Arbeitsrecht: Kündigung nach vorweggenommener Abmahnung

published on 12/10/2017 17:57
Arbeitsrecht: Kündigung nach vorweggenommener Abmahnung
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vorweggenommene Abmahnung - Entbehrlichkeit konkrete Abmahnung bevorstehenden Pflichtverletzung - Kündigung - BSP Rechtsanwälte - Anwältin Arbeitsrecht Berlin Mitte

Eine vorweggenommene Abmahnung kann eine konkrete Abmahnung nach vorheriger Tatbegehung entbehrlich machen, wenn der Arbeitgeber diese in Ansehung einer möglicherweise bevorstehenden Pflichtverletzung ausspricht.Die dann tatsächlich zeitnah folgende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers kann aus Sicht eines besonnenen Arbeitgebers als beharrliche Arbeitsverweigerung angesehen werden. 

Das LAG Schleswig-Holstein hat in seinem Urteil vom 29.6.2017 (5 Sa 5/17 ) folgendes entschieden:

Sachverhalt

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren um die Wirksamkeit einer außerordentlichen und ordentlichen Kündigung sowie um einen Auflösungsantrag der Beklagten.

Der 37-jährige, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 07.04.2014 zuletzt als Leiter der Dienststelle in K. und F. zu einem Monatsgehalt von ca. 4.000,00 € brutto beschäftigt. Regelmäßiger Arbeitsort ist die Dienststelle K.. Der Kläger unterschrieb am 08.04.2014 die „Verpflichtungserklärung zur Einhaltung des Verbots der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen“, die u. a. folgenden Wortlaut hat :

„Ich verpflichte mich,

dienstlich überlassende Fahrzeuge ausschließlich für dienstliche Zwecke zu nutzen. Private Fahren, d. h. Fahrten ohne dienstliche Veranlassung, sind mit Dienstfahrzeugen strengstens untersagt.


Ich bin darüber belehrt worden, dass ein Verstoß gegen diese Anordnung arbeitsrechtliche Folgen haben wird. …

Im Rahmen von Bereitschaftsdiensten werden Privatfahrten toleriert, soweit sie die Durchführung dieses Dienstes nicht beeinträchtigen und sie untrennbar mit dem Bereitschaftsdienst einhergehen.

Näheres zum zulässigen Umfang der tolerierten Privatfahrten entnehmen Sie aus der anliegenden Übersicht „Anhaltspunkte zur Behandlung von Fahrten mit einem Dienst-/ Poolfahrzeug als Dienst-/Privatfahrt“. Wir weisen Sie darauf hin, dass dieses Dokument immer wieder und fortlaufend aktualisiert wird. Die jeweilige aktuelle und gültige Fassung entnehmen Sie bitte aus dem Intranet.

…“

Am 03.03.2016 holte der Bundesfreiwilligendienstleistende B. anlässlich einer dienstlich veranlassten Fahrt mit einem Dienstfahrzeug ein privates Sakko des Klägers aus einer Reinigung in F. mit Billigung des Klägers ab. Hiervon erlangte die Beklagte am 28.04.2016 Kenntnis. Vom 18.04.2016 bis zum 30.04.2016 befand sich der Kläger in Urlaub. Am Montag, 02.05.2016, verrichtete er seinen Dienst in K.. Am Dienstag, 03.05.2016, ließ sich der Kläger von dem Auszubildenden G. morgens von seinem Wohnsitz in S. aus abholen und am Nachmittag wieder nach Hause fahren. Das Dienstfahrzeug wurde auf diese Weise viermal auf der Strecke K. - S. bewegt, sodass insgesamt eine Fahrtstrecke von etwa 112 km zurückgelegt wurde. Es ist streitig, ob der Kläger den Zeugen G. bereits telefonisch am 28.05.2016 anwies ihn abzuholen oder erst im Laufe des 02.05.2016. Hiervon erlangte die Beklagte am 04.05.2016 Kenntnis. Mit Schreiben vom 09.05.2016 hörte die Beklagte die Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an. Am 10.05.2016 stimmte die Mitarbeitervertretung der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zu. Mit Schreiben vom 11.05.2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung. Mit Schreiben vom 19.05.2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis hilfsweise erneut ordentlich zum 30.06.2016.

Der Kläger hat vorgetragen,

er habe das Sakko am 03.03.2016 selbst auf dem Rückweg von der Dienststelle in F. nach K. im C.-Park F. abholen und deshalb auch früher aufbrechen wollen. Die stellvertretende Dienststellenleiterin P. habe deshalb vorgeschlagen, dass der Zeuge B. das Sakko auf dessen Rückweg von einem Termin abholen könne, da es sowohl räumlich als auch zeitlich passen würde. Dem habe er, der Kläger, zugestimmt und habe somit bis ca. 16.00 Uhr in der Dienststelle bleiben und dort arbeiten können, ohne frühzeitiger losfahren müssen. Nach Urlaubsrückkehr Ende April 2016 sei sein Auto defekt gewesen, sodass er bereits am 02.05.2016 mit dem defekten Auto zum Dienst gefahren sei. Da aufgrund seines zweiwöchigen Urlaubs eine Menge Arbeit liegen geblieben, seine Ehefrau mit dem Zweitwagen in der Schweiz gewesen sei und er, der Kläger, bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel erst um 11:45 Uhr am Hauptbahnhof gewesen wäre und er zudem auch noch Rufbereitschaft gehabt habe, habe er den Auszubildenden ausnahmsweise beauftragt, ihn am 03.05.2016 aus S. abzuholen und nach Dienstschluss wieder zurückzufahren, da sein Auto an diesem Tag in der Werkstatt repariert worden sei. Gemäß der Verpflichtungserklärung zur Einhaltung des Verbots der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen sei es während der Rufbereitschaft erlaubt, das Dienstfahrzeug für Privatfahrten zu nutzen. Im Übrigen seien die Kündigungen unverhältnismäßig gewesen. Die Beklagte hätte zumindest zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 11.05.2016 nicht aufgelöst worden ist;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 19.05.2016 aufgelöst worden ist;

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 11.05.2016 zu unveränderten Bedingungen auf demselben Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint,

die außerordentliche, jedenfalls aber die ordentliche Kündigung seien wirksam und beendeten das Arbeitsverhältnis. Der Kläger habe wiederholt gegen die Nutzungsvereinbarung für Dienstwagen verstoßen. Am 03.03.2016 habe der Kläger den Bundesfreiwilligendienstleistenden B. während seiner, des Klägers, Arbeitszeit beauftragt, private Kleidung mit einem Dienstfahrzeug aus der Reinigung abzuholen. Der Dienstleistende B. sei der Weisung seines Vorgesetzten nachgekommen und habe den Auftrag unstreitig erledigt. Des Weiteren habe der Kläger bereits am 28.04.2016 unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner Vorgesetztenstellung den Auszubildenden G. telefonisch angewiesen, ihn am 03.05.2016 aus S. abzuholen und hernach auch wieder zurückzufahren. Der Umstand, dass der Kläger nicht selbst gefahren sei, sondern die Fahrten von unterstellten Mitarbeitern habe durchführen lassen, sei unerheblich. Denn die Privatfahrten seien auf seine Veranlassung und ausschließlich zum eigenen Nutzen des Klägers durchgeführt worden. Durch die Pflichtverletzungen des Klägers sei ihr, der Beklagten, ein finanzieller Schaden entstanden. Zusätzlich seien die Arbeitszeiten des Auszubildenden G. und des Bundesfreiwilligendienstleistenden B. für private Zwecke des Klägers aufgewendet worden. Neben dem entstandenen finanziellen Schaden sei das Vertrauensverhältnis zum Kläger durch das eigenwirtschaftliche Ausnutzen seiner Vorgesetztenfunktion für private Zwecke unwiederbringlich zerstört. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil der Kläger nicht habe damit rechnen dürfen, dass sie, die Beklagte, seine von Eigennutz und unter Ausnutzung seiner Leitungsfunktion bestimmte Handlungsweise hinnehmen würde.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.12.2016 der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Der Vorfall vom 03.03.2016 rechtfertige weder eine fristlose noch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Der Kläger habe sich darauf berufen, dass der Zeuge B. sein Sakko beiläufig auf dem Rückweg von einer Dienstfahrt von der Reinigung abgeholt habe, es sich mithin nicht um eine verbotene Privatfahrt gehandelt habe. Diese Einlassung des Klägers habe Auswirkungen auf das Maß der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung. Soweit die Beklagte diese Einlassung bestritten und sich erst im Kammertermin vom 07.12.2016 auf das Zeugnis des Zeugen B. berufen habe, sei dieses Beweisangebot als verspätet zurückzuweisen gewesen. Aber auch der Vorfall vom 03.05.2016 rechtfertige weder eine fristlose noch eine ordentliche Kündigung. Der Kläger habe zwar gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen verstoßen, indem er sich von dem Auszubildenden G. von zu Hause abholen und wieder zurückbringen lassen habe. Aber aufgrund der Einlassungen des Klägers sei davon auszugehen, dass er nach einer entsprechenden Abmahnung dergleichen Pflichtverstöße nicht wieder begehen werde. Da die Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014 als Rechtsfolge von Verstößen auch nicht Ermahnung und Abmahnung enthalte, habe der Kläger auch nicht mit einer sofortigen Kündigung rechnen müssen.

