende Spezialvorschrift wie Art. 4 Abs. 3 GG kann auch Bedeutung dafür haben, ob in Fällen, in denen ihre (besonderen) Voraussetzungen nicht erfüllt sind, in ihrem Anwendungsbereich noch auf eine allgemeinere Vorschrift zurückgegriffen werden darf. Gäbe es insoweit keine Sperrwirkung, wäre hier unter Berufung auf das allgemeinere Grundrecht – die Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG – eine Kriegsdienstverweigerung unter erleichterten Bedingungen möglich, nämlich die vollständige Verweigerung des Dienstes bei der Bundeswehr aus anderen, nicht durch Art. 4 Abs. 3 GG geschützten Gewissensgründen. Das hätte insbesondere – und auch hier – Bedeutung für die sog. situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung, welche im Rahmen des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG im Ergebnis nicht zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer führt. Jene Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass die Betroffenen den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen nicht wie nach dem speziellen Grundrecht erforderlich schlechthin, also insgesamt ablehnen, sondern solches nur in Bezug auf bestimmte Situationen bzw. Konstellationen tun (z.B. Verweigerung der Teilnahme an kriegerischen Auseinandersetzungen bei Betroffenheit oder Nichtbetroffenheit bestimmter Staaten als Gegner bzw. als um Unterstützung ersuchende Verbündete; dies ggf. in Abhängigkeit von den in den betroffenen Staaten/Regionen herrschenden politischen Systemen oder unter Berücksichtigung von bestimmten historischen Situationen; Verweigerung der Teilnahme in Abhängigkeit von der Art der zum Einsatz kommenden Waffen; Wunsch, nur zur unmittelbaren Verteidigung der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt zu werden).
95Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1960 – 1 BvL 21/60 –, BVerfGE 12, 45 = juris, Rn. 34, 35 ff., 38 f.; BVerwG, Urteil vom 5. März 1986– 6 C 34.84 –, BVerwGE 74, 72 = juris, Rn. 14, und namentlich auch Beschluss vom 8. November 1993 – 6 B 48.93 –, NJW 1994, 603 = juris, Rn. 2; ferner z. B. Thüringer OVG, Urteil vom 17. Mai 2010 – 2 KO 63/10 –, juris, Rn. 30.
96Die vom Kläger geltend gemachten Gründe, nämlich die Ablehnung von kriegerischen Auseinandersetzungen, welche über die „Landesverteidigung im engeren Sinne“ als historische Kernaufgabe der Bundeswehr sowie über „echte Bündnisfälle“ hinausgehen, fallen in den Kreis dieser Gründe. Da sie sich auf einen bestimmten Sektor militärischen Handelns beziehen, betreffen sie (partiell) zugleich den „Kriegsdienst mit der Waffe“ im Sinne des Art. 4 Abs. 3 GG. Würde man in solchen Fällen dem Soldaten unter Berufung auf sein Grundrecht der allgemeinen Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG erlauben, vollständig aus dem aktiven Dienst der Bundeswehr auszuscheiden, stellte sich dies letztlich als Umgehung der auch begrenzend wirkenden Sonderstellung des Grundrechts der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 GG bezogen auf den militärischen Bereich und das Soldatenverhältnis dar.
97Im Übrigen entspricht es auch der Wehrpflichtige betreffenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, eine im Verhältnis zum Absatz 1 abschließende Sonderstellung des Absatzes 3 des Grundrechts aus Art. 4 GG hinsichtlich von Gewissensgründen anzunehmen, aus denen heraus sich die Berechtigung eines Wehrpflichtigen ergeben soll, das Leisten von Wehrdienst insgesamt abzulehnen.
98Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1965– 1 BvR 112/63 –, BVerfGE 19, 135 = juris, Rn. 9, und Beschluss vom 26. Mai 1970 – 1 BvR 83/69, 244/69, 345/69 –, NJW 1970, 1729 (1731) = juris, Rn. 65; BVerwG, z. B. Urteile vom 2. April 1970 – VIII C 114.68 –, Buchholz 448.0 § 25 WpflG Nr. 30, am Ende, und vom 11. November 1974 – VIII C 100.69 –, BVerwGE 39, 53 = NJW 1972, 653 = juris, Rn. 8.
99Da sich auch Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung berufen dürfen, spricht in Bezug auf jene nichts dafür, das Verhältnis von Art. 4 Abs. 3 GG zu Art. 4 Abs. 1 GG anders als für Wehrpflichtige zu beurteilen, soweit es darum geht, ob sie aus Gewissensgründen die Bundeswehr vorzeitig verlassen dürfen.
100Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1996 – 2 WD 21.96 –, BVerwGE 103, 361 = juris, Rn. 30, am Ende (einen Stabsoffizier betreffend), und VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 – 5 K 2265/12 –, juris, Rn. 85 ff., 88 ff.
101In diesem Zusammenhang könnte der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass im Jahre 2007 eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer für Soldaten im Sanitätsdienst der Bundeswehr nach der seinerzeitigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von vorneherein nicht in Betracht gekommen sei. Es trifft allerdings zu, dass das Bundesverwaltungsgericht seinerzeit in diesem Sinne entschieden hat. Diese Rechtsprechung wurde erst im Jahre 2012 aufgegeben.
102Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2012 – 6 C 11.11 –, BVerwGE 142, 48 = juris.
103Die vormalige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts datiert aus den 1980er und 1990er Jahren. Gerade im Hinblick auf die von dem Kläger in den Mittelpunkt seiner Argumentation gestellte Neuausrichtung der Bundeswehr konnte auch schon vor dem vorzitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2012 nicht davon ausgegangen werden, dass eine Neubewertung des Kriegsdienstverweigerungsrechts für Sanitätssoldaten der Bundeswehr offensichtlich ausgeschlossen war.
104Vgl. hierzu und zu der insoweit durch Verzicht auf die Revisionsinstanz anzunehmenden mangelnden Ausschöpfung des Rechtswegs BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 2011 – 2 BvR 862/10 –, BVerfGK 19, 106 = juris, Rn. 17.
105cc) Die auf den behaupteten Mängeln des Dienstbetriebs fußende Unzufriedenheit des Klägers mit den im Sanitätsdienst der Bundeswehr seinerzeit angeblich vorherrschenden und nicht seinen Erwartungen entsprechenden innerdienstlichen Arbeits- und Rahmenbedingungen führt als solche nicht auf einen Härtefall im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG, weil diese Umstände alle Soldaten des Sanitätsdienstes regelmäßig gleich betroffen haben.
106Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 – VI C 135.74 –, BVerwGE 52, 84 = juris, Rn. 46.
107Hiergegen hat sich der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht mehr gewandt.
108c) Bei dem Kläger liegt allerdings eine „besondere Härte“ im Sinne des § 46 Abs. 4 Satz 3 SG unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt des möglichen Eintritts einer zu vermeidenden Existenzgefährdung vor. Dieser Gesichtspunkt wurde in den Regelungen des angegriffenen Leistungsbescheides der Beklagten nicht (ausreichend) berücksichtigt.
109Die Erstattung von Ausbildungskosten wie hier dem Ausbildungsgeld darf den früheren Soldaten in Anwendung der Härteklausel nicht in einer Weise belasten, dass er in die Gefahr einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Notlage gerät.
110Vgl. dazu allgemein etwa BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 – 2 BvL 51/71 –, BVerfGE 39, 128 = juris, Rn. 49; BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 – VI C 135.74 –, BVerwGE 52, 84 = juris, Rn. 54; OVG NRW, 26. Juni 1975– 1 A 927/74 –, DÖV 1975, 792 = juris (LS 2); VG Gießen, Urteil vom 26. Oktober 2005 – 8 E 2875/04 –, Rpfleger 2006, 90 = juris, Rn. 20; Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Aufl. 2010, § 56 Rn. 23.
111Dabei muss u.a. eine dauerhafte wirtschaftliche Knebelung, wie sie insbesondere bei einer sehr hohen Erstattungspflicht und einem (bei eingeräumter Ratenzahlung) entsprechend sehr langen Erstattungszeitraum eintreten kann, unterbleiben. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass sich dann, wenn die Beklagte – wie etwa auch in dem vorliegenden Leistungsbescheid – Ratenzahlungen gewährt, die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des Soldaten andauern darf, sondern zeitlich begrenzt sein muss.
112Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 18.05 –, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/A II 1 Nr. 11 = juris, Rn. 24; dem grundsätzlich folgend u.a. VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. September 2014 – 1 K 623/13 –, juris, Rn. 38, und vom 17. Dezember 2014 – 1 K 6101/12 –, juris, Rn. 47; VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Dezember 2013 – 10 K 5420/13 –, juris, Rn. 32; a.A. VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 – 5 K 785/11.GI –, juris, Rn. 38, VG Schleswig, Urteil vom 6. März 2014 – 12 A 153/13 –, juris, Rn. 41, und wohl auch Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Aufl. 2010, § 56 Rn. 23.
113Die betreffende Formulierung in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist systematisch eingebettet in Ausführungen zu der Frage, ob der in Anwendung der Härteklausel zu erstattende Betrag „von einem bestimmten ehemaligen Zeitsoldaten“ verlangt werden dürfe, was von seiner individuellen Vermögenslage abhänge. Das verdeutlicht, dass es an dieser Stelle um generelle Erwägungen zur Frage der (individuellen) wirtschaftlichen Zumutbarkeit geht und damit nicht um einen etwaigen weiteren „Bonus“ im Rahmen der Anwendung der Härteklausel speziell auf die Gruppe der anerkannten Kriegsdienstverweigerer. Insofern hat es in diesem Punkt auch keine Bedeutung, dass die Entscheidung einen Fall betroffen hat, in dem es um die Erstattung der Ausbildungskosten eines Kriegsdienstverweigerers ging. Allein ein solches Verständnis der betreffenden Urteilspassage ergibt im Übrigen auch Sinn, weil es der Sache nach – wie schon ausgeführt – um eine Konkretisierung des im Rahmen der Härteklausel für alle betroffenen früheren Soldaten geltenden Gesichtspunktes gegangen ist, dass diese durch die Erstattung und die Modalitäten ihrer Abwicklung nicht in existentielle wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sollen.
114Soweit es Gegenstimmen zu einer gebotenen zeitlichen Begrenzung des Erstattungszeitraums gibt (VG Gießen, VG Schleswig, jeweils a.a.O.), setzen diese dabei an, dass grundsätzlich die Pflicht bestehe, den Erstattungsbetrag in einer Summe zu zahlen. Würden den Soldaten Ratenzahlungen eingeräumt, bleibe es ihnen unbenommen, die hierdurch bewirkte Zahlungsdauer im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten durch höhere Ratenzahlungen zu verkürzen. Diese Argumentation überzeugt schon deswegen nicht, weil sie die angesprochene Verkürzungsmöglichkeit offenbar als regelmäßig gegeben unterstellt. Diese hängt aber entscheidend von den wirtschaftlichen Verhältnissen im jeweiligen Einzelfall ab. Ferner wird wohl nicht hinreichend bedacht, dass die Pflicht zur Zahlung in einer Summe angesichts der Höhe der zumeist in Rede stehenden Beträge gerade wegen der bestehenden Härteklausel in der Praxis kaum zum Tragen kommen dürfte. Die ggf. bestehende Härte in Anwendung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG auszugleichen, bleibt dabei Aufgabe der Beklagten, kann also nicht, jedenfalls nicht vollständig, einem Handeln der betroffenen ehemaligen Soldaten (auch im Rahmen von deren finanziellen Möglichkeiten) überlassen bleiben.
115Die danach erforderliche zeitliche Begrenzung des Erstattungszeitraums (Zeitraums der Ratenzahlungspflicht) in Richtung auf nur einen Teilzeitraum des gesamten Berufslebens muss auch bereits in dem Leistungsbescheid (Ausgangsbescheid) selbst erfolgen; dort sind die hierzu notwendigen Regelungen zu treffen. Das ist keine Besonderheit, sondern entspricht auch im Übrigen der Anwendung der Härteklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG. Diese unterscheidet sich insoweit im Kern nicht von der Billigkeitsentscheidung bei der Rückforderung zuviel gezahlter Bezügen (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG). Dazu ist anerkannt, dass die Billigkeitsentscheidung nicht lediglich die Vollziehung oder Vollstreckung des Rückforderungsbescheides, sondern den materiellen Bestand des (insofern modifizierten) Rückforderungsanspruchs betrifft. Ein Rückforderungsbescheid darf deshalb nicht ergehen, ohne dass bzw. bevor eine Billigkeitsentscheidung getroffen wurde.
116Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26. April 2012– 2 C 4.11 –, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/C V 5 Nr. 84 = juris, Rn. 23, m.w.N.; sinngemäß entsprechend zur Härteklausel des Soldatengesetzes wohl auch BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 – VI C 135.74 –, BVerwGE 52, 84 = ZBR 1977, 287 = juris, Rn. 56, unter Abgrenzung der Anwendung der Härteklausel von lediglich haushaltsrechtlichen Zahlungserleichterungen.
117Ob das gleiche Ergebnis in Fällen der vorliegenden Art auch unmittelbar aus dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hergeleitet werden kann,
118vgl. etwa VG Gelsenkirchen, Urteil vom 8. September 2014 – 1 K 623/13 –, juris, Rn. 38 am Ende,
119braucht hier nicht entschieden zu werden.
120Der Anforderung der zeitlichen Begrenzung des Erstattungszeitraums kann die Beklagte regelmäßig in der Weise ermessensgerecht entsprechen, dass sie die Verpflichtung zur Zahlung von Tilgungsraten auf einen Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenalter (§ 35 SGB VI) begrenzt. Denn hierdurch ist auch unter Berücksichtigung etwa zusätzlich zu zahlender Stundungszinsen in aller Regel ausreichend gewährleistet, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Anwendung der Härteklausel die Zahlungspflicht nicht während des gesamten (weiteren) Berufslebens andauert, sondern deutlich vor dem 67. Lebensjahr endet.
121Vgl. in diesem Sinne auch VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. September 2014 – 1 K 623/13 –, juris, Rn. 40, und vom 17. Dezember 2014 – 1 K 6101/12 –, juris, Rn. 49.
122Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass der im Leistungsbescheid festgesetzte Erstattungsbetrag am Ende nicht vollständig getilgt werden muss. Das gilt selbst dann, wenn ausgehend von der im Bescheid bestimmten Höhe der Rate eine vollständige Tilgung bis zu dem betreffenden Zeitpunkt rechnerisch nicht möglich ist. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass der streitige Leistungsbescheid (wie auch in ähnlichen Fällen) unter Ziffer 4 eine (Neben-)Regelung enthält, derzufolge eine jährliche Überprüfung der Ratenhöhe anhand der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse des früheren Soldaten zu erfolgen hat. Das kann es ermöglichen, die Raten vorübergehend oder ggf. auch dauerhaft höher festzusetzen. In einem solchen Fall kann ggf. erreicht werden, dass der gesamte Erstattungsbetrag schon vor Ablauf des vorgenannten Zweidrittelzeitraums getilgt ist. Es ist mit anderen Worten Aufgabe der Beklagten, diese begleitende Kontrolle auch tatsächlich effektiv wahrzunehmen.
123Wegen dieser möglichen Veränderungen der Tilgungshöhe, welche ggf. auch in Richtung auf eine wirtschaftlich gebotene Verringerung der Ratenhöhe gehen können, ist es aus Sicht des Senats sogar erforderlich ist, die Zeitdauer der Zahlungspflicht in dem Leistungsbescheid nicht nur dann begrenzend zu regeln, wenn ausgehend von der Höhe der dort festgesetzten Raten eine Tilgung innerhalb des Zweidrittelzeitraums nicht gelingen kann. Vielmehr ist solches auch dann geboten, wenn ausgehend von jenen u.U. recht hohen Raten eine rechtzeitige Tilgung gelingen könnte.
124Anders im Ergebnis VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 K 6101/12 –, juris, Rn. 53.
125Denn ob es dann auch wirklich gelingen wird, ist angesichts der künftigen Veränderbarkeit der Höhe der Rate im Zeitpunkt des Ergehens des Leistungsbescheides keineswegs sicher. Gerade mit Blick darauf bedarf es aber schon in diesem Bescheid einer begrenzenden Regelung genereller Natur, die etwa an das Erreichen eines bestimmten Lebens- oder Kalenderjahres (bzw. Datums) anknüpft. Die Gegenauffassung des VG Gelsenkirchen, wonach es in jenen Fällen ausreichen soll, dass mit Blick auf eine mögliche Absenkung der Rate erst in dem diesbezüglichen Änderungsbescheid die zeitliche Begrenzung erforderlichenfalls geregelt wird,
126vgl. Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 K 6101/12 –, juris, Rn. 53,
127erscheint inkonsequent zu der auch dort eingenommenen Grundposition, dass über das Vorliegen einer besonderen Härte bereits im Ausgangsbescheid entschieden werden muss.
128Ist die für die Erstattung in zeitlicher Hinsicht bestehende Grenze erreicht, ohne dass der Gesamtbetrag getilgt werden konnte, dürfte die Beklagte im Übrigen verpflichtet sein, die Restsumme zu erlassen. Denn die Stundung unberührt zu lassen und weiterhin Stundungszinsen zu fordern, würde (in Abhängigkeit von der Zinshöhe einerseits und der Höhe des noch nicht getilgten Betrages andererseits) die wirtschaftliche Belastung jedenfalls zum Teil fortbestehen lassen und damit zu einer Belastung bis zum Ende der Berufstätigkeit oder sogar noch darüber hinaus führen.
129Der vom Kläger angefochtene Leistungsbescheid entspricht mit seinen vier Teilregelungen den vorstehenden Grundsätzen nicht. Das ist bereits deswegen der Fall, weil er im Zusammenhang mit der eingeräumten Ratenzahlung keine zeitliche Begrenzung des Zahlungszeitraums enthält. Darüber hinaus würde sich im Fall des Klägers bei einer unverändert bleibenden Höhe der bestimmten Monatsraten von 220 Euro ohne Berücksichtigung der Stundungszinsen ein Tilgungszeitraum von über 45 Jahren ergeben. Der Kläger wäre bei Zahlungsende dann 77 Jahre alt.
130Hinzu kämen als Belastungsfaktor noch die Stundungszinsen. Ob diese wie geschehen in Höhe von 4 Prozent erhoben werden durften, muss hier nicht entschieden werden, da der angefochtene Bescheid wegen der fehlenden Regelung einer Begrenzung des Erstattungszeitraums in Anbetracht der inhaltlichen Verknüpfung seiner einzelnen Teilregelungen nicht nur in Bezug auf einzelne Ziffern (Teilregelungen), sondern insgesamt aufzuheben ist. Allerdings weist der Senat in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Zinshöhe schon an dieser Stelle darauf hin, dass es u.a. auch im Hinblick auf den Sanktionscharakter der Erstattungspflicht,
131vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2014 – 2 B 96.13 –, juris, Rn. 7, zur Erstattungspflicht eines Berufssoldaten,
132jedenfalls nicht auf der Hand liegt, dass sich das Ermessen der Beklagten in jenem Zusammenhang zwingend an ihren eigenen Refinanzierungsmöglichkeiten orientieren muss. Selbst bei Zugrundelegung dieser Variante ist darüber hinaus mit Blick auf die fehlende Sicherung der Forderung problematisch, ob als Maßstab für die „Marktlage“ (ausschließlich) durch Hypotheken abgesicherte Darlehen zugrunde gelegt werden können.
133Vgl. in diesem Zusammenhang etwa VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. September 2014– 1 K 623/13 –, juris, Rn. 43 ff., und vom17. Dezember 2014 – 1 K 6101/12 –, juris, Rn. 62 f.; VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 – 5 K 2265/12 –, juris, Rn. 97, aber auch– im Ergebnis keine rechtlichen Bedenken gegen einen Zinssatz von 4 % äußernd – VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Dezember 2013 – 10 K 5420/13 –, juris, Rn. 2, 44 f., sowie Bayerischer VGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – 6 BV 12/19 –,juris, Rn. 4, 42.
134Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
135Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
136Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
(1) Mit der Beendigung seines Dienstverhältnisses durch Zeitablauf nach § 54 Abs. 1, durch Entlassung nach § 55 oder durch Verlust seiner Rechtsstellung als Soldat auf Zeit nach § 54 Abs. 2 Nr. 2 endet die Zugehörigkeit des Soldaten auf Zeit zur Bundeswehr.
(2) Mit der Entlassung entsprechend dem § 46 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 und 8 und nach § 55 Abs. 5 sowie mit dem Verlust seiner Rechtsstellung als Soldat auf Zeit verliert der Soldat seinen Dienstgrad.
(3) Nach dem Verlust seiner Rechtsstellung als Soldat auf Zeit und, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach der Entlassung hat der frühere Soldat auf Zeit keinen Anspruch auf Dienstbezüge und Versorgung mit Ausnahme der Beschädigtenversorgung.
(4) Ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war, muss die Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten, wenn er
- 1.
auf seinen Antrag entlassen worden ist oder als auf eigenen Antrag entlassen gilt, - 2.
seine Entlassung nach § 55 Absatz 4 vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, - 3.
nach § 55 Absatz 5 entlassen worden ist, - 4.
seine Rechtsstellung verloren hat oder - 5.
durch Urteil in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren aus dem Dienstverhältnis entfernt worden ist.
(1) Ein Berufssoldat ist entlassen, wenn er die Eigenschaft als Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes verliert. Das Bundesministerium der Verteidigung entscheidet darüber, ob diese Voraussetzung vorliegt, und stellt den Tag der Beendigung des Dienstverhältnisses fest.
(2) Ein Berufssoldat ist zu entlassen,
- 1.
wenn er aus einem der in § 38 genannten Gründe nicht hätte ernannt werden dürfen und das Hindernis noch fortbesteht, - 2.
wenn er seine Ernennung durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt hat, - 3.
wenn sich herausstellt, dass er vor seiner Ernennung eine Straftat begangen hat, die ihn der Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten unwürdig erscheinen lässt, und er deswegen zu einer Strafe verurteilt war oder wird, - 4.
wenn er sich weigert, den Eid abzulegen, - 5.
wenn er zur Zeit der Ernennung Mitglied des Europäischen Parlaments, des Bundestages oder eines Landtages war und nicht innerhalb der vom Bundesministerium der Verteidigung gesetzten angemessenen Frist sein Mandat niederlegt, - 6.
wenn in den Fällen des § 44 Abs. 1 bis 3 die Voraussetzungen des § 44 Abs. 5 nicht erfüllt sind, - 7.
wenn er als Kriegsdienstverweigerer anerkannt ist; diese Entlassung gilt als Entlassung auf eigenen Antrag, oder - 8.
wenn er ohne Genehmigung des Bundesministeriums der Verteidigung seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nimmt.
