Atemalkoholmessung: Nur eingeschränkte Verwertbarkeit bei Nichteinhaltung der Wartezeit

published on 20/06/2007 10:10
Atemalkoholmessung: Nur eingeschränkte Verwertbarkeit bei Nichteinhaltung der Wartezeit
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Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in Berlin Mitte

Wird die Wartezeit von 20 Minuten zwischen Trinkende und Messung nicht eingehalten, kann eine Atemalkoholmessung nur bedingt als Grundlage einer Geldbuße oder eines Fahrverbots dienen.

Das machte das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe im Fall einer Autofahrerin deutlich, die bei einer Polizeikontrolle einer Atemalkoholmessung unterzogen wurde. Da nach ihren Angaben der letzte Alkoholgenuss über zwei Stunden zurücklag, begannen die Beamten sofort mit der Messung (Messergebnis: 0,30 mg/l). Vor Gericht widerrief die Autofahrerin ihre Aussage. Sie  gab an, noch nach Fahrtantritt eine Dose "Cola-Bier" getrunken zu haben. Die Wartezeit sei daher nicht eingehalten gewesen. Das Amtsgericht hielt die Messung gleichwohl für wirksam und verurteilte sie zu einer Geldbuße von 250 EUR und einem Fahrverbot von einem Monat.

Auf die Rechtsbeschwerde hob das OLG das Urteil auf und verwies die Sache zur Einholung eines Sachverständigengutachtens an das Amtsgericht zurück. Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration handele es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Dabei habe der Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen, dass nur Messgeräte eingesetzt und Messmethoden angewendet werden dürfen, die den im Gutachten des Bundesgesundheitsamts gestellten Anforderungen genügen. Danach müsse seit der Beendigung der Alkoholaufnahme (Trinkende)und der Atemalkoholmessung ein Zeitraum von mindestens 20 Minuten verstrichen sein. Dies beruhe darauf, dass sich erst danach ein definiertes Verhältnis zwischen Atemalkohol- und Blutalkoholkonzentration einstelle und die Messung von kurzfristigen Schwankungen nur noch in geringem Maß betroffen sei. Das OLG führte weiter aus, dass eine unter Verletzung dieser Richtlinien erfolgte Messung in jedem Fall unverwertbar sei, wenn der gesetzliche Grenzwert von 0,25 mg/l Alkohol in der Atemluft nur geringfügig überschritten sei. Dies gelte jedoch bei einer Überschreitung von 20 Prozent bei einer Atemalkoholkonzentration von 0,30 mg/l Alkohol noch nicht. Bei einem solchen Wert müsse vielmehr ein Sachverständiger klären, ob sich die Nichteinhaltung der Wartezeit ausgewirkt habe und dies durch einen Sicherheitszuschlag ausgeglichen werden könne. Auch komme vorliegend hinzu, dass die Autofahrerin nach ihren Angaben während der 20-minütigen Wartezeit lediglich eine Dose "Cola-Bier" getrunken haben will. Es könne daher nur von einer geringfügigen Verfälschung des Messergebnisses ausgegangen werden (OLG Karlsruhe, 1 Ss 32/06).
 

 

 

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published on 05/05/2006 00:00

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Y. vom 20. Dezember 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des A
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21/06/2012 11:17

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21/01/2009 14:09

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Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Y. vom 20. Dezember 2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Y. zurückverwiesen.