Gegen das ihr am 29.12.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06.01.2017 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 14.03.2017 am 10.03.2017 begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Das Arbeitsgericht habe nicht gewürdigt, dass der Kläger sowohl am 03.03.2016 als auch am 03.05.2016 die „schwächsten Glieder“ innerhalb der Hierarchie angewiesen habe, für ihn unerlaubte Privatfahrten mit Dienstfahrzeugen durchzuführen. Dass die private Nutzung von Dienstfahrzeugen strengstens untersagt gewesen sei, habe der Kläger ebenso gewusst wie die arbeitsrechtliche Sanktionierung entsprechender Verstöße. Es sei auch unerheblich, ob der Kläger eigeninitiativ den Zeugen B. am 03.03.2016 beauftragt habe, das Sakko aus der Reinigung abzuholen oder ob die ihm unterstellte Mitarbeiterin P. den Vorschlag gemacht habe, der Zeuge B. könne das Jackett abholen. Im letzteren Fall hätte er als Dienststellenleiter zugelassen, dass ihm unterstellte Mitarbeiter gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen verstoßen. Zudem trage der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für einen ihn entlastenden Sachverhalt. Der Kläger habe unstreitig auch am 03.05.2016 gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen verstoßen. Er habe die Arbeitskraft eines Auszubildenden für ganze zwei Stunden zweckwidrig eingesetzt und zudem gegen das ausdrückliche Verbot vom 08.04.2014 verstoßen. Diese Privatfahrten seien durch nichts gerechtfertigt gewesen. Die Einlassungen des Klägers zum defekten Auto seien in sich widersprüchlich. Der Kläger habe auch keine Rufbereitschaft gehabt. Der Kläger hätte zudem die Möglichkeit gehabt, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Dienst zu fahren, z. B. mit dem Bus um 6:27 Uhr oder um 7:03 Uhr. Diese Fakten habe das Arbeitsgericht nicht gewürdigt. Die außerordentliche Kündigung sei auch nicht wegen einer fehlenden Abmahnung unverhältnismäßig gewesen. Einer vorherigen Abmahnung habe es angesichts der eindeutig formulierten Verbotsvereinbarung nicht bedurft. In dieser Verbotsvereinbarung sei der Kläger zudem auf die arbeitsrechtlichen Sanktionen bei einem Verstoß gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen ausdrücklich hingewiesen worden. Damit sei die Warnfunktion einer Abmahnung erfüllt und zwar für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses.

Das Arbeitsverhältnis sei hilfsweise aufzulösen. Ihr, der Beklagten, sei aufgrund des Verhaltens des Klägers die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Der Kläger habe sich im Prozess damit gerechtfertigt, dass er auf „Veranlassung“ seiner Stellvertreterin P., am 03.03.2016 das Sakko aus der Reinigung habe abholen lassen. Zudem habe er in Bezug auf die Abfahrzeiten der Busse am 03.05.2016 in der eidesstattlichen Versicherung falsche Angaben gemacht. Außerdem habe er im Prozess wahrheitswidrig behauptet, am 03.05.2016 Bereitschaftsdienst gehabt zu haben. Der Kläger habe kein Unrechtsbewusstsein gezeigt. Er habe schließlich seinen Vorsetzten, den Bezirksgeschäftsführer, des Machtmissbrauchs beschuldigt, weil sie, die Beklagte, dieses Berufungsverfahren durchführe und ihm die Erteilung eines Zwischenzeugnisses verweigere. Dem Kläger sei deswegen erneut gekündigt worden. Seit Anfang 2017 kontaktiere er Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter über soziale Netzwerke und frage nach den Gepflogenheiten zur Dienstwagennutzung. Ein solches Verhalten entbehre jeder Kollegialität und sei als Dienststellenleiter unentschuldbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 07.12.2016, Az. Ö.D. 2 Ca 707 d/16, abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 4.000,00 € nicht überschreiten sollte, zum 30.06.2016 aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung insgesamt zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt

das angefochtene Urteil. Die Kündigung sei bereits aus formellen Gründen unwirksam, weil die Unterzeichnerin, Frau K. R., nicht kündigungsberechtigt gewesen sei. Ferner bestreitet der Kläger die Ordnungsgemäßheit der Anhörung der Mitarbeitervertretung. Zudem sei vorliegend eine vorherige Abmahnung nicht entbehrlich gewesen. In der Verpflichtungserklärung vom 08.04.2016 habe die Beklagte selbst auf abgestufte Sanktionen von der Ermahnung bis zur Kündigung im Falle eines Verstoßes hingewiesen. Hieran habe sich die Beklagte aber nicht gehalten. Schließlich habe es die Beklagte zumindest seit 2014 geduldet, dass Angestellte die Dienstfahrzeuge auch in ähnlicher Weise zu privaten Zwecken nutzten. Da sich die untergeordneten Dienststellen jederzeit auch außerhalb seiner Dienstzeiten an ihn gewandt hätten, habe er sozusagen permanent Bereitschaftsdienst gehabt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt ihrer wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 29.06.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe


Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

Die in zweiter Instanz seitens der Beklagten erhobene hilfsweise Widerklage ist ebenfalls zulässig. Der Auflösungsantrag kann nach § 9 Abs. 1 S. 3 KSchG bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gestellt werden. Er kann deshalb weder in erster noch in zweiter Instanz als verspätet zurückgewiesen werden. § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG ist lex speciales gegenüber § 533 ZPO..

In der Sache selbst haben weder die Berufung noch der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag Erfolg, da sie unbegründet sind.

Das Arbeitsgericht hat dem Kündigungsfeststellungsantrag zu Recht stattgegeben. Die hiergegen von der Berufung erhobenen Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete weder durch die außerordentliche Kündigung vom 11.05.2016 fristlos noch durch die ordentliche Kündigung vom 19.05.2016 fristgerecht zum 30.06.2016.

Die Voraussetzungen für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung lagen hier nicht vor.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht.212.

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen.

Gemessen an diesen Voraussetzungen war die Beklagte nicht berechtigt, das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos zu kündigen. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe sowohl am 03.03.2016 als auch am 03.05.2016 gegen das Verbot, Dienstfahrzeuge zu privaten Zwecken zu nutzen, verstoßen. Weder die einzelnen Vertragsverstöße noch die Summe derselben rechtfertigen vorliegend eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 abs. 1 BGB.

Mit der Beklagten geht allerdings auch die Berufungskammer davon aus, dass der Kläger sowohl am 03.03.2016 als auch am 03.05.2016 gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen verstoßen hat. Es handelt sich hierbei um die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Pflicht dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Auch die Verletzung solcher vertraglicher Nebenpflichten kann je nach der Art der Nebenpflicht und dem damit verbundenen Schutzinteresse des Arbeitgebers und dem Schweregrad der Verletzung einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen.

Der Kläger hat sowohl am 03.03.2016 als auch am 03.05.2016 gegen das ausdrücklich erklärte Verbot, Dienstfahrzeuge für private Zwecke zu benutzen verstoßen. Er hat es als Dienststellenleiter zumindest zugelassen, dass ein Bundesfreiwilligendienstleistender am 03.03.2016 mit einem Dienstfahrzeug ein privates Sakko für ihn aus der Reinigung abholt und am 03.05.2016 hat er sich von einem Auszubildenden mit einem Dienstfahrzeug von dem Dienstort K. aus von seinem Wohnort in S. abholen und nach Dienstschluss wieder zurückfahren lassen. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass diese vom Kläger initiierten Privatfahrten mit Dienstfahrzeugen auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass private Fahrten mit Dienstfahrzeugen gerade nicht absolut verboten waren, vorliegend nicht unter irgendeinen Erlaubnistatbestand fielen. Dies behauptet der Kläger auch nicht. Insbesondere hatte der Kläger am 03.05.2016 keinen Bereitschaftsdienst im arbeitsrechtlichen Sinne. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger auch außerhalb seiner Dienstzeiten von den Mitarbeitern der verschiedenen Dienststellen telefonisch kontaktiert worden ist. Er kann sich mithin nicht auf den Erlaubnistatbestand des Absatzes vier der Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014 berufen. Da die Beklagte ein fundamental berechtigtes Interesse daran hat, dass die Dienstfahrzeuge jederzeit für dienstliche Zwecke zur Verfügung stehen und damit gerade nicht privat genutzt werden, ist der Verstoß gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen und damit die Verletzung dieser konkreten Nebenpflicht an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.

Allerdings verstieß vorliegend die außerordentliche Kündigung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es war der Beklagten aus der Sicht eines besonnen agierenden Arbeitgebers gerade nicht unzumutbar, den Kläger weiterzubeschäftigen. Vielmehr hätte die Beklagte den Kläger vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung abmahnen müssen.

Beruht die Vertragspflichtverletzung - wie vorliegend - auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei den Pflichtverletzungen vom 03.03.2016 und vom 03.05.2016 auch nicht um derart schwerwiegende Verstöße gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen, dass dem Kläger von vornherein hätte bewusst sein müssen, dass es der Beklagten keinesfalls zumutbar war, das Arbeitsverhältnis mit ihm fortzusetzen.