(3) Der Berufssoldat kann jederzeit seine Entlassung verlangen; soweit seine militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war, gilt dies jedoch erst nach einer sich daran anschließenden Dienstzeit, die der dreifachen Dauer des Studiums oder der Fachausbildung entspricht, längstens nach zehn Jahren. In einer Rechtsverordnung kann für bestimmte Verwendungen wegen der Höhe der mit dem Studium oder der Fachausbildung verbundenen Kosten oder auf Grund sonstiger studien- oder ausbildungsbedingter Besonderheiten eine längere als die dreifache Dauer bestimmt werden; die in Satz 1 genannte Höchstdauer darf nicht überschritten werden.
(3a) Ein Berufssoldat ist entlassen, wenn er zum Beamten ernannt wird. Die Entlassung gilt als solche auf eigenen Antrag. Satz 1 gilt nicht, wenn der Berufssoldat
- 1.
in ein Beamtenverhältnis als Ehrenbeamter oder - 2.
als Professor, Juniorprofessor, wissenschaftlicher oder künstlerischer Mitarbeiter an einer nach Landesrecht staatlich anerkannten oder genehmigten Hochschule, deren Personal im Dienste des Bundes steht, in ein Beamtenverhältnis auf Zeit
(4) Hat der Berufssoldat Elternzeit nach § 28 Abs. 7 im Anschluss an ein Studium oder eine Fachausbildung in Anspruch genommen, verlängert sich die Dienstzeit nach Absatz 3 um diese Zeit entsprechend, soweit das Studium oder die Fachausbildung mehr als sechs Monate gedauert hat; die Höchstdauer von zehn Jahren bleibt unberührt. Gleiches gilt für einen Berufssoldaten, der eine Teilzeitbeschäftigung nach § 30a in Anspruch genommen hat; die Dienstzeit nach Absatz 3 verlängert sich um die Differenz der Teilzeitbeschäftigung zur Vollzeitbeschäftigung.
(5) Der Berufsoffizier kann auch dann, wenn er weder ein Studium noch eine Fachausbildung erhalten hat, seine Entlassung erst nach Ende des sechsten Dienstjahres als Offizier verlangen.
(6) Vor Ablauf der in den Absätzen 3, 4 und 5 genannten Dienstzeiten ist der Berufssoldat auf seinen Antrag zu entlassen, wenn das Verbleiben im Dienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, beruflicher oder wirtschaftlicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde.
(7) Das Verlangen auf Entlassung muss dem Disziplinarvorgesetzten schriftlich erklärt werden. Die Erklärung kann, solange die Entlassungsverfügung dem Soldaten noch nicht zugegangen ist, innerhalb zweier Wochen nach Zugang bei dem Disziplinarvorgesetzten zurückgenommen werden, mit Zustimmung der für die Entlassung zuständigen Stelle auch nach Ablauf dieser Frist. Die Entlassung ist für den beantragten Zeitpunkt auszusprechen; sie kann jedoch so lange hinausgeschoben werden, bis der Berufssoldat seine dienstlichen Obliegenheiten ordnungsgemäß erledigt hat, längstens drei Monate.
(8) Ein Leutnant kann in Ausnahmefällen bis zum Ende des dritten Dienstjahres als Offizier, spätestens vor dem Ende des zehnten Jahres der Gesamtdienstzeit in der Bundeswehr, wegen mangelnder Eignung als Berufsoffizier entlassen werden. Die in diesen Fällen zu gewährende Dienstzeitversorgung regelt das Soldatenversorgungsgesetz.
Tenor
Der Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 10. September 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2013 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000 Euro vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger stand als Soldat auf Zeit, zuletzt mit dem Dienstgrad eines Stabsarztes, im Dienst der Beklagten. Durch schriftliche Erklärung vom 12. November 2000 verpflichtete er sich, 17 Jahre Wehrdienst zu leisten. Die Erklärung enthält außerdem das Einverständnis, als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen zu werden, sowie folgende Passage:
3„Im Übrigen ist mir bekannt, dass ich nach § 56 Abs. 4 des Soldatengesetzes verpflichtet bin, das Ausbildungsgeld, das ich während meiner Beurlaubung zum Studium erhalten habe, zurückzuzahlen, wenn ich
4a)aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit auf eigenen Antrag entlassen werde …“.
5Am 4. Januar 2001 wurde der Kläger unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Flieger (Besoldungsgruppe A 1 BBesO) ernannt.
6Durch Bescheid vom 10. November 2001, zugestellt am 4. Januar 2001, setzte das Personalamt der Bundeswehr (Personalamt) die Dienstzeit zunächst auf 4 Jahre fest. Durch Bescheid vom 21. Oktober 2003 wurde die Dienstzeit auf 17 Jahre festgesetzt (Dienstende: 31. Dezember 2017).
7Der Kläger wurde wie folgt befördert:
8Am 1. April 2001 zum Gefreiten (A 2),
9am 1. Juli 2001 zum Obergefreiten (A 3),
10am 2. Januar 2002 zum Fahnenjunker (A 5),
11am 2. Oktober 2002 zum Fähnrich (A 7),
12am 3. Juli 2003 zum Oberfähnrich (A 8 Z),
13am 1. Januar 2004 zum Leutnant (A 9),
14am 3. Dezember 2007 zum Stabsarzt (A 13).
15Durch Bescheid vom 31. Juli 2001 beurlaubte das Personalamt den Kläger für die Zeit vom 2. Oktober 2001 bis zum Ende des Studiums unter Fortfall der Geld- und Sachbezüge gemäß § 11 Soldatenurlaubsverordnung (SUV) zum Zweck des Medizinstudiums. In dem Bescheid heißt es u. a.: „Während der Beurlaubungszeit haben Sie Anspruch auf die Zahlung von Ausbildungsgeld …. . Bezüglich der eventuellen Erstattung des gewährten Ausbildungsgeldes verweise ich auf die anläßlich Ihrer Einstellung bzw. Übernahme durchgeführte Belehrung.“
16Unter dem 26. November 2007 erteilte die Bezirksregierung E. dem Kläger die Approbation als Arzt. Am 3. Dezember 2007 begann der Kläger seine Facharztausbildung als Anästhesist am Bundeswehrkrankenhaus L. .
17Am 15. September 2008 ernannte der Rektor der S. -Universität C1. den Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zum Akademischen Rat. Mit Wirkung vom 14. Dezember 2008 schied der Kläger aus dem Zeitbeamtenverhältnis aus; seitdem ist er als angestellter Assistenzarzt bei der C. Klinik beschäftigt. Die Facharztausbildung als Anästhesist schloss er im März 2013 ab. Durch Schreiben vom 23. Juni 2009 wies das Personalamt den Kläger darauf hin, dass er gemäß § 56 Abs. 4 SG zur Erstattung des gezahlten Ausbildungsgeldes und der entstandenen Fachausbildungskosten heranzuziehen sei, da er durch die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit gemäß § 125 BRRG mit Ablauf des 14. September 2008 aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen worden sei; die Entlassung gelte als eine solche auf eigenen Antrag. Im Schreiben vom 5. Juli 2010 bezifferte das Personalamt das Ausbildungsgeld mit 135.415,13 Euro und die Fachausbildungskosten mit 7.520,24 Euro. Der Kläger legte daraufhin die formularmäßige Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse vom 4. August 2010 vor. Die Ehefrau des Klägers war seit 2008 abgesehen von einer neunmonatigen geringfügigen Beschäftigung nicht erwerbstätig. Die beiden Kinder des Klägers wurden 2008 und 2010 geboren.
18Durch Bescheid vom 10. September 2010 forderte das Personalamt den Kläger zur Erstattung des Ausbildungsgeldes und der Fachausbildungskosten in Höhe von 142.935,37 Euro auf (Ziffer 1.), gewährte eine verzinsliche Stundung durch Einräumung von monatlichen Raten in Höhe von 220 Euro (Ziffer 2.) und setzte eine Verzinsung in Höhe von 4 vom Hundert ab 25. Oktober 2010 fest (Ziffer 3.). Gemäß Ziffer 4. des Bescheides wird die verzinsliche Stundung im Hinblick auf eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers jährlich überprüft. Zur Prüfung eines Härtefalles machte die Beklagte geltend, dass der Kläger erst nach Abschluss des Medizinstudiums ab dem 3. Dezember 2007 dem Dienstherrn zur Verfügung gestanden habe. Allerdings habe er sich seit dem 3. Dezember 2007 bis zu seinem Ausscheiden ausschließlich in der Facharztausbildung befunden. Deshalb habe er dem Dienstherrn zu keinem Zeitpunkt mit den erworbenen Kenntnissen uneingeschränkt zur Verfügung gestanden. Ein teilweiser Verzicht auf die Erstattung unter dem Aspekt einer geleisteten Abdienzeit komme somit nicht in Betracht. Auch aus anderen Gründen sei eine Reduzierung der Erstattung nicht geboten. Zwischen den durch die Ausbildung erlangten Vorteilen und dem Erstattungsbetrag bestehe kein Missverhältnis. Die Länge des Zeitraums, in dem voraussichtlich monatliche Raten zu zahlen seien, erfordere ebenfalls keine Reduzierung der Erstattung. Der besonderen Härte der grundsätzlich gebotenen sofortigen Erstattung in Höhe von 142.935,37 Euro werde durch die Stundung Rechnung getragen.
19Mit Schreiben vom 7. Oktober 2010 legte der Kläger Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Erstattungspflicht bestehe nicht, weil die Verpflichtungserklärung nicht wirksam sei. Eine Verpflichtungszeit von 17 Jahren sei verfassungswidrig; dies folge aus Art. 3 Abs. 1 GG. Bei Berufssoldaten bestehe gemäß § 46 Abs. 3 SG lediglich eine Bindung von 10 Jahren. Die Bindung von 17 Jahren für Zeitsoldaten stelle im Vergleich dazu eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Abgesehen davon verstoße eine derart lange Verpflichtungszeit gegen Art. 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG. Die Wirksamkeit einer Verpflichtung auf 17 Jahre unterstellt, sei jedenfalls die Erstattungsregelung des § 56 Abs. 4 Satz 1 und 2 SG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig. Im Übrigen sei der Bescheid ermessensfehlerhaft. Der Vergleich mit der für Berufssoldaten geltenden Frist von 10 Jahren müsse bei einer Verpflichtungszeit von 17 Jahren zu einer anteiligen Reduktion der Erstattung bei Zeitsoldaten führen. Schließlich liege eine besondere Härte in Form der wirtschaftlichen Knebelung vor. Denn die Rückzahlungsdauer erstrecke sich auf den gesamten Berufsweg des Klägers. Bei der vorgesehenen Monatsrate von 220 Euro betrage die Rückzahlungsdauer 54 Jahre. Die Stundung sei daher nicht geeignet, die besondere Härte abzuwenden.
20Durch Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2013, zugestellt am 11. Januar 2013, wies das Personalamt den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, die Rechtsprechung gebiete in Fällen wie dem vorliegenden weder eine Reduzierung des Erstattungsbetrages noch eine zeitliche Begrenzung der Ratenzahlungsverpflichtung. Der Kläger könne jederzeit den Erstattungsbetrag in Gänze zahlen oder zumindest höhere monatliche Raten zahlen. Dass ihm dies in Zukunft möglich sein werde, sei insbesondere mit Blick auf die hochwertige Ausbildung nicht unwahrscheinlich. Sonstige Gründe, an der Recht- und Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheides zu zweifeln, bestünden nicht.
21Der Kläger hat am 7. Februar 2013 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, die Zeit der Facharztausbildung vom 3. Dezember 2007 bis zum 14. September 2008 habe als Stehzeit bewertet werden und zur Reduktion der Erstattung führen müssen. Während dieser Zeit habe er seinem Dienstherrn vollumfänglich im Rahmen der zugewiesenen Aufgaben zur Verfügung gestanden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Fachrichtung, in der die Weiterbildung erfolgen solle, vorgebe. Schließlich könne die Facharztausbildung nicht abgeschlossen werden, weil die Beklagte sie nur im Umfang von drei Jahren zulasse, während die vorgeschriebene Ausbildungsdauer in allen Fachrichtungen mindestens fünf Jahre betrage. Die von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG geforderte Ermessensentscheidung habe die Beklagte auch im Widerspruchsbescheid nicht nachgeholt. Die persönlichen Kosten, die im Rahmen der Facharztausbildung entstanden seien, seien nicht erstattungspflichtig, weil sie auch ohne Fachausbildung entstanden wären. Alle Bundeswehrkrankenhäuser seien vom Wohnsitz des Klägers weiter entfernt als L. , so dass Reise-, Umzugs- und Trennungskosten ohnehin in demselben oder höheren Umfang angefallen wären.
22Der Kläger beantragt,
23den Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 10. September 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2013 aufzuheben.
24Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen ergänzend aus, die der Erstattung zu Grunde liegenden Vorschriften seien nicht verfassungswidrig. Die Dienstverhältnisse eines Zeitsoldaten und eines Berufssoldaten seien nicht vergleichbar. Die Facharztausbildung sei zutreffend nicht als Stehzeit berücksichtigt worden. In dieser Zeit sei der Kläger nicht zum normalen militärischen Dienst herangezogen worden. Wäre die Beklagte ihrem eigenen Interesse gefolgt, hätte sie ihn auch im Einsatz verwenden können. Zudem habe er einem Arzt unterstellt werden müssen, der eine Ausbildungserlaubnis der Landesärztekammer habe. Schließlich gebe die Ärztekammer auch vor, welche Ausbildungsinhalte in dem angestrebten Fachbereich vermittelt werden müssten. Die in Ansatz gebrachten persönlichen Kosten seien im Rahmen der Facharztausbildung angefallen; ob sie auch bei einem anderen Dienstverlauf entstanden wären, sei nicht relevant.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Personalakte des Klägers und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Klage ist begründet.
30Der Bescheid vom 10. September 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist unter dem Gesichtspunkt der besonderen Härte rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31Der Kläger ist nach § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SG grundsätzlich verpflichtet, das Ausbildungsgeld und die Kosten der Fachausbildung zu erstatten, weil er durch die Ernennung zum Zeitbeamten als auf eigenen Antrag aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit entlassen gilt (§ 125 BRRG a. F., nunmehr § 55 Abs. 1 SG in Verbindung mit § 46 Abs. 3a SG). Die Höhe des Erstattungsbetrages von 142.935,37 Euro ist vom Kläger rechnerisch nicht beanstandet worden.
32Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit – insbesondere im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG – der Regelungen über die Verpflichtungszeit, die Entlassung und die Kostenerstattung: BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 – 2 BvL 51/71 – BVerfGE 39, 128 und juris; BVerwG, Urteil vom 21. April 1982 – 6 C 3.81 - juris; Beschluss vom 22. Juli 1999 – 1 WB 12.99 – juris; OVG NRW, Urteile vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 – juris, und vom 30. September 1999 – 12 A 1828/98 – juris; VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 – 5 K 785/11.GI – juris; Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Auflage,§ 56 SG, Rn. 17.
33Nach der für Zeitsoldaten geltenden Regelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG (vgl. für Berufssoldaten § 49 Abs. 4 Satz 3 SG) kann auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Diese Koppelungsvorschrift setzt als Tatbestandsmerkmal das Vorliegen einer atypischen besonderen Härte voraus. Wenn eine solche Härte gegeben ist, muss sich eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn anschließen.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 – VI C 135.74 - BVerwGE 52, 84, 93.
35Für den Kläger bedeutet die durch den angefochtenen Bescheid ihm auferlegte Erstattungspflicht eine besondere Härte. In der vorliegenden Konstellation bedarf es keiner Klärung, in welchem Verhältnis die Gründe, die eine besondere Härte bei der Entlassung eines Zeitsoldaten gemäß § 55 Abs. 3 SG ausmachen können, zu der besonderen Härte bei der Erstattungspflicht des § 56 Abs. 4 SG stehen.
36Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. August 1996– 12 A 2476/94 - und vom 30. September 1999- 12 A 1828/98 - juris; Walz/Eichen/Sohm, § 56 SG,Rn. 22.
37Für den Fall der Entlassung wegen einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ist es anerkannt, dass dieser Entlassungsgrund, der wegen Art. 4 Abs. 3 GG eine besondere Härte im Sinn von § 55 Abs. 3 SG darstellt, zugleich eine besondere Härte im Sinn des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG begründet. In dieser Konstellation ist § 56 Abs. 4 Satz 3 SG verfassungskonform (Art. 4 Abs. 3 GG) dahin auszulegen, dass die Erstattungspflicht eine besondere Härte darstellt, die zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten zwingt.
38BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 18.05 – juris, Scherer/Alf/Poretschkin, Soldatengesetz, 9. Auflage, § 49 SG, Rn. 10.
39Beim Kläger liegt eine besondere Härte im Sinne des § 55 Abs. 3 SG nicht vor. Er selbst hat eine derartige Härte, die seine Entlassung rechtfertigen könnte, nicht geltend gemacht und für eine solche Härte ist auch nichts ersichtlich. Der Übertritt in das Beamtenverhältnis auf Zeit und der kurz darauf folgende Wechsel in das Angestelltenverhältnis stellen sich vielmehr als eine aus allgemeinen beruflichen und wirtschaftlichen Gründen motivierte Entscheidung dar, die keine Atypik aufweist.
40Bei dem Kläger liegt in Bezug auf die Erstattungspflicht eine besondere Härte im Sinn des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vor. Unabhängig von eventuellen Härtegründen, die sich aus den Entlassungsumständen - etwa demjenigen der Kriegsdienstverweigerung - ergeben, kann eine besondere Härte durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Zeitsoldaten begründet sein. Die Erstattung darf die wirtschaftliche Existenz des früheren Soldaten nicht gefährden. Sie darf ihn auch nicht in eine wirtschaftliche Notlage bringen und keine dauerhafte wirtschaftliche Knebelung bedeuten. Derartigen Gefahren kann durch eine sachgerechte Anwendung der Härteklausel, die die soziale Lage und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des früheren Soldaten berücksichtigt, begegnet werden. In der Regel kann auch bei einer hohen Erstattungspflicht einer besonderen Härte dadurch abgeholfen werden, dass dem früheren Soldaten Stundung und Ratenzahlung bewilligt werden. Bei der Gewährung von Ratenzahlungen darf die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des ehemaligen Soldaten andauern, sondern sie muss zeitlich begrenzt sein; diese zeitliche Begrenzung muss bereits im ersten Leistungsbescheid selbst geregelt sein. Denn bereits der Ausgangsbescheid muss das Problem der besonderen Härte bewältigen. Dies gebieten sowohl der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), der einen Verweis auf spätere Möglichkeiten des Wiederaufgreifens (§ 51 VwVfG) nicht zulässt, als auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 31 Abs. 1 SG).
41Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 – 2 BvL 51/71 – juris, Rn. 49; BVerwG, Urteile vom 30. März 2006– 2 C 18 und 19.05 – juris, Rn. 24; OVG NRW, Urteil vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 – juris; Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, § 56 SG, Rn. 23.
42Diesen Grundsätzen zur Vermeidung einer besonderen Härte aus wirtschaftlichen Gründen kann die Beklagte in der Regel dadurch entsprechen, dass sie die Verpflichtung zur Zahlung der Tilgungsraten auf einen Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenalter (§ 35 SGB VI) begrenzt. Auch unter Berücksichtigung der nach diesem Zeitraum noch zu zahlenden Stundungszinsen ist dann gewährleistet, dass die Zahlungspflicht – entsprechend der Anforderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – nicht während des gesamten weiteren Berufslebens andauert, sondern deutlich vor der Vollendung des 67. Lebensjahres endet. Diese zeitliche Grenze trägt dem Umstand Rechnung, dass das Einkommen in der letzten Phase des Berufslebens – möglicherweise anders als in den früheren Phasen – nicht mehr stetig steigt, sondern wegen etwa gesundheitlich bedingter Einschränkungen der Leistungsfähigkeit oder wegen der Inanspruchnahme von Altersteilzeitmodellen sogar sinkt. Außerdem kann sich der verfügbare Teil des Einkommens dadurch verringern, dass der ehemalige Soldat Vorsorge für die eigene Alterssicherung trifft.
43Eine in dieser Weise festgelegte zeitliche Grenze der Tilgungsraten gewährleistet einerseits die Vermeidung einer besonderen Härte auf der Klägerseite und ist andererseits im Interesse der Beklagten flexibel genug, um bei deutlich steigendem Einkommen des ehemaligen Zeitsoldaten eine vollständige Erstattung der gesamten Ausbildungskosten zuzüglich Stundungszinsen herbeizuführen. Wenn die Beklagte die von ihr gewünschte jährliche Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Zeitsoldaten vornimmt und dieser seiner Pflicht zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben – jedenfalls nach Bestandskraft eines entsprechenden Bescheides – nachkommt, kann die Beklagte die monatlichen Tilgungsraten unter Berücksichtigung der verbesserten wirtschaftlichen Lage des ehemaligen Zeitsoldaten gegebenenfalls derart höher festsetzen, dass der gesamte Erstattungsbetrag vor Ablauf des vorgenannten Zweidrittelzeitraumes geleistet ist.
44Der angegriffene Bescheid entspricht mit seinen vier Teilregelungen nicht den vorstehenden Grundsätzen zur Vermeidung einer besonderen wirtschaftlichen Härte des Klägers. Bei einer unveränderten Höhe der festgesetzten Monatsraten von 220 Euro würde sich die Zahlungspflicht betreffend allein die Tilgungsraten auf knapp 54 Jahre erstrecken. Der Kläger wäre dann – bei Zahlungsbeginn im Alter von knapp 29 Jahren - 83 Jahre alt.
45Hinzu kämen die Stundungszinsen. Die Höhe der auf 4 v. H. festgelegten Stundungszinsen führt dazu, dass in der ersten – viele Jahre dauernden - Phase der Tilgung der gesamte geschuldete Betrag aus Restschuld und Stundungszinsen trotz Erbringen der Tilgungsraten noch steigt. Einer jährlichen Tilgung von 2.640 Euro (12 x 220 Euro) stehen in den ersten Jahren Stundungszinsen in der Größenordnung von etwa 5.500 Euro jährlich gegenüber (4 % von 142.935,37 Euro abzüglich jeweils 2.640 Euro jährliche Tilgung in den Folgejahren). Hinzu kommt, dass der – in anderen wirtschaftlichen Zeiten und Zusammenhängen durchaus rechtmäßige - Zinssatz von 4 %,
46vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. August 1996– 12 A 2476/94 – juris, Rn. 18,
47der derzeitigen Marktlage nicht entspricht.
48Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 206 vom 5. September 2014, Seite 28: z. B. durch Hypotheken abgesicherte Darlehn für unter 2 % Zinsen.
49Der aus wirtschaftlichen Gründen folgenden besonderen Härte kann allein durch eine Aufhebung der Verzinsungsregelung in Ziffer 3. des Bescheides nicht abgeholfen werden. Die Dauer der Tilgungsratenzahlung stünde immer noch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Vorbehalt der jährlichen Überprüfung in Ziffer 4. des Bescheides kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht herstellen. Bereits der ursprüngliche Leistungsbescheid muss das Problem der besonderen wirtschaftlichen Härte im Wesentlichen bewältigen. Deshalb bleibt nur die Aufhebung des gesamten Bescheides.