Gründe

 
I.
Die 21-jährige Betroffene wurde durch Urteil des Amtsgerichts Y. vom 20.12.2005 wegen Führens eines Kraftfahrzeugs mit einer Atemalkoholkonzentration von  0,31 mg/l zu der Geldbuße von 250,00 Euro verurteilt. Zugleich wurde ihr für die Dauer von einem Monat verboten, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Nach den getroffenen Feststellungen war die als Bedienung tätige Betroffene am 13.02.2005 gegen 7.20 Uhr mit ihrem Kraftfahrzeug aus dem Parkplatz der Gaststätte "T" in Y. kommend einer Polizeistreife aufgefallen, nach kurzer Nachfahrt angehalten und gegen 7.35 Uhr einer ersten (Messwert: 0,318 mg/l) und gegen 7.38 Uhr einer zweiten (Messwert: 0,309 mg/l) Atemalkoholkontrolle mit dem Gerät der Marke Dräger Alcotest 7110 Evidential unterzogen worden. Mit ihrer Rechtsbeschwerde beanstandet die Betroffene die Korrektheit der Messung, da die 20-minütige Wartezeit zwischen Trinkende und der ersten Einzelmessung nicht eingehalten worden sei.
II.
Der Rechtsbeschwerde kann ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht versagt bleiben.
1. Der Senat teilt die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen die gerichtliche Beweiswürdigung. Diese ist lückenhaft, weil sie sich nicht mit einer nahe liegenden Erklärung für das Einlassungsverhalten der Betroffenen auseinander setzt.
Das Amtsgericht hat deren Angaben in der Hauptverhandlung, kurz vor ihrem Halt auf dem Parkplatz der Gaststätte "T" in Y. noch auf dem      "P-Parkplatz" in Y. ein zuvor an einer Tankstelle gekauftes "Cola-Bier" in Anwesenheit eines Mitinsassen getrunken zu haben, als bloße Schutzbehauptung angesehen, weil sie diese Alkoholaufnahme bei der Polizeikontrolle nicht erwähnt und dort nach Ansicht der Polizeibeamten glaubhaft das Trinkende mit 5.00 Uhr angegeben habe. Die Bewertung des Amtsgerichts, die "Betroffene habe für dieses Aussageverhalten keine Gründe anführen können", übersieht jedoch die sich aufdrängende Erkenntnis, dass Alkoholsünder bei einer Verkehrskontrolle oftmals versuchen werden, ihr Trinkende zeitlich nach vorne zu verlagern, um so einer konkreten Überprüfung ihrer alkoholischen Beeinflussung zu entgehen.  Hingegen liegt die Annahme, ein solcher Betroffener würde in diesem Verfahrensstadium eine kurz vor Fahrantritt getätigte Alkoholaufnahme freimütig einräumen, eher fern. In Anbetracht dieser durchaus nahe liegenden Möglichkeit von Fehlangaben werden die Polizeibehörden gehalten sein, die in den bundeseinheitlichen Richtlinien für die Durchführung von Atemalkoholmessungen vorgesehene Wartezeit von 20 Minuten zwischen Trinkende und Beginn der ersten Einzelmessung unabhängig von der Einlassung der Betroffenen einzuhalten, wenn sie verlässliche Daten gewinnen wollen (vgl. hierzu für Baden-Württemberg die gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, des Justizministeriums und des Ministeriums für Umwelt und Verkehr über die Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten; Sicherstellung von Führerscheinen (VwV Blutalkohol) vom 26.04.2005 (4103.B/0107) unter 2.5.5 Kontrollzeit, abgedruckt in: Die Justiz 2005, 265 ff., 266).
2. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil.
Der Senat kann nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, dass die Nichteinhaltung der Wartezeit ohne relevanten Einfluss auf das Messergebnis geblieben ist.
a. Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich vorgesehen, dass bei der Atemalkoholbestimmung nur Messgeräte eingesetzt und Messmethoden angewendet werden dürfen, die den im Gutachten des Bundesgesundheitsamts gestellten Anforderungen genügen (vgl. hierzu BGHSt 46, 358 ff, 363 = NZV 2001, 267 f. = DAR 2001, 275 ff. = Blutalkohol 38 (2001), 280 ff.). Danach besteht für das Messverfahren neben dem Erfordernis einer Kontrollzeit von 10 Minuten vor der ersten Einzelmessung u.a. die Vorgabe, dass zwischen der Beendigung der Alkoholaufnahme (Trinkende) und dem Beginn der Messung ein Zeitraum von 20 Minuten verstrichen sein muss. Die vorgeschriebene Kontrollzeit von 10  Minuten dient dazu, die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch Mund- oder Mundrestalkohol auf das Ergebnis auszuschließen. Die Wartezeit von 20 Minuten ist erforderlich, weil sich erst nach dieser Zeit ein definiertes Verhältnis zwischen Atemalkohol- und Blutalkoholkonzentration einstellt, das kurzfristigen Schwankungen nur noch in geringem Maß unterworfen ist (vgl. hierzu Senat NZV 2004, 426 f. = VRS 107, 52 f. = DAR 2004, 466 f. = Blutalkohol 41 (2004), 467 = SVR 2004, 475 = VersR 2005, 1409 f.; Schoknecht NZV 2003, 67 ff.; eher krit. und die Wartezeit nicht stets als ausreichend ansehend: Iffland NZV 2005, 433 ff., 438).