Dies gilt insbesondere für den Vorfall vom 03.03.2016. Die Beklagte ist dem klägerischen Vortrag, dass der Bundesfreiwilligendienstleistende das private Sakko des Klägers auf dem Rückweg einer Dienstfahrt ohne nennenswerten Umweg abgeholt hat, auch in der zweiten Instanz nicht entgegengetreten. Es handelte sich mithin nicht um eine ausschließlich zu privaten Zwecken getätigte Dienstfahrt des Bundesfreiwilligendienstleistenden. Dass der Beklagten infolge des durch den Kläger verursachen privaten Umweges, den der Bundesfreiwilligendienstleistende gemacht hat, irgendein Schaden entstanden ist, ist weder von der Beklagten vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Hieran ändert auch die Vorgesetztenfunktion des Klägers nichts. Allein der Umstand, dass der Kläger möglicherweise seine Vorgesetztenstellung ausgenutzt hat, um Privatfahrten mit Dienstfahrzeugen für sich durchführen zu lassen, macht nicht jedweden Verstoß gegen die Verpflichtungserklärung vom 08.04.2016 gleichsam zu einem derart schwerwiegenden Verstoß, dass es der Beklagten auch ohne vorherige Abmahnung von vornherein nicht zumutbar ist, ihn weiter zu beschäftigen. Bei dem Vorfall vom 03.03.2016 hat die Kammer bereits Zweifel daran, ob dieser Verstoß überhaupt „an sich“ geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014 gerade kein absolutes Verbot jedweder privaten Nutzung der Dienstfahrzeuge enthält. Vielmehr enthält diese Verpflichtungserklärung sowohl im vierten Absatz als auch im fünften und damit letzten Absatz Ausnahmen, nach denen unter bestimmten Umständen Privatfahrten mit Dienstfahrzeugen toleriert werden. Wenn anlässlich einer Dienstfahrt ein kurzer privater Stopp oder kleiner Umweg gemacht wird, um eine kurze private Angelegenheit zu erledigen, verstößt dies ersichtlich nicht gegen den Sinn und Zweck des hier in Rede stehenden Verbotes, d. h. der Sicherstellung, dass die Dienstfahrzeuge jederzeit für dienstliche Einsätze zur Verfügung stehen.

Aber auch der aus Sicht der Kammer wesentlich gravierendere Vorfall vom 03.05.2016 ist nicht derart schwerwiegend, dass es der Beklagten schlechterdings auch ohne vorherige Abmahnung nicht zuzumuten war, den Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Kläger das Dienstfahrzeug sowohl in zeitlicher als auch in quantitativer Hinsicht in nicht unerheblichem Umfang für private Zwecke eingesetzt hat. Im Falle des Klägers zählen diese Fahrten zum Dienst und wieder nach Hause im Unterschied zu Dienstreisezeiten unstreitig nicht zur Arbeitszeit und sind mithin ausschließlich der privaten Sphäre zuzurechnen. Es ist indessen nicht ersichtlich, dass infolge der vom Kläger veranlassten Privatfahrten am 03.05.2016 dienstlich erforderliche Fahrten gerade mit diesem Fahrzeug nicht hätten durchgeführt werden können oder dass ein anderes Dienstfahrzeug für erforderlich werdende Dienstfahrten nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass es überhaupt aufgrund der strittigen Privatfahrten am 03.05.2016 zu konkreten Störungen im Betriebsablauf gekommen ist oder solche Störungen zumindest zu befürchten gewesen sind. Der Vorfall vom 03.05.2016 erweist sich mithin nicht als eine so schwere Pflichtverletzung, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger aus der ex ante Sicht erkennbar - ausgeschlossen war. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger diese Privatfahrten allein deshalb initiiert hat, um zum Dienst zu kommen. Es macht aus Sicht der Kammer einen Unterschied, ob die verbotenen Privatfahrten mit Dienstfahrzeugen einen dienstlichen Bezug - wie vorliegend - in Form von sogenannten Wegezeiten haben oder ausschließlich privaten Interessen dienen. Der Schweregrad der Pflichtverletzung und damit die Beurteilung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hängen mithin auch maßgeblich von der Art der Privatfahrt ab. Zwar rechtfertigen weder das defekte Privatauto des Klägers noch der Umstand, dass aufgrund des vorangegangenen Urlaubs viel Arbeit auf den Kläger wartete, die verbotenen Privatfahrten am 03.05.2016; denn der Kläger hätte auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Dienst gelangen können. Die Reparatur seines privaten Autos ist allein seine Privatangelegenheit. Vorliegend kann aber nicht außer Acht gelassen werden, dass sich der Kläger aus S. hat abholen und nach Dienstschluss wieder hat zurückfahren lassen, um in K. seinen Dienst ausüben zu können. Die Privatnutzung des Dienstfahrzeugs hatte mithin einen dienstlichen Bezug. Vor diesem Hintergrund war auch die nicht geringfügige Privatnutzung eines Dienstfahrzeugs nicht derart schwerwiegend, dass es der Beklagten schlechterdings nicht mehr zumutbar war, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen. Vielmehr hätte die Beklagte den Kläger vor Ausspruch der fristlosen Kündigung zuvor abmahnen müssen.

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger eine Abmahnung nicht hätte zur Warnung dienen lassen. Hierfür spricht auch nicht, dass der Kläger im vorliegenden Prozess die beiden privat veranlassten Fahrten mit einem Dienstfahrzeug aus seiner Sicht zu rechtfertigen versucht hat. Der Kläger hat in seinen Schriftsätzen lediglich sachlich auf die Umstände hingewiesen, die zu den strittigen Privatfahrten führten und warum aus seiner Sicht sein Verhalten kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung darstellte. Dem Prozessverhalten des Klägers kann indessen nicht entnommen werden, dass der Kläger im Falle einer Abmahnung gleichwohl wieder in gleicher Weise Dienstfahrzeuge für private Zwecke einsetzen würde.

Unstreitig hat die Beklagte gegenüber dem Kläger noch gar keine Abmahnung wegen irgendeiner Vertragsverletzung ausgesprochen, geschweige denn ihn wegen einer gleichartigen Pflichtverletzung abgemahnt.

Bei Pflichtverletzungen, die auf steuerbarem Verhalten beruhen, begründet der Ausspruch einer infolge einer Pflichtverletzung ausgesprochenen konkreten Abmahnung im Wiederholungsfalle in der Regel die negative Prognose. Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise konkrete Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfalle seien Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet. Mit der Abmahnung soll der Arbeitnehmer an die ordnungsgemäße Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten erinnert und vor Konsequenzen bei weiterem Fehlverhalten gewarnt werden.

Eine sogenannte vorweggenommene Abmahnung durch Aushang am „Schwarzen Brett“, Rundschreiben oder im Arbeitsvertrag, mit welchem der Arbeitgeber darauf hinweist, dass er ein bestimmtes, näher bezeichnetes Verhalten nicht duldet und für den Fall der Pflichtwidrigkeit die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ankündigt, genügt grundsätzlich nicht den Anforderungen einer Abmahnung. Die vorweggenommene Abmahnung enthält lediglich den generellen Hinweis des Arbeitgebers, dass bestimmte, in der Regel genau bezeichnete Pflichtverletzungen, zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen von einer Ermahnung bis hin zur fristlosen Kündigung führen können. Die von einer vorweggenommenen Abmahnung ausgehende Warn- und Hinweisfunktion ist nicht vergleichbar mit derjenigen, die von einer konkreten förmlichen Abmahnung ausgeht. Dies wird auch daran deutlich, dass mit zunehmender Dauer und beanstandungsloser Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die Warnfunktion einer Abmahnung an Gewicht verliert. So kann es nach einer längeren Zeit einwandfreier Führung einer erneuten Abmahnung bedürfen, bevor eine verhaltensbedingte Kündigung wegen einer erneuten gleichartigen Pflichtverletzung gerechtfertigt wäre. Anders als bei einer förmlichen Abmahnung kann im Anschluss an eine vorweggenommene Abmahnung in der Regel gerade nicht davon ausgegangen werden, dass bei einer danach begangenen erneuten Pflichtverletzung eine negative Prognose gegeben ist. Eine solche vorweggenommene Abmahnung kann eine Abmahnung nach Tatbegehung ausnahmsweise dann ersetzen, wenn sich die Pflichtverletzung letztlich unter Berücksichtigung des vorweggenommenen Fingerzeigs als beharrliche Arbeitsverweigerung herausstellt.

Auch wenn man davon ausgeht, dass in Absatz 3 Satz 1 der Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014 eine sogenannte vorweggenommene Abmahnung enthalten ist, ist im vorliegenden Falle eine auf die konkret begangenen Pflichtverletzungen vom 03.03.2016 und 03.05.2016 bezogene Abmahnung gerade nicht entbehrlich. Unter Berücksichtigung der Wertungen des § 323 Abs. 2 BGB i. V. m. § 314 Abs. 2 BGB sind an die Anforderungen der Entbehrlichkeit einer förmlichen Abmahnung aufgrund einer vorweggenommenen Abmahnung strenge Anforderungen zu stellen. Eine vorweggenommene Abmahnung kann nur dann eine konkrete Abmahnung nach Tatbegehung ersetzen, wenn der Arbeitgeber diese bereits in Ansehung einer möglicherweise bevorstehenden Pflichtverletzung ausspricht, sodass die dann tatsächlich zeitnah folgende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers aus Sicht eines besonnenen Arbeitgebers als beharrliche Arbeitsverweigerung angesehen werden muss.