50Da der Bescheid vom 10. September 2010 sich bereits unter dem Aspekt der aus wirtschaftlichen Gründen gegebenen besonderen Härte als rechtswidrig erweist, bedarf es keiner Entscheidung im vorliegenden Verfahren, ob nicht nur das während des Medizinstudiums gezahlte Ausbildungsgeld, sondern auch die Kosten der Facharztausbildung in Höhe von 7.520,24 Euro erstattungspflichtig sind; entsprechendes gilt für die Frage, ob die Zeit der Facharztausbildung als „Abdienzeit“ im Rahmen der Härtefallprüfung berücksichtigungsfähig ist.
51Vgl. zu dieser Frage: BVerwG, Beschluss vom28. September 1983 – 6 B 13.83 – juris; Urteil vom21. April 1982 – 6 C 3.81 – juris, Rn. 26; OVG NRW, Urteil vom 30. September 1999 – 12 A 1828/98 – juris, Rn. 27 und 48; VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 – 5 K 785/11. GI – juris Rn. 28 ff.; a. A. VG Ansbach, Urteil vom 22. November 2011 – AN 15 K 11.00904 – juris, Rn. 42.
52Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.
Tenor
Ziffer 3. des Bescheides des Personalamtes der Bundeswehr vom 17. November 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 21. November 2012 werden aufgehoben, soweit Stundungszinsen von mehr als 1,5 vom Hundert festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 20. Februar 1979 geborene Kläger stand als Soldat auf Zeit, zuletzt mit dem Dienstgrad eines Stabsarztes, im Dienst der Beklagten. Am 1. Oktober 1998 trat er als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr ein. Durch schriftliche Erklärung vom 4. Juni 1999 verpflichtete er sich, 18 Jahre Wehrdienst zu leisten. Die Erklärung enthält außerdem das Einverständnis, als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen zu werden, sowie folgende Passage:
3„Im Übrigen ist mir bekannt, dass ich nach § 56 Abs. 4 des Soldatengesetzes verpflichtet bin, das Ausbildungsgeld, das ich während meiner Beurlaubung zum Studium erhalten habe, zurückzuzahlen, wenn ich
4a) aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit auf eigenen Antrag entlassen werde …“.
5Durch Urkunde vom 10. Juni 1999 wurde der Kläger in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Durch Bescheid vom 10. Juni 1999 setzte das Personalamt der Bundeswehr (Personalamt) die Dienstzeit zunächst auf 5 Jahre fest. Durch Bescheid vom 17. April 2002 wurde die Dienstzeit auf 18 Jahre festgesetzt (Dienstende: 30. September 2016).
6Der Kläger wurde wie folgt befördert:
7Am 1. Januar 1999 zum Gefreiten,
8am 1. April 1999 zum Obergefreiten (A 3),
9am 1. Oktober 1999 zum Seekadett (A 5),
10am 1. Juli 2000 zum Fähnrich zur See (A 7),
11am 1. April 2002 zum Oberfähnrich zur See (A 8 Z),
12am 1. Mai 2004 zum Leutnant zur See (A 9),
13am 31. Mai 2006 zum Stabsarzt (A 13).
14Durch Bescheid vom 25. Februar 2000 beurlaubte das Personalamt den Kläger für die Zeit vom 4. April 2000 zum Studium der Medizin unter Fortfall der Geld- und Sachbezüge gemäß § 11 Soldatenurlaubsverordnung (SUV). In dem Bescheid heißt es u. a.: „Während der Beurlaubungszeit haben Sie Anspruch auf die Zahlung von Ausbildungsgeld …. . Bezüglich der eventuellen Erstattung des gewährten Ausbildungsgeldes verweise ich auf die anläßlich Ihrer Einstellung bzw. Übernahme durchgeführte Belehrung.“
15Unter dem 17. Mai 2006 erteilte das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz dem Kläger die Approbation als Arzt. Am 31. Mai 2006 begann der Kläger seine Facharztausbildung als Internist am Bundeswehrkrankenhaus V. . Am 1. Juni 2008 wurde er an das Sanitätszentrum W. versetzt.
16Am 15. Oktober 2008 ernannte der Rektor der Universität Duisburg-Essen den Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zum Akademischen Rat. Seit Februar 2012 war der Kläger beurlaubt, um als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der University of D. T. E. (USA) tätig zu sein.
17Durch Schreiben vom 11. Mai 2009 wies das Personalamt den Kläger darauf hin, dass er gemäß § 56 Abs. 4 SG zur Erstattung des gezahlten Ausbildungsgeldes und der entstandenen Fachausbildungskosten heranzuziehen sei, da er durch die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit gemäß § 125 BRRG mit Ablauf des 14. Oktober 2008 aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen worden sei; die Entlassung gelte als eine solche auf eigenen Antrag. Im Schreiben vom 13. August 2010 bezifferte das Personalamt das Ausbildungsgeld mit 128.085,21 Euro und die Fachausbildungskosten mit 17.685,78 Euro. Der Kläger legte daraufhin die formularmäßige Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse vom 15. September 2010 vor. Die Ehefrau des Klägers ist als ehemalige Stabsärztin einer Rückforderung von Ausbildungskosten in Höhe von 139.430,34 Euro ausgesetzt, die Gegenstand des Klageverfahrens 1 K 1786/13 ist.
18Durch Bescheid vom 17. November 2010 forderte das Personalamt den Kläger zur Erstattung des Ausbildungsgeldes und der Fachausbildungskosten in Höhe von 141.456,94 Euro auf (Ziffer 1.), gewährte eine verzinsliche Stundung durch Einräumung von monatlichen Raten in Höhe von 640 Euro (Ziffer 2.) und setzte eine Verzinsung in Höhe von 4 vom Hundert ab 3. Januar 2011 fest (Ziffer 3.). Gemäß Ziffer 4. des Bescheides wird die verzinsliche Stundung im Hinblick auf eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers jährlich überprüft. Zur Prüfung eines Härtefalles machte die Beklagte geltend, dass der Kläger eine Abdienzeit von lediglich 133 Tagen aufzuweisen habe; die Fachausbildungszeiten würden nicht als Abdienzeit gelten, weil er dem Dienstherrn während dieser Zeiten nicht zur freien Verfügung gestanden habe. Wegen der 133 Tage Abdienzeit werde die Rückforderung des Ausbildungsgeldes um 4.252,43 Euro auf 123.832,78 Euro reduziert. Der besonderen Härte der grundsätzlich gebotenen sofortigen Erstattung in Höhe von 141.456,94 Euro werde durch den teilweisen Verzicht und die Stundung mit Ratenzahlungsregelung Rechnung getragen.
19Mit Schreiben vom 10. Dezember 2010 legte der Kläger Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Erstattungspflicht bestehe nicht, weil die Verpflichtungserklärung nicht wirksam sei. Eine Verpflichtungszeit von 18 Jahren sei verfassungswidrig; dies folge aus Art. 3 Abs. 1 GG. Bei Berufssoldaten bestehe gemäß § 46 Abs. 3 SG lediglich eine Bindung von 10 Jahren. Die Bindung von 18 Jahren für Zeitsoldaten stelle im Vergleich dazu eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Abgesehen davon verstoße eine derart lange Verpflichtungszeit gegen Art. 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG. Die Wirksamkeit einer Verpflichtung auf 18 Jahre unterstellt, sei jedenfalls die Erstattungsregelung des § 56 Abs. 4 Satz 1 und 2 SG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig.
20Es liege kein Fall der Entlassung im Sinne von § 56 Abs. 4 SG a. F. vor, weil der Kläger einen Entlassungsantrag nicht gestellt habe. Vielmehr gelte er kraft Gesetzes (§ 125 Abs. 1 Satz 2 BRRG a. F.) als entlassen. Gemäß § 97 SG sei diese alte, bis 18. Dezember 2000 geltende Fassung des § 56 Abs. 4 SG auf den Kläger anzuwenden.
21Abgesehen davon sei die Härteklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG ermessensfehlerhaft angewendet worden. Dem Kläger sei im Ergebnis so viel zu belassen, dass eine Alimentierung in verfassungskonformer Höhe bestehen bleibe; er dürfe nicht so gestellt werden, als sei er besoldungstechnisch nie Soldat gewesen. Schließlich liege eine besondere Härte vor, weil die Rückforderungsverpflichtung zeitlich nicht begrenzt sei. Denn die Rückzahlungsdauer erstrecke sich einschließlich der Zinsleistung auf mindestens 25 Jahre. Bei richtiger Ausübung des Ermessens hätte insbesondere auf eine Verzinsung gänzlich verzichtet werden müssen.
22Die Abdienquote sei fehlerhaft berechnet worden; die Zeiten der Fachausbildung hätten berücksichtigt werden müssen, da er während der Weiterbildung Arbeit im Rahmen der vorgesehenen Verwendung als Arzt geleistet habe.
23Die Beklagte habe ermessensfehlerhaft nicht beachtet, dass die maßgeblichen Umstände, die ihn zum Wechsel in das Zivilbeamtenverhältnis veranlasst hätten, in ihrer Sphäre gelegen hätten. Angesichts der bekannten Unzulänglichkeiten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr habe er die ihm in Aussicht gestellte Möglichkeit einer beruflichen Selbstverwirklichung nicht in einem Mindestmaß realisieren können.
24Die Höhe der Rückforderung begegne ebenfalls Bedenken. Dies gelte zunächst für die Rückforderung der Bruttobeträge anstelle der vom Kläger lediglich erhaltenen Nettobeträge. Außerdem fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Weiterbildungskosten.
25Durch Widerspruchsbescheid vom 21. November 2012, zugestellt am 27. November 2012, wies das Personalamt den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, die Ernennung zum Beamten stelle bereits nach der alten Fassung des § 56 Abs. 4 SG eine Entlassung auf eigenen Antrag dar. Die Gesetzesänderung habe nur klarstellenden Charakter. Eine zeitliche Begrenzung der Ratenzahlungsverpflichtung komme nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur in Fällen der Entlassung aus Gewissensgründen in Betracht. Selbst wenn im vorliegenden Fall darüber nachgedacht werden müsse, wäre sie hier nicht einzuräumen. Eine durch die Erstattungspflicht ausgelöste wirtschaftliche Knebelung auf unabsehbare Zeit sei nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Sonstige Gründe, an der Recht- und Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheides zu zweifeln, bestünden nicht.
26Der Kläger hat am 21. Dezember 2012 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, eine zeitliche Begrenzung der Rückzahlungsverpflichtung komme nicht nur für Kriegsdienstverweigerer in Betracht. Eine wirtschaftliche Knebelung liege bei ihm vor, weil deutlich mehr als zwei Drittel seines verbleibenden Berufslebens davon betroffen sei. Bei einer Monatsrate von 640 Euro sei die Hauptforderung mehr als 18 Jahre lang zu bedienen. Bei Einbeziehung der Zinsen müsse er länger als 25 Jahre zahlen.
27Der Kläger beantragt,
28den Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 17. November 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 21. November 2012 aufzuheben.
29Der Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angegriffenen Bescheide.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Verfahrens 1 K 1786/13, der Personalakte des Klägers und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe:
34Die zulässige Klage ist nur im Hinblick auf einen Teil der Stundungszinsen begründet; im Wesentlichen ist sie unbegründet.
35Der Bescheid vom 17. November 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist abgesehen von den in Ziffer 3. geregelten, über 1,5 vom Hundert hinausgehenden Stundungszinsen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
36Der Kläger ist nach § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SG verpflichtet, das Ausbildungsgeld und die Kosten der Fachausbildung zu erstatten, weil er durch die Ernennung zum Zeitbeamten als auf eigenen Antrag aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit entlassen gilt (§ 125 BRRG a. F., nunmehr § 55 Abs. 1 SG in Verbindung mit § 46 Abs. 3a SG).
37Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit – insbesondere im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG – der Regelungen über die Verpflichtungszeit, die Entlassung und die Kostenerstattung: BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 – 2 BvL 51/71 – BVerfGE 39, 128 und juris; BVerwG, Urteil vom 21. April 1982 – 6 C 3.81 - juris; Beschluss vom 22. Juli 1999 – 1 WB 12.99 – juris; OVG NRW, Urteile vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 – juris, und vom 30. September 1999 – 12 A 1828/98 – juris; VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 – 5 K 785/11.GI – juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 8. September 2014 – 1 K 623/13 – nrwe; Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Auflage, § 56 SG, Rn. 17.
38Auch nach der alten Fassung des § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG ist der Tatbestand erfüllt. Denn der Antrag auf Ernennung zum Zeitbeamten, der die mittelbare Folge einer Entlassung kraft Gesetzes auslöst, kann als Antrag auf Entlassung aus dem Soldatenverhältnis aufgefasst werden. Dies ist bereits mit dem Wortlaut der alten Fassung vereinbar und erst recht mit deren Zweck, ein vom Soldaten aus eigener Initiative herbeigeführtes vorzeitiges Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis finanziell zu sanktionieren. Insoweit hat die Änderung des § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG lediglich klarstellende Bedeutung. Deshalb kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob auf den Kläger noch die alte Fassung des § 56 Abs. 4 SG anzuwenden ist (vgl. § 97 Abs. 1 SG).
39Die Erstattungspflicht erfasst nicht nur das während des Medizinstudiums gezahlte Ausbildungsgeld, sondern auch die Kosten der Facharztausbildung, weil der Kläger während dieser Zeit dem Dienstherrn nicht uneingeschränkt – etwa auch für Auslandseinsätze - zur Verfügung stand.
40BVerwG, Beschlüsse vom 14. Mai 2014 – 2 B 96.13 – juris, Rn. 8, und vom 28. September 1983 – 6 B 13.83 – juris, Urteil vom 21. April 1982 – 6 C 3.81 – juris, Rn. 28; OVG NRW, Urteil vom 30. September 1999 – 12 A 1828/98 –juris, Rn. 27 und 48; Bay. VGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – 6 BV 12.19 – juris, Rn. 37; VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 – 5 K 785/11. GI – juris, Rn. 28ff.; a. A. VG Ansbach, Urteil vom 22. November 2011 – AN 15 K 11.00904 – juris, Rn. 42.
41Aus dieser Bewertung folgt zugleich, dass die Facharztausbildung nicht als „Abdienzeit“ im Rahmen der besonderen Härte (§ 56 Abs. 4 Satz 3 SG) berücksichtigungsfähig ist.
42Nach der für Zeitsoldaten geltenden Regelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG (vgl. für Berufssoldaten § 49 Abs. 4 Satz 3 SG) kann auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Diese Koppelungsvorschrift setzt als Tatbestandsmerkmal das Vorliegen einer atypischen besonderen Härte voraus. Wenn eine solche Härte gegeben ist, muss sich eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn anschließen.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 – VI C 135.74 - BVerwGE 52, 84, 93.
44Für den Kläger bedeutet die durch den angefochtenen Bescheid ihm auferlegte Erstattungspflicht – abgesehen von den über 1,5 vom Hundert hinausgehenden Stundungszinsen - keine besondere Härte. In der vorliegenden Konstellation bedarf es keiner Klärung, in welchem Verhältnis die Gründe, die eine besondere Härte bei der Entlassung eines Zeitsoldaten gemäß § 55 Abs. 3 SG ausmachen können, zu der besonderen Härte bei der Erstattungspflicht des § 56 Abs. 4 SG stehen.
45Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. August 1996– 12 A 2476/94 - und vom 30. September 1999- 12 A 1828/98 - juris; Walz/Eichen/Sohm, § 56 SG,Rn. 22.
46Für den Fall der Entlassung wegen einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ist es anerkannt, dass dieser Entlassungsgrund, der wegen Art. 4 Abs. 3 GG eine besondere Härte im Sinn von § 55 Abs. 3 SG darstellt, zugleich eine besondere Härte im Sinn des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG begründet. In dieser Konstellation ist § 56 Abs. 4 Satz 3 SG verfassungskonform (Art. 4 Abs. 3 GG) dahin auszulegen, dass die Erstattungspflicht eine besondere Härte darstellt, die zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten zwingt.
47BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 18.05 – juris, Scherer/Alf/Poretschkin, Soldatengesetz, 9. Auflage, § 49 SG, Rn. 10.
48Beim Kläger liegt eine besondere Härte im Sinne des § 55 Abs. 3 SG nicht vor. Der Übertritt in das Beamtenverhältnis auf Zeit stellt sich vielmehr als eine aus allgemeinen beruflichen und wirtschaftlichen Gründen motivierte Entscheidung dar, die keine Atypik aufweist. Die vom Kläger im vorliegenden Zusammenhang noch geltend gemachte mangelnde berufliche Selbstverwirklichung ist kein Gesichtspunkt, der hier Bedeutung erlangt. Angesichts der generell gegebenen Notwendigkeit, sich im Soldatenberuf auf unvorhergesehene Entwicklungen einstellen zu müssen und zur Erfüllung des Verteidigungsauftrags der Bundeswehr beizutragen, rechtfertigen derartige berufliche Erwartungen keinen Vertrauensschutz, zumal der Kläger eine rechtlich verbindliche Zusage in Bezug auf seine Facharztausbildung nicht erhalten hat. Derartige schutzwürdige Erwartungen konnten insbesondere nicht durch das Informationsmaterial erzeugt werden, das der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 15. Dezember 2014 vorgelegt hat. In der Information „Weiterbildung, Nebentätigkeit, Beförderungen … in jeder Hinsicht weiterkommen“ heißt es lediglich, dass Sanitätsoffiziere „grundsätzlich“ zum Arzt für Allgemeinmedizin weitergebildet werden und dass sie statt dieser Weiterbildung zu Fachärzten mit anderen Gebietsbezeichnungen weitergebildet werden „können“, wobei dann regelmäßig der Übertritt in das Berufssoldatenverhältnis erfolgt.
49Bei dem Kläger liegt in Bezug auf die Erstattungspflicht eine besondere Härte im Sinn des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – abgesehen von der Zinshöhe - nicht vor. Unabhängig von eventuellen Härtegründen, die sich aus den Entlassungsumständen - etwa demjenigen der Kriegsdienstverweigerung - ergeben, kann eine besondere Härte durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Zeitsoldaten begründet sein. Die Erstattung darf die wirtschaftliche Existenz des früheren Soldaten nicht gefährden. Sie darf ihn auch nicht in eine wirtschaftliche Notlage bringen und keine dauerhafte wirtschaftliche Knebelung bedeuten. Derartigen Gefahren kann durch eine sachgerechte Anwendung der Härteklausel, die die soziale Lage und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des früheren Soldaten berücksichtigt, begegnet werden. In der Regel kann auch bei einer hohen Erstattungspflicht einer besonderen Härte dadurch abgeholfen werden, dass dem früheren Soldaten Stundung und Ratenzahlung bewilligt werden. Bei der Gewährung von Ratenzahlungen darf die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des ehemaligen Soldaten andauern, sondern sie muss zeitlich begrenzt sein; diese zeitliche Begrenzung muss bereits im ersten Leistungsbescheid selbst geregelt sein. Denn bereits der Ausgangsbescheid muss das Problem der besonderen Härte bewältigen. Dies gebieten sowohl der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), der einen Verweis auf spätere Möglichkeiten des Wiederaufgreifens (§ 51 VwVfG) nicht zulässt, als auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 31 Abs. 1 SG).
50Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 – 2 BvL 51/71 – juris, Rn. 49; BVerwG, Urteile vom 30. März 2006– 2 C 18 und 19.05 – juris, Rn. 24; OVG NRW, Urteil vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 – juris; Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, § 56 SG, Rn. 23.
51Diesen Grundsätzen zur Vermeidung einer besonderen Härte aus wirtschaftlichen Gründen kann die Beklagte in der Regel dadurch entsprechen, dass sie die Verpflichtung zur Zahlung der Tilgungsraten auf einen Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenalter (§ 35 SGB VI) begrenzt. Auch unter Berücksichtigung der nach diesem Zeitraum noch zu zahlenden Stundungszinsen ist dann gewährleistet, dass die Zahlungspflicht – entsprechend der Anforderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – nicht während des gesamten weiteren Berufslebens andauert, sondern deutlich vor der Vollendung des 67. Lebensjahres endet. Diese zeitliche Grenze trägt dem Umstand Rechnung, dass das Einkommen in der letzten Phase des Berufslebens – möglicherweise anders als in den früheren Phasen – nicht mehr stetig steigt, sondern wegen etwa gesundheitlich bedingter Einschränkungen der Leistungsfähigkeit oder wegen der Inanspruchnahme von Altersteilzeitmodellen sogar sinkt. Außerdem kann sich der verfügbare Teil des Einkommens dadurch verringern, dass der ehemalige Soldat Vorsorge für die eigene Alterssicherung trifft.
52Eine in dieser Weise festgelegte zeitliche Grenze der Tilgungsraten gewährleistet einerseits die Vermeidung einer besonderen Härte auf der Klägerseite und ist andererseits im Interesse der Beklagten flexibel genug, um bei deutlich steigendem Einkommen des ehemaligen Zeitsoldaten eine vollständige Erstattung der gesamten Ausbildungskosten zuzüglich Stundungszinsen herbeizuführen. Wenn die Beklagte die von ihr gewünschte jährliche Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Zeitsoldaten vornimmt und dieser seiner Pflicht zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben – jedenfalls nach Bestandskraft eines entsprechenden Bescheides – nachkommt, kann die Beklagte die monatlichen Tilgungsraten unter Berücksichtigung der verbesserten wirtschaftlichen Lage des ehemaligen Zeitsoldaten gegebenenfalls derart höher festsetzen, dass der gesamte Erstattungsbetrag vor Ablauf des vorgenannten Zweidrittelzeitraumes geleistet ist.
53VG Gelsenkirchen, Urteil vom 8. September 2014 – 1 K 623/13 – nrwe.
54Der angegriffene Bescheid entspricht mit seinen vier Teilregelungen im Wesentlichen den vorstehenden Grundsätzen zur Vermeidung einer besonderen wirtschaftlichen Härte des Klägers. Bei einer unveränderten Höhe der festgesetzten Monatsraten von 640 Euro würde sich die Zahlungspflicht betreffend allein die Tilgungsraten auf rund 18,4 Jahre erstrecken. Der Kläger wäre dann – bei Zahlungsbeginn zum Zeitpunkt der Entlassung im Alter von 29,7 Jahren - 48 Jahre alt.