b. Die Frage, welche Konsequenzen aus der Nichteinhaltung der Wartezeit zu ziehen sind, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Während zum Teil hieraus eine Unverwertbarkeit des Messergebnisses gefolgert wird (vgl. OLG Dresden VRS 108, 279 f.; Hentschel, Straßenverkehrs-recht, 37. Aufl. 2006, StVO, § 24 a Rn. 17 m.z.w.N.), halten neuere Entscheidungen deren Einhaltung gänzlich für entbehrlich, wenn nur gewährleistet ist, dass der Betroffene 10 Minuten vor Beginn der Messung keinerlei Substanzen mehr zu sich genommen hat (vgl. OLG Celle NZV 2004, 318 f.; OLG Hamm DAR 2005, 227 f.; Burhoff (Hrsg), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2005, Rn. 2016). Dies wird vornehmlich damit begründet, dass auf die Einhaltung des ursprünglich zwischen Atemalkoholkonzentration und Blutalkoholkonzentration definierten Verhältnisses verzichtet werden könne, nachdem der Gesetzgeber in § 24a StVG einen selbst-ständigen Grenzwert festgelegt habe (vgl. OLG Celle a.a.O). Diese Auffassung übersieht jedoch, dass der Sinn der 20-minütigen Wartezeit nicht in der Verhinderung des Einflusses von Mund- oder Restalkohol auf das Messergebnis, sondern darin liegt, dass es gerade in der Anflutungsphase dazu kommen kann, dass die Atemalkoholkonzentration erheblich über den vergleichbaren Blutalkoholwerten liegt (vgl. vertiefend Iffland, a.a.O., S. 438 f.).
   Der Senat hat aus diesem Grund bereits ausgesprochen, dass bei nur geringfügiger Überschreitung des Gefahrengrenzwertes des § 24a Abs. 1 StVG von 0,25 mg/l das Ergebnis des standardisierten Messverfahrens zur Ermittlung der Atemalkoholkonzentration mit dem Dräger Alcotest 7110 Evidential nur dann ohne Rechtsfehler verwertet werden kann, wenn die genannten Warte- und Kontrollzeiten eingehalten wurden (Senat a.a.O). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da die festgestellte Atemalkoholkonzentration mit 0,31 mg/l mehr als 20% über dem Gefahrengrenzwert liegt. Überschreitet aber die Messung dieses Limit deutlich, so ist zu prüfen, ob die mit der Nichteinhaltung der Wartezeit verbundenen Schwankungen durch einen Sicherheitszuschlag ausgeglichen werden können (offen lassend: BayObLG NJW 2005, 232 ff.). 
10 
c. Von einer solchen Möglichkeit geht der Senat vorliegend aus. Werden die für ein standardisiertes Messverfahren vorgegebenen Verfahrensbestimmungen (vgl. nur BGHSt 46, 358 ff;  BayObLG DAR 2003, 232 ff.) nicht eingehalten und wie hier im Rahmen des § 24a StVG die Wartezeit unterschritten, so führt dies zunächst nicht zur Unverwertbarkeit der festgestellten Messwerte, vielmehr ist durch Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich die Unterschreitung der Mindestzeit seit Trinkende ausgewirkt haben kann (vgl. Senat, Beschluss vom 26.03.2002, 1 Ss 4/02; ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.10.2003, 2 Ss 125/03; vgl. auch. OLG Hamm VRS 102, 298 ff.;  a.A. Maatz, Blutalkohol 2002, 21 ff., 31 f.). Dies belegt der vorliegende Fall anschaulich. Vorliegend tritt nämlich zu der erforderlichen deutlichen Überschreitung des Grenzwertes von hier 20%  hinzu, dass nach den Bekundungen der Betroffenen in der Hauptverhandlung diese während der Wartezeit - zu ihren Gunsten ist dabei von einer Zeitspanne von 15 Minuten zwischen Trinkende und der ersten Messung auszugehen - lediglich eine Dose "Cola-Bier" getrunken hat. Es ist aber davon auszugehen, dass die Anflutungsgeschwindigkeit und die Schwankungsbreite des Umrechnungsfaktors zwischen Atem- und Blutalkoholkonzentration während der Anflutungsphase auch von der Konzentration des bereits im Körper vorhandenen und der Menge des während der Wartezeit aufgenommenen Alkohols abhängt (vgl. hierzu die neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen der Universitäten München und Heidelberg, veröffentlicht von A. Dettling, F.  Fischer, S. Böhler, F. Ullrichs, A. Schuff, G. Skopp, L. von Meyer, M. Graw, H.Th. Haffner, Grundlagen der Pharmakokinetik des Ethanols anhand von Atemalkoholkonzentrationen, Anflutung und Gipfelkonzentrationen, zum Abdruck in Blutalkohol 2006 vorgesehen), wobei aufgrund der vorliegend während der Wartezeit aufgenommenen nicht erheblichen Alkoholmenge einer Dose "Cola-Bier" (0,5 Liter; Alc. 3,1 % vol.) aus tatsächlichen Gründen eher von einer geringeren Verfälschung des Messergebnisses auszugehen sein dürfte.
III.
11 
Das Urteil war daher aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Y. zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr unter Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen zu prüfen haben, ob unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes und neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse ggf. unter Vornahme von Sicherheitsabschlägen eine zuverlässige Bewertung des Messergebnisses möglich ist.