Diese Voraussetzungen liegen hier indessen nicht vor. Von einer negativen Prognose hätte nur dann ausgegangen werden können, wenn der Auszubildende die Beklagte bereits am 02.05.2016 von der Anweisung des Klägers, ihn aus S. mit dem Dienstfahrzeug abzuholen, unterrichtet hätte, und die Beklagte dem Kläger unverzüglich nochmals unter konkreten Hinweis auf den Inhalt des Absatzes 3 der Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014 verboten hätte, sich mit einem Dienstfahrzeug am 03.05.2016 von zu Hause aus zum Dienst in K. abholen zu lassen und der Kläger in Ansehung dieser erneuten Warnung gleichwohl am 03.05.2016 gegen das strittige Verbot verstoßen hätte. Weder der Vorfall vom 03.03.2016 noch derjenige vom 03.05.2016 können als beharrliche Arbeitsverweigerung gewertet werden.

Dementsprechend hat die außerordentliche Kündigung vom 11.05.2016 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht fristlos beendet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aber auch nicht aufgrund der ordentlichen Kündigung vom 19.05.2016 zum 30.06.2016.

Die auf die gleichen Kündigungsgründe gestützte verhaltensbedingte ordentliche Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt. Auch die streitgegenständliche ordentliche Kündigung verstößt vorliegend gegen den das Kündigungsrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers i.S.v. § 1 Abs. 2 S 1 KSchG eine Kündigung "bedingt", gilt ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob dem Kündigenden die Weiterbeschäftigung - bei der ordentlichen Kündigung auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus - aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht.

Vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 19.05.2016 hätte die Beklagte den Kläger abmahnen müssen. Auch bei der Prognoseentscheidung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG gilt, dass es vor Ausspruch einer auf steuerbares Verhalten gestützten ordentlichen Kündigung einer vorherigen Abmahnung nur dann nicht bedarf, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar -ausgeschlossen ist.

Diese Voraussetzungen zum Verzicht einer vorherigen Abmahnung liegen hier indessen nicht vor. Insoweit kann und soll zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe unter Ziff. I. 1. verwiesen werden. Die ordentliche Kündigung vom 19.05.2016 hat das Arbeitsverhältnis mangels sozialer Rechtfertigung nicht zum 30.06.2016 beendet.

Da die Berufung der Beklagten in Bezug auf die Stattgabe der Kündigungsfeststellungsanträge unbegründet war, musste über den in zweiter Instanz seitens der Beklagten hilfsweise gestellten Auflösungsantrag entschieden werden. Der Auflösungsantrag ist nicht begründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 9, 10 KSchG.

Unter Beachtung der auf Bestandsschutz gerichteten Intention des Kündigungsschutzgesetzes kommt auf Antrag des Arbeitgebers eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nur in Betracht, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Dabei sind an die Gründe strenge Voraussetzungen zu stellen. Auflösungsgründe i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist. In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Auch Erklärungen des Arbeitnehmers oder von ihm veranlasste Erklärungen seines Prozessbevollmächtigten, wenn er sie sich zu eigen gemacht hat, können relevant sein. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse gedeckt sein können. Parteien dürfen zur Verteidigung ihrer Rechte schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründeter Umstand prozesserheblich sein kann. Ein Prozessbeteiligter darf dabei auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können.

Hieran gemessen liegen die strengen Voraussetzungen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hier nicht vor.

Die Beklagte kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass der Kläger kein Unrechtsbewusstsein gezeigt hat. Hierbei verkennt die Beklagte bereits, dass der Kläger im Kündigungsrechtsstreit nach Art. 103 GG das Recht hat, die von ihm subjektiv angenommenen Rechtfertigungsgründe für das ihm zur Last gelegte Verhalten vorzutragen. Allein der Umstand, dass sich der Kläger nicht für die strittigen Privatfahrten mit dem Dienstfahrzeug am 03.03.2016 und 03.05.2016 bei der Beklagten entschuldigt hat oder diese arbeitsvertraglichen Pflichtverstöße ihr gegenüber eingeräumt hat, begründet keinen Auflösungsantrag.

Entgegen der Auffassung der Beklagten belegt die verbotene Privatnutzung der Dienstfahrzeuge am 03.03.2016 und 03.05.2016 auch nicht von vornherein die Ungeeignetheit des Klägers als Dienststellenleiter. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Privatnutzung von Dienstfahrzeugen in Zusammenhang mit der Ausübung des Dienstes gerade nicht ausnahmslos verboten war. So gibt es unstreitig sogenannte „tolerierte Privatfahren“, die der regelmäßig aktualisierten Übersicht in dem Doku Nr. P 39 „Anhaltspunkte zur Behandlung von Fahrten mit einem Dienst-/Poolfahrzeug als Dienst-/Privatfahrt“ zu entnehmen sind.

Auch die objektiv fehlerhaften Angaben zu den Abfahrtszeiten der Busse in der eidesstattlichen Versicherung des Klägers vom 07.07.2016 rechtfertigen nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 9, 10 KSchG. Der Kläger hat ausgeführt, dass der erste Bus um 9:04 Uhr und der nächste um 11:04 Uhr für ihn „verfügbar“ gewesen wären. Diese Aussage stand ersichtlich mit der Notwendigkeit, zuvor noch das Auto zur Reparatur in der Werkstatt abzugeben, in Verbindung. Dies ergibt sich aus dem vorstehenden Inhalt der eidesstattlichen Versicherung. Denn dort hatte der Kläger ausgeführt, dass der Zeuge H. zunächst angeboten hatte, ihn am 03.05.2016 von der Werkstatt abzuholen. Diesen Zusammenhang hat der Kläger auch noch einmal in der Berufungsverhandlung klar gestellt, in dem er darauf hingewiesen hat, dass die Werkstatt erst um 9:00 Uhr öffnet. Die genannten Abfahrtzeiten bezogen sich auf den „ersten Bus“ nach Öffnung der Werkstatt. Eine bewusste Täuschung oder gar ein Prozessbetrug kann hierin nicht erblickt werden.

Auch der Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe seinem Vorgesetzten Machtmissbrauch vorgeworfen, rechtfertigt nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Dieser Vortrag ist bereits unsubstantiiert und erweist sich im Übrigen nicht als grobe Beleidigung. Die Kammer kann nicht beurteilen, ob der Kläger durch das Verhalten des Bezirksgeschäftsführers möglicherweise durch ungerechtfertigtes Vorenthalten eines Zwischenzeugnisses provoziert worden ist.

Ungeachtet der fehlenden Substantiierung kann aber auch ein Auflösungsanspruch nach §§ 9, 10 KSchG nicht darin erblickt werden, dass der Kläger seit Anfang 2017 Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter über soziale Netzwerke zu den Gepflogenheiten zur privaten Nutzung von Dienstfahrzeugen befragt hat. Es kann einem Arbeitnehmer im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens nicht verwehrt werden, entlastende Tatsachen selbst zu ermitteln. Dies gebietet die „Waffengleichheit“. Allein der Umstand, dass der Kläger die Mitarbeiter zu einer der Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014 entgegenstehenden betrieblichen Übung zur Privatnutzung von Dienstfahrzeugen befragt hat, macht es der Beklagten nicht unzumutbar, ihn weiterzubeschäftigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn er bei seinen Befragungen keinen Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt hat. In der Berufungserwiderung vom 14.04.2017 hat der Kläger die Behauptung aufgestellt, dass sich für die Nutzung der Dienstwagen zu privaten Zwecken bei der Beklagten eine betriebliche Übung gebildet habe. Es ist durch nichts belegt, dass die strittigen Fragen allein dem Nachweis von Fehlverhalten anderer Mitarbeiter und der nachfolgenden Sanktionierung derselben dienten.

Die Beklagte hat mithin bereits keine schlüssigen Gründe vorgetragen, die eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach §§ 9, 10 KSchG bedingen. Eines Schriftsatznachlasses für den Kläger bedurfte es nicht. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist nicht begründet.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Revision lag nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG. Die Frage einer vorherigen Abmahnung im Falle einer verhaltensbedingten außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung ist höchstrichterlich geklärt. Von diesen höchstrichterlich entwickelten Grundsätzen weicht die vorliegende Einzelfallentscheidung nicht ab.

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published on 29/06/2017 00:00

Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 07.12.2017, Az.: ö.D. 2 Ca 707 d/16, wird insgesamt abgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. 3. Die Revision wird nicht zugelasse
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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 07.12.2017, Az.: ö.D. 2 Ca 707 d/16, wird insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren um die Wirksamkeit einer außerordentlichen und ordentlichen Kündigung sowie um einen Auflösungsantrag der Beklagten.

2

Der 37-jährige, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 07.04.2014 zuletzt als Leiter der Dienststelle in K. und F. zu einem Monatsgehalt von ca. 4.000,00 € brutto beschäftigt. Regelmäßiger Arbeitsort ist die Dienststelle K.. Der Kläger unterschrieb am 08.04.2014 die „Verpflichtungserklärung zur Einhaltung des Verbots der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen“, die u. a. folgenden Wortlaut hat (Bl. 27 d. A.):

3

„Ich verpflichte mich,

4

dienstlich überlassende Fahrzeuge ausschließlich für dienstliche Zwecke zu nutzen. Private Fahren, d. h. Fahrten ohne dienstliche Veranlassung, sind mit Dienstfahrzeugen strengstens untersagt.