55In der vorliegenden Konstellation bedarf es keiner Festlegung eines Zeitpunktes im Ausgangsbescheid, ab dem der Kläger keine Tilgungsleistungen mehr erbringen muss. Der angegriffene Bescheid bewältigt das Problem der besonderen Härte auch ohne eine derartige Festlegung hinreichend. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides war durch die Festsetzung der vergleichsweise hohen Monatsraten von 640 Euro gewährleistet, dass die Zahlungspflicht nicht über den vorgenannten Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Soldatenverhältnis bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres hinausreicht. Wenn die Beklagte künftig von Ziffer 4. des Bescheides Gebrauch macht und die Monatsraten in einem Maße absenkt, dass die Gefahr besteht, dass der Zweidrittelzeitraum überschritten wird, muss der dann ergehende Änderungsbescheid das sich ergebende Problem der besonderen Härte dadurch bewältigen, dass er ein Tilgungsende festlegt; sofern dieser Bescheid insoweit Defizite aufweisen sollte, hat der Kläger ausreichende Gelegenheit dazu, diesen Änderungsbescheid einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen. Diese prozessuale Situation ist deutlich günstiger als die Lage, bei der von vornherein im Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides angesichts niedriger Monatsraten absehbar ist, dass der Zweidrittelzeitraum mangels Festlegung eines Tilgungsendes überschritten wird.
56Die verzinsliche Stundung mit dem am 3. Januar 2011 beginnenden Zinslauf ist dem Grunde nach ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Die Ermessenvorschrift des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG erlaubt bei Einräumung einer Stundung auch die Erhebung von Zinsen.
57Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 – juris, Rn. 18.
58Eine solche Regelung ist auch im Vergleich zu einer Rückzahlung des gesamten Betrages ohne zusätzliche Zinsleistung als rechtmäßig zu bewerten. Stundung und Verzinsung stellen ein Gesamtpaket dar, das sich für den ehemaligen Soldaten insgesamt als vorteilhafter und damit einer besonderen Härte Rechnung tragend darstellt. Dass der Zinslauf bereits vor Bestandskraft des Bescheides beginnt, während derjenige ehemalige Soldat, der die Gesamtsumme nach Bestandskraft in einem Betrag ohne Zinsen zurückzahlt, ist im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu beanstanden.
59- 60
A. A. VG Köln, Urteil von 19. März 2014 – 23 K 3238/13 –.
Diese Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt. Wie bei Zahlungspflichten in anderen Rechtsbereichen auch schafft diese Zinserleichterung bei Rückzahlung des gesamten Betrages in einer Summe insbesondere im Interesse der Verwaltungsvereinfachung einen entsprechenden Anreiz. Die Beklagte spart einen oftmals mehrere Jahrzehnte lang bedeutsamen Verwaltungsaufwand zur Beitreibung der Monatsraten.
62Die Höhe des Erstattungsbetrages von 141.456,94 Euro ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte fordert zu Recht den Bruttobetrag der vom Kläger erhaltenen Leistungen zurück. Ohne dass eine besondere Härte durch die Erstattung der über die Nettobeträge hinausgehenden Beträge zu befürchten ist, erhält der Kläger durch die Möglichkeit, die Erstattungsbeträge steuerrechtlich geltend zu machen, eine hinreichende Kompensation.
63Die Kosten für den Lehrgang Notfallmedizin sind ebenfalls erstattungsfähig. Dies gilt auch unter Würdigung des Umstandes, dass die von der Beklagten in Ansatz gebrachten Kosten höher sind als die Aufwendungen, die der Kläger für eine ähnliche Ausbildung im zivilen Bereich hätte tätigen müssen.
64Vgl. VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 – 5 K 2265/12 –
65juris, Rn. 71 - 75.
66Soweit der angefochtene Bescheid in Ziffer 3. Stundungszinsen von mehr als 1,5 vom Hundert festsetzt, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger seinen Rechten. Insoweit besteht für den Kläger eine besondere Härte, weil ein Zinssatz von 4 vom Hundert der derzeitigen Marktlage und bereits der bei Erlass des Widerspruchsbescheides bestehenden Marktlage nicht entspricht. Im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang ist es sachnah, auf die Finanzierungskosten der Beklagten abzustellen. Diese nicht nur kurzfristig relevante Marktlage hätte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigen müssen.
67Vgl. VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 – 5 K 2265/12 – juris, Rn. 97; Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 206 vom 5. September 2014, Seite 28: z. B. durch Hypotheken abgesicherte Darlehn für unter 2 % Zinsen; kritisch zur Höhe des Zinssatzes bereits: VG Gelsen-kirchen, Urteil vom 8. September 2014 – 1 K 623/13 - nrwe.
68Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
69Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Ausbildungskosten.
- 2
Aufgrund ihrer Bewerbung vom 27. Januar 1999 und nach erfolgreich abgeschlossenem Auswahlverfahren wurde die Klägerin zum 01. Januar 2000 als Anwärterin für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes in die Bundeswehr eingestellt und in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit berufen. Das Dienstzeitende wurde entsprechend der von der Klägerin unterzeichneten Verpflichtungserklärung vom 29. November 1999 auf den 31. Dezember 2016 festgesetzt. In der Zeit vom 05. Oktober 2000 bis 18. Oktober 2006 studierte die Klägerin unter Beurlaubung vom militärischen Dienst an der Medizinischen Universität zu Humanmedizin. In dieser Zeit bezog sie gemäß § 30 Abs. 2 Soldatengesetz (SG) Ausbildungsgeld für Sanitätsoffizier-Anwärter in Höhe von insgesamt 130.809,32 Euro. Am 06. Oktober 2006 erhielt sie ihre Approbation als Ärztin. Am 19. Oktober 2006 begann die Klägerin am Bundeswehrkrankenhaus in B-Stadt ihre Weiterbildung zur Fachärztin für Innere Medizin/Allgemeinmedizin. Mit Wirkung vom 26. Oktober 2006 ernannte der Amtschef des Personalamtes der Bundeswehr sie zur Stabsärztin. Mit Wirkung vom 01. November 2008 wurde die Klägerin vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus … unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zur Akademischen Rätin ernannt.
- 3
Nachdem es der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, forderte das Personalamt der Bundeswehr sie mit Leistungsbescheid vom 06. April 2011 gemäß § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG auf, das ihr als Sanitätsoffiziersanwärterin gewährte Ausbildungsgeld in Höhe von 130.809,32 Euro sowie die im Rahmen ihrer ärztlichen Aus- und Weiterbildungen entstandenen - unmittelbaren und mittelbaren - Fachausbildungskosten in Höhe von 10.427,09 Euro, insgesamt 141.236,41 Euro zu erstatten (Ziffer 1), und zwar in monatlichen Raten in Höhe von 730,- Euro (Ziffer 2) zuzüglich nach Erledigung der Hauptforderung einzuziehender Stundungszinsen in Höhe von 4 % spätestens ab 20. Mai 2011 (Ziffer 3). Im Rahmen der nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG durchzuführenden Härtefallprüfung verwies das Personalamt darauf, dass die Klägerin dem Dienstherrn zu keinem Zeitpunkt mit den erworbenen Kenntnissen uneingeschränkt zur Verfügung gestanden habe, weil sie sich nach Abschluss ihres Studiums bis zu ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr in einer Fachausbildung befunden habe mit der Folge, dass die sog. Abdienzeit gehemmt gewesen sei. Ein teilweiser Verzicht auf die Rückforderung komme daher nicht in Betracht. Um eine besondere Härte durch die grundsätzlich gebotene sofortige Erstattung des gesamten Betrages zu vermeiden, werde der Klägerin aufgrund der von ihr dargelegten Einkommens- und Vermögenssituation eine verzinsliche Stundung durch Einräumung von Teilzahlungen gewährt. Die monatliche Teilzahlungsrate errechnete das Personalamt unter Berücksichtigung des Pfändungsschutzes nach der ZPO (Anlage zu § 850 c Abs. 1) mit 730,- Euro, wobei es den sich danach ergebenden pfändbaren Betrag um weitere 30 % reduzierte. Die Verzinsung der gestundeten Beträge begründete das Personalamt damit, dass die Hauptforderung dem Haushalt der Bundesrepublik Deutschland infolge der Ratenzahlung und der damit einhergehenden Stundung nicht sofort zur Verfügung stehe und es somit zu einem Zinsverlust komme. Der mit 4 % festgesetzte Zinssatz bewege sich im Verhältnis zu den auf dem Kapitalmarkt üblichen Soll- bzw. Kreditzinsen auf sehr niedrigem Niveau. Außerdem trete insofern nicht sofort eine finanzielle Belastung ein, da die Stundungszinsen erst nach Tilgung der Hauptforderung eingezogen würden. Es sei nicht zu befürchten, dass die Existenz der Klägerin durch die Rückforderung der geltend gemachten Kosten ernsthaft gefährdet würde oder sie dadurch in eine wirtschaftliche Notlage geraten könne.
- 4
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin unter dem 05. Mai 2011 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie in einem späteren Schreiben im Wesentlichen vor: § 56 Abs. 4 SG basiere auf einem groben Gleichheitsverstoß, da für die Dauer des Studiums beurlaubte Sanitätsoffizier-Anwärter das gewährte Ausbildungsgeld in voller Höhe zu erstatten hätten, während bei übrigen Soldaten auf Zeit lediglich die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstattet werden müssten.
- 5
Zumindest verstoße die derzeitige Rückforderungspraxis auf Basis des Erlasses des Bundesministeriums der Verteidigung (PSZ I 8 - Az 16-02-11/Bemessungsgrundsätze) vom 22. Juli 2002 gegen den Gleichheitsgrundsatz, da die Verzichtsregelung unter 3.3 dazu führe, dass Studierende an einer Bundeswehrhochschule regelhaft lediglich diejenigen Kosten zu erstatten hätten, die den fiktiven Lebenshaltungskosten an einer zivilen Einrichtung entsprächen. Diese beliefen sich monatlich zwischen 546,71 Euro im Jahr 2001 und 706,04 Euro im Jahr 2007. Obwohl für die Dauer des Studiums beurlaubte Sanitätsoffizier-Anwärter und Studierende an einer Bundeswehrhochschule in ungefähr gleicher Höhe durch den Staat alimentiert würden, werde die Härteregelung unterschiedlich gehandhabt.
- 6
Eine Anknüpfung der Rückforderungsbeträge an das Bruttoausbildungsgeld sei willkürlich, stelle eine „Überkompensation“ dar und verstoße gegen das Übermaßverbot. Ein erheblicher Anteil des Bruttoentgelts sei bereits in Form von gezahlten „Steuern“ an den Staat zurückgeflossen. Sie bzw. ihre Eltern hätten während eines regulären Studiums Anspruch auf Kindergeld gehabt, sie selbst auch Anspruch auf Leistungen nach dem Ausbildungsförderungsgesetz. Die Rückforderung des Trennungsgeldes sei unzulässig. Sie habe automatisch Trennungsgeld erhalten, weil ihr keine Umzugskostenvergütung zugesagt worden sei. Es sei auch zu berücksichtigen, dass sie bei ihrem Ausscheiden noch 29 Urlaubstage gehabt habe, die nicht vergütet worden seien.
- 7
Angemessen zu berücksichtigen sei, dass sie zwar zum Studium beurlaubt gewesen sei, aber dennoch Pflichten seitens ihres Dienstherrn unterlegen habe. So habe sie z.B. an Semestertreffen teilnehmen und ihre Famulaturen sowie das Pflegedienstpraktikum an Bundeswehreinrichtungen durchführen müssen. Auslandssemester seien ihr untersagt worden.
- 8
Die von ihr abgeleistete Dienstzeit von zwei Jahren in der Zeit von Oktober 2006 bis zum 31. Oktober 2008 hätte zu einem teilweisen Verzicht auf die Rückforderungssumme führen müssen. Sie habe in dieser Zeit dem Dienstherrn mit den von ihr erworbenen Kenntnissen „uneingeschränkt“ zur Verfügung gestanden. Da eine Facharztprüfung frühestens nach acht bis neun Jahren absolviert werden könne, könnte eine Abdienstzeit erst nach acht bis neun Jahren zu einem teilweisen Verzicht führen, d.h. die Abdienphase würde erst wenige Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Dienst beginnen. Das sei widersinnig und inakzeptabel.
- 9
Eine besondere Härte liege darin, dass durch die Rückforderung ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre. Diese Gefährdung werde nicht durch die verzinsliche Stundung und die Ratenzahlung ausgeräumt. Der Zinssatz sei keineswegs „auf sehr niedrigem Niveau“.
- 10
Schließlich habe sie 1998 ihren Dienst unter völlig falschen Voraussetzungen aufgenommen (betr. Auslandseinsätze, nur noch drei Jahre Facharztausbildung, Verweigerung notwendiger medizinischer Heilversorgung bzgl. Kinderwunschbehandlung).
- 11
Durch Widerspruchsbescheid vom 02. April 2013, zugestellt am 05. April 2013, wies das Personalamt der Bundeswehr den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
- 12
Die Voraussetzungen sowohl des § 56 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SG in der Fassung vom 15. Dezember 1995 (betr. das Ausbildungsgeld) als auch des § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG in der Fassung vom 30. Mai 2005 (betr. die Kosten der Fachausbildung) lägen vor. § 56 Abs. 4 SG verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da die Norm unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlichen Regelungen unterwerfe. Im Gegensatz zu Soldaten auf Zeit, die an einer Bundeswehrhochschule studierten und während ihres Studiums nicht vom militärischen Dienst beurlaubt seien, studierten Sanitätsoffizier-Anwärter an einer zivilen Universität und seien für diese Zeit vom militärischen Dienst beurlaubt. Daher verstoße auch der Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 22. Juli 2002 - Bemessungsgrundsätze - nicht gegen das Gleichheitsgebot. Es sei auch zu Recht das Bruttoausbildungsgeld im Rahmen der Berechnung des Erstattungsbetrages in Ansatz gebracht worden. Dies habe das VG Gießen unter dem 23. Oktober 1998 (Az. 8 E 1419/96) entschieden. Etwaige Ansprüche auf Kindergeld sowie auf Leistungen nach dem BAföG seien nicht zu berücksichtigen gewesen. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise sei auch das Trennungsgeld in Ansatz gebracht worden. Daran ändere nichts, dass der Klägerin die Umzugskostenvergütung verwehrt worden sei. Noch zustehende Urlaubstage rechtfertigten ebenfalls keine Reduzierung des Erstattungsbetrages. Eine Vergütung nicht genommenen Erholungsurlaubs sei insbesondere dann nicht möglich, wenn der Betroffene seinen Urlaub aus allein von ihm zu vertretenden Gründen nicht in Anspruch genommen habe. Es sei auch kein Grund dafür ersichtlich, weshalb der Erstattungsbetrag wegen der Teilnahme an Semestertreffen und der Absolvierung von Famulaturen an Bundeswehreinrichtungen reduziert werden müsse. In der Zeit vom 19. Oktober 2006 bis 31. Oktober 2008 habe die Klägerin ihrem damaligen Dienstherrn nicht uneingeschränkt zur Verfügung gestanden, ihr Studium somit in dieser Zeit nicht teilweise abgedient. Bei der von der Klägerin in dieser Zeit absolvierten klinischen Weiterbildung handele es sich um eine Fachausbildung im Sinne des § 56 Abs. 4 SG. Während dieser Fachausbildung habe das absolvierte Studium nicht abgedient werden können. Umstände, die eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz belegten, seien nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Die erhobenen Stundungszinsen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Das Personalamt der Bundeswehr sei nicht verpflichtet gewesen, etwaig enttäuschte Erwartungen der Klägerin hinsichtlich ihrer Karriere in der Bundeswehr sowie hinsichtlich der Auslandseinsätze im Rahmen der Berechnung des Erstattungsbetrages als Minderungsposten zu berücksichtigen. Der Umstand, die Beihilfe habe die Kosten einer erforderlichen Behandlung nicht übernommen, sei ebenfalls nicht geeignet, den Erstattungsbetrag zu mindern.
- 13
Am 06. Mai 2013, einem Montag, hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Zur Begründung trägt sie, ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen, im Wesentlichen vor:
- 14
Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, den Anspruch auf Erstattung der Ausbildungskosten durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Sie sei nicht auf eigenen Antrag entlassen worden. § 56 Abs. 4 SG in der Fassung von 1983 sehe eine Erstattungspflicht jedoch unmissverständlich nur dann vor, wenn ein Soldat auf eigenen Antrag entlassen worden sei. Die Forderung sei auch verjährt. Jedenfalls sei die zunächst mit Erlass des Leistungsbescheides bewirkte Hemmung der Verjährung rückwirkend durch „Nichtbetrieb“ entfallen. Es bestehe kein Anspruch auf Stundungszinsen, jedenfalls nicht vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Leistungsbescheides.
- 15
Die Klägerin beantragt,
- 16
die Bescheide der Beklagten vom 06. April 2011 und vom 02. April 2013 aufzuheben.
- 17
Die Beklagte beantragt,
- 18
die Klage abzuweisen.
- 19
Sie verweist auf die Ausführungen des Personalamtes der Bundeswehr in den angefochtenen Bescheiden und trägt ergänzend vor:
- 20
Der Erstattungsbetrag habe durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden dürfen, und der Erstattungsanspruch sei auch nicht verjährt.
- 21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
- 22
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für die Erstattung des der Klägerin während des Studiums gewährten Ausbildungsgeldes und der der Beklagten im Anschluss daran entstandenen Fachausbildungskosten ist § 56 Abs. 4 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz- SG), und zwar gemäß § 97 Abs. 1 SG (in der Fassung vom 30.05.2005, BGBl. I S. 1482) in der Fassung vom 24. Februar 1983 (BGBl. I S. 179; vgl. Scherer/Alff/ Poretschkin, Soldatengesetz, 9. Aufl., § 56 Rdnr. 13 und § 97 Rdnr. 1). Danach muss ein Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war, die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten, wenn er auf seinen Antrag entlassen worden ist oder er seine Entlassung nach § 55 Abs. 4 Satz 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat (§ 56 Abs. 4 Satz 1 SG). Ein Sanitätsoffizier-Anwärter muss das ihm gewährte Ausbildungsgeld erstatten, wenn er 1. seiner Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten nicht zugestimmt hat, es sei denn, dass seine Dienstzeit im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit auf Grund freiwilliger Verpflichtung auf die Dauer von fünfzehn Jahren festgesetzt wird, 2. auf seinen Antrag entlassen worden ist oder 3. seine Entlassung nach § 55 Abs. 4 Satz 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat (§ 56 Abs. 4 Satz 2 SG). Einschlägig ist hier Satz 1 des § 56 Abs. 4 und nicht Satz 2, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruchs, d.h. ihres Ausscheidens aus dem Dienst der Beklagten, nicht mehr Sanitätsoffizier-Anwärterin war, sondern bereits Stabsärztin und damit Offizierin (so auch VG Gießen, Urteil vom 04.09.1998 - 8 E 237/96 (1) mwN - zitiert nach juris). Auf die Erstattung kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde (§ 56 Abs. 4 Satz 3 SG sowohl in der Fassung vom 24.02.1983 als auch in der Fassung vom 30.05.2005).
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Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 4 Satz 1 SG liegen vor. Die Klägerin war Soldatin auf Zeit in der Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Ihre militärische Ausbildung war mit einem Studium der Humanmedizin verbunden, und sie absolvierte während ihres aktiven Dienstes Weiterbildungen zur Fachärztin für Innere bzw. Allgemeinmedizin. Während ihres Studiums erhielt die Klägerin Ausbildungsgeld, und anschließend trug ihr Dienstherr die Kosten ihrer medizinischen Fachausbildung. Das Ausbildungsgeld zählt zu den Kosten des Studiums im Sinne von § 56 Abs. 4 Satz 1 SG (VG Gießen, Urteil vom 04.09.1998, a.a.O.). Die Klägerin galt als auf eigenen Antrag entlassen. Das ergibt sich aus § 125 des Rahmengesetzes zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (Beamtenrechtsrahmengesetz - BRRG) in der bis zum 11. Februar 2009 gültigen Fassung vom 27. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3835). Danach ist ein Soldat auf Zeit entlassen, wenn er zum Beamten ernannt wird (Abs. 1 Satz 2). Die Entlassung gilt als Entlassung auf eigenen Antrag (Abs. 1 Satz 3). Die alte Fassung der Vorschrift ist noch anzuwenden, da die Neuordnung erst mit dem Gesetz vom 05. Februar 2009, also nach dem Ausscheiden der Klägerin aus der Bundeswehr, erfolgte. Im Übrigen ergibt sich die gleiche Fiktion heute aus § 46 Abs. 3 a in Verbindung mit § 55 Abs. 1 Satz 2 und 3 SG. Die Kammer hat gegen die Gleichstellung eines Soldaten auf Zeit, der in ein Beamtenverhältnis übertritt, mit einem Soldaten, der seine Entlassung beantragt, keine Bedenken. Sowohl im Fall eines Entlassungsantrages als auch beim Übertritt in ein Beamtenverhältnis ist das Ausscheiden aus der Bundeswehr die Folge einer auf Beendigung des Soldatenverhältnisses gerichteten Initiative des Betreffenden (BVerwG, Urteil vom 25.03.1987 - 6 C 87/84 - zitiert nach juris).
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Als Rechtsfolge ordnet § 56 Abs. 4 SG an, dass die Klägerin das ihr als SanitätsoffizierAnwärterin gewährte Ausbildungsgeld und die nach der Approbation entstandenen Kosten der Fachausbildung erstatten muss. Da das Dienstverhältnis des Soldaten auf Zeit entsprechend der eingegangenen Verpflichtung andauern soll, kann der Dienstherr, der einem Zeitsoldaten im dienstlichen Interesse eine kostspielige Fachausbildung gewährt hat, grundsätzlich davon ausgehen, dass ihm der Soldat die erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten bis zum Ende der Verpflichtungszeit zur Verfügung stellen wird. Wenn der Zeitsoldat auf Grund eigenen Entschlusses aus dem Dienstverhältnis ausscheidet, stellen für ihn die auf Kosten des Dienstherrn erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten im weiteren Berufsleben einen erheblichen Vorteil dar, während der Dienstherr die Kosten der Ausbildung insgesamt oder teilweise vergeblich aufgewendet hat. Diese Lage fordert einen billigen Ausgleich, den der Gesetzgeber durch die Normierung eines Erstattungsanspruchs verwirklicht hat (BVerwG, Urteil vom 30.03.2006 - 2 C 18/05 - zitiert nach juris mit weit. Nachw.).
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Die Erstattungsregelung ist grundsätzlich mit dem Grundrecht aus Art. 12 Grundgesetz - GG - vereinbar (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.09.1999 - 12 A 1828/98 - zitiert nach juris mit weit. Nachw.). § 56 Abs. 4 SG verstößt auch nicht gegen Art. 33 GG bzw. Art. 3 GG. Das VG Düsseldorf hat dazu in seinem Urteil vom 30. Dezember 2013 (Az. 10 K 5420/13, zitiert nach juris) ausgeführt:
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„a) Ein Verstoß gegen die aus Art. 33 GG folgende Alimentationspflicht des Dienstherrn besteht nicht. Bereits zur Vorgängerregelung des § 56 Abs. 4 SG hat das BVerwG ausgesprochen, dass die in ihr enthaltene Härteklausel einen angemessenen Ausgleich ermöglicht zwischen den Interessen des grundrechtsgeschützten ehemaligen Soldaten einerseits und des Dienstherrn andererseits, eine Ausbildung zu finanzieren, die im Zivilbereich mit erheblichen Kosten verbunden ist.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 - 2 C 18.05 -, DokBer 2006, 295 (juris Rdnr. 16).
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Der Dienstherr, der dem Soldaten auf Zeit im dienstlichen Interesse ein mit hohen Kosten verbundenes Studium ermöglicht und diesem während der Beurlaubung zum Zwecke des Studiums ein Ausbildungsgeld gewährt, tut dies in der berechtigten Erwartung, der Soldat auf Zeit werde die im Studium erlangten Kenntnisse und Fähigkeiten für die vereinbarte Zeit zur Verfügung stellen. Wird das Dienstverhältnis auf Antrag oder Initiative des Soldaten auf Zeit vorzeitig beendet, hat der Soldat einen erheblichen Vorteil erlangt, ohne dem Dienstherrn die durch die Verpflichtung zugesagte Gegenleistung zu erbringen. Darin liegt eine "Schieflage", die nach dem besagten angemessenen Ausgleich ruft.
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Vgl. VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 - 5 K 785/11.GI -,juris (Rdnr. 24). Diese noch zur alten Fassung des § 56 Abs. 4 SG angestellten Überlegungen lassen sich ohne Weiteres auf die jetzige Fassung übertragen.
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Mit Blick auf den Vortrag des Klägers ist hierzu klarzustellen, dass ihm nicht vorgehalten wird, er habe dem Dienstherrn überhaupt keine Gegenleistung erbracht. Ausgeblieben ist aber die mit der Verpflichtung zugesagte Gegenleistung, nach Erwerb der medizinischen Qualifikationen dem Dienstbetrieb der Bundeswehr noch eine bestimmte Zeitspanne zur Verfügung zu stehen und die Qualifikationen dabei einzubringen. Auf den Ausfall dieser Gegenleistung darf die Beklagte in der im Gesetz vorgesehenen Weise reagieren, ohne hierdurch gegen ihre Alimentationspflicht zu verstoßen. Die Alimentation hat den Zweck, dem Beamten oder Soldaten während seiner Dienstzugehörigkeit einen seinem Amt angemessenen Lebenswandel zu ermöglichen. Dieser Zweck ist bei einem ehemaligen Zeitsoldaten im Zeitpunkt seines Ausscheidens erfüllt. Durch die Rückforderung wird die Zweckerfüllung nicht nachträglich wieder zunichte gemacht, sondern es findet der besagte angemessene Interessenausgleich statt.
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b) Auch der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. Insbesondere bestehen zwischen einem für sein Studium freigestellten Sanitätsoffizier-Anwärter und einem Soldaten, der während seiner Pilotenausbildung Dienst tut, Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die in Satz 2 des § 56 Abs. 4 SG vorgenommene Differenzierung rechtfertigen.
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Vgl. auch insoweit VG Gießen a.a.O.“
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Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.
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Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liegt auch nicht darin, dass für die Dauer des Studiums beurlaubte Sanitätsoffizier-Anwärter das gewährte Ausbildungsgeld in voller Höhe zu erstatten haben, während bei den übrigen Soldaten auf Zeit lediglich die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung zu erstatten sind. Insoweit liegen unterschiedliche Sachverhalte vor, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Die Beklagte weist in ihrem Widerspruchsbescheid zu Recht darauf hin, dass Sanitätsoffizier-Anwärter an einer zivilen Universität studieren und für diese Zeit vom militärischen Dienst beurlaubt sind, während die anderen Soldaten auf Zeit an einer Bundeswehrhochschule studieren und während ihres Studiums nicht vom militärischen Dienst beurlaubt sind. An dieser Unterscheidung ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin an Semestertreffen teilzunehmen und ihre Famulaturen sowie das Pflegedienstpraktikum an Bundeswehreinrichtungen abzuleisten hatte. Diese Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit sind als nur geringfügig anzusehen und rechtfertigen nicht ihre Gleichstellung mit den an Bundeswehrhochschulen studierenden und nicht vom militärischen Dienst beurlaubten Soldaten. Im Übrigen ist die Klägerin, die an einer zivilen Ausbildungseinrichtung studiert hat, gegenüber Soldaten, die an einer Bundeswehrhochschule studiert haben, privilegiert. Letztere müssen auch einen Anteil an den Personal- und Sachkosten der Ausbildungseinrichtung erstatten (vgl. Ziffer 2.4.1 des Erlasses vom 22.07.2002 und Ziffer 2.2.1 des Erlasses vom 17.12.2012), von der Klägerin wird hingegen lediglich das Ausbildungsgeld zurückgefordert.
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Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass die Beklagte auch nach dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Dienstverhältnis berechtigt war, die Erstattungsforderung im Wege eines Leistungsbescheides geltend zu machen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. etwa OVG B-Stadt, Beschluss vom 21.06.2013 - 1 Bf 239/12.Z - zitiert nach juris; Scherer/ Alff/ Poretschkin, a.a.O., § 56 Rdnr. 9 und § 49 Rdnr. 12). Die Leistungen, deren Erstattung nunmehr verlangt wird, stehen in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 7. Aufl., § 14 Rdnr. 75). Das Erstattungsverhältnis ist lediglich die Umkehrung des Leistungsverhältnisses (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.09.1967 - II37.67 - zitiert nach juris).
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Die geltend gemachte Erstattungsforderung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Dass die geforderten Beträge in Höhe von 130.809,31 Euro (Ausbildungsgeld) und 10.427,09 Euro (Fachausbildungskosten) nicht richtig errechnet sind, hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Zu Recht hat das Personalamt der Bundeswehr auch das der Klägerin in Höhe von 8.891,89 Euro gewährte Trennungsgeld in die zu erstattenden Kosten einbezogen, denn dieses gehört zu den mittelbaren Kosten der Ausbildung (BVerwG, Urteil vom 30.03.2006, a.a.O.).
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Die Beklagte hat bei der Erstattung des Ausbildungsgeldes ebenfalls zu Recht den Bruttobetrag zugrundegelegt. Sie hat den Bruttobetrag aufgewendet, indem sie die Lohnsteuer unmittelbar an das zuständige Finanzamt abgeführt hat. Dementsprechend wird auch bei dem vergleichbaren Fall der Rückforderung zu viel gezahlter Dienstbezüge nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 21.09.1989 - 2 C 68/86 - zitiert nach juris) der Bruttobetrag zugrunde gelegt. Diese rechtliche Bewertung ist auch für die Klägerin nicht unbillig. Sie hat die Möglichkeit, den zurückgezahlten Bruttobetrag im Kalenderjahr der Zahlung gegenüber den Finanzbehörden als sogenannte Negativeinkünfte geltend zu machen, um damit eine Verringerung der Steuerschuld zu erreichen (VG Gießen, Urteil vom 05.11.2012 - 5 K 785/11.GI - zitiert nach juris).
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Unbeachtlich in diesem Zusammenhang ist, dass die Klägerin bzw. ihre Eltern möglicherweise Anspruch auf Kindergeld und Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gehabt hätten, wenn die Klägerin nicht in den Dienst der Bundeswehr getreten wäre. Die Klägerin hat sich freiwillig zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet und in ihrer Verpflichtungserklärung vom 29. November 1999 anerkannt, dass sie das während der Beurlaubung zum Studium bezogene Ausbildungsgeld u.a. dann zurückzuzahlen hat, wenn sie auf eigenen Antrag aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten entlassen wird. In wieweit der Klägerin noch Urlaubstage zustanden, als sie aus dem Dienst ausschied, kann dahinstehen. Einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung ihres ggf. noch bestehenden Urlaubsanspruchs hat die Klägerin - soweit ersichtlich - nicht geltend gemacht. Ein solcher Anspruch, unterläge der dreijährigen Verjährungsfrist (BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 2 C 10/12 - zitiert nach juris).
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Gemäß § 56 Abs. 4 Satz 3 SG kann auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Das Personalamt der Bundeswehr hat die Höhe und die Fälligkeit der von der Klägerin zu zahlenden Raten nach der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.10.1998 - 2 C 21/97 - zitiert nach juris) auf der Grundlage von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG rechtsfehlerfrei nach pflichtgemäßem Ermessen festgesetzt. Zur Vermeidung einer besonderen Härte genügt es insoweit in der Regel, wenn - wie im Leistungsbescheid vom 06. April 2011 geschehen - auf die Erstattung des zurückgeforderten Betrages in einer Summe verzichtet und dem Erstattungspflichtigen die Rückzahlung in Raten bewilligt wird. Die hieran anknüpfende Entscheidung darüber, ab wann und in welcher Höhe Raten zu zahlen sind, muss einerseits der Höhe des insgesamt zu erstattenden Betrages und andererseits der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten sowie dessen sozialer Lage angemessen Rechnung tragen. Dabei obliegt es dem Verpflichteten, insbesondere die für die Beurteilung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachzuweisen (VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 16.06.1993 - 11 S 3031/92 - zitiert nach juris). Das Personalamt der Bundeswehr hat die Höhe der Raten unter Berücksichtigung der von der Klägerin dargelegten Einkommens- und Vermögenssituation zutreffend unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO (vgl. dazu VG Gießen, Urteil vom 26.10.2005 - 8 E 2875/04 - zitiert nach juris) festgesetzt.
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Die Beklagte war auch nicht zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Knebelung zu einer zeitlichen Begrenzung der Zahlungsdauer verpflichtet. Wie die Beklagte zutreffend hervorgehoben hat, trifft den Soldaten auf Zeit, der entgegen der von ihm eingegangenen Verpflichtung den Dienst bei der Bundeswehr auf eigene Initiative vorzeitig beendet, grundsätzlich die Pflicht, den Erstattungsbetrag in einer Summe zu zahlen. Räumt ihm die Beklagte im Rahmen der Härtefallregelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG wie hier Ratenzahlungen ein, bleibt es dem Soldaten unbenommen, die hierdurch bewirkte Zahlungsdauer im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten durch höhere Ratenzahlungen zu verkürzen (VG Gießen, Urteil vom 05.11.2012, a.a.O.)
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Vorliegend vermochte auch die Länge einer im Anschluss an die Ausbildung möglicherweise abgeleisteten Dienstzeit (sog. Abdienzeit) keine besondere Härte zu begründen, abgesehen davon, dass dies ohnehin nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Denn für den Regelfall geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Soldat auf Zeit die vollen Ausbildungskosten zu erstatten hat, wenn er auf eigenen Antrag vorzeitig entlassen wird (VG Gießen, Urteil vom 04.09.1998, a.a.O.). Die Klägerin war zwar nach ihrer Approbation in der Zeit vom 19. Oktober 2006 bis zum 31. Oktober 2008 am Bundeswehrkrankenhaus in B-Stadt tätig. In dieser Zeit bildete sie sich jedoch zur Fachärztin für Innere bzw. Allgemeinmedizin weiter und stand damit ihrem Dienstherrn nicht uneingeschränkt zur Verfügung. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 28. September 1983 zu § 46 Abs. 4 Satz 2 SG 1975 entschieden, dass die Weiterbildung eines Berufssoldaten des Sanitätsdienstes in einem Bundeswehrkrankenhaus, durch die ihm fachärztliche Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, als Fachausbildung anzusehen ist, auch wenn sie nicht mit einer praktischen oder theoretischen Unterweisung verbunden war und der Sanitätsoffizier den üblichen Dienst eines Klinikarztes verrichtet hat (Az. 6 B 13/83, zitiert nach juris). Dies entspricht der inzwischen nahezu einhelligen Auffassung der Verwaltungsgerichte, wonach ein uneingeschränktes Zur-Verfügung-Stehen auf die Tätigkeit eines Sanitätsoffiziers in einem Bundeswehrkrankenhaus nicht zutrifft, wenn ihm in dieser Zeit fachärztliche Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, mit der Folge, dass eine Weiterbildungszeit nicht als anrechnungsfähige Abdienzeit anerkannt werden kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.09.1999, a.a.O.; HessVGH, Beschluss vom 20.08.2002 - 10 UZ 4067 -; VG Bremen, Urteil vom 19.02.2013 - 6 K 38/08 - und VG Gießen, Urteil vom 05.11.2012, a.a.O., sämtlich zitiert nach juris). Der Bayerische VGH hat in seinem Urteil vom 04. Juli 2013 (Az. 6 BV 12.19, zitiert nach juris), durch das er eine anderslautende Entscheidung des VG Ansbach (vom 22.11.2011 - AN 15 K 11.904) abänderte, ausgeführt:
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„Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die vom Verwaltungsgericht angesprochenen Änderungen im Bereich der Bundeswehr den vom Gesetzgeber mit den Erstattungsbestimmungen verfolgten Zweck berührt haben könnten, dem vorzeitigen Ausscheiden von besonders ausgebildeten und deswegen nicht ohne weiteres zu ersetzenden Berufssoldaten aus der Bundeswehr entgegenzuwirken. Das zeigt im Übrigen auch der Fall des Klägers, der gerade „innerhalb der Übernahmequote für das Fachgebiet Innere Medizin“ mit einer entsprechenden Verwendungsplanung in das Berufssoldatenverhältnis übernommen worden war, dann aber bereits etwa eineinhalb Jahre nach Beendigung seiner Facharztausbildung die Entlassung aus dem Soldatenverhältnis herbeigeführt hat. Dass sich die vom Kläger gewünschte fachspezifische Verwendung nicht unmittelbar im Anschluss an die Facharztausbildung verwirklichen ließ, steht einer Anwendung der Erstattungsvorschriften nicht entgegen.
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Im Bereich der ärztlichen Weiterbildung sind ebenfalls keine beachtlichen Änderungen erkennbar, die einer Subsumtion der Weiterbildung zum Facharzt unter den Begriff der Fachausbildung entgegenstünden. Nach den Art. 27 ff. des Heilberufe- Kammergesetzes – HKaG – in der Fassung vom 6.2.2002 (GVBl S. 43, zuletzt geändert durch Gesetz vom 2.4.2009, GVBl. S. 46) und der auf der Grundlage von Art. 35 HKaG erlassenen Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns – BayWBO – vom 24. April 2004 (BayÄBl. Spezial 1/2004, zuletzt geändert durch Beschlüsse vom 14.10.2012, BayÄBl 2012, 705) kann ein Arzt die Anerkennung des Rechts, eine auf besondere Kenntnisse und Fähigkeiten in diesem medizinischen Gebiet bzw. Teilgebiet hinweisende Bezeichnung Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie (vgl. Abschnitt B Nr. 13.1 BayWBO) zu führen, nach wie vor nur erhalten, wenn er die dafür vorgeschriebenen Weiterbildungszeiten erfolgreich absolviert und die Prüfung durch den Prüfungsausschuss der Landesärztekammer bestanden hat (vgl. Art. 33 Abs. 1 HKaG). Nach Art. 30 HKaG erfolgt die mindestens drei Jahre dauernde (Abs. 2) Weiterbildung in den Gebieten und Teilgebieten in praktischer Berufstätigkeit und theoretischer Unterweisung (Abs. 1); sie ist ganztägig und in hauptberuflicher Stellung abzuleisten (Abs. 3). Für die Anerkennung als Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie ist etwa eine Weiterbildungszeit von 72 Monaten, davon 36 Monate in der stationären Basisweiterbildung im Gebiet Innere Medizin, bei einem Weiterbilder in einer zugelassenen Weiterbildungsstätte (§ 5 Abs. 1 Satz 2, § 6 BayWBO) vorgeschrieben. Die Weiterbildung ist grundsätzlich gemäß Art. 31 Abs. 1 Satz 1 HKaG unter verantwortlicher Leitung ermächtigter Ärzte in einem Universitätszentrum, einer Universitätsklinik oder in einer hierzu von der zuständigen Behörde oder Stelle zugelassenen Einrichtung der ärztlichen Versorgung durchzuführen. Wegen dieses zudem normativ vorgegebenen Rahmens für die ärztliche Weiterbildung zum Facharzt entfällt der Charakter als Fachausbildung im Sinn von § 46 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 SG nicht deshalb, weil sie aufgrund ihrer Besonderheiten in eine Berufstätigkeit eingebettet ist; denn sie erschöpft sich gerade nicht in der praktischen ärztlichen Berufstätigkeit und der Gewinnung von Berufserfahrung (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.1995 – 2 C 10.94 – BVerwGE 98, 187/191). Dass die Weiterbildung eines approbierten Arztes zum Facharzt nach den berufsrechtlichen Vorschriften für Ärzte nicht als ergänzende Ausbildung, sondern als Vervollkommnung des beruflichen Wissens oder als „praktische Anwendung ärztlicher Kenntnisse in der ambulanten, stationären und rehabilitativen Versorgung der Patienten“ (§ 1 Satz 2 BayWBO) angesehen wird, schließt es nicht aus, sie bei einem Berufssoldaten des Sanitätsdienstes als Fachausbildung im Sinne des Soldatenrechts zu werten (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.1982 – 6 C 3.81 – BVerwGE 65, 203/210).“
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Diesen Ausführungen, die für Soldaten bzw. Soldatinnen auf Zeit entsprechend gelten, schließt sich die Kammer an. Das schleswig-holsteinische Gesetz über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit für die Heilberufe (Heilberufekammergesetz - HBKG) vom 29. Februar 1996 (GVOBl. S. 248) und die Weiterbildungsordnungen der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 16. Oktober 1996 (für Innere Medizin) bzw. vom 25. Mai 2011 in der Fassung vom 19. Dezember 2012 enthalten den bayerischen Bestimmungen vergleichbare Vorschriften.
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Die in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides festgesetzte Zinsforderung hält einer rechtlichen Prüfung ebenfalls stand. Sie findet ihre Rechtsgrundlage unmittelbar in § 56 Abs. 4 Satz 3 SG. Das der Beklagten durch diese Vorschrift eingeräumte Ermessen berechtigt sie auch zur Erhebung von Stundungszinsen als Ausgleich für den Zinsverlust der aufgeschobenen Tilgung der Hauptforderung (VG Gießen, Urteil vom 04.09.1998, a.a.O.). Besondere Umstände, die ausnahmsweise für einen Fehlgebrauch des Ermessens sprechen könnten, hat die Klägerin nicht dargelegt und sind für das Gericht auch nicht ersichtlich. Die Höhe von 4 % ist im Verhältnis zu den auf dem Kapitalmarkt üblichen Soll- bzw. Kreditzinsen relativ niedrig bemessen. Die Anordnung, dass die Einziehung der Stundungszinsen erst nach Tilgung der Hauptforderung erfolgt, bewirkt zudem, dass nicht sofort eine aktuelle finanzielle Belastung eintritt (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.08.1996 - 12 A 2476/94 - zitiert nach juris).
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Die Enttäuschung der Klägerin über die Nichterfüllung bestimmter Erwartungen begründet keine „besondere Härte“ im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG (vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.08.1996 – 12 A 2476/94 –, juris). Das Gleiche gilt bezüglich der von der Klägerin genannten Auslandseinsätze der Bundeswehr. Diese gab es bereits lange vor der Verpflichtung der Klägerin. Sollte ihr zu Unrecht für eine bestimmte Behandlung die Gewährung von Beihilfe verweigert worden sein, hätte sie dagegen rechtlich vorgehen können.
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Schließlich ist die Forderung der Beklagten nicht verjährt. Der Anspruch des Bundes auf Erstattung der Ausbildungskosten verjährt gemäß § 195 BGB in drei Jahren (Scherer/ Alff/ Poretschkin, a.a.O., § 49 Rdnr. 12). Entstanden ist der Anspruch mit Ablauf des 31. Oktober 2008, als das Dienstverhältnis der Klägerin endete. Die Verjährungsfrist, die gemäß § 199 Abs. 1 BGB entspr. am 01. Januar 2009 begann, wurde rechtzeitig gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 VwVfG durch den Erlass des Leistungsbescheides vom 06. April 2011 gehemmt. Die Hemmung ist auch nicht, wie die Klägerin meint, gemäß § 204 Abs. 2 BGB durch „Nichtbetrieb“ entfallen. Selbst wenn die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs neben § 53 VwVfG Anwendung fänden, gilt jedenfalls § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht in amtswegigen Verfahren. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26.7.2012 - 2 C 34/11 - zitiert nach juris mit weit. Nachw.), der zu entnehmen ist, dass die aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes fehlende Verpflichtung der Beteiligten das Verfahren zu „betreiben“ Grund der fehlenden Anwendbarkeit von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB ist (OVG B-Stadt, a.a.O.).
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Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
- 50
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Mit der Beendigung seines Dienstverhältnisses durch Zeitablauf nach § 54 Abs. 1, durch Entlassung nach § 55 oder durch Verlust seiner Rechtsstellung als Soldat auf Zeit nach § 54 Abs. 2 Nr. 2 endet die Zugehörigkeit des Soldaten auf Zeit zur Bundeswehr.
(2) Mit der Entlassung entsprechend dem § 46 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 und 8 und nach § 55 Abs. 5 sowie mit dem Verlust seiner Rechtsstellung als Soldat auf Zeit verliert der Soldat seinen Dienstgrad.
(3) Nach dem Verlust seiner Rechtsstellung als Soldat auf Zeit und, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach der Entlassung hat der frühere Soldat auf Zeit keinen Anspruch auf Dienstbezüge und Versorgung mit Ausnahme der Beschädigtenversorgung.
(4) Ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war, muss die Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten, wenn er
- 1.
auf seinen Antrag entlassen worden ist oder als auf eigenen Antrag entlassen gilt, - 2.
seine Entlassung nach § 55 Absatz 4 vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, - 3.
nach § 55 Absatz 5 entlassen worden ist, - 4.
seine Rechtsstellung verloren hat oder - 5.
durch Urteil in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren aus dem Dienstverhältnis entfernt worden ist.
(1) Wird ein Beamter, Richter oder Soldat durch eine gesetzliche Änderung seiner Bezüge einschließlich der Einreihung seines Amtes in die Besoldungsgruppen der Besoldungsordnungen rückwirkend schlechter gestellt, so sind die Unterschiedsbeträge nicht zu erstatten.
(2) Im Übrigen regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden.
(3) Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tode des Beamten, Richters oder Soldaten auf ein Konto bei einem Geldinstitut überwiesen wurden, gelten als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle zurück zu überweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordert. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden.
(4) Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tode des Beamten, Richters oder Soldaten zu Unrecht erbracht worden sind, haben die Personen, die die Geldleistungen in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt haben, diesen Betrag der überweisenden Stelle zu erstatten, sofern er nicht nach Absatz 3 von dem Geldinstitut zurücküberwiesen wird. Ein Geldinstitut, das eine Rücküberweisung mit dem Hinweis abgelehnt hat, dass über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde, hat der überweisenden Stelle auf Verlangen Namen und Anschrift der Personen, die über den Betrag verfügt haben, und etwaiger neuer Kontoinhaber zu benennen. Ein Anspruch gegen die Erben bleibt unberührt.