5

6

Ich bin darüber belehrt worden, dass ein Verstoß gegen diese Anordnung arbeitsrechtliche Folgen (Ermahnung / Abmahnung / Kündigung / o. a.) haben wird. …

7

Im Rahmen von Bereitschaftsdiensten werden Privatfahrten toleriert, soweit sie die Durchführung dieses Dienstes nicht beeinträchtigen und sie untrennbar mit dem Bereitschaftsdienst einhergehen.

8

Näheres zum zulässigen Umfang der tolerierten Privatfahrten entnehmen Sie aus der anliegenden Übersicht „Anhaltspunkte zur Behandlung von Fahrten mit einem Dienst-/ Poolfahrzeug als Dienst-/Privatfahrt“ (Doku Nr. P 39). Wir weisen Sie darauf hin, dass dieses Dokument immer wieder und fortlaufend aktualisiert wird. Die jeweilige aktuelle und gültige Fassung entnehmen Sie bitte aus dem Intranet.

9

…“

10

Am 03.03.2016 holte der Bundesfreiwilligendienstleistende B. anlässlich einer dienstlich veranlassten Fahrt mit einem Dienstfahrzeug ein privates Sakko des Klägers aus einer Reinigung in F. mit Billigung des Klägers ab. Hiervon erlangte die Beklagte am 28.04.2016 Kenntnis. Vom 18.04.2016 bis zum 30.04.2016 befand sich der Kläger in Urlaub. Am Montag, 02.05.2016, verrichtete er seinen Dienst in K.. Am Dienstag, 03.05.2016, ließ sich der Kläger von dem Auszubildenden G. morgens von seinem Wohnsitz in S. aus abholen und am Nachmittag wieder nach Hause fahren. Das Dienstfahrzeug wurde auf diese Weise viermal auf der Strecke K. - S. bewegt, sodass insgesamt eine Fahrtstrecke von etwa 112 km zurückgelegt wurde. Es ist streitig, ob der Kläger den Zeugen G. bereits telefonisch am 28.05.2016 anwies ihn abzuholen oder erst im Laufe des 02.05.2016. Hiervon erlangte die Beklagte am 04.05.2016 Kenntnis. Mit Schreiben vom 09.05.2016 hörte die Beklagte die Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an (Bl. 22 ff. d. A.). Am 10.05.2016 stimmte die Mitarbeitervertretung der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zu (Bl. 22 f. d. A.). Mit Schreiben vom 11.05.2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung (Bl. 12 d. A.). Mit Schreiben vom 19.05.2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis hilfsweise erneut ordentlich zum 30.06.2016.

11

Der Kläger hat vorgetragen,

12

er habe das Sakko am 03.03.2016 selbst auf dem Rückweg von der Dienststelle in F. nach K. im C.-Park F. abholen und deshalb auch früher aufbrechen wollen. Die stellvertretende Dienststellenleiterin P. habe deshalb vorgeschlagen, dass der Zeuge B. das Sakko auf dessen Rückweg von einem Termin abholen könne, da es sowohl räumlich als auch zeitlich passen würde. Dem habe er, der Kläger, zugestimmt und habe somit bis ca. 16.00 Uhr in der Dienststelle bleiben und dort arbeiten können, ohne frühzeitiger losfahren müssen. Nach Urlaubsrückkehr Ende April 2016 sei sein Auto defekt gewesen, sodass er bereits am 02.05.2016 mit dem defekten Auto zum Dienst gefahren sei. Da aufgrund seines zweiwöchigen Urlaubs eine Menge Arbeit liegen geblieben, seine Ehefrau mit dem Zweitwagen in der Schweiz gewesen sei und er, der Kläger, bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel erst um 11:45 Uhr am Hauptbahnhof gewesen wäre und er zudem auch noch Rufbereitschaft gehabt habe, habe er den Auszubildenden ausnahmsweise beauftragt, ihn am 03.05.2016 aus S. abzuholen und nach Dienstschluss wieder zurückzufahren, da sein Auto an diesem Tag in der Werkstatt repariert worden sei. Gemäß der Verpflichtungserklärung zur Einhaltung des Verbots der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen sei es während der Rufbereitschaft erlaubt, das Dienstfahrzeug für Privatfahrten zu nutzen. Im Übrigen seien die Kündigungen unverhältnismäßig gewesen. Die Beklagte hätte zumindest zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen.

13

Der Kläger hat beantragt,

14

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 11.05.2016 nicht aufgelöst worden ist;

15

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 19.05.2016 aufgelöst worden ist;

16

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 11.05.2016 zu unveränderten Bedingungen auf demselben Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Die Beklagte hat gemeint,

20

die außerordentliche, jedenfalls aber die ordentliche Kündigung seien wirksam und beendeten das Arbeitsverhältnis. Der Kläger habe wiederholt gegen die Nutzungsvereinbarung für Dienstwagen verstoßen. Am 03.03.2016 habe der Kläger den Bundesfreiwilligendienstleistenden B. während seiner, des Klägers, Arbeitszeit beauftragt, private Kleidung mit einem Dienstfahrzeug aus der Reinigung abzuholen. Der Dienstleistende B. sei der Weisung seines Vorgesetzten nachgekommen und habe den Auftrag unstreitig erledigt. Des Weiteren habe der Kläger bereits am 28.04.2016 unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner Vorgesetztenstellung den Auszubildenden G. telefonisch angewiesen, ihn am 03.05.2016 aus S. abzuholen und hernach auch wieder zurückzufahren. Der Umstand, dass der Kläger nicht selbst gefahren sei, sondern die Fahrten von unterstellten Mitarbeitern habe durchführen lassen, sei unerheblich. Denn die Privatfahrten seien auf seine Veranlassung und ausschließlich zum eigenen Nutzen des Klägers durchgeführt worden. Durch die Pflichtverletzungen des Klägers sei ihr, der Beklagten, ein finanzieller Schaden entstanden. Zusätzlich seien die Arbeitszeiten des Auszubildenden G. und des Bundesfreiwilligendienstleistenden B. für private Zwecke des Klägers aufgewendet worden. Neben dem entstandenen finanziellen Schaden sei das Vertrauensverhältnis zum Kläger durch das eigenwirtschaftliche Ausnutzen seiner Vorgesetztenfunktion für private Zwecke unwiederbringlich zerstört. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil der Kläger nicht habe damit rechnen dürfen, dass sie, die Beklagte, seine von Eigennutz und unter Ausnutzung seiner Leitungsfunktion bestimmte Handlungsweise hinnehmen würde.

21

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.12.2016 der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Der Vorfall vom 03.03.2016 rechtfertige weder eine fristlose noch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Der Kläger habe sich darauf berufen, dass der Zeuge B. sein Sakko beiläufig auf dem Rückweg von einer Dienstfahrt von der Reinigung abgeholt habe, es sich mithin nicht um eine verbotene Privatfahrt gehandelt habe. Diese Einlassung des Klägers habe Auswirkungen auf das Maß der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung. Soweit die Beklagte diese Einlassung bestritten und sich erst im Kammertermin vom 07.12.2016 auf das Zeugnis des Zeugen B. berufen habe, sei dieses Beweisangebot als verspätet zurückzuweisen gewesen. Aber auch der Vorfall vom 03.05.2016 rechtfertige weder eine fristlose noch eine ordentliche Kündigung. Der Kläger habe zwar gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen verstoßen, indem er sich von dem Auszubildenden G. von zu Hause abholen und wieder zurückbringen lassen habe. Aber aufgrund der Einlassungen des Klägers sei davon auszugehen, dass er nach einer entsprechenden Abmahnung dergleichen Pflichtverstöße nicht wieder begehen werde. Da die Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014 als Rechtsfolge von Verstößen auch nicht Ermahnung und Abmahnung enthalte, habe der Kläger auch nicht mit einer sofortigen Kündigung rechnen müssen.

22

Gegen das ihr am 29.12.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06.01.2017 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 14.03.2017 am 10.03.2017 begründet.

23

Die Beklagte wiederholt und vertieft

24

ihren erstinstanzlichen Vortrag. Das Arbeitsgericht habe nicht gewürdigt, dass der Kläger sowohl am 03.03.2016 als auch am 03.05.2016 die „schwächsten Glieder“ innerhalb der Hierarchie angewiesen habe, für ihn unerlaubte Privatfahrten mit Dienstfahrzeugen durchzuführen. Dass die private Nutzung von Dienstfahrzeugen strengstens untersagt gewesen sei, habe der Kläger ebenso gewusst wie die arbeitsrechtliche Sanktionierung entsprechender Verstöße. Es sei auch unerheblich, ob der Kläger eigeninitiativ den Zeugen B. am 03.03.2016 beauftragt habe, das Sakko aus der Reinigung abzuholen oder ob die ihm unterstellte Mitarbeiterin P. den Vorschlag gemacht habe, der Zeuge B. könne das Jackett abholen. Im letzteren Fall hätte er als Dienststellenleiter zugelassen, dass ihm unterstellte Mitarbeiter gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen verstoßen. Zudem trage der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für einen ihn entlastenden Sachverhalt. Der Kläger habe unstreitig auch am 03.05.2016 gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen verstoßen. Er habe die Arbeitskraft eines Auszubildenden für ganze zwei Stunden zweckwidrig eingesetzt und zudem gegen das ausdrückliche Verbot vom 08.04.2014 verstoßen. Diese Privatfahrten seien durch nichts gerechtfertigt gewesen. Die Einlassungen des Klägers zum defekten Auto seien in sich widersprüchlich. Der Kläger habe auch keine Rufbereitschaft gehabt. Der Kläger hätte zudem die Möglichkeit gehabt, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Dienst zu fahren, z. B. mit dem Bus um 6:27 Uhr oder um 7:03 Uhr. Diese Fakten habe das Arbeitsgericht nicht gewürdigt. Die außerordentliche Kündigung sei auch nicht wegen einer fehlenden Abmahnung unverhältnismäßig gewesen. Einer vorherigen Abmahnung habe es angesichts der eindeutig formulierten Verbotsvereinbarung nicht bedurft. In dieser Verbotsvereinbarung sei der Kläger zudem auf die arbeitsrechtlichen Sanktionen bei einem Verstoß gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen ausdrücklich hingewiesen worden. Damit sei die Warnfunktion einer Abmahnung erfüllt und zwar für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses.

25

Das Arbeitsverhältnis sei hilfsweise aufzulösen. Ihr, der Beklagten, sei aufgrund des Verhaltens des Klägers die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Der Kläger habe sich im Prozess damit gerechtfertigt, dass er auf „Veranlassung“ seiner Stellvertreterin P., am 03.03.2016 das Sakko aus der Reinigung habe abholen lassen. Zudem habe er in Bezug auf die Abfahrzeiten der Busse am 03.05.2016 in der eidesstattlichen Versicherung falsche Angaben gemacht. Außerdem habe er im Prozess wahrheitswidrig behauptet, am 03.05.2016 Bereitschaftsdienst gehabt zu haben. Der Kläger habe kein Unrechtsbewusstsein gezeigt. Er habe schließlich seinen Vorsetzten, den Bezirksgeschäftsführer, des Machtmissbrauchs beschuldigt, weil sie, die Beklagte, dieses Berufungsverfahren durchführe und ihm die Erteilung eines Zwischenzeugnisses verweigere. Dem Kläger sei deswegen erneut gekündigt worden (ArbG Kiel, 2 Ca 293 d/17). Seit Anfang 2017 kontaktiere er Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter über soziale Netzwerke und frage nach den Gepflogenheiten zur Dienstwagennutzung. Ein solches Verhalten entbehre jeder Kollegialität und sei als Dienststellenleiter unentschuldbar.

26

Die Beklagte beantragt,

27

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 07.12.2016, Az. Ö.D. 2 Ca 707 d/16, abzuändern und die Klage abzuweisen,

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hilfsweise,

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das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 4.000,00 € nicht überschreiten sollte, zum 30.06.2016 aufzulösen.

30

Der Kläger beantragt,

31

die Berufung insgesamt zurückzuweisen.

32

Der Kläger verteidigt

33

das angefochtene Urteil. Die Kündigung sei bereits aus formellen Gründen unwirksam, weil die Unterzeichnerin, Frau K. R., nicht kündigungsberechtigt gewesen sei. Ferner bestreitet der Kläger die Ordnungsgemäßheit der Anhörung der Mitarbeitervertretung. Zudem sei vorliegend eine vorherige Abmahnung nicht entbehrlich gewesen. In der Verpflichtungserklärung vom 08.04.2016 habe die Beklagte selbst auf abgestufte Sanktionen von der Ermahnung bis zur Kündigung im Falle eines Verstoßes hingewiesen. Hieran habe sich die Beklagte aber nicht gehalten. Schließlich habe es die Beklagte zumindest seit 2014 geduldet, dass Angestellte die Dienstfahrzeuge auch in ähnlicher Weise zu privaten Zwecken nutzten. Da sich die untergeordneten Dienststellen jederzeit auch außerhalb seiner Dienstzeiten an ihn gewandt hätten, habe er sozusagen permanent Bereitschaftsdienst gehabt.

34

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt ihrer wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 29.06.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe

35

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

36

Die in zweiter Instanz seitens der Beklagten erhobene hilfsweise Widerklage (Auflösungsantrag) ist ebenfalls zulässig. Der Auflösungsantrag kann nach § 9 Abs. 1 S. 3 KSchG bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gestellt werden. Er kann deshalb weder in erster noch in zweiter Instanz als verspätet zurückgewiesen werden. § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG ist lex speciales gegenüber § 533 ZPO. (KR-Spilger, 11. Aufl., § 9 KSchG, Rz. 20; LAG Bremen, Urt. v. 29.06.2006 - 3 Sa 222/05 -, Rn. 45, juris).

37

In der Sache selbst haben weder die Berufung (I.) noch der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag (II.) Erfolg, da sie unbegründet sind.

38

I. Das Arbeitsgericht hat dem Kündigungsfeststellungsantrag zu Recht stattgegeben. Die hiergegen von der Berufung erhobenen Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete weder durch die außerordentliche Kündigung vom 11.05.2016 fristlos (1.) noch durch die ordentliche Kündigung vom 19.05.2016 fristgerecht zum 30.06.2016 (2.).

39

1. Die Voraussetzungen für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung lagen hier nicht vor.

40

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG, 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 13; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, BAGE 146, 303).212.

41

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG, Urt. v. 09.06.2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, juris; BAG, Urt. v. 16.12.2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, juris). Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG, Urt. v. 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, juris).

42

b) Gemessen an diesen Voraussetzungen war die Beklagte nicht berechtigt, das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos zu kündigen. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe sowohl am 03.03.2016 als auch am 03.05.2016 gegen das Verbot, Dienstfahrzeuge zu privaten Zwecken zu nutzen, verstoßen. Weder die einzelnen Vertragsverstöße noch die Summe derselben rechtfertigen vorliegend eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 abs. 1 BGB.

43

aa) Mit der Beklagten geht allerdings auch die Berufungskammer davon aus, dass der Kläger sowohl am 03.03.2016 als auch am 03.05.2016 gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen verstoßen hat. Es handelt sich hierbei um die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Diese Pflicht dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (BAG, Urt. v. 08.05.2014 - 2 AZR 249/13 -, Rn. 19 juris). Auch die Verletzung solcher vertraglicher Nebenpflichten kann je nach der Art der Nebenpflicht und dem damit verbundenen Schutzinteresse des Arbeitgebers und dem Schweregrad der Verletzung einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen.

44

Der Kläger hat sowohl am 03.03.2016 als auch am 03.05.2016 gegen das ausdrücklich erklärte Verbot, Dienstfahrzeuge für private Zwecke zu benutzen verstoßen. Er hat es als Dienststellenleiter zumindest zugelassen, dass ein Bundesfreiwilligendienstleistender am 03.03.2016 mit einem Dienstfahrzeug ein privates Sakko für ihn aus der Reinigung abholt und am 03.05.2016 hat er sich von einem Auszubildenden mit einem Dienstfahrzeug von dem Dienstort K. aus von seinem Wohnort in S. abholen und nach Dienstschluss wieder zurückfahren lassen. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass diese vom Kläger initiierten Privatfahrten mit Dienstfahrzeugen auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass private Fahrten mit Dienstfahrzeugen gerade nicht absolut verboten waren, vorliegend nicht unter irgendeinen Erlaubnistatbestand fielen. Dies behauptet der Kläger auch nicht. Insbesondere hatte der Kläger am 03.05.2016 keinen Bereitschaftsdienst im arbeitsrechtlichen Sinne. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger auch außerhalb seiner Dienstzeiten von den Mitarbeitern der verschiedenen Dienststellen telefonisch kontaktiert worden ist. Er kann sich mithin nicht auf den Erlaubnistatbestand des Absatzes vier der Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014 berufen. Da die Beklagte ein fundamental berechtigtes Interesse daran hat, dass die Dienstfahrzeuge jederzeit für dienstliche Zwecke zur Verfügung stehen und damit gerade nicht privat genutzt werden, ist der Verstoß gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen und damit die Verletzung dieser konkreten Nebenpflicht an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.

45

bb) Allerdings verstieß vorliegend die außerordentliche Kündigung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es war der Beklagten aus der Sicht eines besonnen agierenden Arbeitgebers gerade nicht unzumutbar, den Kläger weiterzubeschäftigen. Vielmehr hätte die Beklagte den Kläger vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung abmahnen müssen.

46

(1) Beruht die Vertragspflichtverletzung - wie vorliegend - auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG, Urt. v. 19.04.2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, juris). Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG, Urt. v. 25.10.2012 - 2 AZR 495/11 -, Rn. 17, juris).

47

(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei den Pflichtverletzungen vom 03.03.2016 und vom 03.05.2016 auch nicht um derart schwerwiegende Verstöße gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen, dass dem Kläger von vornherein hätte bewusst sein müssen, dass es der Beklagten keinesfalls zumutbar war, das Arbeitsverhältnis mit ihm fortzusetzen.