Tenor
Der Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 10. September 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2013 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000 Euro vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger stand als Soldat auf Zeit, zuletzt mit dem Dienstgrad eines Stabsarztes, im Dienst der Beklagten. Durch schriftliche Erklärung vom 12. November 2000 verpflichtete er sich, 17 Jahre Wehrdienst zu leisten. Die Erklärung enthält außerdem das Einverständnis, als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen zu werden, sowie folgende Passage:
3„Im Übrigen ist mir bekannt, dass ich nach § 56 Abs. 4 des Soldatengesetzes verpflichtet bin, das Ausbildungsgeld, das ich während meiner Beurlaubung zum Studium erhalten habe, zurückzuzahlen, wenn ich
4a)aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit auf eigenen Antrag entlassen werde …“.
5Am 4. Januar 2001 wurde der Kläger unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Flieger (Besoldungsgruppe A 1 BBesO) ernannt.
6Durch Bescheid vom 10. November 2001, zugestellt am 4. Januar 2001, setzte das Personalamt der Bundeswehr (Personalamt) die Dienstzeit zunächst auf 4 Jahre fest. Durch Bescheid vom 21. Oktober 2003 wurde die Dienstzeit auf 17 Jahre festgesetzt (Dienstende: 31. Dezember 2017).
7Der Kläger wurde wie folgt befördert:
8Am 1. April 2001 zum Gefreiten (A 2),
9am 1. Juli 2001 zum Obergefreiten (A 3),
10am 2. Januar 2002 zum Fahnenjunker (A 5),
11am 2. Oktober 2002 zum Fähnrich (A 7),
12am 3. Juli 2003 zum Oberfähnrich (A 8 Z),
13am 1. Januar 2004 zum Leutnant (A 9),
14am 3. Dezember 2007 zum Stabsarzt (A 13).
15Durch Bescheid vom 31. Juli 2001 beurlaubte das Personalamt den Kläger für die Zeit vom 2. Oktober 2001 bis zum Ende des Studiums unter Fortfall der Geld- und Sachbezüge gemäß § 11 Soldatenurlaubsverordnung (SUV) zum Zweck des Medizinstudiums. In dem Bescheid heißt es u. a.: „Während der Beurlaubungszeit haben Sie Anspruch auf die Zahlung von Ausbildungsgeld …. . Bezüglich der eventuellen Erstattung des gewährten Ausbildungsgeldes verweise ich auf die anläßlich Ihrer Einstellung bzw. Übernahme durchgeführte Belehrung.“
16Unter dem 26. November 2007 erteilte die Bezirksregierung E. dem Kläger die Approbation als Arzt. Am 3. Dezember 2007 begann der Kläger seine Facharztausbildung als Anästhesist am Bundeswehrkrankenhaus L. .
17Am 15. September 2008 ernannte der Rektor der S. -Universität C1. den Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zum Akademischen Rat. Mit Wirkung vom 14. Dezember 2008 schied der Kläger aus dem Zeitbeamtenverhältnis aus; seitdem ist er als angestellter Assistenzarzt bei der C. Klinik beschäftigt. Die Facharztausbildung als Anästhesist schloss er im März 2013 ab. Durch Schreiben vom 23. Juni 2009 wies das Personalamt den Kläger darauf hin, dass er gemäß § 56 Abs. 4 SG zur Erstattung des gezahlten Ausbildungsgeldes und der entstandenen Fachausbildungskosten heranzuziehen sei, da er durch die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit gemäß § 125 BRRG mit Ablauf des 14. September 2008 aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen worden sei; die Entlassung gelte als eine solche auf eigenen Antrag. Im Schreiben vom 5. Juli 2010 bezifferte das Personalamt das Ausbildungsgeld mit 135.415,13 Euro und die Fachausbildungskosten mit 7.520,24 Euro. Der Kläger legte daraufhin die formularmäßige Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse vom 4. August 2010 vor. Die Ehefrau des Klägers war seit 2008 abgesehen von einer neunmonatigen geringfügigen Beschäftigung nicht erwerbstätig. Die beiden Kinder des Klägers wurden 2008 und 2010 geboren.
18Durch Bescheid vom 10. September 2010 forderte das Personalamt den Kläger zur Erstattung des Ausbildungsgeldes und der Fachausbildungskosten in Höhe von 142.935,37 Euro auf (Ziffer 1.), gewährte eine verzinsliche Stundung durch Einräumung von monatlichen Raten in Höhe von 220 Euro (Ziffer 2.) und setzte eine Verzinsung in Höhe von 4 vom Hundert ab 25. Oktober 2010 fest (Ziffer 3.). Gemäß Ziffer 4. des Bescheides wird die verzinsliche Stundung im Hinblick auf eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers jährlich überprüft. Zur Prüfung eines Härtefalles machte die Beklagte geltend, dass der Kläger erst nach Abschluss des Medizinstudiums ab dem 3. Dezember 2007 dem Dienstherrn zur Verfügung gestanden habe. Allerdings habe er sich seit dem 3. Dezember 2007 bis zu seinem Ausscheiden ausschließlich in der Facharztausbildung befunden. Deshalb habe er dem Dienstherrn zu keinem Zeitpunkt mit den erworbenen Kenntnissen uneingeschränkt zur Verfügung gestanden. Ein teilweiser Verzicht auf die Erstattung unter dem Aspekt einer geleisteten Abdienzeit komme somit nicht in Betracht. Auch aus anderen Gründen sei eine Reduzierung der Erstattung nicht geboten. Zwischen den durch die Ausbildung erlangten Vorteilen und dem Erstattungsbetrag bestehe kein Missverhältnis. Die Länge des Zeitraums, in dem voraussichtlich monatliche Raten zu zahlen seien, erfordere ebenfalls keine Reduzierung der Erstattung. Der besonderen Härte der grundsätzlich gebotenen sofortigen Erstattung in Höhe von 142.935,37 Euro werde durch die Stundung Rechnung getragen.
19Mit Schreiben vom 7. Oktober 2010 legte der Kläger Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Erstattungspflicht bestehe nicht, weil die Verpflichtungserklärung nicht wirksam sei. Eine Verpflichtungszeit von 17 Jahren sei verfassungswidrig; dies folge aus Art. 3 Abs. 1 GG. Bei Berufssoldaten bestehe gemäß § 46 Abs. 3 SG lediglich eine Bindung von 10 Jahren. Die Bindung von 17 Jahren für Zeitsoldaten stelle im Vergleich dazu eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Abgesehen davon verstoße eine derart lange Verpflichtungszeit gegen Art. 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG. Die Wirksamkeit einer Verpflichtung auf 17 Jahre unterstellt, sei jedenfalls die Erstattungsregelung des § 56 Abs. 4 Satz 1 und 2 SG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig. Im Übrigen sei der Bescheid ermessensfehlerhaft. Der Vergleich mit der für Berufssoldaten geltenden Frist von 10 Jahren müsse bei einer Verpflichtungszeit von 17 Jahren zu einer anteiligen Reduktion der Erstattung bei Zeitsoldaten führen. Schließlich liege eine besondere Härte in Form der wirtschaftlichen Knebelung vor. Denn die Rückzahlungsdauer erstrecke sich auf den gesamten Berufsweg des Klägers. Bei der vorgesehenen Monatsrate von 220 Euro betrage die Rückzahlungsdauer 54 Jahre. Die Stundung sei daher nicht geeignet, die besondere Härte abzuwenden.
20Durch Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2013, zugestellt am 11. Januar 2013, wies das Personalamt den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, die Rechtsprechung gebiete in Fällen wie dem vorliegenden weder eine Reduzierung des Erstattungsbetrages noch eine zeitliche Begrenzung der Ratenzahlungsverpflichtung. Der Kläger könne jederzeit den Erstattungsbetrag in Gänze zahlen oder zumindest höhere monatliche Raten zahlen. Dass ihm dies in Zukunft möglich sein werde, sei insbesondere mit Blick auf die hochwertige Ausbildung nicht unwahrscheinlich. Sonstige Gründe, an der Recht- und Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheides zu zweifeln, bestünden nicht.
21Der Kläger hat am 7. Februar 2013 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, die Zeit der Facharztausbildung vom 3. Dezember 2007 bis zum 14. September 2008 habe als Stehzeit bewertet werden und zur Reduktion der Erstattung führen müssen. Während dieser Zeit habe er seinem Dienstherrn vollumfänglich im Rahmen der zugewiesenen Aufgaben zur Verfügung gestanden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Fachrichtung, in der die Weiterbildung erfolgen solle, vorgebe. Schließlich könne die Facharztausbildung nicht abgeschlossen werden, weil die Beklagte sie nur im Umfang von drei Jahren zulasse, während die vorgeschriebene Ausbildungsdauer in allen Fachrichtungen mindestens fünf Jahre betrage. Die von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG geforderte Ermessensentscheidung habe die Beklagte auch im Widerspruchsbescheid nicht nachgeholt. Die persönlichen Kosten, die im Rahmen der Facharztausbildung entstanden seien, seien nicht erstattungspflichtig, weil sie auch ohne Fachausbildung entstanden wären. Alle Bundeswehrkrankenhäuser seien vom Wohnsitz des Klägers weiter entfernt als L. , so dass Reise-, Umzugs- und Trennungskosten ohnehin in demselben oder höheren Umfang angefallen wären.
22Der Kläger beantragt,
23den Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 10. September 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2013 aufzuheben.
24Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen ergänzend aus, die der Erstattung zu Grunde liegenden Vorschriften seien nicht verfassungswidrig. Die Dienstverhältnisse eines Zeitsoldaten und eines Berufssoldaten seien nicht vergleichbar. Die Facharztausbildung sei zutreffend nicht als Stehzeit berücksichtigt worden. In dieser Zeit sei der Kläger nicht zum normalen militärischen Dienst herangezogen worden. Wäre die Beklagte ihrem eigenen Interesse gefolgt, hätte sie ihn auch im Einsatz verwenden können. Zudem habe er einem Arzt unterstellt werden müssen, der eine Ausbildungserlaubnis der Landesärztekammer habe. Schließlich gebe die Ärztekammer auch vor, welche Ausbildungsinhalte in dem angestrebten Fachbereich vermittelt werden müssten. Die in Ansatz gebrachten persönlichen Kosten seien im Rahmen der Facharztausbildung angefallen; ob sie auch bei einem anderen Dienstverlauf entstanden wären, sei nicht relevant.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Personalakte des Klägers und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Klage ist begründet.
30Der Bescheid vom 10. September 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist unter dem Gesichtspunkt der besonderen Härte rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31Der Kläger ist nach § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SG grundsätzlich verpflichtet, das Ausbildungsgeld und die Kosten der Fachausbildung zu erstatten, weil er durch die Ernennung zum Zeitbeamten als auf eigenen Antrag aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit entlassen gilt (§ 125 BRRG a. F., nunmehr § 55 Abs. 1 SG in Verbindung mit § 46 Abs. 3a SG). Die Höhe des Erstattungsbetrages von 142.935,37 Euro ist vom Kläger rechnerisch nicht beanstandet worden.
32Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit – insbesondere im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG – der Regelungen über die Verpflichtungszeit, die Entlassung und die Kostenerstattung: BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 – 2 BvL 51/71 – BVerfGE 39, 128 und juris; BVerwG, Urteil vom 21. April 1982 – 6 C 3.81 - juris; Beschluss vom 22. Juli 1999 – 1 WB 12.99 – juris; OVG NRW, Urteile vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 – juris, und vom 30. September 1999 – 12 A 1828/98 – juris; VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 – 5 K 785/11.GI – juris; Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Auflage,§ 56 SG, Rn. 17.
33Nach der für Zeitsoldaten geltenden Regelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG (vgl. für Berufssoldaten § 49 Abs. 4 Satz 3 SG) kann auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Diese Koppelungsvorschrift setzt als Tatbestandsmerkmal das Vorliegen einer atypischen besonderen Härte voraus. Wenn eine solche Härte gegeben ist, muss sich eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn anschließen.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 – VI C 135.74 - BVerwGE 52, 84, 93.
35Für den Kläger bedeutet die durch den angefochtenen Bescheid ihm auferlegte Erstattungspflicht eine besondere Härte. In der vorliegenden Konstellation bedarf es keiner Klärung, in welchem Verhältnis die Gründe, die eine besondere Härte bei der Entlassung eines Zeitsoldaten gemäß § 55 Abs. 3 SG ausmachen können, zu der besonderen Härte bei der Erstattungspflicht des § 56 Abs. 4 SG stehen.
36Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. August 1996– 12 A 2476/94 - und vom 30. September 1999- 12 A 1828/98 - juris; Walz/Eichen/Sohm, § 56 SG,Rn. 22.
37Für den Fall der Entlassung wegen einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ist es anerkannt, dass dieser Entlassungsgrund, der wegen Art. 4 Abs. 3 GG eine besondere Härte im Sinn von § 55 Abs. 3 SG darstellt, zugleich eine besondere Härte im Sinn des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG begründet. In dieser Konstellation ist § 56 Abs. 4 Satz 3 SG verfassungskonform (Art. 4 Abs. 3 GG) dahin auszulegen, dass die Erstattungspflicht eine besondere Härte darstellt, die zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten zwingt.
38BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 18.05 – juris, Scherer/Alf/Poretschkin, Soldatengesetz, 9. Auflage, § 49 SG, Rn. 10.
39Beim Kläger liegt eine besondere Härte im Sinne des § 55 Abs. 3 SG nicht vor. Er selbst hat eine derartige Härte, die seine Entlassung rechtfertigen könnte, nicht geltend gemacht und für eine solche Härte ist auch nichts ersichtlich. Der Übertritt in das Beamtenverhältnis auf Zeit und der kurz darauf folgende Wechsel in das Angestelltenverhältnis stellen sich vielmehr als eine aus allgemeinen beruflichen und wirtschaftlichen Gründen motivierte Entscheidung dar, die keine Atypik aufweist.
40Bei dem Kläger liegt in Bezug auf die Erstattungspflicht eine besondere Härte im Sinn des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vor. Unabhängig von eventuellen Härtegründen, die sich aus den Entlassungsumständen - etwa demjenigen der Kriegsdienstverweigerung - ergeben, kann eine besondere Härte durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Zeitsoldaten begründet sein. Die Erstattung darf die wirtschaftliche Existenz des früheren Soldaten nicht gefährden. Sie darf ihn auch nicht in eine wirtschaftliche Notlage bringen und keine dauerhafte wirtschaftliche Knebelung bedeuten. Derartigen Gefahren kann durch eine sachgerechte Anwendung der Härteklausel, die die soziale Lage und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des früheren Soldaten berücksichtigt, begegnet werden. In der Regel kann auch bei einer hohen Erstattungspflicht einer besonderen Härte dadurch abgeholfen werden, dass dem früheren Soldaten Stundung und Ratenzahlung bewilligt werden. Bei der Gewährung von Ratenzahlungen darf die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des ehemaligen Soldaten andauern, sondern sie muss zeitlich begrenzt sein; diese zeitliche Begrenzung muss bereits im ersten Leistungsbescheid selbst geregelt sein. Denn bereits der Ausgangsbescheid muss das Problem der besonderen Härte bewältigen. Dies gebieten sowohl der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), der einen Verweis auf spätere Möglichkeiten des Wiederaufgreifens (§ 51 VwVfG) nicht zulässt, als auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 31 Abs. 1 SG).
41Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 – 2 BvL 51/71 – juris, Rn. 49; BVerwG, Urteile vom 30. März 2006– 2 C 18 und 19.05 – juris, Rn. 24; OVG NRW, Urteil vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 – juris; Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, § 56 SG, Rn. 23.
42Diesen Grundsätzen zur Vermeidung einer besonderen Härte aus wirtschaftlichen Gründen kann die Beklagte in der Regel dadurch entsprechen, dass sie die Verpflichtung zur Zahlung der Tilgungsraten auf einen Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenalter (§ 35 SGB VI) begrenzt. Auch unter Berücksichtigung der nach diesem Zeitraum noch zu zahlenden Stundungszinsen ist dann gewährleistet, dass die Zahlungspflicht – entsprechend der Anforderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – nicht während des gesamten weiteren Berufslebens andauert, sondern deutlich vor der Vollendung des 67. Lebensjahres endet. Diese zeitliche Grenze trägt dem Umstand Rechnung, dass das Einkommen in der letzten Phase des Berufslebens – möglicherweise anders als in den früheren Phasen – nicht mehr stetig steigt, sondern wegen etwa gesundheitlich bedingter Einschränkungen der Leistungsfähigkeit oder wegen der Inanspruchnahme von Altersteilzeitmodellen sogar sinkt. Außerdem kann sich der verfügbare Teil des Einkommens dadurch verringern, dass der ehemalige Soldat Vorsorge für die eigene Alterssicherung trifft.
43Eine in dieser Weise festgelegte zeitliche Grenze der Tilgungsraten gewährleistet einerseits die Vermeidung einer besonderen Härte auf der Klägerseite und ist andererseits im Interesse der Beklagten flexibel genug, um bei deutlich steigendem Einkommen des ehemaligen Zeitsoldaten eine vollständige Erstattung der gesamten Ausbildungskosten zuzüglich Stundungszinsen herbeizuführen. Wenn die Beklagte die von ihr gewünschte jährliche Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Zeitsoldaten vornimmt und dieser seiner Pflicht zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben – jedenfalls nach Bestandskraft eines entsprechenden Bescheides – nachkommt, kann die Beklagte die monatlichen Tilgungsraten unter Berücksichtigung der verbesserten wirtschaftlichen Lage des ehemaligen Zeitsoldaten gegebenenfalls derart höher festsetzen, dass der gesamte Erstattungsbetrag vor Ablauf des vorgenannten Zweidrittelzeitraumes geleistet ist.
44Der angegriffene Bescheid entspricht mit seinen vier Teilregelungen nicht den vorstehenden Grundsätzen zur Vermeidung einer besonderen wirtschaftlichen Härte des Klägers. Bei einer unveränderten Höhe der festgesetzten Monatsraten von 220 Euro würde sich die Zahlungspflicht betreffend allein die Tilgungsraten auf knapp 54 Jahre erstrecken. Der Kläger wäre dann – bei Zahlungsbeginn im Alter von knapp 29 Jahren - 83 Jahre alt.
45Hinzu kämen die Stundungszinsen. Die Höhe der auf 4 v. H. festgelegten Stundungszinsen führt dazu, dass in der ersten – viele Jahre dauernden - Phase der Tilgung der gesamte geschuldete Betrag aus Restschuld und Stundungszinsen trotz Erbringen der Tilgungsraten noch steigt. Einer jährlichen Tilgung von 2.640 Euro (12 x 220 Euro) stehen in den ersten Jahren Stundungszinsen in der Größenordnung von etwa 5.500 Euro jährlich gegenüber (4 % von 142.935,37 Euro abzüglich jeweils 2.640 Euro jährliche Tilgung in den Folgejahren). Hinzu kommt, dass der – in anderen wirtschaftlichen Zeiten und Zusammenhängen durchaus rechtmäßige - Zinssatz von 4 %,
46vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. August 1996– 12 A 2476/94 – juris, Rn. 18,
47der derzeitigen Marktlage nicht entspricht.
48Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 206 vom 5. September 2014, Seite 28: z. B. durch Hypotheken abgesicherte Darlehn für unter 2 % Zinsen.
49Der aus wirtschaftlichen Gründen folgenden besonderen Härte kann allein durch eine Aufhebung der Verzinsungsregelung in Ziffer 3. des Bescheides nicht abgeholfen werden. Die Dauer der Tilgungsratenzahlung stünde immer noch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Vorbehalt der jährlichen Überprüfung in Ziffer 4. des Bescheides kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht herstellen. Bereits der ursprüngliche Leistungsbescheid muss das Problem der besonderen wirtschaftlichen Härte im Wesentlichen bewältigen. Deshalb bleibt nur die Aufhebung des gesamten Bescheides.
50Da der Bescheid vom 10. September 2010 sich bereits unter dem Aspekt der aus wirtschaftlichen Gründen gegebenen besonderen Härte als rechtswidrig erweist, bedarf es keiner Entscheidung im vorliegenden Verfahren, ob nicht nur das während des Medizinstudiums gezahlte Ausbildungsgeld, sondern auch die Kosten der Facharztausbildung in Höhe von 7.520,24 Euro erstattungspflichtig sind; entsprechendes gilt für die Frage, ob die Zeit der Facharztausbildung als „Abdienzeit“ im Rahmen der Härtefallprüfung berücksichtigungsfähig ist.
51Vgl. zu dieser Frage: BVerwG, Beschluss vom28. September 1983 – 6 B 13.83 – juris; Urteil vom21. April 1982 – 6 C 3.81 – juris, Rn. 26; OVG NRW, Urteil vom 30. September 1999 – 12 A 1828/98 – juris, Rn. 27 und 48; VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 – 5 K 785/11. GI – juris Rn. 28 ff.; a. A. VG Ansbach, Urteil vom 22. November 2011 – AN 15 K 11.00904 – juris, Rn. 42.
52Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.
Versicherte haben Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie
- 1.
die Regelaltersgrenze erreicht und - 2.
die allgemeine Wartezeit erfüllt
Tenor
Der Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 10. September 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2013 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000 Euro vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger stand als Soldat auf Zeit, zuletzt mit dem Dienstgrad eines Stabsarztes, im Dienst der Beklagten. Durch schriftliche Erklärung vom 12. November 2000 verpflichtete er sich, 17 Jahre Wehrdienst zu leisten. Die Erklärung enthält außerdem das Einverständnis, als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen zu werden, sowie folgende Passage:
3„Im Übrigen ist mir bekannt, dass ich nach § 56 Abs. 4 des Soldatengesetzes verpflichtet bin, das Ausbildungsgeld, das ich während meiner Beurlaubung zum Studium erhalten habe, zurückzuzahlen, wenn ich
4a)aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit auf eigenen Antrag entlassen werde …“.
5Am 4. Januar 2001 wurde der Kläger unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Flieger (Besoldungsgruppe A 1 BBesO) ernannt.
6Durch Bescheid vom 10. November 2001, zugestellt am 4. Januar 2001, setzte das Personalamt der Bundeswehr (Personalamt) die Dienstzeit zunächst auf 4 Jahre fest. Durch Bescheid vom 21. Oktober 2003 wurde die Dienstzeit auf 17 Jahre festgesetzt (Dienstende: 31. Dezember 2017).
7Der Kläger wurde wie folgt befördert:
8Am 1. April 2001 zum Gefreiten (A 2),
9am 1. Juli 2001 zum Obergefreiten (A 3),
10am 2. Januar 2002 zum Fahnenjunker (A 5),
11am 2. Oktober 2002 zum Fähnrich (A 7),
12am 3. Juli 2003 zum Oberfähnrich (A 8 Z),
13am 1. Januar 2004 zum Leutnant (A 9),
14am 3. Dezember 2007 zum Stabsarzt (A 13).