48

(a) Dies gilt insbesondere für den Vorfall vom 03.03.2016. Die Beklagte ist dem klägerischen Vortrag, dass der Bundesfreiwilligendienstleistende das private Sakko des Klägers auf dem Rückweg einer Dienstfahrt ohne nennenswerten Umweg abgeholt hat, auch in der zweiten Instanz nicht entgegengetreten. Es handelte sich mithin nicht um eine ausschließlich zu privaten Zwecken getätigte Dienstfahrt des Bundesfreiwilligendienstleistenden. Dass der Beklagten infolge des durch den Kläger verursachen privaten Umweges, den der Bundesfreiwilligendienstleistende gemacht hat, irgendein Schaden entstanden ist, ist weder von der Beklagten vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Hieran ändert auch die Vorgesetztenfunktion des Klägers nichts. Allein der Umstand, dass der Kläger möglicherweise seine Vorgesetztenstellung ausgenutzt hat, um Privatfahrten mit Dienstfahrzeugen für sich durchführen zu lassen, macht nicht jedweden Verstoß gegen die Verpflichtungserklärung vom 08.04.2016 gleichsam zu einem derart schwerwiegenden Verstoß, dass es der Beklagten auch ohne vorherige Abmahnung von vornherein nicht zumutbar ist, ihn weiter zu beschäftigen. Bei dem Vorfall vom 03.03.2016 hat die Kammer bereits Zweifel daran, ob dieser Verstoß überhaupt „an sich“ geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014 gerade kein absolutes Verbot jedweder privaten Nutzung der Dienstfahrzeuge enthält. Vielmehr enthält diese Verpflichtungserklärung sowohl im vierten Absatz als auch im fünften und damit letzten Absatz Ausnahmen, nach denen unter bestimmten Umständen Privatfahrten mit Dienstfahrzeugen toleriert werden. Wenn anlässlich einer Dienstfahrt ein kurzer privater Stopp oder kleiner Umweg gemacht wird, um eine kurze private Angelegenheit zu erledigen, verstößt dies ersichtlich nicht gegen den Sinn und Zweck des hier in Rede stehenden Verbotes, d. h. der Sicherstellung, dass die Dienstfahrzeuge jederzeit für dienstliche Einsätze zur Verfügung stehen.

49

(b) Aber auch der aus Sicht der Kammer wesentlich gravierendere Vorfall vom 03.05.2016 ist nicht derart schwerwiegend, dass es der Beklagten schlechterdings auch ohne vorherige Abmahnung nicht zuzumuten war, den Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Kläger das Dienstfahrzeug sowohl in zeitlicher als auch in quantitativer Hinsicht in nicht unerheblichem Umfang für private Zwecke eingesetzt hat. Im Falle des Klägers zählen diese Fahrten zum Dienst und wieder nach Hause (Wegezeiten) im Unterschied zu Dienstreisezeiten unstreitig nicht zur Arbeitszeit und sind mithin ausschließlich der privaten Sphäre zuzurechnen. Es ist indessen nicht ersichtlich, dass infolge der vom Kläger veranlassten Privatfahrten am 03.05.2016 dienstlich erforderliche Fahrten gerade mit diesem Fahrzeug nicht hätten durchgeführt werden können oder dass ein anderes Dienstfahrzeug für erforderlich werdende Dienstfahrten nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass es überhaupt aufgrund der strittigen Privatfahrten am 03.05.2016 zu konkreten Störungen im Betriebsablauf gekommen ist oder solche Störungen zumindest zu befürchten gewesen sind. Der Vorfall vom 03.05.2016 erweist sich mithin nicht als eine so schwere Pflichtverletzung, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger aus der ex ante Sicht erkennbar - ausgeschlossen war. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger diese Privatfahrten allein deshalb initiiert hat, um zum Dienst zu kommen. Es macht aus Sicht der Kammer einen Unterschied, ob die verbotenen Privatfahrten mit Dienstfahrzeugen einen dienstlichen Bezug - wie vorliegend - in Form von sogenannten Wegezeiten haben oder ausschließlich privaten Interessen (Ausflugs- oder Urlaubszeiten) dienen. Der Schweregrad der Pflichtverletzung und damit die Beurteilung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hängen mithin auch maßgeblich von der Art der Privatfahrt ab. Zwar rechtfertigen weder das defekte Privatauto des Klägers noch der Umstand, dass aufgrund des vorangegangenen Urlaubs viel Arbeit auf den Kläger wartete, die verbotenen Privatfahrten am 03.05.2016; denn der Kläger hätte auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Dienst gelangen können. Die Reparatur seines privaten Autos ist allein seine Privatangelegenheit. Vorliegend kann aber nicht außer Acht gelassen werden, dass sich der Kläger aus S. hat abholen und nach Dienstschluss wieder hat zurückfahren lassen, um in K. seinen Dienst ausüben zu können. Die Privatnutzung des Dienstfahrzeugs hatte mithin einen dienstlichen Bezug. Vor diesem Hintergrund war auch die nicht geringfügige Privatnutzung eines Dienstfahrzeugs nicht derart schwerwiegend, dass es der Beklagten schlechterdings nicht mehr zumutbar war, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen. Vielmehr hätte die Beklagte den Kläger vor Ausspruch der fristlosen Kündigung zuvor abmahnen müssen.

50

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger eine Abmahnung nicht hätte zur Warnung dienen lassen. Hierfür spricht auch nicht, dass der Kläger im vorliegenden Prozess die beiden privat veranlassten Fahrten mit einem Dienstfahrzeug aus seiner Sicht zu rechtfertigen versucht hat. Der Kläger hat in seinen Schriftsätzen lediglich sachlich auf die Umstände hingewiesen, die zu den strittigen Privatfahrten führten und warum aus seiner Sicht sein Verhalten kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung darstellte. Dem Prozessverhalten des Klägers kann indessen nicht entnommen werden, dass der Kläger im Falle einer Abmahnung gleichwohl wieder in gleicher Weise Dienstfahrzeuge für private Zwecke einsetzen würde.

51

(3) Unstreitig hat die Beklagte gegenüber dem Kläger noch gar keine Abmahnung wegen irgendeiner Vertragsverletzung ausgesprochen, geschweige denn ihn wegen einer gleichartigen Pflichtverletzung abgemahnt.

52

(a) Bei Pflichtverletzungen, die auf steuerbarem Verhalten beruhen, begründet der Ausspruch einer infolge einer Pflichtverletzung ausgesprochenen konkreten Abmahnung im Wiederholungsfalle in der Regel die negative Prognose. Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise konkrete Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfalle seien Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet. Mit der Abmahnung soll der Arbeitnehmer an die ordnungsgemäße Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten erinnert (Hinweisfunktion) und vor Konsequenzen bei weiterem Fehlverhalten gewarnt werden (Warnfunktion).

53

Eine sogenannte vorweggenommene Abmahnung durch Aushang am „Schwarzen Brett“, Rundschreiben oder im Arbeitsvertrag, mit welchem der Arbeitgeber darauf hinweist, dass er ein bestimmtes, näher bezeichnetes Verhalten nicht duldet und für den Fall der Pflichtwidrigkeit die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ankündigt, genügt grundsätzlich nicht den Anforderungen einer Abmahnung (Schaub/Linck, ArbR-Hdb, 15. Aufl., § 132, Rn. 18). Die vorweggenommene Abmahnung enthält lediglich den generellen Hinweis des Arbeitgebers, dass bestimmte, in der Regel genau bezeichnete Pflichtverletzungen, zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen von einer Ermahnung bis hin zur fristlosen Kündigung führen können. Die von einer vorweggenommenen Abmahnung ausgehende Warn- und Hinweisfunktion ist nicht vergleichbar mit derjenigen, die von einer konkreten förmlichen Abmahnung ausgeht. Dies wird auch daran deutlich, dass mit zunehmender Dauer und beanstandungsloser Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die Warnfunktion einer Abmahnung an Gewicht verliert. So kann es nach einer längeren Zeit einwandfreier Führung einer erneuten Abmahnung bedürfen, bevor eine verhaltensbedingte Kündigung wegen einer erneuten gleichartigen Pflichtverletzung gerechtfertigt wäre (BAG, Urt. v. 19.07.2012 - 2 AZR 782/11 -, Rn. 20, juris; BAG. Urt. v. 02.11.2016 - 10 AZR 596/15 -, Rn. 10, juris). Anders als bei einer förmlichen Abmahnung kann im Anschluss an eine vorweggenommene Abmahnung in der Regel gerade nicht davon ausgegangen werden, dass bei einer danach begangenen erneuten Pflichtverletzung eine negative Prognose gegeben ist (LAG Düsseldorf, Urt. v. 15.08.2012 - 12 Sa 697/12 -, juris). Eine solche vorweggenommene Abmahnung kann eine Abmahnung nach Tatbegehung ausnahmsweise dann ersetzen, wenn sich die Pflichtverletzung letztlich unter Berücksichtigung des vorweggenommenen Fingerzeigs als beharrliche Arbeitsverweigerung herausstellt (LAG Hamm (Westfalen), Urt. v. 21.10.1997 - 4 Sa 707/97 -, juris).

54

(b) Auch wenn man davon ausgeht, dass in Absatz 3 Satz 1 der Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014 eine sogenannte vorweggenommene Abmahnung enthalten ist, ist im vorliegenden Falle eine auf die konkret begangenen Pflichtverletzungen vom 03.03.2016 und 03.05.2016 bezogene Abmahnung gerade nicht entbehrlich. Unter Berücksichtigung der Wertungen des § 323 Abs. 2 BGB i. V. m. § 314 Abs. 2 BGB sind an die Anforderungen der Entbehrlichkeit einer förmlichen Abmahnung aufgrund einer vorweggenommenen Abmahnung strenge Anforderungen zu stellen (LAG Düsseldorf, Urt. v. 15.08.2012 - 12 Sa 697/12 -, Rn. 53, juris). Eine vorweggenommene Abmahnung kann nur dann eine konkrete Abmahnung nach Tatbegehung ersetzen, wenn der Arbeitgeber diese bereits in Ansehung einer möglicherweise bevorstehenden Pflichtverletzung ausspricht, sodass die dann tatsächlich zeitnah folgende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers aus Sicht eines besonnenen Arbeitgebers als beharrliche Arbeitsverweigerung angesehen werden muss.

55

Diese Voraussetzungen liegen hier indessen nicht vor. Von einer negativen Prognose hätte nur dann ausgegangen werden können, wenn der Auszubildende die Beklagte bereits am 02.05.2016 von der Anweisung des Klägers, ihn aus S. mit dem Dienstfahrzeug abzuholen, unterrichtet hätte, und die Beklagte dem Kläger unverzüglich nochmals unter konkreten Hinweis auf den Inhalt des Absatzes 3 der Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014 verboten hätte, sich mit einem Dienstfahrzeug am 03.05.2016 von zu Hause aus zum Dienst in K. abholen zu lassen und der Kläger in Ansehung dieser erneuten Warnung gleichwohl am 03.05.2016 gegen das strittige Verbot verstoßen hätte. Weder der Vorfall vom 03.03.2016 noch derjenige vom 03.05.2016 können als beharrliche Arbeitsverweigerung gewertet werden.

56

(4) Dementsprechend hat die außerordentliche Kündigung vom 11.05.2016 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht fristlos beendet.

57

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aber auch nicht aufgrund der ordentlichen Kündigung vom 19.05.2016 zum 30.06.2016.

58

Die auf die gleichen Kündigungsgründe gestützte verhaltensbedingte ordentliche Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt. Auch die streitgegenständliche ordentliche Kündigung verstößt vorliegend gegen den das Kündigungsrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers i.S.v. § 1 Abs. 2 S 1 KSchG eine Kündigung "bedingt", gilt ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob dem Kündigenden die Weiterbeschäftigung - bei der ordentlichen Kündigung auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus - aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht (BAG, Urt. v. 19.11.2015 - 2 AZR 217/15 -, Rn. 34, juris).

59

Vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 19.05.2016 hätte die Beklagte den Kläger abmahnen müssen. Auch bei der Prognoseentscheidung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG gilt, dass es vor Ausspruch einer auf steuerbares Verhalten gestützten ordentlichen Kündigung einer vorherigen Abmahnung nur dann nicht bedarf, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar -ausgeschlossen ist (BAG, Urt. v. 09.06.2011 - 2 AZR 284/10 -, Rn. 35, juris).

60

Diese Voraussetzungen zum Verzicht einer vorherigen Abmahnung liegen hier indessen nicht vor. Insoweit kann und soll zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe unter Ziff. I. 1. verwiesen werden. Die ordentliche Kündigung vom 19.05.2016 hat das Arbeitsverhältnis mangels sozialer Rechtfertigung nicht zum 30.06.2016 beendet.

61

II. Da die Berufung der Beklagten in Bezug auf die Stattgabe der Kündigungsfeststellungsanträge unbegründet war, musste über den in zweiter Instanz seitens der Beklagten hilfsweise gestellten Auflösungsantrag entschieden werden. Der Auflösungsantrag ist nicht begründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 9, 10 KSchG.

62

1. Unter Beachtung der auf Bestandsschutz gerichteten Intention des Kündigungsschutzgesetzes kommt auf Antrag des Arbeitgebers eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nur in Betracht, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Dabei sind an die Gründe strenge Voraussetzungen zu stellen. Auflösungsgründe i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist. In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 674/09 -, Rn. 21, juris). Auch Erklärungen des Arbeitnehmers oder von ihm veranlasste Erklärungen seines Prozessbevollmächtigten, wenn er sie sich zu eigen gemacht hat, können relevant sein. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse gedeckt sein können. Parteien dürfen zur Verteidigung ihrer Rechte schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründeter Umstand prozesserheblich sein kann. Ein Prozessbeteiligter darf dabei auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können (vgl. BAG 29.08.2013 - 2 AZR 419/12 -, Rn. 37, juris; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 09.03.2016 - 6 Sa 415/15 -, Rn. 79, juris).

63

2. Hieran gemessen liegen die strengen Voraussetzungen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hier nicht vor.

64

a) Die Beklagte kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass der Kläger kein Unrechtsbewusstsein gezeigt hat. Hierbei verkennt die Beklagte bereits, dass der Kläger im Kündigungsrechtsstreit nach Art. 103 GG das Recht hat, die von ihm subjektiv angenommenen Rechtfertigungsgründe für das ihm zur Last gelegte Verhalten vorzutragen. Allein der Umstand, dass sich der Kläger nicht für die strittigen Privatfahrten mit dem Dienstfahrzeug am 03.03.2016 und 03.05.2016 bei der Beklagten entschuldigt hat oder diese arbeitsvertraglichen Pflichtverstöße ihr gegenüber eingeräumt hat, begründet keinen Auflösungsantrag.

65

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten belegt die verbotene Privatnutzung der Dienstfahrzeuge am 03.03.2016 und 03.05.2016 auch nicht von vornherein die Ungeeignetheit des Klägers als Dienststellenleiter. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Privatnutzung von Dienstfahrzeugen in Zusammenhang mit der Ausübung des Dienstes gerade nicht ausnahmslos verboten war. So gibt es unstreitig sogenannte „tolerierte Privatfahren“, die der regelmäßig aktualisierten Übersicht in dem Doku Nr. P 39 „Anhaltspunkte zur Behandlung von Fahrten mit einem Dienst-/Poolfahrzeug als Dienst-/Privatfahrt“ zu entnehmen sind (vgl. letzter Absatz der Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014).

66

c) Auch die objektiv fehlerhaften Angaben zu den Abfahrtszeiten der Busse in der eidesstattlichen Versicherung des Klägers vom 07.07.2016 rechtfertigen nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 9, 10 KSchG. Der Kläger hat ausgeführt, dass der erste Bus um 9:04 Uhr und der nächste um 11:04 Uhr für ihn „verfügbar“ gewesen wären. Diese Aussage stand ersichtlich mit der Notwendigkeit, zuvor noch das Auto zur Reparatur in der Werkstatt abzugeben, in Verbindung. Dies ergibt sich aus dem vorstehenden Inhalt der eidesstattlichen Versicherung. Denn dort hatte der Kläger ausgeführt, dass der Zeuge H. zunächst angeboten hatte, ihn am 03.05.2016 von der Werkstatt abzuholen. Diesen Zusammenhang hat der Kläger auch noch einmal in der Berufungsverhandlung klar gestellt, in dem er darauf hingewiesen hat, dass die Werkstatt erst um 9:00 Uhr öffnet. Die genannten Abfahrtzeiten bezogen sich auf den „ersten Bus“ nach Öffnung der Werkstatt. Eine bewusste Täuschung oder gar ein Prozessbetrug kann hierin nicht erblickt werden.

67

d) Auch der Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe seinem Vorgesetzten Machtmissbrauch vorgeworfen, rechtfertigt nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Dieser Vortrag ist bereits unsubstantiiert (wann, wo, bei welcher Gelegenheit) und erweist sich im Übrigen nicht als grobe Beleidigung. Die Kammer kann nicht beurteilen, ob der Kläger durch das Verhalten des Bezirksgeschäftsführers möglicherweise durch ungerechtfertigtes Vorenthalten eines Zwischenzeugnisses provoziert worden ist.

68

e) Ungeachtet der fehlenden Substantiierung kann aber auch ein Auflösungsanspruch nach §§ 9, 10 KSchG nicht darin erblickt werden, dass der Kläger seit Anfang 2017 Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter (wen genau, wann?) über soziale Netzwerke zu den Gepflogenheiten zur privaten Nutzung von Dienstfahrzeugen befragt hat. Es kann einem Arbeitnehmer im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens nicht verwehrt werden, entlastende Tatsachen selbst zu ermitteln. Dies gebietet die „Waffengleichheit“. Allein der Umstand, dass der Kläger die Mitarbeiter zu einer der Verpflichtungserklärung vom 08.04.2014 entgegenstehenden betrieblichen Übung zur Privatnutzung von Dienstfahrzeugen befragt hat, macht es der Beklagten nicht unzumutbar, ihn weiterzubeschäftigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn er bei seinen Befragungen keinen Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt hat. In der Berufungserwiderung vom 14.04.2017 hat der Kläger die (unsubstantiierte) Behauptung aufgestellt, dass sich für die Nutzung der Dienstwagen zu privaten Zwecken bei der Beklagten eine betriebliche Übung gebildet habe. Es ist durch nichts belegt, dass die strittigen Fragen allein dem Nachweis von Fehlverhalten anderer Mitarbeiter und der nachfolgenden Sanktionierung derselben dienten.

69

f) Die Beklagte hat mithin bereits keine schlüssigen Gründe vorgetragen, die eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach §§ 9, 10 KSchG bedingen. Eines Schriftsatznachlasses für den Kläger bedurfte es nicht. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist nicht begründet.

70

III. Nach alledem war die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

71

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

72

Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Revision lag nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG. Die Frage einer vorherigen Abmahnung im Falle einer verhaltensbedingten außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung ist höchstrichterlich geklärt. Von diesen höchstrichterlich entwickelten Grundsätzen weicht die vorliegende Einzelfallentscheidung nicht ab.


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.