15Durch Bescheid vom 31. Juli 2001 beurlaubte das Personalamt den Kläger für die Zeit vom 2. Oktober 2001 bis zum Ende des Studiums unter Fortfall der Geld- und Sachbezüge gemäß § 11 Soldatenurlaubsverordnung (SUV) zum Zweck des Medizinstudiums. In dem Bescheid heißt es u. a.: „Während der Beurlaubungszeit haben Sie Anspruch auf die Zahlung von Ausbildungsgeld …. . Bezüglich der eventuellen Erstattung des gewährten Ausbildungsgeldes verweise ich auf die anläßlich Ihrer Einstellung bzw. Übernahme durchgeführte Belehrung.“
16Unter dem 26. November 2007 erteilte die Bezirksregierung E. dem Kläger die Approbation als Arzt. Am 3. Dezember 2007 begann der Kläger seine Facharztausbildung als Anästhesist am Bundeswehrkrankenhaus L. .
17Am 15. September 2008 ernannte der Rektor der S. -Universität C1. den Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zum Akademischen Rat. Mit Wirkung vom 14. Dezember 2008 schied der Kläger aus dem Zeitbeamtenverhältnis aus; seitdem ist er als angestellter Assistenzarzt bei der C. Klinik beschäftigt. Die Facharztausbildung als Anästhesist schloss er im März 2013 ab. Durch Schreiben vom 23. Juni 2009 wies das Personalamt den Kläger darauf hin, dass er gemäß § 56 Abs. 4 SG zur Erstattung des gezahlten Ausbildungsgeldes und der entstandenen Fachausbildungskosten heranzuziehen sei, da er durch die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit gemäß § 125 BRRG mit Ablauf des 14. September 2008 aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen worden sei; die Entlassung gelte als eine solche auf eigenen Antrag. Im Schreiben vom 5. Juli 2010 bezifferte das Personalamt das Ausbildungsgeld mit 135.415,13 Euro und die Fachausbildungskosten mit 7.520,24 Euro. Der Kläger legte daraufhin die formularmäßige Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse vom 4. August 2010 vor. Die Ehefrau des Klägers war seit 2008 abgesehen von einer neunmonatigen geringfügigen Beschäftigung nicht erwerbstätig. Die beiden Kinder des Klägers wurden 2008 und 2010 geboren.
18Durch Bescheid vom 10. September 2010 forderte das Personalamt den Kläger zur Erstattung des Ausbildungsgeldes und der Fachausbildungskosten in Höhe von 142.935,37 Euro auf (Ziffer 1.), gewährte eine verzinsliche Stundung durch Einräumung von monatlichen Raten in Höhe von 220 Euro (Ziffer 2.) und setzte eine Verzinsung in Höhe von 4 vom Hundert ab 25. Oktober 2010 fest (Ziffer 3.). Gemäß Ziffer 4. des Bescheides wird die verzinsliche Stundung im Hinblick auf eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers jährlich überprüft. Zur Prüfung eines Härtefalles machte die Beklagte geltend, dass der Kläger erst nach Abschluss des Medizinstudiums ab dem 3. Dezember 2007 dem Dienstherrn zur Verfügung gestanden habe. Allerdings habe er sich seit dem 3. Dezember 2007 bis zu seinem Ausscheiden ausschließlich in der Facharztausbildung befunden. Deshalb habe er dem Dienstherrn zu keinem Zeitpunkt mit den erworbenen Kenntnissen uneingeschränkt zur Verfügung gestanden. Ein teilweiser Verzicht auf die Erstattung unter dem Aspekt einer geleisteten Abdienzeit komme somit nicht in Betracht. Auch aus anderen Gründen sei eine Reduzierung der Erstattung nicht geboten. Zwischen den durch die Ausbildung erlangten Vorteilen und dem Erstattungsbetrag bestehe kein Missverhältnis. Die Länge des Zeitraums, in dem voraussichtlich monatliche Raten zu zahlen seien, erfordere ebenfalls keine Reduzierung der Erstattung. Der besonderen Härte der grundsätzlich gebotenen sofortigen Erstattung in Höhe von 142.935,37 Euro werde durch die Stundung Rechnung getragen.
19Mit Schreiben vom 7. Oktober 2010 legte der Kläger Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Erstattungspflicht bestehe nicht, weil die Verpflichtungserklärung nicht wirksam sei. Eine Verpflichtungszeit von 17 Jahren sei verfassungswidrig; dies folge aus Art. 3 Abs. 1 GG. Bei Berufssoldaten bestehe gemäß § 46 Abs. 3 SG lediglich eine Bindung von 10 Jahren. Die Bindung von 17 Jahren für Zeitsoldaten stelle im Vergleich dazu eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Abgesehen davon verstoße eine derart lange Verpflichtungszeit gegen Art. 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG. Die Wirksamkeit einer Verpflichtung auf 17 Jahre unterstellt, sei jedenfalls die Erstattungsregelung des § 56 Abs. 4 Satz 1 und 2 SG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig. Im Übrigen sei der Bescheid ermessensfehlerhaft. Der Vergleich mit der für Berufssoldaten geltenden Frist von 10 Jahren müsse bei einer Verpflichtungszeit von 17 Jahren zu einer anteiligen Reduktion der Erstattung bei Zeitsoldaten führen. Schließlich liege eine besondere Härte in Form der wirtschaftlichen Knebelung vor. Denn die Rückzahlungsdauer erstrecke sich auf den gesamten Berufsweg des Klägers. Bei der vorgesehenen Monatsrate von 220 Euro betrage die Rückzahlungsdauer 54 Jahre. Die Stundung sei daher nicht geeignet, die besondere Härte abzuwenden.
20Durch Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2013, zugestellt am 11. Januar 2013, wies das Personalamt den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, die Rechtsprechung gebiete in Fällen wie dem vorliegenden weder eine Reduzierung des Erstattungsbetrages noch eine zeitliche Begrenzung der Ratenzahlungsverpflichtung. Der Kläger könne jederzeit den Erstattungsbetrag in Gänze zahlen oder zumindest höhere monatliche Raten zahlen. Dass ihm dies in Zukunft möglich sein werde, sei insbesondere mit Blick auf die hochwertige Ausbildung nicht unwahrscheinlich. Sonstige Gründe, an der Recht- und Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheides zu zweifeln, bestünden nicht.
21Der Kläger hat am 7. Februar 2013 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, die Zeit der Facharztausbildung vom 3. Dezember 2007 bis zum 14. September 2008 habe als Stehzeit bewertet werden und zur Reduktion der Erstattung führen müssen. Während dieser Zeit habe er seinem Dienstherrn vollumfänglich im Rahmen der zugewiesenen Aufgaben zur Verfügung gestanden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Fachrichtung, in der die Weiterbildung erfolgen solle, vorgebe. Schließlich könne die Facharztausbildung nicht abgeschlossen werden, weil die Beklagte sie nur im Umfang von drei Jahren zulasse, während die vorgeschriebene Ausbildungsdauer in allen Fachrichtungen mindestens fünf Jahre betrage. Die von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG geforderte Ermessensentscheidung habe die Beklagte auch im Widerspruchsbescheid nicht nachgeholt. Die persönlichen Kosten, die im Rahmen der Facharztausbildung entstanden seien, seien nicht erstattungspflichtig, weil sie auch ohne Fachausbildung entstanden wären. Alle Bundeswehrkrankenhäuser seien vom Wohnsitz des Klägers weiter entfernt als L. , so dass Reise-, Umzugs- und Trennungskosten ohnehin in demselben oder höheren Umfang angefallen wären.
22Der Kläger beantragt,
23den Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 10. September 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2013 aufzuheben.
24Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen ergänzend aus, die der Erstattung zu Grunde liegenden Vorschriften seien nicht verfassungswidrig. Die Dienstverhältnisse eines Zeitsoldaten und eines Berufssoldaten seien nicht vergleichbar. Die Facharztausbildung sei zutreffend nicht als Stehzeit berücksichtigt worden. In dieser Zeit sei der Kläger nicht zum normalen militärischen Dienst herangezogen worden. Wäre die Beklagte ihrem eigenen Interesse gefolgt, hätte sie ihn auch im Einsatz verwenden können. Zudem habe er einem Arzt unterstellt werden müssen, der eine Ausbildungserlaubnis der Landesärztekammer habe. Schließlich gebe die Ärztekammer auch vor, welche Ausbildungsinhalte in dem angestrebten Fachbereich vermittelt werden müssten. Die in Ansatz gebrachten persönlichen Kosten seien im Rahmen der Facharztausbildung angefallen; ob sie auch bei einem anderen Dienstverlauf entstanden wären, sei nicht relevant.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Personalakte des Klägers und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Klage ist begründet.
30Der Bescheid vom 10. September 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist unter dem Gesichtspunkt der besonderen Härte rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31Der Kläger ist nach § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SG grundsätzlich verpflichtet, das Ausbildungsgeld und die Kosten der Fachausbildung zu erstatten, weil er durch die Ernennung zum Zeitbeamten als auf eigenen Antrag aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit entlassen gilt (§ 125 BRRG a. F., nunmehr § 55 Abs. 1 SG in Verbindung mit § 46 Abs. 3a SG). Die Höhe des Erstattungsbetrages von 142.935,37 Euro ist vom Kläger rechnerisch nicht beanstandet worden.
32Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit – insbesondere im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG – der Regelungen über die Verpflichtungszeit, die Entlassung und die Kostenerstattung: BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 – 2 BvL 51/71 – BVerfGE 39, 128 und juris; BVerwG, Urteil vom 21. April 1982 – 6 C 3.81 - juris; Beschluss vom 22. Juli 1999 – 1 WB 12.99 – juris; OVG NRW, Urteile vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 – juris, und vom 30. September 1999 – 12 A 1828/98 – juris; VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 – 5 K 785/11.GI – juris; Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Auflage,§ 56 SG, Rn. 17.
33Nach der für Zeitsoldaten geltenden Regelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG (vgl. für Berufssoldaten § 49 Abs. 4 Satz 3 SG) kann auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Diese Koppelungsvorschrift setzt als Tatbestandsmerkmal das Vorliegen einer atypischen besonderen Härte voraus. Wenn eine solche Härte gegeben ist, muss sich eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn anschließen.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 – VI C 135.74 - BVerwGE 52, 84, 93.
35Für den Kläger bedeutet die durch den angefochtenen Bescheid ihm auferlegte Erstattungspflicht eine besondere Härte. In der vorliegenden Konstellation bedarf es keiner Klärung, in welchem Verhältnis die Gründe, die eine besondere Härte bei der Entlassung eines Zeitsoldaten gemäß § 55 Abs. 3 SG ausmachen können, zu der besonderen Härte bei der Erstattungspflicht des § 56 Abs. 4 SG stehen.
36Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. August 1996– 12 A 2476/94 - und vom 30. September 1999- 12 A 1828/98 - juris; Walz/Eichen/Sohm, § 56 SG,Rn. 22.
37Für den Fall der Entlassung wegen einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ist es anerkannt, dass dieser Entlassungsgrund, der wegen Art. 4 Abs. 3 GG eine besondere Härte im Sinn von § 55 Abs. 3 SG darstellt, zugleich eine besondere Härte im Sinn des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG begründet. In dieser Konstellation ist § 56 Abs. 4 Satz 3 SG verfassungskonform (Art. 4 Abs. 3 GG) dahin auszulegen, dass die Erstattungspflicht eine besondere Härte darstellt, die zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten zwingt.
38BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 18.05 – juris, Scherer/Alf/Poretschkin, Soldatengesetz, 9. Auflage, § 49 SG, Rn. 10.
39Beim Kläger liegt eine besondere Härte im Sinne des § 55 Abs. 3 SG nicht vor. Er selbst hat eine derartige Härte, die seine Entlassung rechtfertigen könnte, nicht geltend gemacht und für eine solche Härte ist auch nichts ersichtlich. Der Übertritt in das Beamtenverhältnis auf Zeit und der kurz darauf folgende Wechsel in das Angestelltenverhältnis stellen sich vielmehr als eine aus allgemeinen beruflichen und wirtschaftlichen Gründen motivierte Entscheidung dar, die keine Atypik aufweist.
40Bei dem Kläger liegt in Bezug auf die Erstattungspflicht eine besondere Härte im Sinn des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vor. Unabhängig von eventuellen Härtegründen, die sich aus den Entlassungsumständen - etwa demjenigen der Kriegsdienstverweigerung - ergeben, kann eine besondere Härte durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Zeitsoldaten begründet sein. Die Erstattung darf die wirtschaftliche Existenz des früheren Soldaten nicht gefährden. Sie darf ihn auch nicht in eine wirtschaftliche Notlage bringen und keine dauerhafte wirtschaftliche Knebelung bedeuten. Derartigen Gefahren kann durch eine sachgerechte Anwendung der Härteklausel, die die soziale Lage und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des früheren Soldaten berücksichtigt, begegnet werden. In der Regel kann auch bei einer hohen Erstattungspflicht einer besonderen Härte dadurch abgeholfen werden, dass dem früheren Soldaten Stundung und Ratenzahlung bewilligt werden. Bei der Gewährung von Ratenzahlungen darf die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des ehemaligen Soldaten andauern, sondern sie muss zeitlich begrenzt sein; diese zeitliche Begrenzung muss bereits im ersten Leistungsbescheid selbst geregelt sein. Denn bereits der Ausgangsbescheid muss das Problem der besonderen Härte bewältigen. Dies gebieten sowohl der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), der einen Verweis auf spätere Möglichkeiten des Wiederaufgreifens (§ 51 VwVfG) nicht zulässt, als auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 31 Abs. 1 SG).
41Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 – 2 BvL 51/71 – juris, Rn. 49; BVerwG, Urteile vom 30. März 2006– 2 C 18 und 19.05 – juris, Rn. 24; OVG NRW, Urteil vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 – juris; Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, § 56 SG, Rn. 23.
42Diesen Grundsätzen zur Vermeidung einer besonderen Härte aus wirtschaftlichen Gründen kann die Beklagte in der Regel dadurch entsprechen, dass sie die Verpflichtung zur Zahlung der Tilgungsraten auf einen Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenalter (§ 35 SGB VI) begrenzt. Auch unter Berücksichtigung der nach diesem Zeitraum noch zu zahlenden Stundungszinsen ist dann gewährleistet, dass die Zahlungspflicht – entsprechend der Anforderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – nicht während des gesamten weiteren Berufslebens andauert, sondern deutlich vor der Vollendung des 67. Lebensjahres endet. Diese zeitliche Grenze trägt dem Umstand Rechnung, dass das Einkommen in der letzten Phase des Berufslebens – möglicherweise anders als in den früheren Phasen – nicht mehr stetig steigt, sondern wegen etwa gesundheitlich bedingter Einschränkungen der Leistungsfähigkeit oder wegen der Inanspruchnahme von Altersteilzeitmodellen sogar sinkt. Außerdem kann sich der verfügbare Teil des Einkommens dadurch verringern, dass der ehemalige Soldat Vorsorge für die eigene Alterssicherung trifft.
43Eine in dieser Weise festgelegte zeitliche Grenze der Tilgungsraten gewährleistet einerseits die Vermeidung einer besonderen Härte auf der Klägerseite und ist andererseits im Interesse der Beklagten flexibel genug, um bei deutlich steigendem Einkommen des ehemaligen Zeitsoldaten eine vollständige Erstattung der gesamten Ausbildungskosten zuzüglich Stundungszinsen herbeizuführen. Wenn die Beklagte die von ihr gewünschte jährliche Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Zeitsoldaten vornimmt und dieser seiner Pflicht zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben – jedenfalls nach Bestandskraft eines entsprechenden Bescheides – nachkommt, kann die Beklagte die monatlichen Tilgungsraten unter Berücksichtigung der verbesserten wirtschaftlichen Lage des ehemaligen Zeitsoldaten gegebenenfalls derart höher festsetzen, dass der gesamte Erstattungsbetrag vor Ablauf des vorgenannten Zweidrittelzeitraumes geleistet ist.
44Der angegriffene Bescheid entspricht mit seinen vier Teilregelungen nicht den vorstehenden Grundsätzen zur Vermeidung einer besonderen wirtschaftlichen Härte des Klägers. Bei einer unveränderten Höhe der festgesetzten Monatsraten von 220 Euro würde sich die Zahlungspflicht betreffend allein die Tilgungsraten auf knapp 54 Jahre erstrecken. Der Kläger wäre dann – bei Zahlungsbeginn im Alter von knapp 29 Jahren - 83 Jahre alt.
45Hinzu kämen die Stundungszinsen. Die Höhe der auf 4 v. H. festgelegten Stundungszinsen führt dazu, dass in der ersten – viele Jahre dauernden - Phase der Tilgung der gesamte geschuldete Betrag aus Restschuld und Stundungszinsen trotz Erbringen der Tilgungsraten noch steigt. Einer jährlichen Tilgung von 2.640 Euro (12 x 220 Euro) stehen in den ersten Jahren Stundungszinsen in der Größenordnung von etwa 5.500 Euro jährlich gegenüber (4 % von 142.935,37 Euro abzüglich jeweils 2.640 Euro jährliche Tilgung in den Folgejahren). Hinzu kommt, dass der – in anderen wirtschaftlichen Zeiten und Zusammenhängen durchaus rechtmäßige - Zinssatz von 4 %,
46vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. August 1996– 12 A 2476/94 – juris, Rn. 18,
47der derzeitigen Marktlage nicht entspricht.
48Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 206 vom 5. September 2014, Seite 28: z. B. durch Hypotheken abgesicherte Darlehn für unter 2 % Zinsen.
49Der aus wirtschaftlichen Gründen folgenden besonderen Härte kann allein durch eine Aufhebung der Verzinsungsregelung in Ziffer 3. des Bescheides nicht abgeholfen werden. Die Dauer der Tilgungsratenzahlung stünde immer noch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Vorbehalt der jährlichen Überprüfung in Ziffer 4. des Bescheides kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht herstellen. Bereits der ursprüngliche Leistungsbescheid muss das Problem der besonderen wirtschaftlichen Härte im Wesentlichen bewältigen. Deshalb bleibt nur die Aufhebung des gesamten Bescheides.
50Da der Bescheid vom 10. September 2010 sich bereits unter dem Aspekt der aus wirtschaftlichen Gründen gegebenen besonderen Härte als rechtswidrig erweist, bedarf es keiner Entscheidung im vorliegenden Verfahren, ob nicht nur das während des Medizinstudiums gezahlte Ausbildungsgeld, sondern auch die Kosten der Facharztausbildung in Höhe von 7.520,24 Euro erstattungspflichtig sind; entsprechendes gilt für die Frage, ob die Zeit der Facharztausbildung als „Abdienzeit“ im Rahmen der Härtefallprüfung berücksichtigungsfähig ist.
51Vgl. zu dieser Frage: BVerwG, Beschluss vom28. September 1983 – 6 B 13.83 – juris; Urteil vom21. April 1982 – 6 C 3.81 – juris, Rn. 26; OVG NRW, Urteil vom 30. September 1999 – 12 A 1828/98 – juris, Rn. 27 und 48; VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 – 5 K 785/11. GI – juris Rn. 28 ff.; a. A. VG Ansbach, Urteil vom 22. November 2011 – AN 15 K 11.00904 – juris, Rn. 42.
52Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.
Tenor
Ziffer 3. des Bescheides des Personalamtes der Bundeswehr vom 17. November 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 21. November 2012 werden aufgehoben, soweit Stundungszinsen von mehr als 1,5 vom Hundert festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 20. Februar 1979 geborene Kläger stand als Soldat auf Zeit, zuletzt mit dem Dienstgrad eines Stabsarztes, im Dienst der Beklagten. Am 1. Oktober 1998 trat er als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr ein. Durch schriftliche Erklärung vom 4. Juni 1999 verpflichtete er sich, 18 Jahre Wehrdienst zu leisten. Die Erklärung enthält außerdem das Einverständnis, als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen zu werden, sowie folgende Passage:
3„Im Übrigen ist mir bekannt, dass ich nach § 56 Abs. 4 des Soldatengesetzes verpflichtet bin, das Ausbildungsgeld, das ich während meiner Beurlaubung zum Studium erhalten habe, zurückzuzahlen, wenn ich
4a) aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit auf eigenen Antrag entlassen werde …“.
5Durch Urkunde vom 10. Juni 1999 wurde der Kläger in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Durch Bescheid vom 10. Juni 1999 setzte das Personalamt der Bundeswehr (Personalamt) die Dienstzeit zunächst auf 5 Jahre fest. Durch Bescheid vom 17. April 2002 wurde die Dienstzeit auf 18 Jahre festgesetzt (Dienstende: 30. September 2016).
6Der Kläger wurde wie folgt befördert:
7Am 1. Januar 1999 zum Gefreiten,
8am 1. April 1999 zum Obergefreiten (A 3),
9am 1. Oktober 1999 zum Seekadett (A 5),
10am 1. Juli 2000 zum Fähnrich zur See (A 7),
11am 1. April 2002 zum Oberfähnrich zur See (A 8 Z),
12am 1. Mai 2004 zum Leutnant zur See (A 9),
13am 31. Mai 2006 zum Stabsarzt (A 13).
14Durch Bescheid vom 25. Februar 2000 beurlaubte das Personalamt den Kläger für die Zeit vom 4. April 2000 zum Studium der Medizin unter Fortfall der Geld- und Sachbezüge gemäß § 11 Soldatenurlaubsverordnung (SUV). In dem Bescheid heißt es u. a.: „Während der Beurlaubungszeit haben Sie Anspruch auf die Zahlung von Ausbildungsgeld …. . Bezüglich der eventuellen Erstattung des gewährten Ausbildungsgeldes verweise ich auf die anläßlich Ihrer Einstellung bzw. Übernahme durchgeführte Belehrung.“
15Unter dem 17. Mai 2006 erteilte das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz dem Kläger die Approbation als Arzt. Am 31. Mai 2006 begann der Kläger seine Facharztausbildung als Internist am Bundeswehrkrankenhaus V. . Am 1. Juni 2008 wurde er an das Sanitätszentrum W. versetzt.
16Am 15. Oktober 2008 ernannte der Rektor der Universität Duisburg-Essen den Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zum Akademischen Rat. Seit Februar 2012 war der Kläger beurlaubt, um als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der University of D. T. E. (USA) tätig zu sein.
17Durch Schreiben vom 11. Mai 2009 wies das Personalamt den Kläger darauf hin, dass er gemäß § 56 Abs. 4 SG zur Erstattung des gezahlten Ausbildungsgeldes und der entstandenen Fachausbildungskosten heranzuziehen sei, da er durch die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit gemäß § 125 BRRG mit Ablauf des 14. Oktober 2008 aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen worden sei; die Entlassung gelte als eine solche auf eigenen Antrag. Im Schreiben vom 13. August 2010 bezifferte das Personalamt das Ausbildungsgeld mit 128.085,21 Euro und die Fachausbildungskosten mit 17.685,78 Euro. Der Kläger legte daraufhin die formularmäßige Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse vom 15. September 2010 vor. Die Ehefrau des Klägers ist als ehemalige Stabsärztin einer Rückforderung von Ausbildungskosten in Höhe von 139.430,34 Euro ausgesetzt, die Gegenstand des Klageverfahrens 1 K 1786/13 ist.
18Durch Bescheid vom 17. November 2010 forderte das Personalamt den Kläger zur Erstattung des Ausbildungsgeldes und der Fachausbildungskosten in Höhe von 141.456,94 Euro auf (Ziffer 1.), gewährte eine verzinsliche Stundung durch Einräumung von monatlichen Raten in Höhe von 640 Euro (Ziffer 2.) und setzte eine Verzinsung in Höhe von 4 vom Hundert ab 3. Januar 2011 fest (Ziffer 3.). Gemäß Ziffer 4. des Bescheides wird die verzinsliche Stundung im Hinblick auf eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers jährlich überprüft. Zur Prüfung eines Härtefalles machte die Beklagte geltend, dass der Kläger eine Abdienzeit von lediglich 133 Tagen aufzuweisen habe; die Fachausbildungszeiten würden nicht als Abdienzeit gelten, weil er dem Dienstherrn während dieser Zeiten nicht zur freien Verfügung gestanden habe. Wegen der 133 Tage Abdienzeit werde die Rückforderung des Ausbildungsgeldes um 4.252,43 Euro auf 123.832,78 Euro reduziert. Der besonderen Härte der grundsätzlich gebotenen sofortigen Erstattung in Höhe von 141.456,94 Euro werde durch den teilweisen Verzicht und die Stundung mit Ratenzahlungsregelung Rechnung getragen.
19Mit Schreiben vom 10. Dezember 2010 legte der Kläger Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Erstattungspflicht bestehe nicht, weil die Verpflichtungserklärung nicht wirksam sei. Eine Verpflichtungszeit von 18 Jahren sei verfassungswidrig; dies folge aus Art. 3 Abs. 1 GG. Bei Berufssoldaten bestehe gemäß § 46 Abs. 3 SG lediglich eine Bindung von 10 Jahren. Die Bindung von 18 Jahren für Zeitsoldaten stelle im Vergleich dazu eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Abgesehen davon verstoße eine derart lange Verpflichtungszeit gegen Art. 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG. Die Wirksamkeit einer Verpflichtung auf 18 Jahre unterstellt, sei jedenfalls die Erstattungsregelung des § 56 Abs. 4 Satz 1 und 2 SG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig.
20Es liege kein Fall der Entlassung im Sinne von § 56 Abs. 4 SG a. F. vor, weil der Kläger einen Entlassungsantrag nicht gestellt habe. Vielmehr gelte er kraft Gesetzes (§ 125 Abs. 1 Satz 2 BRRG a. F.) als entlassen. Gemäß § 97 SG sei diese alte, bis 18. Dezember 2000 geltende Fassung des § 56 Abs. 4 SG auf den Kläger anzuwenden.
21Abgesehen davon sei die Härteklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG ermessensfehlerhaft angewendet worden. Dem Kläger sei im Ergebnis so viel zu belassen, dass eine Alimentierung in verfassungskonformer Höhe bestehen bleibe; er dürfe nicht so gestellt werden, als sei er besoldungstechnisch nie Soldat gewesen. Schließlich liege eine besondere Härte vor, weil die Rückforderungsverpflichtung zeitlich nicht begrenzt sei. Denn die Rückzahlungsdauer erstrecke sich einschließlich der Zinsleistung auf mindestens 25 Jahre. Bei richtiger Ausübung des Ermessens hätte insbesondere auf eine Verzinsung gänzlich verzichtet werden müssen.
22Die Abdienquote sei fehlerhaft berechnet worden; die Zeiten der Fachausbildung hätten berücksichtigt werden müssen, da er während der Weiterbildung Arbeit im Rahmen der vorgesehenen Verwendung als Arzt geleistet habe.
23Die Beklagte habe ermessensfehlerhaft nicht beachtet, dass die maßgeblichen Umstände, die ihn zum Wechsel in das Zivilbeamtenverhältnis veranlasst hätten, in ihrer Sphäre gelegen hätten. Angesichts der bekannten Unzulänglichkeiten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr habe er die ihm in Aussicht gestellte Möglichkeit einer beruflichen Selbstverwirklichung nicht in einem Mindestmaß realisieren können.
24Die Höhe der Rückforderung begegne ebenfalls Bedenken. Dies gelte zunächst für die Rückforderung der Bruttobeträge anstelle der vom Kläger lediglich erhaltenen Nettobeträge. Außerdem fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Weiterbildungskosten.
25Durch Widerspruchsbescheid vom 21. November 2012, zugestellt am 27. November 2012, wies das Personalamt den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, die Ernennung zum Beamten stelle bereits nach der alten Fassung des § 56 Abs. 4 SG eine Entlassung auf eigenen Antrag dar. Die Gesetzesänderung habe nur klarstellenden Charakter. Eine zeitliche Begrenzung der Ratenzahlungsverpflichtung komme nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur in Fällen der Entlassung aus Gewissensgründen in Betracht. Selbst wenn im vorliegenden Fall darüber nachgedacht werden müsse, wäre sie hier nicht einzuräumen. Eine durch die Erstattungspflicht ausgelöste wirtschaftliche Knebelung auf unabsehbare Zeit sei nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Sonstige Gründe, an der Recht- und Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheides zu zweifeln, bestünden nicht.
26Der Kläger hat am 21. Dezember 2012 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, eine zeitliche Begrenzung der Rückzahlungsverpflichtung komme nicht nur für Kriegsdienstverweigerer in Betracht. Eine wirtschaftliche Knebelung liege bei ihm vor, weil deutlich mehr als zwei Drittel seines verbleibenden Berufslebens davon betroffen sei. Bei einer Monatsrate von 640 Euro sei die Hauptforderung mehr als 18 Jahre lang zu bedienen. Bei Einbeziehung der Zinsen müsse er länger als 25 Jahre zahlen.
27Der Kläger beantragt,
28den Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 17. November 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 21. November 2012 aufzuheben.
29Der Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angegriffenen Bescheide.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Verfahrens 1 K 1786/13, der Personalakte des Klägers und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe:
34Die zulässige Klage ist nur im Hinblick auf einen Teil der Stundungszinsen begründet; im Wesentlichen ist sie unbegründet.
35Der Bescheid vom 17. November 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist abgesehen von den in Ziffer 3. geregelten, über 1,5 vom Hundert hinausgehenden Stundungszinsen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
36Der Kläger ist nach § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SG verpflichtet, das Ausbildungsgeld und die Kosten der Fachausbildung zu erstatten, weil er durch die Ernennung zum Zeitbeamten als auf eigenen Antrag aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit entlassen gilt (§ 125 BRRG a. F., nunmehr § 55 Abs. 1 SG in Verbindung mit § 46 Abs. 3a SG).
37Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit – insbesondere im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG – der Regelungen über die Verpflichtungszeit, die Entlassung und die Kostenerstattung: BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 – 2 BvL 51/71 – BVerfGE 39, 128 und juris; BVerwG, Urteil vom 21. April 1982 – 6 C 3.81 - juris; Beschluss vom 22. Juli 1999 – 1 WB 12.99 – juris; OVG NRW, Urteile vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 – juris, und vom 30. September 1999 – 12 A 1828/98 – juris; VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 – 5 K 785/11.GI – juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 8. September 2014 – 1 K 623/13 – nrwe; Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Auflage, § 56 SG, Rn. 17.
38Auch nach der alten Fassung des § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG ist der Tatbestand erfüllt. Denn der Antrag auf Ernennung zum Zeitbeamten, der die mittelbare Folge einer Entlassung kraft Gesetzes auslöst, kann als Antrag auf Entlassung aus dem Soldatenverhältnis aufgefasst werden. Dies ist bereits mit dem Wortlaut der alten Fassung vereinbar und erst recht mit deren Zweck, ein vom Soldaten aus eigener Initiative herbeigeführtes vorzeitiges Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis finanziell zu sanktionieren. Insoweit hat die Änderung des § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG lediglich klarstellende Bedeutung. Deshalb kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob auf den Kläger noch die alte Fassung des § 56 Abs. 4 SG anzuwenden ist (vgl. § 97 Abs. 1 SG).
39Die Erstattungspflicht erfasst nicht nur das während des Medizinstudiums gezahlte Ausbildungsgeld, sondern auch die Kosten der Facharztausbildung, weil der Kläger während dieser Zeit dem Dienstherrn nicht uneingeschränkt – etwa auch für Auslandseinsätze - zur Verfügung stand.
40BVerwG, Beschlüsse vom 14. Mai 2014 – 2 B 96.13 – juris, Rn. 8, und vom 28. September 1983 – 6 B 13.83 – juris, Urteil vom 21. April 1982 – 6 C 3.81 – juris, Rn. 28; OVG NRW, Urteil vom 30. September 1999 – 12 A 1828/98 –juris, Rn. 27 und 48; Bay. VGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – 6 BV 12.19 – juris, Rn. 37; VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 – 5 K 785/11. GI – juris, Rn. 28ff.; a. A. VG Ansbach, Urteil vom 22. November 2011 – AN 15 K 11.00904 – juris, Rn. 42.
41Aus dieser Bewertung folgt zugleich, dass die Facharztausbildung nicht als „Abdienzeit“ im Rahmen der besonderen Härte (§ 56 Abs. 4 Satz 3 SG) berücksichtigungsfähig ist.
42Nach der für Zeitsoldaten geltenden Regelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG (vgl. für Berufssoldaten § 49 Abs. 4 Satz 3 SG) kann auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Diese Koppelungsvorschrift setzt als Tatbestandsmerkmal das Vorliegen einer atypischen besonderen Härte voraus. Wenn eine solche Härte gegeben ist, muss sich eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn anschließen.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 – VI C 135.74 - BVerwGE 52, 84, 93.
44Für den Kläger bedeutet die durch den angefochtenen Bescheid ihm auferlegte Erstattungspflicht – abgesehen von den über 1,5 vom Hundert hinausgehenden Stundungszinsen - keine besondere Härte. In der vorliegenden Konstellation bedarf es keiner Klärung, in welchem Verhältnis die Gründe, die eine besondere Härte bei der Entlassung eines Zeitsoldaten gemäß § 55 Abs. 3 SG ausmachen können, zu der besonderen Härte bei der Erstattungspflicht des § 56 Abs. 4 SG stehen.
45Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. August 1996– 12 A 2476/94 - und vom 30. September 1999- 12 A 1828/98 - juris; Walz/Eichen/Sohm, § 56 SG,Rn. 22.
46Für den Fall der Entlassung wegen einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ist es anerkannt, dass dieser Entlassungsgrund, der wegen Art. 4 Abs. 3 GG eine besondere Härte im Sinn von § 55 Abs. 3 SG darstellt, zugleich eine besondere Härte im Sinn des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG begründet. In dieser Konstellation ist § 56 Abs. 4 Satz 3 SG verfassungskonform (Art. 4 Abs. 3 GG) dahin auszulegen, dass die Erstattungspflicht eine besondere Härte darstellt, die zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten zwingt.
47BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 18.05 – juris, Scherer/Alf/Poretschkin, Soldatengesetz, 9. Auflage, § 49 SG, Rn. 10.
48Beim Kläger liegt eine besondere Härte im Sinne des § 55 Abs. 3 SG nicht vor. Der Übertritt in das Beamtenverhältnis auf Zeit stellt sich vielmehr als eine aus allgemeinen beruflichen und wirtschaftlichen Gründen motivierte Entscheidung dar, die keine Atypik aufweist. Die vom Kläger im vorliegenden Zusammenhang noch geltend gemachte mangelnde berufliche Selbstverwirklichung ist kein Gesichtspunkt, der hier Bedeutung erlangt. Angesichts der generell gegebenen Notwendigkeit, sich im Soldatenberuf auf unvorhergesehene Entwicklungen einstellen zu müssen und zur Erfüllung des Verteidigungsauftrags der Bundeswehr beizutragen, rechtfertigen derartige berufliche Erwartungen keinen Vertrauensschutz, zumal der Kläger eine rechtlich verbindliche Zusage in Bezug auf seine Facharztausbildung nicht erhalten hat. Derartige schutzwürdige Erwartungen konnten insbesondere nicht durch das Informationsmaterial erzeugt werden, das der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 15. Dezember 2014 vorgelegt hat. In der Information „Weiterbildung, Nebentätigkeit, Beförderungen … in jeder Hinsicht weiterkommen“ heißt es lediglich, dass Sanitätsoffiziere „grundsätzlich“ zum Arzt für Allgemeinmedizin weitergebildet werden und dass sie statt dieser Weiterbildung zu Fachärzten mit anderen Gebietsbezeichnungen weitergebildet werden „können“, wobei dann regelmäßig der Übertritt in das Berufssoldatenverhältnis erfolgt.
49Bei dem Kläger liegt in Bezug auf die Erstattungspflicht eine besondere Härte im Sinn des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – abgesehen von der Zinshöhe - nicht vor. Unabhängig von eventuellen Härtegründen, die sich aus den Entlassungsumständen - etwa demjenigen der Kriegsdienstverweigerung - ergeben, kann eine besondere Härte durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Zeitsoldaten begründet sein. Die Erstattung darf die wirtschaftliche Existenz des früheren Soldaten nicht gefährden. Sie darf ihn auch nicht in eine wirtschaftliche Notlage bringen und keine dauerhafte wirtschaftliche Knebelung bedeuten. Derartigen Gefahren kann durch eine sachgerechte Anwendung der Härteklausel, die die soziale Lage und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des früheren Soldaten berücksichtigt, begegnet werden. In der Regel kann auch bei einer hohen Erstattungspflicht einer besonderen Härte dadurch abgeholfen werden, dass dem früheren Soldaten Stundung und Ratenzahlung bewilligt werden. Bei der Gewährung von Ratenzahlungen darf die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des ehemaligen Soldaten andauern, sondern sie muss zeitlich begrenzt sein; diese zeitliche Begrenzung muss bereits im ersten Leistungsbescheid selbst geregelt sein. Denn bereits der Ausgangsbescheid muss das Problem der besonderen Härte bewältigen. Dies gebieten sowohl der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), der einen Verweis auf spätere Möglichkeiten des Wiederaufgreifens (§ 51 VwVfG) nicht zulässt, als auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 31 Abs. 1 SG).
50Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 – 2 BvL 51/71 – juris, Rn. 49; BVerwG, Urteile vom 30. März 2006– 2 C 18 und 19.05 – juris, Rn. 24; OVG NRW, Urteil vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 – juris; Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, § 56 SG, Rn. 23.
51Diesen Grundsätzen zur Vermeidung einer besonderen Härte aus wirtschaftlichen Gründen kann die Beklagte in der Regel dadurch entsprechen, dass sie die Verpflichtung zur Zahlung der Tilgungsraten auf einen Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenalter (§ 35 SGB VI) begrenzt. Auch unter Berücksichtigung der nach diesem Zeitraum noch zu zahlenden Stundungszinsen ist dann gewährleistet, dass die Zahlungspflicht – entsprechend der Anforderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – nicht während des gesamten weiteren Berufslebens andauert, sondern deutlich vor der Vollendung des 67. Lebensjahres endet. Diese zeitliche Grenze trägt dem Umstand Rechnung, dass das Einkommen in der letzten Phase des Berufslebens – möglicherweise anders als in den früheren Phasen – nicht mehr stetig steigt, sondern wegen etwa gesundheitlich bedingter Einschränkungen der Leistungsfähigkeit oder wegen der Inanspruchnahme von Altersteilzeitmodellen sogar sinkt. Außerdem kann sich der verfügbare Teil des Einkommens dadurch verringern, dass der ehemalige Soldat Vorsorge für die eigene Alterssicherung trifft.
52Eine in dieser Weise festgelegte zeitliche Grenze der Tilgungsraten gewährleistet einerseits die Vermeidung einer besonderen Härte auf der Klägerseite und ist andererseits im Interesse der Beklagten flexibel genug, um bei deutlich steigendem Einkommen des ehemaligen Zeitsoldaten eine vollständige Erstattung der gesamten Ausbildungskosten zuzüglich Stundungszinsen herbeizuführen. Wenn die Beklagte die von ihr gewünschte jährliche Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Zeitsoldaten vornimmt und dieser seiner Pflicht zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben – jedenfalls nach Bestandskraft eines entsprechenden Bescheides – nachkommt, kann die Beklagte die monatlichen Tilgungsraten unter Berücksichtigung der verbesserten wirtschaftlichen Lage des ehemaligen Zeitsoldaten gegebenenfalls derart höher festsetzen, dass der gesamte Erstattungsbetrag vor Ablauf des vorgenannten Zweidrittelzeitraumes geleistet ist.
53VG Gelsenkirchen, Urteil vom 8. September 2014 – 1 K 623/13 – nrwe.
54Der angegriffene Bescheid entspricht mit seinen vier Teilregelungen im Wesentlichen den vorstehenden Grundsätzen zur Vermeidung einer besonderen wirtschaftlichen Härte des Klägers. Bei einer unveränderten Höhe der festgesetzten Monatsraten von 640 Euro würde sich die Zahlungspflicht betreffend allein die Tilgungsraten auf rund 18,4 Jahre erstrecken. Der Kläger wäre dann – bei Zahlungsbeginn zum Zeitpunkt der Entlassung im Alter von 29,7 Jahren - 48 Jahre alt.
55In der vorliegenden Konstellation bedarf es keiner Festlegung eines Zeitpunktes im Ausgangsbescheid, ab dem der Kläger keine Tilgungsleistungen mehr erbringen muss. Der angegriffene Bescheid bewältigt das Problem der besonderen Härte auch ohne eine derartige Festlegung hinreichend. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides war durch die Festsetzung der vergleichsweise hohen Monatsraten von 640 Euro gewährleistet, dass die Zahlungspflicht nicht über den vorgenannten Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Soldatenverhältnis bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres hinausreicht. Wenn die Beklagte künftig von Ziffer 4. des Bescheides Gebrauch macht und die Monatsraten in einem Maße absenkt, dass die Gefahr besteht, dass der Zweidrittelzeitraum überschritten wird, muss der dann ergehende Änderungsbescheid das sich ergebende Problem der besonderen Härte dadurch bewältigen, dass er ein Tilgungsende festlegt; sofern dieser Bescheid insoweit Defizite aufweisen sollte, hat der Kläger ausreichende Gelegenheit dazu, diesen Änderungsbescheid einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen. Diese prozessuale Situation ist deutlich günstiger als die Lage, bei der von vornherein im Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides angesichts niedriger Monatsraten absehbar ist, dass der Zweidrittelzeitraum mangels Festlegung eines Tilgungsendes überschritten wird.
56Die verzinsliche Stundung mit dem am 3. Januar 2011 beginnenden Zinslauf ist dem Grunde nach ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Die Ermessenvorschrift des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG erlaubt bei Einräumung einer Stundung auch die Erhebung von Zinsen.
57Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. August 1996 – 12 A 2476/94 – juris, Rn. 18.
58Eine solche Regelung ist auch im Vergleich zu einer Rückzahlung des gesamten Betrages ohne zusätzliche Zinsleistung als rechtmäßig zu bewerten. Stundung und Verzinsung stellen ein Gesamtpaket dar, das sich für den ehemaligen Soldaten insgesamt als vorteilhafter und damit einer besonderen Härte Rechnung tragend darstellt. Dass der Zinslauf bereits vor Bestandskraft des Bescheides beginnt, während derjenige ehemalige Soldat, der die Gesamtsumme nach Bestandskraft in einem Betrag ohne Zinsen zurückzahlt, ist im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu beanstanden.
59- 60
A. A. VG Köln, Urteil von 19. März 2014 – 23 K 3238/13 –.
Diese Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt. Wie bei Zahlungspflichten in anderen Rechtsbereichen auch schafft diese Zinserleichterung bei Rückzahlung des gesamten Betrages in einer Summe insbesondere im Interesse der Verwaltungsvereinfachung einen entsprechenden Anreiz. Die Beklagte spart einen oftmals mehrere Jahrzehnte lang bedeutsamen Verwaltungsaufwand zur Beitreibung der Monatsraten.
62Die Höhe des Erstattungsbetrages von 141.456,94 Euro ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte fordert zu Recht den Bruttobetrag der vom Kläger erhaltenen Leistungen zurück. Ohne dass eine besondere Härte durch die Erstattung der über die Nettobeträge hinausgehenden Beträge zu befürchten ist, erhält der Kläger durch die Möglichkeit, die Erstattungsbeträge steuerrechtlich geltend zu machen, eine hinreichende Kompensation.
63Die Kosten für den Lehrgang Notfallmedizin sind ebenfalls erstattungsfähig. Dies gilt auch unter Würdigung des Umstandes, dass die von der Beklagten in Ansatz gebrachten Kosten höher sind als die Aufwendungen, die der Kläger für eine ähnliche Ausbildung im zivilen Bereich hätte tätigen müssen.
64Vgl. VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 – 5 K 2265/12 –
65juris, Rn. 71 - 75.
66Soweit der angefochtene Bescheid in Ziffer 3. Stundungszinsen von mehr als 1,5 vom Hundert festsetzt, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger seinen Rechten. Insoweit besteht für den Kläger eine besondere Härte, weil ein Zinssatz von 4 vom Hundert der derzeitigen Marktlage und bereits der bei Erlass des Widerspruchsbescheides bestehenden Marktlage nicht entspricht. Im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang ist es sachnah, auf die Finanzierungskosten der Beklagten abzustellen. Diese nicht nur kurzfristig relevante Marktlage hätte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigen müssen.
67Vgl. VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 – 5 K 2265/12 – juris, Rn. 97; Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 206 vom 5. September 2014, Seite 28: z. B. durch Hypotheken abgesicherte Darlehn für unter 2 % Zinsen; kritisch zur Höhe des Zinssatzes bereits: VG Gelsen-kirchen, Urteil vom 8. September 2014 – 1 K 623/13 - nrwe.
68Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
69Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
(1) Mit der Beendigung seines Dienstverhältnisses durch Zeitablauf nach § 54 Abs. 1, durch Entlassung nach § 55 oder durch Verlust seiner Rechtsstellung als Soldat auf Zeit nach § 54 Abs. 2 Nr. 2 endet die Zugehörigkeit des Soldaten auf Zeit zur Bundeswehr.
(2) Mit der Entlassung entsprechend dem § 46 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 und 8 und nach § 55 Abs. 5 sowie mit dem Verlust seiner Rechtsstellung als Soldat auf Zeit verliert der Soldat seinen Dienstgrad.
(3) Nach dem Verlust seiner Rechtsstellung als Soldat auf Zeit und, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach der Entlassung hat der frühere Soldat auf Zeit keinen Anspruch auf Dienstbezüge und Versorgung mit Ausnahme der Beschädigtenversorgung.
(4) Ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war, muss die Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten, wenn er
- 1.
auf seinen Antrag entlassen worden ist oder als auf eigenen Antrag entlassen gilt, - 2.
seine Entlassung nach § 55 Absatz 4 vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, - 3.
nach § 55 Absatz 5 entlassen worden ist, - 4.
seine Rechtsstellung verloren hat oder - 5.
durch Urteil in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren aus dem Dienstverhältnis entfernt worden ist.